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OneTouch 4.6 Gescannte Dokumente - Dr. Stefan Zimmermann

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Geschäftsnummer:<br />

5 u 55/04<br />

1 02 0 59/04 Landgericht Berlin<br />

ln dem Rechtsstreit<br />

v•••• •••• ••••• e.V.,<br />

Kammergericht<br />

Im Namen des Volkes<br />

vertreten durch den ersten Vorsitzenden ••• • • • • ,<br />

••••• •••••• ••••<br />

- Prozessbevollmächtigte:<br />

Rechtsanwälte B••• • • • • • • ,<br />

·················-<br />

ge ge n<br />

den Herrn <strong>Dr</strong>. med. •••• R•• ,<br />

•• •• • • •• • • • • ••• • • • • • • • •• • Niederlande,<br />

- Prozessbevollmächtigte:<br />

Rechtsanwälte <strong>Dr</strong>. • ••• • • K• • • • • • . ,<br />

··················-<br />

verkündet am :<br />

Antragsteller und Berufungskläger,<br />

30. November 2004<br />

Börder, Justizhauptsekretarin<br />

Antragsgegner und Berufungsbeklagten,<br />

JV 531<br />

Um die Aktualität der Datenbank im Interesse aller Nutzer zu erhalten, benötige ich alle - auch die nur Ihnen vorliegenden - Gerichtsurteile.<br />

Für die Zusendung - auch in anonymisierter Form - danke ich Ihnen verbindlich. Ihre Urteile senden Sie bitte an:<br />

Notar <strong>Dr</strong>. <strong>Stefan</strong> <strong>Zimmermann</strong>, 18055 Rostock, Kröpeliner Str. 49, Tel.:(0381) 242110, Fax:(0381) 2421150,<br />

E-Mail : stefan.zimmermann@notarnet.de, www.zimmermann-notar-rostock.de


2<br />

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts, Eißholzstraße 30- 33, 10781 Berlin, auf die mündliche<br />

Verhandlung vom 30. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase,<br />

die Richterin am Kammergericht <strong>Dr</strong>. Kasprik-Teperoglou und den Richter am Kammergericht<br />

<strong>Dr</strong>. Pahl<br />

für Recht erkannt:<br />

JV 531<br />

I. Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 20. Februar 2004 verkündete ·<br />

Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin - 102 0 59/04 -<br />

geändert:<br />

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei<br />

Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung<br />

festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 Euro, ersatzweise<br />

Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,<br />

im geschäftlichen Verkehr für sogenannte "z• • • • Medizin" wie nachfolgend<br />

abgebildet<br />

Folgende Abbildungen können aus technischen Gründen nicht<br />

wiedergegeben werden<br />

zu werben:


II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.<br />

Gründe:<br />

A.<br />

Der Antragsteller ist ein gerichtsbekannter Wettbewerbsverband. Der Antragsgegner propagiert<br />

u. a. Naturheilverfahren, die mit Gaben von Vitaminen und Spurenelementen nach seiner<br />

Auffassung Krankheiten wie Krebs erfolgreich bekämpfen können. Er ist Inhaber der beim<br />

Deutschen Patent- und Markenamt u. a. für pharmazeutische und veterinär-medizinische<br />

Erzeugnisse, Vitamine und Mineralien für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel,<br />

Ausbildung im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Nahrungsergänzung eingetragenen<br />

Wortmarken "z•• • • Medizin", "z•••• Medizin Formulars", "z••• • Medizin Ratgeber"<br />

sowie "Z•••• Medizin-Software für Ihre Gesundheit".<br />

ln der ersten Hälfte des Monats Februar 2004 unternahm der Antragsgegner eine Vortragsreise,<br />

die ihn auch für zwei Veranstaltungen am 11. und 12. Februar 2004 nach Berlin führte. Bezogen<br />

auf diese beiden Veranstaltungen in Berlin erschien in der Programmzeitschrift "t• " Heft ••• •<br />

vom 29. Januar 2004 die im Tenor eingangs abgebildete Anzeige.<br />

3<br />

Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Werbung diene letztlich dem Absatz von Mitteln<br />

zur Bekämpfung von Krebs. Deshalb laufe die Werbung den einschlägigen Vorschriften des<br />

Heilmittelwerbegesetzes und damit auch§ 1 UWG a. F. zuwider. Weiterhin handele es sich auch<br />

um Werbung mit wissenschaftlich nicht hinreichend gesicherten Wirkungsaussagen, so dass auch<br />

ein Verstoß gegen das allgemeine Irreführungsverbot nach Maßgabe des UWG wie auch des<br />

HWG vorliege. Dass die beanstandete Anzeige letztendlich ein Handeln im geschäftlichen Verkehr<br />

zu Wettbewerbszwecken bedeute, folge aus der Stellung des Antragsgegners im "R•• -Konzern",<br />

dem "Strukturvertrieb" und auch aus der Verwendung des Begriffs .. z•••• Medizin" im Text der<br />

Anzeige. Dieser Begriff stehe die für die vom Antragsgegner entwickelten Vitaminpräparate.<br />

JV 531


Der Antragsteller hat beantragt,<br />

JV 531<br />

4<br />

dem Antragsgegner unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, im<br />

geschäftlichen Verkehr für so genannte .. z•••• Medizin" zu werben:<br />

1. mit Krankheitsgeschichten oder Hinweisen auf solche, wenn dies wie folgt<br />

und/oder<br />

geschieht:<br />

.. D••• wird leben<br />

Der kleine D• • • aus dem Siegerland war an Knochenkrebs erkrankt, einem<br />

Osteosarkom am Bein, das schon Metastasen in der Lunge gebildet hatte. Die<br />

Ärzte an der Uniklinik M•••• verordneten eine Chemotherapie, an der D•••<br />

beinahe gestorben wäre. Und sie wollten operieren. Doch D•••• Eltern setzten<br />

auf das Naturheilverfahren der z•••• Medizin. Und sie erreichten in neun<br />

Monaten ein unwiderlegtes Ergebnis: Die Metastasen in D• • •• Lunge sind<br />

vollständig zurückgegangen."<br />

die folgenden Abbildungen können aus technischen Gründen nicht<br />

wiedergegeben werden


5<br />

2. mit Angaben, wonach die Mittel bei Geschwulstkrankheiten einzusetzen seien,<br />

insbesondere zu werben:<br />

2.1. "Krebs ist Heilbar! Natürlich",<br />

2.2. "Krebs ist kein Todesurteil mehr!"<br />

2.3. "Jetzt geht es um das Leben von Millionen weiteren Krebspatienten",<br />

2.3. "Die medizinische Wahrheit hat sich gegen das miliardenschwere Pharma-Geschäft<br />

mit der Krebskrankheit durchgesetzt. Verantwortungsbewusste Menschen aus allen<br />

gesellschaftlichen Schichten sind jetzt gefordert mitzuhelfen, damit das sinnlose<br />

Massensterben an der jetzt vermeidbaren Krankheit unverzüglich beendet wird."<br />

Der Antragsgegner hat beantragt,<br />

den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.<br />

Der Antragsgegner hat geltend gemacht, bei den Vorträgen handele es sich um eine rein private<br />

Betätigung. Die Vorträge erfolgten im Rahmen seines Engagements als Wissenschaftler und<br />

Publizist in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um die richtige Therapie von Krebs.<br />

