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Lucien Favre:<br />
Kann er seine<br />
Philosophie mit<br />
der „neuen“ Bo-<br />
russia umsetzen?<br />
Borussia Mönchengladbach<br />
Lucien Favre und der Mythos der<br />
Fohlenelf<br />
Der Fußballverein Borussia Mönchengladbach<br />
hat lange vom Mythos der 70er Jahre gelebt, der<br />
mit Namen wie Günter Netzer, Berti Vogts, Uli<br />
Stielike, Allan S<strong>im</strong>onsen oder auch Jupp Heynckes<br />
verbunden ist. Obwohl der Verein aktuell<br />
eine Durststrecke absolviert, scheint mit dem<br />
Schweizer Trainer Lucien Favre ein Anknüpfen<br />
an bessere Zeiten möglich.<br />
Der Traditionsverein Borussia<br />
Mönchengladbach liegt <strong>im</strong> Februar<br />
2011 auf dem letzten Platz<br />
der Bundesligatabelle. Die<br />
Mannschaft scheint zum dritten<br />
Bundesligaabstieg der Vereinsgeschichte<br />
verurteilt. Andere<br />
Vereine hätten in dieser Situation<br />
womöglich einen „Feuerwehrmann“<br />
geholt, einen der<br />
vielleicht mit Motivationstricks<br />
ein Strohfeuer ausgelöst hätte,<br />
um den Abstieg doch noch zu<br />
verhindern. Doch die Vereinsführung<br />
am Niederrhein denkt<br />
langfristig: Sie holt mit dem<br />
Schweizer Lucien Favre einen<br />
Fußballintellektuellen und Konzepttrainer,<br />
der sein neues Team innerhalb kürzester<br />
Zeit aufrichtet und mit ihm bis zum Saisonende<br />
die nötigen Punkte für den Relegationsplatz<br />
16 holt. In der Relegation setzt sich die Borussia<br />
gegen den Zweitligisten VfL Bochum durch.<br />
Das gleiche Team, das in der Saison 2010/2011<br />
hart am Abstieg vorbeigeschrammt ist, wird die<br />
folgende Saison als Überraschungsmannschaft<br />
auf Platz 4 beenden. Die Mannschaft um Jungstar<br />
Marco Reus zieht ein packendes, offensives<br />
Kombinationsspiel auf, das die erste Europapokalteilnahme<br />
seit 16 Jahren möglich macht.<br />
Doch wieso können die gleichen Spieler, welche<br />
noch in der Vorsaison gegen den Abstieg<br />
gekämpft haben, plötzlich leichtfüßig zaubern?<br />
Trainer Favre sieht den Schlüssel zum „Turnaround“<br />
der Borussia in einem hohen Maß an<br />
Fußballverständnis und Wissbegierde bei den<br />
überwiegend jungen Profis. Er wird mit den Worten<br />
zitiert: „Ohne Spielintelligenz ist der Trainer<br />
tot“. Für Sportdirektor Max Eberl passt nicht nur<br />
der Trainer zur Mannschaft, sondern auch die<br />
28 www.nissen-velten.de <strong>eNVenta</strong> - DAS MAGAZIN 1/2013<br />
Mannschaft zum Trainer. Das klingt schlicht, enthält<br />
aber offenbar ein Körnchen Wahrheit. Favre<br />
ist zudem nicht nur ein Stratege, sondern auch<br />
ein Perfektionist, der sich um Details kümmert.<br />
So berichtet Marco Reus über Tipps von Favre:<br />
„Wenn ich auf den Gegner zulaufe, den ich umdribbeln<br />
will, soll ich auf seine Füße achten. Die<br />
Füße verraten, an welcher Seite ich vorbeiziehen<br />
soll.“ Und er ergänzt: „Es funktioniert.“ Auch von<br />
Verteidiger Dante ist bekannt, dass Favre seine<br />
Fußstellung <strong>im</strong> Stehen korrigiert hat und ihm so zu<br />
einem schnelleren Antritt verholfen hat.<br />
Vom Bauernhof zum Fußballprofi<br />
Lucien Favre stammt aus dem Dörfchen St.<br />
Barthélemy, wo er <strong>im</strong> bäuerlichen Elternhaus aufgewachsen<br />
ist. Schon als Kind hat er mehr Freude<br />
am Spiel mit dem Ball, als an der Arbeit in der<br />
Landwirtschaft. „Er war schon damals allen weit<br />
voraus“, berichtet Weggefährte Ludovic Magnin,<br />
der 2007 mit dem VfB Stuttgart Deutscher Meister<br />
wurde, über seinen Landsmann. „Er hat nach<br />
neuesten Erkenntnissen trainiert und auch seine<br />
Ernährung angepasst. Er hat nie etwas dem Zufall<br />
überlassen, damals und heute nicht.“ Lucien<br />
Favre wird ein eleganter Techniker und ein prägendes<br />
Mitglied des Schweizer Nationalteams.<br />
1983 wird er Schweizer Fußballer des Jahres.<br />
Er spielt unter anderem be<strong>im</strong> französischen FC<br />
Toulouse und bei Servette Genf, dem Verein mit<br />
dem er 1985 Schweizer Meister wird. 1985 ist allerdings<br />
auch ein schwarzes Jahr für ihn: In einem<br />
Ligaspiel tritt ihm Gegenspieler Pierre-Albert<br />
Chapuisat brutal ins Knie. Favre zieht sich mehrere<br />
Knochenbrüche und Bänderrisse zu. Nach langer<br />
Pause spielt Favre noch bis 1991 für Servette,<br />
doch er ist nicht mehr der Alte.<br />
Start der Trainerlaufbahn in der Provinz<br />
Um sich und seine Eignung für den Trainerberuf<br />
zu erproben, arbeitet Favre ab 1991 sechs Jahre<br />
be<strong>im</strong> unterklassigen FC Echallans, mit dem er in<br />
die 2. Liga der Schweiz aufsteigt. 1997 wechselt<br />
Favre zu Yverdon-Sports, dem Verein, den er in<br />
die höchste Spielklasse führt. Im Jahr 2000 folgt<br />
der Traditionsverein Servette Genf mit dem er<br />
2001 den Schweizer Cup gewinnt. Mit dem FC<br />
Zürich holt er 2005 den Cup sowie 2006 und<br />
Die Fans hoffen auf<br />
packende Europapokal-<br />
abende <strong>im</strong> Borussia-<br />
Park