Matthias Röhrig Assunçao - bei Chamada de Mandinga
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Spiel üben und Ekel vor <strong>de</strong>m [angelsächsischen] Boxkampf empfin<strong>de</strong>n”. 18 Die<br />
nationalistische Grun<strong>de</strong>instellung war für die Rehabilitation <strong>de</strong>r Capoeira auch in <strong>de</strong>r<br />
Folgezeit von Be<strong>de</strong>utung. Von Burlamaqui stammte <strong>de</strong>r erste Versuch, aus <strong>de</strong>r Capoeira<br />
eine brasilianische Gymnastik zu machen 19 - ein letztendlich erfolgreiches Unternehmen,<br />
das seit <strong>de</strong>n 1930er Jahren auch Unterstützung von nationalistisch gesinnten Militärs und<br />
Politikern genoss.<br />
Der ethnische Diskurs hingegen hebt <strong>de</strong>n afrikanischen Ursprung und Charakter <strong>de</strong>r<br />
Capoeira hervor und bevorzugt <strong>de</strong>n entflohenen schwarzen Sklaven als Archetyp <strong>de</strong>s<br />
Capoeirista. Vielleicht ist eine frühe Form davon schon in <strong>de</strong>r Selbstdarstellung und -<br />
einschätzung <strong>de</strong>r Capoeira-Praktikanten <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts enthalten, nur wissen wir<br />
lei<strong>de</strong>r darüber zu wenig. In mo<strong>de</strong>rner Form artikulierten diesen Diskurs zuerst die<br />
Volkskundler und Anthropologen <strong>de</strong>r ersten Hälfte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts, wie Manuel<br />
Querino und Édson Carneiro, die Capoeira mit Bantu-Kultur i<strong>de</strong>ntifizieren. 20 Mitglie<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>r Schwarzenbewegungen Brasiliens reformulierten diesen Diskurs in <strong>de</strong>n 1980er<br />
Jahren: Capoeira wird wie die afro-brasilianische Religion Candomblé zum Ausdruck<br />
von Négritu<strong>de</strong> par excellence erhoben.<br />
Der Klassen-Diskurs setzt <strong>de</strong>n Schwerpunkt auf die Wi<strong>de</strong>rstandsfunktion <strong>de</strong>r Capoeira<br />
und <strong>de</strong>n sozialen Ursprung <strong>de</strong>r Capoeiristas in <strong>de</strong>n Unterklassen. So wie <strong>de</strong>r ethnische<br />
Diskurs die Partizipation von nicht Schwarzen unterbeleuchtet, unterschlägt <strong>de</strong>r Klassen-<br />
Diskurs die Capoeira-Praxis von Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Elite und die ambivalente politische und<br />
soziale Funktion <strong>de</strong>r Capoeira in bestimmten historischen Kontexten. Bei<strong>de</strong> Diskurse<br />
tendieren auch dazu, <strong>de</strong>n Einfluss europäischer Elemente auf die Capoeira<br />
herunterzuspielen.<br />
Der korporativ-initiatorische Diskurs verweigert <strong>de</strong>n Wert aka<strong>de</strong>mischer Untersuchungen<br />
und privilegiert die Transmission von Kenntnissen über die Geschichte <strong>de</strong>r Capoeira via<br />
oraler Tradition. Er artikuliert sich nicht nur mündlich innerhalb <strong>de</strong>s Unterrichts, son<strong>de</strong>rn<br />
auch in einer beeindrucken<strong>de</strong>n Vielfalt von Broschüren, Zeitschriften, didaktischen<br />
Büchern von Meistern und Lehrern, sowie in Schallplatten, Vi<strong>de</strong>ofilmen und Websites.<br />
Er spiegelt die Reaktion von professionellen o<strong>de</strong>r semi-professionellen, oft nicht<br />
aka<strong>de</strong>misch ausgebil<strong>de</strong>ten Capoeira-Lehrern wie<strong>de</strong>r. Diese bestreiten ihren<br />
Lebensunterhalt mit Capoeira, geraten aber auf <strong>de</strong>m Ar<strong>bei</strong>tsmarkt in Konkurrenz mit<br />
Sportlehrern o<strong>de</strong>r fühlen, wie ihr Wissensmonopol über Capoeira durch Aka<strong>de</strong>miker<br />
(Sozialwissenschaftler, Sport- und Erziehungswissenschaftler, Ärzte) in Frage gestellt<br />
wird.<br />
Aka<strong>de</strong>mische Ar<strong>bei</strong>ten über Capoeira lassen sich in <strong>de</strong>r Regel ebenso diesen diskursiven<br />
Strukturen zuordnen. Das liegt zum einen an <strong>de</strong>r relativ rezenten aka<strong>de</strong>mischen<br />
18<br />
“Cultivemos o jogo da capoeira e tenhamos asco pelo box”. Neto, Bazar, S. 134.<br />
19<br />
Annibal Burlamaqui, Gimnastica Nacional (Capoeiragem) Metodidazada e Regrada. Rio <strong>de</strong> Janeiro, Ed.<br />
do autor, 1928;<br />
20<br />
Manuel Querino, A Bahia <strong>de</strong> outrora [vultos e factos populares]. 3ª edição aumentada. Salvador,<br />
Livraria Progresso, 1955 (1. Aufl. 1916); Édison Carneiro, Negros bantos. Rio <strong>de</strong> Janeiro, Editora<br />
Civilização Brasileira, 1937.<br />
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