Weiterhin sei er - der Antragsgegner - auch gar nicht passivlegitimiert, weil - wie er unbestritten<br />

vorgetragen hat - die Anzeige von der <strong>Dr</strong>. R•• H••• F••••• geschaltet worden sei.<br />

ln der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Antragsgegner - ohne Anerkennung<br />

einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich - eine strafbewehrte Unterlassungserklärung dahin<br />

abgegeben, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die oben genannte Anzeige nicht<br />

zu verwenden, solange darin der Satz "Doch D•••• Eltern setzten auf das Naturheilverfahren<br />

der z•• •• Medizin" enthalten sei.<br />

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügun,g zurückgewiesen. Es fehle<br />

an einem Handeln des Antragsgegners im geschäftlichen Verkehr, denn dieser habe nicht<br />

hinreichend greifbar mit einem Absatzbezug gehandelt. Der Begriff "z•• • • Medizin" werde nicht<br />

kennzeichenmäßig verwendet, sondern allgemein verfahrensbeschreibend. Auch verweise die<br />

Anzeige nicht auf Internet-Adressen mit absatzförderndem Inhalt. Nach dem Gesamtverhalten des<br />

Antragsgegners sei eine Absatzförderung zwar möglich und vielleicht sogar nicht fernliegend, aber<br />

nicht so zwingend, als dass die Vortragsserie nicht doch auch nur einem Kampf des<br />

Antragsgegners um Anerkennung in der Öffentlichkeit dienen könne und der Werbeeffekt als<br />

bloßer Reflex hingenommen werden müsse.<br />

JV 531


Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Antragsteller seinen erstinstanzliehen Vortrag. Er<br />

6<br />

stellt seinen erstinstanzliehen Antrag, allerdings mit der Maßgabe, dass es hinter "für sogenannte<br />

'Z• • • • Medizin' zu werben" heißen solle "wie nachfolgend abgebildet zu werben" und dem eine<br />

Ablichtung der konkreten Verletzungsform (Veröffentlichung gemäß Seite 4 des angefochtenen<br />

Urteils) folgen solle.<br />

Der Antragsgegner beantragt,<br />

die Berufung zurückzuweisen.<br />

Auch er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzliehen Vortrag.<br />

B.<br />

Die Berufung des Antragstellers ist begründet.<br />

Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus§ 1 UWG a. F. (§§<br />

3, 4 Nr. 11 UWG n. F.) in Verbindung mit§§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 1 HWG (in Verbindung mit<br />

der Anlage A Nr. 2 zu § 12 Abs. 2 HWG) zu.<br />

I.<br />

Der Antragsgegner ist für den Inhalt der streitgegenständlichen Anzeige verantwortlich.<br />

Zwar wird in der Anzeige auf eine "<strong>Dr</strong>. R•• H••• F••••• "verwiesen. Diese "Gesellschaft"<br />

trägt aber den Namen des Antragsgegners schon in ihrer Kennzeichnung und soll auch nach<br />

Vortrag des Antragsgegners allein für seine - nach seinem Vortrag "wissenschaftlichen" -<br />

Interessen tätig sein. ln der Anzeige wird u. a. mit der Wendung "Jetzt kommt <strong>Dr</strong>. R•• " eine<br />

Vortragstour des Antragsgegners angekündigt. Die personellen und gesellschaftsrechtlichen<br />

Verhältnisse der "F• • ••• " legt der Antragsgegner nicht näher dar. Er bestreitet auch nicht,<br />

dass die Anzeige mit seinem Wissen und Wollen gestaltet worden sei. Damit ist mangels eines<br />

hinreichenden Bestreitans von einer eigenen Verantwortlichkeit des Antragsgegners auszugehen.<br />

II.<br />

Mit dieser Anzeige hat der Antragsgegner "im geschäftlichen Verkehr" und "zu Zwecken des<br />

Wettbewerbs" gehandelt,§ 1 UWG a. F ..<br />

JV 531


1.<br />

Die Definition der "Wettbewerbshandlung" in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F. ist damit- im hier<br />

7<br />

wesentlichen Teil- deckungsgleich (vgl. Baumbach/Hefermehi/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 2 Rdn. 4,<br />

12, 22, 48).<br />

2.<br />

Zum "geschäftlichen Verkehr" gehört jede Tätigkeit, die irgendwie der Förderung eines beliebigen<br />

Geschäftszwecks dient, der auch ein fremder sein kann (BGH, GRUR 1993, 761, 762- Makler­<br />

Privatangebot; OLG Düsseldorf, WRP 1998,421, 425; Marktbezug im Sinne des§ 2 Abs. 1 Nr. 1<br />

UWG n. F., vgl. Köhle;r, a.a.O., § 2 Rdn. 12). Kommt in Betracht, dass ein Privater für einen<br />

fremden Geschäftszweck handelt, ist entscheidend, ob dies mit einer Wettbewerbsabsicht<br />

geschieht (Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 13).<br />

3.<br />

Von einer Wettbewerbsabsicht des Antragsgegners ist vorliegend auszugehen.<br />

Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr "zu Wettbewerbszwecken" liegt vor, wenn es objektiv<br />

geeignet ist, den Absatz oder den Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen<br />

und wenn ferner der Handelnde zusätzlich in der Absicht vorgegangen ist, eigenen oder fremden<br />

Wettbewerb zu fördern und diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt<br />

(BGH, GRUR 1990, 333- Schönheitschirurgie m. w. N.). Bei all dem muss die Förderung eigenen<br />

oder fremden Wettbewerbs nicht alleiniger Beweggrund einer Handlung sein. Es genügt, dass<br />

dieser Zweck hinter anderen Beweggründen nicht völlig zurücktritt (BGH, GRUR 1968, 95, 97 -<br />

Büchereinachlass). Für eine Wettbewerbsabsicht spricht bei Konkurrenten eine tatsächliche<br />

Vermutung (BGH, 1960, 386- Mampe Halb und Halb I; BGHZ 45, 296, 302- Höllenfeuer; GRUR<br />

1962, 34- Torsana).<br />

aa)<br />

Die Handlung muss objektiv geeignet sein, den Absatz oder Bezug des eigenen oder eines<br />

fremden Unternehmens zu fördern (so auch nunmehr§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG n. F.; auf das<br />

Entfallen der Voraussetzung "zum Nachteil eines anderen" kommt es vorliegend nicht an). Eine<br />

mittelbare Förderung im Sinne einer Aufmerksamkeitswerbung (lmagewerbung) genügt (BGH,<br />

GRUR 1995, 595, 596- Kinderarbeit; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 23 m. w. N.). Ob die Handlung auf<br />

eine Erweiterung oder bloße Erhaltung des Kundenstamms zielt, spielt keine Rolle (BGH, GRUR<br />

1959, 488, 489- Konsumgenossenschaften; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 23 m. w. N.).<br />

JV 531


Die vorliegende Anzeige ist geeignet, den Vertrieb der Vitaminprodukte der niederländischen<br />

M•••• R•• B.V. nach Deutschland zu fördern.<br />

(1)<br />

8<br />

Diese Vitaminprodukte sind vom Antragsgegner entwickelt worden und tragen seinen Namen (Anl.<br />

A 11, BI. 1/40 ff. d. A.; Schutzschrift S. 6). Sie werden vom Antragsgegner und im Vertrieb der<br />

M•••• R•• B.V. als "Naturheilverfahren" und "z•••• Medizin" bezeichnet (Schutzschrift S. 4,<br />

5; Anl. A 12, Ziff. 2.5, BI. 1/47 d. A., "Besondere Richtlinien ... zum Bezug der z•••• M•••<br />

