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Matthias Röhrig Assunçao - bei Chamada de Mandinga

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“Aka<strong>de</strong>mie” und unterteilte sie in gymnastische Übungen, die je<strong>de</strong>n Tag praktiziert<br />

wer<strong>de</strong>n sollten. Er entwickelte eine Reihe von standardisierten Abläufen (sequências), die<br />

Anfänger auf die Teilnahme an <strong>de</strong>r roda vorbereiten sollte. Wie es die Vertreter <strong>de</strong>r<br />

Regional zu Recht hervorheben, begrün<strong>de</strong>te er die erste formale Didaktik für eine bis<br />

dahin informale Praxis. Er führte auch eine Reihe von neuen Angriffen und<br />

Gegenangriffe ein, sowie neue Bewegungsabläufe, die direkten physischen Kontakt zur<br />

Flexibilisierung <strong>de</strong>s Rückra<strong>de</strong>s benutzten (cintura, balão usw.). Die Capoeira Regional<br />

verzichtete auf verschie<strong>de</strong>ne Rituale wie die chamadas, und zeichnete sich durch<br />

schnellere Bewegungsabläufe und eine insgesamt aufrechtere Haltung aus. Bimba erfand<br />

auch eine Hierarchie, die es bis in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>r traditionellen Capoeira<br />

nicht gegeben hatte. Anfänger (calouros) legten Prüfungen ab, bevor sie zu <strong>de</strong>n<br />

Fortgeschrittenen (formados, formados especializados) aufstiegen, und mussten sich<br />

einer strengen Disziplin unterwerfen, <strong>de</strong>ren Regeln in <strong>de</strong>r Schule aushingen (nicht<br />

rauchen, nicht trinken, nicht an rodas auf <strong>de</strong>r Straße teilnehmen). Er rekrutierte viele<br />

seiner Schüler in <strong>de</strong>n Mittelklassen, und verlangte von ihnen, dass sie einer regelmäßigen<br />

Ar<strong>bei</strong>t nachgingen.<br />

Die Effizienz seiner Technik und Metho<strong>de</strong>n bewies Bimba in öffentlichen<br />

Herausfor<strong>de</strong>rungen, die über die Presse verbreitet wur<strong>de</strong>n und in <strong>de</strong>r Konfrontation mit<br />

<strong>de</strong>n alten Meistern. Caiçara etwa, damals bekannt wegen seiner ständigen Raufereien mit<br />

<strong>de</strong>r Polizei, schlug er mehrere Zähne aus, als dieser ihn in seiner Aka<strong>de</strong>mie provozierte. 54<br />

Diese Erfolge erregten das Interesse von Militärs und nationalistischen Intellektuellen,<br />

die Metho<strong>de</strong>n zur Stärkung <strong>de</strong>r brasilianischen Männlichkeit o<strong>de</strong>r nationale Symbole<br />

suchten. Juracy Magalhães, Gouverneur (interventor) <strong>de</strong>s aus <strong>de</strong>r 1930er Revolution<br />

hervorgegangenen Regimes, ließ Bimba eine Aufführung im Regierungspalast von Bahia<br />

geben. 1937 erfolgte die erste offizielle Anerkennung seiner Schule durch <strong>de</strong>n Staat, die<br />

ihm ein Diplom als Sportlehrer ausstellte. 1939-42 unterrichtete Bimba sogar in <strong>de</strong>r<br />

Offiziersschule <strong>de</strong>r Kaserne im Forte do Barbalho. Die Militärs interessierten sich<br />

beson<strong>de</strong>rs für die von Bimba unterrichtete Guerrilla-Taktik <strong>de</strong>r emboscada, die darin<br />

bestand, dass ein fortgeschrittener Schüler ein Waldgelän<strong>de</strong> durchqueren musste, in <strong>de</strong>m<br />

an<strong>de</strong>re Schüler ihm auflauerten. Eine nationale Anerkennung erfolgte 1953, als <strong>de</strong>r<br />

ehemalige Diktator (1937-45) und 1950 <strong>de</strong>mokratisch wie<strong>de</strong>rgewählte Präsi<strong>de</strong>nte Getúlio<br />

Vargas Bimba persönlich empfing und die Capoeira als “einzig wahren brasilianischen<br />

Sport” lobte. Trotz dieser offiziellen Anerkennung gelang es Bimba nie, sich eine<br />

gesicherte Existenz aufzubauen und er verstarb 1974 verbittert und in Armut. Seine<br />

zahlreichen Anhänger, nun selbst Meister, sowie <strong>de</strong>ren Schüler grün<strong>de</strong>ten ihrerseits<br />

Aka<strong>de</strong>mien in allen Bun<strong>de</strong>sstaaten Brasiliens, in Europa und Nordamerika, mit<br />

Tausen<strong>de</strong>n von Stu<strong>de</strong>nten. Die unter <strong>de</strong>m Namen Capoeira Regional bekannte Form<br />

wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n 1960er und 70er Jahren zum Inbegriff von Capoeira schlechthin. Das aus<br />

<strong>de</strong>m Putsch von 1964 hervorgegangene Militärregime versuchte, diese Entwicklung in<br />

<strong>de</strong>n Griff zu bekommen, in <strong>de</strong>m es in Zusammenar<strong>bei</strong>t mit einigen kollaborationswilligen<br />

Lehrern eine Capoeira-Fö<strong>de</strong>ration aufbaute, die die Regeln vereinheitlichen und die<br />

einzelnen Aka<strong>de</strong>mien unterstützen sollte. Viele Schulen empfan<strong>de</strong>n dies jedoch als<br />

staatliche Bevormundung und grün<strong>de</strong>ten eigene, unabhängige Zusammenschlüsse, die<br />

54 Interview mit Meister Caiçara, Salvador, 1993.<br />

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