04.01.2013 Aufrufe

Matthias Röhrig Assunçao - bei Chamada de Mandinga

Matthias Röhrig Assunçao - bei Chamada de Mandinga

Matthias Röhrig Assunçao - bei Chamada de Mandinga

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

1) Anpassung und Wi<strong>de</strong>rstand in Plantagengesellschaften<br />

Sklaverei wird allgemein als ein Ar<strong>bei</strong>tssystem angesehen, dass am wenigsten auf<br />

Konsens und am meisten auf nackte Gewalt begrün<strong>de</strong>t ist. Darüber hinaus wird Sklaverei<br />

immer als Ausbeutung von Frem<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Außenseitern <strong>de</strong>finiert. 3 Verständlicherweise<br />

hat die Historiographie <strong>de</strong>r amerikanischen Plantagensklaverei daher das Begriffspaar<br />

Wi<strong>de</strong>rstand und Anpassung lange als unüberbrückbare Dichotomie behan<strong>de</strong>lt. Wird die<br />

Plantage, wie <strong>bei</strong> Elkins, 4 einem Konzentrationslager gleichgesetzt, dann bleibt wenig<br />

Raum für Wi<strong>de</strong>rstand - es sei <strong>de</strong>nn die Sklaven ermor<strong>de</strong>n ihren Aufseher und setzen die<br />

Plantage in Brand. Wird <strong>de</strong>r Akzent, auf <strong>de</strong>r einen Seite <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ologischen Spektrum, wie<br />

etwa <strong>bei</strong> Freyre, 5 auf <strong>de</strong>n patriarchalen Charakter <strong>de</strong>r Sklaverei gesetzt, ist Wi<strong>de</strong>rstand<br />

nur eine Ran<strong>de</strong>rscheinung für Fälle, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Plantagenbesitzer sich als unfähig<br />

erwies, seine paternalistische Rolle zu spielen. Auch marxistische Ansätze, die die<br />

Plantagensklaverei zur eigenständigen Produktionsweise erhoben, bestan<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r<br />

Verdinglichung <strong>de</strong>s Sklaven, die nur durch gewaltsamen Wi<strong>de</strong>rstand aufgehoben wer<strong>de</strong>n<br />

konnte. 6 So erfolgte die Darstellung von Anpassung und Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>r Sklaven lange<br />

Zeit in getrennten Welten. Auf <strong>de</strong>r einen Seite <strong>de</strong>r Sklave, <strong>de</strong>r sich, mangels besserer<br />

Möglichkeiten, <strong>de</strong>m System unterwarf, sich Werte und Verhaltensweisen <strong>de</strong>r weißen<br />

Besitzer aneignete (Onkel Tom). Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>r heroische Rebell, <strong>de</strong>r Folger<br />

und Tod riskierend, die Sklaverei systematisch verweigerte und als Märtyr in die<br />

Geschichte einging. Gemäß einer weitverbreiteten Auffassung in <strong>de</strong>r älteren<br />

Historiographie akzeptierten die Schwarzen ihr Los mit größerer Resignation als die<br />

indianischen Sklaven, was oft mit “rassischen” Eigenschaften erklärt wur<strong>de</strong>. Dem hielten<br />

Vertreter meist <strong>de</strong>s linken Spektrums die eindrucksvolle Zahl <strong>de</strong>r<br />

Sklavenverschwörungen und Aufstän<strong>de</strong> speziell in Brasilien und <strong>de</strong>r Karibik entgegen,<br />

sowie die individuellen Fluchtversuche von Sklaven in abgelegene Urwaldgebiete, in<br />

<strong>de</strong>nen sie eigenständige Gemeinschaften bil<strong>de</strong>ten (engl. Maroons, port. Quilombos).<br />

Obgleich die realhistorischen Quilombos oft komplizierte und ambivalente Verbindungen<br />

mit Teilen <strong>de</strong>r Plantagengesellschaft eingingen, 7 wur<strong>de</strong>n sie zum Symbol <strong>de</strong>s<br />

Sklavenwi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s schlechthin hochstilisiert. Zumbi, <strong>de</strong>r militante Anführer <strong>de</strong>s<br />

größten brasilianischen Quilombos, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 1970er Jahren von <strong>de</strong>n Schwarzen<br />

Bewegungen Brasiliens zum Zeichen <strong>de</strong>s schwarzen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s erhoben. Sein<br />

To<strong>de</strong>stag, <strong>de</strong>r 20. November, sollte fortan <strong>de</strong>n konservativen 13. Mai [1888] ersetzen, <strong>de</strong>r<br />

die Abolition <strong>de</strong>r Sklaverei durch die Unterschrift einer weißen Prinzessin feiert.<br />

3<br />

Moses I. Finley, Artikel “Slavery”, in: Encyclopaedia of the Social Sciences. 1968, S. 307-13, insbes. S.<br />

308-09.<br />

4<br />

Stanley M. Elkins, Slavery. A Problem in American Institutional and Intelectual Life. New York, Grosset<br />

und Dunlap, 1963.<br />

5<br />

Gilberto Freyre: Casa-Gran<strong>de</strong> e Senzala. Formação da família brasileira sob o regime <strong>de</strong> economia<br />

patriarcal. Lissabon, Ed. Livros do Brasil, 1957 (1. Aufl. 1933. Deutsche Übers.: Herrenhaus und<br />

Sklavenhütte, Stuttgart, Klett-Cotta, 1982).<br />

6<br />

Das wichtigste Werk in dieser Hinsicht ist Jakob Goren<strong>de</strong>r, O escravismo colonial. São Paulo, Ática,<br />

1978.<br />

7 Vgl. João José Reis und Flávio Gomes (Hgs.), Liberda<strong>de</strong> por um fio. História dos quilombos no Brasil.<br />

São Paulo, Companhia das Letras, 1996, insbes. S. 23.<br />

2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!