Formulars", BI. 1150 d. A. und "Besondere Richtlinien ... zum Bezug und Vertrieb der Produkte der<br />

M• P••••• B. V., BI. 1/51 d. A.; Anl. A 10, BI. 1/32 ff. d. A. bzw. Anl. AG 10, BI. 1188 ff. d. A.).<br />

Der Antragsgegner ist Inhaber der Marke "z•••• Medizin", so dass diese Bezeichnung anderen<br />

Unternehmen verwehrt ist.<br />

(2)<br />

Die M• •• • R•• B. V. vertreibt die Vitaminprodukte "<strong>Dr</strong>. R••• Gesundheitsprodukte", An I. A<br />

11, BI. 1/40 d. A.) über das Internet und im Wege eines "Strukturvertriebs" durch private, neben­<br />

oder hauptberufliche "Berater" und "Verkaufsstellen" (ohne notwendige medizinische Ausbildung),<br />

die einen Rabatt bzw. eine Provision erhalten (An I. A 11, 12, BL 1/40 ff. d. A.) und insbesondere im<br />

näheren lokalen Bereich weitere Abnehmer und neue "Berater'' und "Verkaufsstellen" durch<br />

persönliche Ansprache gewinnen sollen. Die Anwendung der Produkte wird sowohl vorbeugend<br />

als auch im akuten Krankheitsfall empfohlen (vgl. An I. A 10, A 11, AG 1 0). Auch unabhängig von<br />

einer eigenen akuten Erkrankung (oder einer solchen im persönlichen Umkreis) ist daher allen<br />

Verbrauchern der "<strong>Dr</strong>. R•• Gesundheitsprodukte" und der "<strong>Dr</strong>. R• • z•• •• Medizin<br />

Formulars" diese Produktpalette bekannt und sie wenden sie - mehr oder weniger - regelmäßig<br />

an.<br />

(3)<br />

ln der Anzeige wird u. a. der Name des Antragsgegners ("Jetzt kommt <strong>Dr</strong>. R•• ") deutlich<br />

herausgestellt. Die Anzeige bezieht sich wesentlich auf einen Heilungserfolg bei einem an<br />

Knochenkrebs erkrankten Jungen durch ein Naturheilverfahren (ohne Chemotherapie, Operation<br />

und das "milliardenschwere Pharma-Geschäft"), und zwar ein solches der .. z•••• Medizin". Der<br />

Inhalt der Anzeige stellt aus der Sicht des angesprochenen Verbrauchers - zl,lsammengefasst -<br />

die Aussage auf, diese Produkte könnten schlechthin eine Krebserkrankung heilen und dies sei<br />

durch die Behandlung des Jungen nunmehr endgültig bewiesen.<br />

(4)<br />

JV 531


Jeder Verbraucher, der schon bisher "<strong>Dr</strong>. R••• Gesundheitsprodukte" und "<strong>Dr</strong>. R• • z••••<br />

9<br />

Medizin F•••• " vorsorglich oder akut angewendet hat, wird durch die Anzeige massiv in seinem<br />

Verbrauch dieser Produkte bestärkt. Zugleich erleichtert die Anzeige den "Beratern" die<br />

Ansprache neuer Kunden, die schon durch die Anzeige für diese Produkte interessiert werden. All<br />

dies bedeutet objektiv eine massive Förderung des Wettbewerbs der M•••• R•• B. V . .<br />

bb)<br />

Es ist auch davon auszugehen, dass der Antragsgegner in der Absicht gehandelt hat, mit der<br />

Anzeige in erster Linie diesen Wettbewerb der M•••• R•• B. V. zu fördern. Ein etwaiges<br />

gesundheitspolitisches oder medizinisch-wissenschaftliches Anliegen des Antragsgegners tritt<br />

dahinter sogar - wenn es denn überhaupt vorhanden sein sollte - deutlich zurück.<br />

(1)<br />

Das bloße Bewusstsein des Handelnden, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern, deutet<br />

zwar meist auf eine Förderungsabsicht hin, schließt aber nicht aus, dass vorrangig aus anderen<br />

Gründen gehandelt wird (BGH, GRUR 1981, 658- Preisvergleich; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 24).<br />

Damit der Verfasser einer Veröffentlichung das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5<br />

Abs. 3 GG in Anspruch nehmen kann, muss der Beitrag aber wissenschaftlichen Anforderungen<br />

genügen (vgl. BGH, GRUR 2002, 633, 634- Hormonersatztherapie), d. h. er muss sich nach<br />

Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit darstellen (BVerfGE 47, 327,<br />

347; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 28). Ist diesen Anforderungen genügt, so ist bei reinen<br />

wissenschaftlichen Aufsätzen oder fachlichen Äußerungen, auch wenn sie sich auf den<br />

Wettbewerb auswirken und einem Mitbewerber förderlich sind, in der Regel die<br />

Wettbewerbsabsicht zu verneinen (BGH, GRUR 1957, 360- Phylax; Köhler, a.a.O.), es sei denn,<br />

die Wissenschaft diente nur der Tarnung des Wettbewerbs (Köhler, a.a.O.).<br />

Ist ein Wissenschaftler am Absatz einer Ware selbst wirtschaftlich interessiert, spricht für seine<br />

Äußerungen, selbst wenn sie wissenschaftlichen Gehalt haben, aber zugleich auch die<br />

Wettbewerbsfähigkeit von Mitbewerbern beeinträchtigen, nach der Lebenserfahrung eine<br />

Vermutung für eine Wettbewerbsabsicht Sie ist evident, wenn die Äußerungen auf eine<br />

Herabsetzung von Konkurrenzprodukten gerichtet sind oder persönliche Angriffe enthalten (BGH,<br />

GRUR 1964, 389, 391 -Fußbekleidung; Köhler, a.a.O., § 2 Rdn. 28) und diese nicht nur beiläufig<br />

im Rahmen einer politischen oder wissenschaftlichen Auseinandersetzung erfolgt sind (OLG<br />

Düsseldorf, WRP 1998, 421, 425). Der Umstand allein, dass bei einem Unternehmen beschäftigte<br />

Mitarbeiter wissenschaftliche Beiträge veröffentlichen, die die Stellung des Unternehmens im<br />

Wettbewerb berühren, reicht zwar nicht ohne weiteres für die Feststellung aus, der Mitarbeiter<br />

habe in Wettbewerbsabsicht gehandelt. Von einer Wettbewerbsabsicht - als hinreichendem<br />

JV 531


weiteren Zweck - ist aber dann auszugehen, wenn dem Mitarbeiter die objektive<br />

Förderungseignung bewusst sein musste und er damit rechnen musste, die Hervorhebung der<br />

Produkte seines Arbeitgebers werde die Auswahlentscheidung des angesprochenen Verkehrs<br />

günstig beeinflussen (BGH, WRP 1996, 894, 895- Lohnentwesungen).<br />

(2)<br />

Vorliegend genügen die Äußerungen in der Anzeige schon nicht wissenschaftlichen<br />

Grundanforderungen.<br />

10<br />

- Die Aufmachung ist werbend-plakativ, geradezu "schreiend", wenn als unbestreitbare Tatsache<br />

herausgestellt wird, Krebs sei heilbar ("Natürlich!") und dies unwiderleglich durch den<br />

Behandlungserfolg bei "D••• " bewiesen sei.<br />

- Die groß abgebildete Röntgen-Aufnahme von den Lungen ist ohne wissenschaftliche Aussage,<br />

und zwar schon wegen der notwendig unscharfen Wiedergabe in einer Zeitschriftenanzeige.<br />

