Matthias Röhrig Assunçao - bei Chamada de Mandinga
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1) Anpassung und Wi<strong>de</strong>rstand in Plantagengesellschaften<br />
Sklaverei wird allgemein als ein Ar<strong>bei</strong>tssystem angesehen, dass am wenigsten auf<br />
Konsens und am meisten auf nackte Gewalt begrün<strong>de</strong>t ist. Darüber hinaus wird Sklaverei<br />
immer als Ausbeutung von Frem<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Außenseitern <strong>de</strong>finiert. 3 Verständlicherweise<br />
hat die Historiographie <strong>de</strong>r amerikanischen Plantagensklaverei daher das Begriffspaar<br />
Wi<strong>de</strong>rstand und Anpassung lange als unüberbrückbare Dichotomie behan<strong>de</strong>lt. Wird die<br />
Plantage, wie <strong>bei</strong> Elkins, 4 einem Konzentrationslager gleichgesetzt, dann bleibt wenig<br />
Raum für Wi<strong>de</strong>rstand - es sei <strong>de</strong>nn die Sklaven ermor<strong>de</strong>n ihren Aufseher und setzen die<br />
Plantage in Brand. Wird <strong>de</strong>r Akzent, auf <strong>de</strong>r einen Seite <strong>de</strong>s i<strong>de</strong>ologischen Spektrum, wie<br />
etwa <strong>bei</strong> Freyre, 5 auf <strong>de</strong>n patriarchalen Charakter <strong>de</strong>r Sklaverei gesetzt, ist Wi<strong>de</strong>rstand<br />
nur eine Ran<strong>de</strong>rscheinung für Fälle, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Plantagenbesitzer sich als unfähig<br />
erwies, seine paternalistische Rolle zu spielen. Auch marxistische Ansätze, die die<br />
Plantagensklaverei zur eigenständigen Produktionsweise erhoben, bestan<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>r<br />
Verdinglichung <strong>de</strong>s Sklaven, die nur durch gewaltsamen Wi<strong>de</strong>rstand aufgehoben wer<strong>de</strong>n<br />
konnte. 6 So erfolgte die Darstellung von Anpassung und Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>r Sklaven lange<br />
Zeit in getrennten Welten. Auf <strong>de</strong>r einen Seite <strong>de</strong>r Sklave, <strong>de</strong>r sich, mangels besserer<br />
Möglichkeiten, <strong>de</strong>m System unterwarf, sich Werte und Verhaltensweisen <strong>de</strong>r weißen<br />
Besitzer aneignete (Onkel Tom). Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>r heroische Rebell, <strong>de</strong>r Folger<br />
und Tod riskierend, die Sklaverei systematisch verweigerte und als Märtyr in die<br />
Geschichte einging. Gemäß einer weitverbreiteten Auffassung in <strong>de</strong>r älteren<br />
Historiographie akzeptierten die Schwarzen ihr Los mit größerer Resignation als die<br />
indianischen Sklaven, was oft mit “rassischen” Eigenschaften erklärt wur<strong>de</strong>. Dem hielten<br />
Vertreter meist <strong>de</strong>s linken Spektrums die eindrucksvolle Zahl <strong>de</strong>r<br />
Sklavenverschwörungen und Aufstän<strong>de</strong> speziell in Brasilien und <strong>de</strong>r Karibik entgegen,<br />
sowie die individuellen Fluchtversuche von Sklaven in abgelegene Urwaldgebiete, in<br />
<strong>de</strong>nen sie eigenständige Gemeinschaften bil<strong>de</strong>ten (engl. Maroons, port. Quilombos).<br />
Obgleich die realhistorischen Quilombos oft komplizierte und ambivalente Verbindungen<br />
mit Teilen <strong>de</strong>r Plantagengesellschaft eingingen, 7 wur<strong>de</strong>n sie zum Symbol <strong>de</strong>s<br />
Sklavenwi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s schlechthin hochstilisiert. Zumbi, <strong>de</strong>r militante Anführer <strong>de</strong>s<br />
größten brasilianischen Quilombos, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 1970er Jahren von <strong>de</strong>n Schwarzen<br />
Bewegungen Brasiliens zum Zeichen <strong>de</strong>s schwarzen Wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>s erhoben. Sein<br />
To<strong>de</strong>stag, <strong>de</strong>r 20. November, sollte fortan <strong>de</strong>n konservativen 13. Mai [1888] ersetzen, <strong>de</strong>r<br />
die Abolition <strong>de</strong>r Sklaverei durch die Unterschrift einer weißen Prinzessin feiert.<br />
3<br />
Moses I. Finley, Artikel “Slavery”, in: Encyclopaedia of the Social Sciences. 1968, S. 307-13, insbes. S.<br />
308-09.<br />
4<br />
Stanley M. Elkins, Slavery. A Problem in American Institutional and Intelectual Life. New York, Grosset<br />
und Dunlap, 1963.<br />
5<br />
Gilberto Freyre: Casa-Gran<strong>de</strong> e Senzala. Formação da família brasileira sob o regime <strong>de</strong> economia<br />
patriarcal. Lissabon, Ed. Livros do Brasil, 1957 (1. Aufl. 1933. Deutsche Übers.: Herrenhaus und<br />
Sklavenhütte, Stuttgart, Klett-Cotta, 1982).<br />
6<br />
Das wichtigste Werk in dieser Hinsicht ist Jakob Goren<strong>de</strong>r, O escravismo colonial. São Paulo, Ática,<br />
1978.<br />
7 Vgl. João José Reis und Flávio Gomes (Hgs.), Liberda<strong>de</strong> por um fio. História dos quilombos no Brasil.<br />
São Paulo, Companhia das Letras, 1996, insbes. S. 23.<br />
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