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Matthias Röhrig Assunçao - bei Chamada de Mandinga

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anlässlich <strong>de</strong>r Patronatsfesten von Dezember bis Karneval, in festlichem weißem<br />

Leinenanzug zu erscheinen. Ihr Geschick bewiesen sie in<strong>de</strong>m sie spielten, ohne ihre<br />

Kleidung zu beschmutzen. Manchmal wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Zuschauern Geld gesammelt, o<strong>de</strong>r<br />

Scheine wur<strong>de</strong>n nach langen akrobatischen Improvisationen mit <strong>de</strong>m Mund vom Bo<strong>de</strong>n<br />

aufgehoben. Innerhalb <strong>de</strong>s Kreises galten bestimmte Regeln, und die eleganteste Art eine<br />

Gegner zu besiegen, bestand darin, ihn ohne Gewalt zu Fall zu bringen - d.h. keine<br />

direkten Kicks zu verwen<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Gegner im schnellen Gegenangriff durch<br />

Wegziehen <strong>de</strong>s Stand<strong>bei</strong>ns (rasteira) aus <strong>de</strong>m Gleichgewicht zu bringen. Die<br />

Patronatsfeste boten einen günstigen Rahmen für rodas, da hier Öffentlichkeit unter <strong>de</strong>m<br />

Dach <strong>de</strong>r Kirchenfeier erfolgte, und die vadiação am leichtesten soziale Akzeptanz<br />

erreichen konnte. Die Polizei erteilte sogar gelegentlich die formelle Erlaubnis hierzu. 47<br />

Jedoch war auch die baianische vadiação nicht frei von Gewalt. Die roda konnte<br />

gewalttätig wer<strong>de</strong>n, wenn das Spiel eskalierte und sich die Spieler aufgrund von<br />

persönlicher Feindschaft nicht mehr an die Regeln hielten. Gewalttätige<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen verfein<strong>de</strong>ten Gruppen aus verschie<strong>de</strong>nen Stadtteilen,<br />

ähnlich wie die zwischen <strong>de</strong>n maltas in Rio <strong>de</strong> Janeiro, erwähnte schon Querino. 48 Und<br />

selbst wenn die Polizei von Bahia die vadiação nicht mit <strong>de</strong>n gleichen Metho<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r<br />

gleichen Ausdauer wie in Rio <strong>de</strong> Janeiro unterdrückte, so gab es auch hier Perio<strong>de</strong>n, in<br />

<strong>de</strong>nen rodas aufgelöst und Musikinstrumente beschlagnahmt wur<strong>de</strong>n. Da diese<br />

Verfolgung jedoch weniger systematisch erfolgte, ist es nicht möglich, hier genaue<br />

Zahlen anzugeben. In <strong>de</strong>r mündlichen Überlieferung wird beson<strong>de</strong>rs die Verfolgung<br />

durch Pedro Gordilho hervorgehoben, einer <strong>de</strong>r Polizeichefs <strong>de</strong>r Stadt in <strong>de</strong>n 1920er<br />

Jahren. 49 Mehrere Meister berichten von offenen Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen mit <strong>de</strong>r Polizei,<br />

mit Vorliebe in <strong>de</strong>n Rotlichtzonen <strong>de</strong>s Hafenviertels. 50 Inwieweit Capoeira auch <strong>bei</strong><br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen zwischen Zuhältern, o<strong>de</strong>r Zuhältern und Prostituierten eingesetzt<br />

wur<strong>de</strong>, ist noch nicht hinreichend geklärt. Zeitungsnotizen über größere Schlägerein<br />

lassen auch Gewaltanwendungen von Capoeira gegen Frauen vermuten. In diesem<br />

Zusammenhang erscheint es schwer, weiter ungebrochen von <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstandsfunktion<br />

von Capoeira zu re<strong>de</strong>n. Capoeira konnte m. E. auch Mittel und Ausdruck von<br />

Männermacht sein. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite jedoch konstituierte die vadiação einen <strong>de</strong>r<br />

“schwarzen Räume” <strong>de</strong>r Stadt. In <strong>de</strong>r roda war <strong>de</strong>r Weiße nicht mehr Herr, im Gegenteil,<br />

hier war und ist es von Vorteil, Schwarz zu sein. Weiße wer<strong>de</strong>n gedul<strong>de</strong>t, müssen aber<br />

ihre Teilnahme aushan<strong>de</strong>ln.<br />

Die Darstellungen <strong>de</strong>r alten Meister ermöglichen einen besseren Einblick in das Spiel,<br />

<strong>de</strong>r in diesem Umfang für die früheren Manifestationen nicht möglich ist. Der Radschlag<br />

(au), mit <strong>de</strong>m die Spieler in <strong>de</strong>n “Kreis” (roda) eintraten, be<strong>de</strong>utet auch <strong>de</strong>n Eintritt in<br />

eine Welt, in <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Regeln galten. Die häufigen Radschläge (au) und verschie<strong>de</strong>nen<br />

47 Jair Moura, Mestre Bimba. A crônica da malandragem. Salvador (Bahia): Ed. do autor, 1991;<br />

Luiz Renato Vieira, O jogo da capoeira: corpo e cultura popular no Brasil. Rio <strong>de</strong> Janeiro, Sprint, 1995, S.<br />

103; Angelo A Decanio Filho, A herança <strong>de</strong> Mestre Bimba. Salvador, Ed. do autor, 1996.<br />

48 Querino, A Bahia <strong>de</strong> outrora, S. 17.<br />

49 Vgl. dazu Angela Lühning, “‘Acabe com este santo, Pedrito vem aí...’. Mito e realida<strong>de</strong> da perseguição<br />

policial ao candomblé baiano entre 1920 e 1942”. Revista USP, 28 (1995-96), São Paulo, S. 195-220.<br />

50 Rego, Capoeira Angola, S. 37; Moura, Mestre Bimba, S. 57-61; Interviews mit Meister Caiçara<br />

(Salvador, 1993) und Meister Vavá (Santo Amaro, 1993).<br />

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