Noch mehr gilt dies für eine Anzeige, die sich in erster Linie an medizinische Laien wendet.<br />

- Der Junge hatte immerhin eine Chemotherapie begonnen und erst später die Behandlung mit<br />

den Vitaminprodukten aufgenommen. Es war daher völlig offen, ob nicht ein etwaiger<br />

Rückgang der Krebserkrankung schon auf die begonnene Chemotherapie zurückzuführen war.<br />

Dieser mögliche Zusammenhang wird in der Anzeige überhaupt nicht angesprochen.<br />

- Es ist allgemein bekannt Uedenfalls bei näherer Befassung mit medizinischen Vorgängen, wie<br />

sie dem Senat geläufig sind), dass die Anwendung eines Mittels in einem Einzelfall schon<br />

deshalb keine sichere Aussage zulässt (sondern allenfalls einen schwachen Hinweis gibt}, weil<br />

es auch ohne jede Behandlung in - wenn auch sehr seltenen Einzelfällen - zu einer spontanen<br />

Heilung kommen kann. Kann -wie auch vorliegend - ein Kausalverlauf konkret nicht unmittelbar<br />

im Körper des Jungen verfolgt und nachgewiesen werden, vermag erst eine signifikante<br />

Mehrzahl von Anwendungserfolgen eine - statistisch gesicherte - Aussage zulassen. Dies liegt<br />

etwa auch den Arzneimittelzulassungsverfahren zugrunde. Die Behauptung des<br />

Antragsgegners, mit dem Fall "D••• " sei nunmehr "unwiderlegbar" die Wirksamkeit der<br />

Produkte erwiesen, widerspricht allen Grundregeln eines wissenschaftlichen Arbeitens.<br />

Auch ein seriöses gesundheitspolitisches Anliegen ist mit einem derartigen "scheinwissen­<br />

schaftlichen" Auftreten nicht vereinbar.<br />

JV 531


(3)<br />

Die Äußerungen in der Anzeige sollen die Konkurrenz der Pharmaindustrie und der ärztlichen<br />

11<br />

Schulmedizinischen Behandlungen zielgerichtet herabsetzen, wenn der Antragsgegner von einem<br />

"milliardenschweren Pharma-Geschäft mit der Krebskrankheit" spricht und einem "sinnlosen<br />

Massensterben an der jetzt vermeidbaren Krebskrankheit".<br />

(4)<br />

Es ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner am finanziellen Ertrag der M•••• R•• 8.<br />

V. erheblich beteiligt ist.<br />

Er hat deren Produkte entwickelt. Sie tragen seinen Namen. Er ist Inhaber u. a. der Marken<br />

.. z•••• Medizin" und .. z•••• Medizin Formulars", Kennzeichnungen, die für die Produkte der<br />

M•••• R•• B. V. verwendet werden. Der Antragsgegner ist nach eigener Aussage<br />

Geschäftsführer der M•••• R•• Holding B. V. (Anl. A 13, BI. 1/56 d. A.). Diese Holding ist<br />

einziger Anteilseigner und Geschäftsführer der M•••• R•• B. V. (vgl. Senat, Urteil vom 28.<br />

Mai 2002, 5 U 94/01, Umdruck S. 54 f.; Urteil vom 13. Juli 2001, 5 U 9733/00, Umdruck S. 17 f.;<br />

Urteil vom 22. Juni 2001, 5 U 9646/00, Umdruck S. 20; Urteil vom 13. Juli 2001, 5 U 1023/00,<br />

UmdruckS. 9, 21). Aus den in den zuvor genannten Verfahren zwischen den Parteien getroffenen<br />

Feststellungen folgt sogar, dass der Antragsgegner alleiniger Anteilseigner der M•••• R••<br />

Holding B. V. (und damit mittelbar auch der M•••• R•• B. V.)- jedenfalls - war. Der<br />

Antragsgegner bestreitet eine solche Stellung weiterhin nur unzureichend mit der Hinweis, er sei<br />

weder Geschäftsführer der M•••• R•• B. V. noch "unmittelbar" an ihr beteiligt. ln der<br />

mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der Antragsgegner dem auch nicht mehr näher<br />

entgegengetreten.<br />

(5)<br />

Die streitgegenständliche Anzeige bedurfte erheblicher finanzieller Mittel. Es drängt sich auf, dass<br />

diese aus dem Vertrieb der Vitaminprodukte stammen.<br />

(6)<br />

Angesichts der massiven objektiven Werbewirkung für den Produktvertrieb, der<br />

unwissenschaftlichen, werbenden Aufmachung der Anzeige, ihres die Konkurrenz herabsetzenden<br />

Inhalts und der großen finanziellen Beteiligung des Antragsgegners am Ertrag des<br />

Produktvertriebes ist eine Wettbewerbsabsicht des Antragsgegners nicht zweifelhaft.<br />

Dabei ist es unerheblich, wenn die "schreiende" Aufmachung der Anzeige auch dazu gedient<br />

haben sollte, auf die Vortragstour des Antragsgegners aufmerksam zu machen und der<br />

JV 531


Antragsgegner auf den Vortragsveranstaltungen selbst sich nur allgemein zu Vitaminprodukten<br />

geäußert hätte. Denn dazu bedurfte es keiner "unwissenschaftlichen" Anzeigeninhalte. Das<br />

12<br />

massive finanzielle Interesse des Antragsgegners bleibt insgesamt im Vordergrund, tritt jedenfalls<br />

nicht völlig zurück.<br />

b)<br />

Eine Wiederholungsgefahr für die Wettbewerbsabsicht ist auch nicht dadurch entfallen, dass der<br />

Antragsgegner sich strafbewehrt zur Unterlassung des Satzes "Doch D•••• Eltern setzten auf<br />

Naturheilverfahren der z•• • • Medizin" verpflichtet hat.<br />

aa)<br />

Schon die Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung ist zweifelhaft. Denn durch die<br />

Herausnahme des einen Satzes wird der Text entstellt, ohne dass erkennbar ist, wie der<br />

Antragsgegner den Satz neu formulieren will, wenn er andererseits daran festhält, den übrigen<br />

Anzeigeninhalt auch zukünftig zu verwenden.<br />

bb)<br />

Selbst wenn der Hinweis in der Anzeige auf ein eingesetztes "Naturheilverfahren der Z• •• •<br />

Medizin" entfällt, bleibt der Zusammenhang zwischen den Produkten (die den Namen "<strong>Dr</strong>. R•• "<br />

tragen), dem "Strukturvertrieb" über die "Berater" (medizinischen Laien, die in ihrem Umfeld<br />

Verbraucher ansprechen und zum Kauf der Produkte anhalten) und den streitgegenständlichen<br />

Aussagen der Anzeige (ein Produkt könne Krebs sicher heilen) gewahrt. Denn der Name "<strong>Dr</strong>.<br />

R•• " erscheint hervorgehoben im weiteren Inhalt des Plakats und lässt die oberhalb des<br />

Namens piszierten Aussagen als von ihm (den Antragsgegner) autorisiert erscheinen. Dies<br />

wiederum unterstützt nachhaltig den "Strukturvertrieb". Im Vordergrund der Anzeige bleiben die<br />

marktschreierischen Aussagen zur Heilbarkeit des Krebses; die Ankündigung der Vortragstour<br />

verblasst dagegen.<br />

cc)<br />

Im Übrigen ist jedenfalls nunmehr die "Behandlung" des D•••• mit "<strong>Dr</strong>. R•• -Produkten" durch<br />

die Berichterstattung in Presse und Fernsehen allgemein bekannt geworden (An I. BB 1, BB 2,<br />

BB 3). Damit verbinden nunmehr weite Teile der angesprochenen Verbraucher selbst ohne<br />

Erwähnung eines "Naturheilverfahrens der z•••• Medizin" den Fall des "D••• " mit den<br />

Produkten des "<strong>Dr</strong>. R•• ". Diese Berichterstattung ist durch die Anzeigenkampagne des<br />

Antragsgegners ausgelöst worden.<br />

JV 531


Die gedankliche Verbindung in der Erinnerung der Verbraucher ersetzt nunmehr nicht nur den<br />

entfallenen Hinweis auf die "z• • • • Medizin", sondern sie ist sogar noch deutlich konkreter in<br />

ihrem Bezug zu den Produkten der M•••• R•• B. V. und damit des Antragsgegners.<br />

111.<br />

13<br />

Das in der Anzeige angesprochene Produkt zur Heilung einer Krebserkrankung ist ein Arzneimittel<br />

im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, und zwar jedenfalls ein Arzneimittel kraft Präsentation. ·<br />

1.<br />

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind Arzneimittel u. a. Stoffe, die dazu bestimmt sind, durch<br />

Anwendung im menschlichen Körper Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu<br />

heilen, zu lindern oder zu verhüten. Darüber hinaus fallen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG auch<br />

Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen unter den Arzneimittelbegriff, die die Beschaffenheit, den<br />

Zustand oder die Funktion des Körpers beeinflussen. Allerdings wird der Arzneimittelbegriff durch<br />

§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG dahin eingeschränkt, dass Lebensmittel im Sinne des § 1 LMBG keine<br />

Arzneimittel sind. Derselbe Stoff kann danach nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein.<br />

Nach § 1 Abs. 1 LMBG sind Lebensmittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem,<br />

zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind<br />

Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum<br />

Genuss verzehrt zu werden.<br />

Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel oder Lebensmittel ist seine an<br />

objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen<br />

durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt.<br />

Die Verkehrsauffassung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den<br />

Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche<br />

Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher<br />

von der Zweckbestimmung eines Produktes kann weiter durch die Auffassung der<br />

pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel<br />

beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und<br />

Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein<br />

entgegentritt (vgl. BGH, GRUR 1995, 419, 420 •<br />

BVerwGE 97, 132, 135 f.; BGH, GRUR 2004, 793, 796 •<br />

JV 531<br />

Knoblauchkapseln; BGH, NJW 1998, 836, 837;<br />

Sportlernahrung II m. w. N.).


a)<br />

Hat ein Produkt keine pharmakologischen Wirkungen, so wird es in der Regel als Lebensmittel<br />

einzuordnen sein. Denn ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht<br />

annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein<br />

14<br />

Arzneimittel ist, wenn es in der vorgegebenen Dosierung keine pharmakologischen Wirkungen hat<br />

(BGH, GRUR 2000, 528, 530 - L-Carnitin). Dies gilt uneingeschränkt, wenn ein Produkt bereits<br />

allein wegen seiner Inhaltsstoffe (und daran anknüpfende Vorstellungen der Verbraucher zu<br />

Verwendungsmöglichkeiten) als Arzneimittel beurteilt werden soll (so im Falle des BGH, a.a.O.,<br />

L-Carnitin). Soweit aber ein Produkt ohne objektive pharmakologische Wirkung dennoch vom<br />

Hersteller oder Verkäufer als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten<br />

bezeichnet oder empfohlen wird (also unter Herausstellung von pharmakologischen Wirkungen),<br />

kann ungeachtet der objektiv fehlenden pharmakologischen Wirkung ebenso von einem<br />

Arzneimittel auszugehen sein. Denn der Verbraucher soll auch davor geschützt werden, anstelle<br />

eines wirksamen Arzneimittels ein unwirksames Präparat anzuwenden (BVerwG, Pharma-R 1995,<br />

256, 260 und 261 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH; BGH, a.a.O.,<br />

Knoblauchkapseln, S. 421 zu Art. 1 Nr. 2 EG-Arzneimittelrichtlinie vom 26. Januar 1995, Richtlinie<br />

65/65; EuGH, Slg 1983, 3902 - Van Bennekom, Rdn. 17, 18). Insoweit ist bei der Abgrenzung von<br />

Lebensmitteln (diätetischen oder Nahrungsergänzungsmitteln, vgl. Hagenmeyer/Hahn, WRP<br />

2004, 1495 ff.) zu Arzneimitteln zu beachten, dass auch Lebensmittel der Gesundheitserhaltung<br />

dienen können und nicht selten als "gesunde Ernährung" dem Verbraucher gegenübertreten. Der<br />

Schutzzweck des AMG zur Verhinderung einer erfolglosen Selbstmedikation bei medizinischer<br />

Behandlungsbedürftigkeit ist dann nicht berührt, wenn die Produkte nur dem durchschnittlich<br />

gesunden Normalverbraucher zur Gesunderhaltung angeboten werden und auch eine<br />

naheliegende Krankheitsvorbeugung (etwas Impfung) damit nicht unterlaufen und verdrängt wird<br />

(Senat, MD 2002, 701, 708).<br />

b)<br />

Die Erfassung auch sogenannter "Präsentationsarzneimittel" neben den sogenannten<br />

"Funktionsarzneimitteln" (Arzneimittel kraft Wirkung ihrer lnhaltsstoffe) entspricht Art. 1 Nr. 2 der<br />

Richtlinie 2001/83/EG. Denn der Verbraucher soll auch nach der EG-Arzneimittelrichtlinie nicht nur<br />

vor schädlichen oder giftigen Arzneimitteln als solchen geschützt werden, sondern auch vor<br />

(möglicherweise wirkungslosen) Erzeugnissen, die anstelle der geeigneten Heilmittel verwendet<br />

werden (EuGH, Slg 1993, S. 3883, Rdn. 17 - Van Bennekom; Slg 1991, S. 1703, Rdn. 16-<br />

Upjohn). Daran hat auch die am 30. April 2004 in Kraft getretene Richtlinie 2004/27/EG zur<br />

Anderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für<br />

Humanarzneimittel (Abi. Nr. L 36, S. 34) nichts geändert (Klaus, ZLR 2004, 569, 571; Doepner u.<br />

a., ZRL 2004, 429, 448). Es ist nur die Wendung" ... als Mittel zur Heilung ... bezeichnet werden<br />

JV 531


... "ersetzt worden durch" ... als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung ... bestimmt sind" (im<br />

deutschen Text; der englische und französische Text etwa blieb sogar unverändert, vgl. Klaus,<br />

a.a.O. ). Die Entscheidungen des EuGH zur Einstufung von Vitaminen und Mineralstoffen als<br />

15<br />

Arzneimittel (EuZW 2004, 375- dreifache Tagesdosis und ZLR 2004, 479- einfache Tagesdosis)<br />

betreffen ausdrücklich nur Funktionsarzneimittel, nicht Präsentationsarzneimittel (EuGH, a.a.O., S.<br />

377 bzw. 490).<br />

c)<br />

Für die Annahme eines Präsentationsarzneimittels ist keine "ausdrückliche Äußerung" des<br />

Herstellers notwendig, vielmehr reicht eine mittelbare WillensbekundunQ aus (EuGH, a.a.O., Van<br />

Bennekom). Ein "Bezeichnen" liegt danach vor, wenn der Durchschnittsverbraucher schlüssig und<br />

mit Gewissheit den Eindruck erhält, dass die Wirkungen einer Heilung oder Verhütung<br />

menschlicher Krankheiten in dem Produkt vorhanden sind, ohne dass dies tatsächlich der Fall sein<br />

müsste (EuGH, a.a.O., Van Bennekorn und Upjohn; EuGH E 1991, 1547, 1548- Monteil &<br />

Samanni). Es genügt sogar, wenn eine solche Bezeichnung vorliegt, das Produkt jedoch allgemein<br />

als Lebensmittel angesehen wird und keine therapeutischen Wirkungen bekannt sind (EuGH E<br />

1992, 5485, 5509 - Ter Voort; Hanika, MedR 2000, 63, 64).<br />

2.<br />

Vorliegend werden die in der Anzeige genannten bzw. umschriebenen Produkte als Arzneimittel<br />

bezeichnet. Sie sollen sicher eine akute Krebserkrankung heilen können. Damit sind die Produkte<br />

als Präsentationsarzneimittel zu verstehen. Der Verbraucher wird aufgefordert, seine<br />

Krebserkrankung mit diesen Produkten zu behandeln.<br />

Ob das "Bezeichnen" des Präsentationsarzneimittels auf eindeutige und dem Hersteller<br />

unmittelbar zuzurechnende Fälle zu beschränken ist (Mühl, WRP 2003, 1088, 1 092), ist wegen<br />

des großen Gefahrenpotentials fraglich, kann vorliegend aber dahingestellt bleiben. Denn die<br />

Präsentation als Arzneimittel ist eindeutig und der M••• • R• • B. V. auch - wegen der<br />

Personenidentität der Entscheidungsträger - ohne weiteres zuzurechnen.<br />

IV.<br />

Die Vorschriften des HWG (§§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 1) sind vorliegend anwendbar.<br />

Es liegt eine hinreichend produktbezogene, nicht nur unternehmensbezogene Werbung vor.<br />

JV 531


1.<br />

Den Bestimmungen des HWG � nterfällt nicht schlechthin jede Pharmawerbung. Einbezogen in<br />

den Geltungsbereich des HWG ist die produktbezogene Werbung (Produkt-, Absatzwerbung),<br />

nicht aber die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens-, lmagewerbung}, die ohne<br />

Bezugnahme auf bestimmte Präparate für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens<br />

16<br />

allgemein wirbt, obwohl auch sie - mittelbar - den Absatz der Produkte des Unternehmens fördern<br />

kann und soll, wie umgekehrt die Produktwerbung immer auch Firmenwerbung ist (BGH, NJW<br />

1995, 1617 - Pharma-Hörfunkwerbung m. w. N.). Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des<br />

HWG danach entscheidende Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung<br />

ist, hängt davon ab, ob nach dem Erscheinungsbild der Werbung die Darstellung des<br />

Unternehmens im Vordergrund steht (Firmenwerbung) oder die Anpreisung bestimmter oder<br />

zumindest individualisierbarer Arzneimittel (Absatzwerbung). Von Bedeutung ist insoweit -<br />

abgesehen von direkten Hinweisen auf namentlich genannte oder sonst unzweideutige kenntlich<br />

gemachte Arzneimittel- die Gestaltung der Werbung, der Zusammenhang, in dem sie steht, der<br />

Name des Werbeunternehmens und inhaltliche Hinweise, wie etwa die Beschreibung eines<br />

Indikationsgebietes und der Sinn verwendeter Begriffe (BGH, a.a.O.). Wird die Aufmerksamkeit<br />

des Publikums nicht auf bestimmte Arzneimittel, sondern generell auf Qualität und Preiswürdigkeit<br />

aller pauschal beworbenen Produkte gelenkt, besteht nicht die Gefahr, der das HWG mit der<br />

Einbeziehung produktbezogener Werbung in seinem Geltungsbereich entgegenwirken will, dass<br />

ein bestimmtes, in seinen Wirkungen und Nebenwirkungen vom Publikum nicht überschaubares<br />

Mittel ohne ärztliche Aufsicht oder Kontrolle durch den abgebenden Apotheker missbräuchlich<br />

angewendet werden könnte und dass es dem Werbeadressaten ermöglicht würde, auf die Abgabe<br />

bestimmter Arzneimittel zu drängen (BGH, a.a.O., m. w. N.).<br />

Sind in der Werbung keine bestimmten, namentlich bezeichneten Arzneimittel genannt, kann<br />

dennoch eine unzulässige - mittelbare - Werbung für Arzneimittel in Betracht kommen, wenn<br />

durch die Werbung der Absatz bestimmter Arzneimittel im Hinblick darauf gefördert würde, dass<br />

die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund sonstiger Umstände, wie beispielsweise der Angabe<br />

der Indikationsgebiete oder ihrer Kenntnisse der Marktverhältnisse, der Anzeige entnehmen<br />

können, es solle für bestimmte einzelne oder mehrere Arzneimittel geworben werden, obwohl<br />

deren Bezeichnung ausdrücklich nicht genannt ist (BGH, a.a.O.). Dies kann der Fall sein, wenn in<br />

einem engen zeitlichen Zusammenhang genügend häufig auch ausschließlich bestimmte<br />

Arzneimittel beworben worden sind (BGH, a.a.O.). Die bloße Angabe allgemeiner<br />

Verwendungsgebiete ("Sportverletzungen, Zahn-, Kopf-, Gliederschmerzen oder Schnupfen") in<br />

Verbindung mit der Firmenbezeichnung und der Aufforderung, die Arzneimittel der werbenden<br />

Firma in der Apotheke zu verlangen, soll nicht genügen, da der Apotheker notwendig erst nach<br />

dem jeweiligen Produkt befragt werden müsse und letztlich der Apotheker darüber entscheide,<br />

JV 531


welches Mittel aus der Angebotspalette der Firmen er dem Kunden empfehle, so dass eine<br />

17<br />

beratende Tätigkeit durch einen Apotheker gewährleistet sei (BGH, a.a.O., S. 1618). Unterbunden<br />

werden sollen die Gefahren einer Selbstmedikation des Verbrauchers allein aufgrund der ·<br />

Werbeangaben, wenn er gegenüber dem Apotheker konkret ein bestimmtes Mittel hinreichend<br />

bezeichnen und dies bestimmt verlangen kann (BGH, GRUR 1992, 873, 874- Pharma­<br />

Werbespot).<br />

2.<br />

Vorliegend ist die Indikation (Krebsbehandlung) konkret genannt. Die Produkte sind über die<br />

Herausstellung des Namens des Antragsgegners, die Kennzeichnung als "Naturheilverfahren der<br />

z•••• Medizin" und die nunmehr durch die Berichterstattung zum Fall "D••• " gegebene<br />

Bekanntheit ohne weiteres ersichtlich. Dies gilt sowohl für den Kreis der Verbraucher, die schon<br />

jetzt diese Produkte beziehen (vorbeugende oder akute Behandlung), als auch für diejenigen<br />

Verbraucher, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Anzeige oder nachfolgend durch die<br />

"Berater" im "Strukturvertrieb" angesprochen werden. Bei diesen Verbrauchern ist auch nicht<br />

notwendig die Einschaltung eines Arztes oder Apothekers zu erwarten. Der Inhalt der Anzeige<br />

weist gerade weg von den schulmedizinisch behandelnden Ärzten. Die "Berater" sind -wie erörtert<br />

-in der Regel nur medizinische Laien.<br />

V.<br />

Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG liegen bezüglich der Aussagen 1.1 ("D•••<br />

wird leben ... zurückgegangen"}, 1.2 (Abbildung der Röntgen-Aufnahme mit dortigem Text) und<br />

1.3 (Abbildung des radiologischen Befundes) vor.<br />

1.<br />

Insoweit wird -wie auch im Rahmen des Wettbewerbszweckes erörtert -für Arzneimittel<br />

produktbezogen geworben.<br />

Eine heilmittelrechtlich relevante "Werbung" sind alle informationsvermittelnden und<br />

meinungsbildenden Aussagen, die darauf abzielen, die Aufmerksamkeit der Adressaten zu<br />

wecken und deren Entschlüsse mit dem Ziel d�r Förderung des Absatzes von Waren oder<br />

Leistungen im Sinne des § 1 HWG zu beeinflussen (BGH, GRUR 1991, 860, 861 -Katovit; GRUR<br />

1995, 612, 613- Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie; Doepner, HWG, 2. Aufl., § 1 Rdn. 11).<br />

Die vorliegende Werbung ist dafür objektiv nachhaltig geeignet und subjektiv dazu -jedenfalls<br />

vorrangig auch- bestimmt .<br />

JV 531


2.<br />

18<br />

Eine Krankengeschichte im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG liegt zunächst dann vor, wenn eine<br />

Aufzeichnung über ein Krankheitsgeschehen, wie sie in Kliniken oder in der ärztlichen Praxis<br />

gebräuchlich ist, wiedergegeben wird (OLG Düsseldorf, SRHX, 250; Doepner, a.a.O., § 11 Nr. 3<br />

Rdn. 11).<br />

Dies trifft hier zwanglos aufZiff. 1.2 (Röntgenaufnahme) und 1.3 (Radiologischer Befundbericht)<br />

ZU.<br />

3.<br />

Verfasser von Krankengeschichten im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWß können aber auch Laien<br />

sein (BGH, GRUR 1981, 435, 437-56 Pfund abgenommen; KG, ES-HWG, § 11 Nr. 3, Nr. 8;<br />

Doepner, a.a.O., § 11 Nr. 3 Rdn. 12; Ring in Bülow/Ring, HWG, 2. Aufl., § 11 Abs. 1 Nr. 3 Rdn. 5;<br />

Gröning, HWG, § 11 Nr. 3 Rdn. 4).<br />

Der Text Ziff. 1.1 schildert laienhaft den Krankheitsverlauf des D••• .<br />

VI.<br />

Hinsichtlich der Ziffern 2.1 bis 2.4 des Antrages liegen die Voraussetzungen des§ 12 Abs. 1 HWG<br />

in Verbindung mit der Anl. A Nr. 2 zu § 12 HWG vor.<br />

1.<br />

Die vorliegende Werbung für Arzneimittel wendet sich an jeden Verbraucher; sie erfolgt damit<br />

außerhalb der Fachkreise, § 2 HWG.<br />

2.<br />

Zu den von § 12 Abs. 1 HWG erfassten Krankheiten gehören nach der: Anl. A Nr. 2<br />

"Geschwulstkrankheiten", also insbesondere Krebserkrankungen (BGH, GRUR 1984, 292, 293-<br />

THX-Injektionen; GRUR 1985, 305, 306- THX-Krebsvorsorge; Ring, a.a.O., § 12 Rdn. 21).<br />

3.<br />

Mit den genannten Aussagen der Anzeige wird für die Behandlung von Krebserkrankungen mit<br />

den Produkten der "Z•••• Medizin" bzw. des" <strong>Dr</strong>. R•• " geworben.<br />

Ziff. 2.1 ist insoweit eindeutig. Die Ziffern 2.2 bis 2.4 beziehen sich mittelbar auf eine solche<br />

Behandlung, damit Krebs "kein Todesurteil" mehr sei, "Millionen weiterer Krebspatienten" das<br />

JV 531


Leben gerettet werden könne und "das sinnlose Massensterben an der jetzt vermeidbaren<br />

Krebskrankheit" beendet werde.<br />

VII.<br />

Grundrechte des Antragsgegners auf Art. 12 GG (Berufsfreiheit), Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG<br />

(Meinungsfreiheit) und Art. 5 Abs. 3 GG (Wissenschaftsfreiheit) stehen der Verurteilung des<br />

Antragsgegners nicht entgegen.<br />

1.<br />

19<br />

Die §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 1 HWG schränken die Möglichkeiten einer Publikumswerbung und<br />

dementsprechend die Freiheit der Berufsausübung ein; ihre Anwendung ist aber jedenfalls dann<br />

insoweit grundrechtskonform, wenn eine Wettbewerbsmaßnahme zu einer hinreichenden<br />

unmittelbaren oder zumindest zu einer mittelbaren Gesundheitsgefährdung führen kann (vgl.<br />

BVerfG, NJW 2000, 2736; BGH, GRUR 2004, 799, 800- Lebertrankapseln zu § 11 Abs. 1 Nr. 10<br />

HWG). Unmittelbar ist eine Gesundheitsgefährdung, wenn der durch die Werbung zur Einnahme<br />

des Präparats veranlasste Verbraucher hierdurch einen Schaden erleiden könnte. Eine mittelbare<br />

Gesundheitsgefährdung liegt vor, wenn die Werbung die nicht nur als geringfügig einzustufende<br />

Gefahr begründet, dass ihre Adressaten glauben, sie könnten ein auch bei ihnen vorliegendes<br />

Leiden durch die Einnahme des beworbenen Präparates heilen, und daher von einem Arztbesuch<br />

absehen, den sie ohne die Werbung gemacht hätten und der zum noch rechtzeitigen Erkennen<br />

anderer, ernsterer Leiden geführt hätte (BGH, GRUR 2001, 1170, 1171 - Optometrische<br />

Leistungen II; GRUR 2004, 799, 800- Lebertran zu § 11 Nr. 10 HWG).<br />

Vorliegend fordert die Anzeige auf, sich bei einer Krebserkrankung von der Schulmedizinischen<br />

Behandlung abzuwenden und zur alleinigen Behandlung auf die "Z• • • • Medizin" des <strong>Dr</strong>. R••<br />

zu vertrauen. Dies wird mit drastischen Worten zum Ausdruck gebracht: Einerseits sei Krebs<br />

nunmehr sicher heilbar, andererseits drohe ohne Einnahme der beworbenen Produkte eine<br />

sinnlose, qualvolle Behandlung (Chemotherapie, an der D••• beinahe gestorben wäre;<br />

Operation), endend in einem "sinnlosen Massensterben".<br />

Dabei wird darüber hinaus zum einen der besondere Werbeeffekt von Krankengeschichten<br />

genutzt, der subtil die Ängste und Hoffnungen von Kranken oder krankheitsanfälligen Menschen<br />

berührt und die Erwartung erweckt, die Verwendung der beworbenen Produkte werde bei ihnen<br />

den gleichen Erfolg bringen, wie er in der Werbung beworben wird, um einen daraus folgenden<br />

JV531


n.<br />

'·<br />

psychologischen Zwang zum Produktvertrieb zu .nutzen (vgl. KG, ES-HWG § 11 Nr. 3, Nr. 8;<br />

Doepner, a.a.O., § 11 Nr. 3 Rdn. 3 m. w. N.).<br />

20<br />

Zum anderen beziehen sich die Werbeaussagen auf gravierende und komplizierte Erkrankungen.<br />

Bei diesen birgt die Diagnose und Therapie durch fachunkundiges Personal oder gar eine<br />

Selbstbehandlung durch Kranke besonders große Gesundheitsgefahren (Fehlschlag der Therapie,<br />

Verzögerung der Therapie oder gar Verschlimmerung der Krankheit bis hin zum Tod; Doepner,<br />

a.a.O., § 12 Rdn. 4; vgl. auch BGH, GRUR 1981,831,833 - Grippewerbung; GRUR 1995,812,<br />

816 - Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie).<br />

Angesichts der vorliegenden Werbung besteht daher die sogar naheliegende Gefahr, dass an<br />

Krebs Erkrankte gar nicht erst einen Arzt aufsuchen (abgeschreckt von den drohenden sinnlosen<br />

und lebensbedrohlichen Qualen einer schuldmedizinischen Behandlung), sondern zudem - von<br />

den "Beratern" medizinisch-laienhaft umworben - allein die Produkte der "Z• • •• Medizin" bzw.<br />

des " <strong>Dr</strong>. R•• " in eigener Behandlung anwenden. Noch dringender ist die Gefahr, dass<br />

Krebspatienten aufgrund der Werbung (und etwa einem ergänzenden Verkaufsdruck der<br />

"Berater'', die zudem bestimmte Mindestumsätze erreichen müssen, vgl. Anl. A 12, Ziff. 2.5, BI.<br />

1/47 d. A.) schulmedizinisch gebotene Heilbehandlungen eigenmächtig abbrechen und allein auf<br />

die "<strong>Dr</strong>. R•• -Produkte" vertrauen. Gerade im Bereich einer Krebserkrankung kommt es<br />

regelmäßig auf eine schnelle Behandlung an, wenn noch Hoffnung bestehen soll.<br />

2.<br />

ln die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit greift das vorliegende<br />

Werbeverbot ebenfalls nicht ein.<br />

a)<br />

Es hindert den Antragsgegner nicht an wissenschaftlicher Betätigung noch an einer öffentlichen<br />

Verbreitung der dabei gewonnenen Erkenntnisse. Untersagt sind nur werbemäßige<br />

Ankündigungen, die schon ihrer Natur nach nicht als Wissenschaft im Sinne eines ernsthaften,<br />

planmäßigen Versuchs zur Ermittlung der Wahrheit (vgl. BVerfGE 35, 79, 113) angesehen werden<br />

können (vgl. BVerfG, GRUR 1986, 382, 385 - Arztwerbung). Allenfalls die wirtschaftliche<br />

Ausnutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse kann Gegenstand von Werbeaussagen sein; diese<br />

Nutzung ist typischer Schutzgegenstand anderer Grundrechte (BVerfG, a.a.O., Arztwerbung).<br />

Vorliegend fehlt ..: wie erörtert - schon ein hinreichender ernsthafter wissenschaftlicher Gehalt. Im<br />

Übrigen müsste auch das Grundrecht des Antragsgegners auf Wissenschaftsfreiheit angesichts<br />

der dringenden Gefahren für Leib und Leben von an Krebs erkrankten Patienten zurücktreten. Es<br />

JV 531


leibt dem Antragsgegner ohne weiteres möglich, in gebotener sachlicher Form auf seine<br />

Vortragstour aufmerksam zu machen.<br />

3.<br />

Dies gilt entsprechend für die Meinungsfreiheit des Antragsgegners nach Art. 5 Abs. 1 GG.<br />

Zwar soll nicht verkannt werden, dass - theoretisch- der Antragsgegner auch ein<br />

gesundheitspolitischen Anliegen verfolgen könnte. Dies wäre um so dringender, ·wenn<br />

21<br />

Anhaltspunkte dafür bestünden, dass eine breite Lobby aus Schulmedizinern und Pharmaindustrie<br />

wirksame Krebsmedikamente (in Form der Vitaminprodukte) zum eigenen Vorteil unterdrücken<br />

könnten.<br />

Insoweit ergeht sich aber der Antragsgegner nur in Allgemeinplätzen. Große Teile der<br />

Schulmedizin wären auch in ihrer wirtschaftlichen Grundlage nicht durch bei Krebsbehandlungen<br />

erfolgreiche Vitaminprodukte gefährdet. Ebenso haben viele Pharma- und Chemieunternehmen<br />

am Absatz von Vitaminprodukten ein eigenes großes finanzielles Interesse, weil sie die<br />

Grundstoffe hierzu herstellen und dies einen großen Markt eröffnet hat, wie die EU- und US­<br />

Kartellverfahren gegen Vi-taminproduzenten belegen.<br />

Ein - bei medizinischer Wirksamkeit ohne weiteres mögliches - Zulassungsverfahren nach dem<br />

Arzneimittelgesetz hat der Antragsgegner (bzw. sein Konzern) nicht betrieben noch auch nur<br />

ernsthaft in Angriff genommen; nicht einmal hinreichende klinische Studien an Menschen liegen<br />

vor.<br />

VIII.<br />

Der vorliegend aufgezeigte Verstoß gegen die genannten Vorschriften des HWG ist unlauter im<br />

Sinne des § 1 UWG a. F. (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG n. F.). Die Wettbewerbshandlungen des<br />

Antragsgegners sind geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher<br />

nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Die oben genannten Vorschriften des HWG sind auch<br />

dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. auch BGH,<br />

WRP 2004, 1481, 1482- Johanneskraut).<br />

IX.<br />

Die Wiederholungsgefahr ist im Hinblick auf die Unterlassungserklärungen der M•••• R•• 8.<br />

V. und der <strong>Dr</strong>. R•• H••• F••••• nicht entfallen.<br />

JV 531<br />


22<br />

Zum Einen betreffen auch sie nur - unzureichend - den Satz zur "z•••• Medizin". Zum Anderen<br />

legt es der Antragsgegner geradezu darauf an, sich hinter der Vielzahl seiner Gesellschaften "zu<br />

verstecken", so dass die Gefahr bliebe, er würde über Neugründungen die Verletzungshandlungen<br />

wiederholen.<br />

X.<br />

Die vollständige Ausschöpfung der Berufungsfrist durch den Antragsteller lässt die <strong>Dr</strong>inglichkeit<br />

nicht entfallen (vgl. Senat, WRP 1981, 462).<br />

XI.<br />

Allerdings dürfen in der Antrags- und Verbotsfassung die einzelnen Aussagen nicht aus ihrem<br />

Kontext gerissen werden. Für die Beurteilung der Voraussetzungen "im geschäftlichen Verkehr für<br />

sogenannte z•••• Medizin zu werben" ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Davon ging<br />

aber von Beginn des Verfahrens an offensichtlich auch der Antragsteller aus. Zur Klarstellung hat<br />

der Senat im Verbotsausspruch den Gesamtbezug - antragsgemäß - ausgesprochen.<br />

c.<br />

Die Kostenentscheidung beruht auf§ 91 Abs. 1 ZPO. Die Neufassung des Antrags durch den<br />

Antragsteller - und die entsprechende Verbotsfassung des Senats - enthält - da nur klarstellend -<br />

keine teilweise Zurückweisung.<br />

Haase <strong>Dr</strong>. Kasprik-Teperoglou <strong>Dr</strong>. Pahl<br />

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