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Arbeiten in der Schweiz am Beispiel der Bauwirtschaft

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Neue Zeitschrift für<br />

Arbeitsrecht<br />

Zweiwochenschrift für die betriebliche Praxis<br />

NZA Onl<strong>in</strong>e Aufsatz 3/2009<br />

19. August 2009 · 26. Jahrgang · Seite 1–7<br />

In Zus<strong>am</strong>menarbeit mit <strong>der</strong> Neuen Juristischen Wochenschrift herausgegeben von:<br />

Prof. Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Rechtsanwalt, Stuttgart – Prof. Dr. Johannes Peter Francken, Präsident des LAG Baden-Württemberg<br />

a. D., Freiburg – Edith Gräfl, Vorsitzende Richter<strong>in</strong> <strong>am</strong> BAG, Erfurt – Dr. Thomas Klebe, Justitiar <strong>der</strong> IG Metall, Frankfurt a. M. –<br />

Wolfgang Koberski, Vorstand bei den Sozialkassen des Baugewerbes, Wiesbaden – Prof. Dr. Eckhard Kreßel, Leiter Personal- und<br />

Arbeitspolitik <strong>der</strong> Daimler AG, Stuttgart – Prof. Dr. Klaus Neef, Rechtsanwalt, Hannover – Prof. Dr. Ulrich Preis, Universität zu Köln –<br />

Prof. Dr. Re<strong>in</strong>hard Richardi, Universität Regensburg – Prof. Dr. Ra<strong>in</strong>er Schlegel, Abteilungsleiter im Bundesm<strong>in</strong>isterium für Arbeit und<br />

Soziales, Berl<strong>in</strong> – Ingrid Schmidt, Präsident<strong>in</strong> des BAG, Erfurt – Prof. Dr. Klaus Schmidt, Präsident des LAG Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz a. D.,<br />

Heidelberg – Prof. Dr. Achim Schun<strong>der</strong>, Rechtsanwalt, Frankfurt a. M. – Prof. Dr. Ulrike Wendel<strong>in</strong>g-Schrö<strong>der</strong>, Universität Hannover –<br />

Prof. Dr. Hellmut Wißmann, Präsident des BAG a. D., Erfurt<br />

Schriftleitung: Prof. Dr. Klaus Schmidt, Prof. Dr. Achim Schun<strong>der</strong> und Dr. Jochen Wallisch<br />

Beethovenstr. 7b, 60325 Frankfurt a. M.<br />

Onl<strong>in</strong>e-Aufsatz<br />

Rechtsanwalt Eric Zimmermann, Freiburg im Breisgau*<br />

<strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong><br />

<strong>Arbeiten</strong> im Ausland bedeutet immer auch <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

fremden Rechtsordnung. Der nachfolgende Artikel stellt die<br />

Rechtslage dar, die e<strong>in</strong> ausländischer Unternehmer beachten<br />

muss, <strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Arbeitnehmer <strong>in</strong> die <strong>Schweiz</strong> entsendet. Wer<br />

sich nicht im Vorfeld mit dem schweizerischen Entsen<strong>der</strong>echt<br />

beschäftigt, muss d<strong>am</strong>it rechnen, dass ihm bei e<strong>in</strong>er Kontrolle<br />

Verstöße gegen die schweizerischen Arbeits- und Lohnbed<strong>in</strong>gungen<br />

nachgewiesen werden. Diese können zu hohen<br />

Strafen und sogar zu e<strong>in</strong>em Arbeitsverbot führen.<br />

I. E<strong>in</strong>führung<br />

Die EU und ihre 27 Mitgliedstaaten s<strong>in</strong>d die mit Abstand<br />

wichtigsten Partner <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> 1 . Deutschland nimmt dabei<br />

e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>stellung e<strong>in</strong>. Denn Deutschland ist für die <strong>Schweiz</strong><br />

<strong>der</strong> Wirtschaftspartner Nummer 1, und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong>er Exportmarkt<br />

ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> zehn wichtigsten für die deutsche<br />

Wirtschaft 2 . Der Importanteil aus Deutschland lag <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> im Jahr 2008 bei 34,6% 3 . Neben <strong>der</strong> Grenznähe<br />

bestehen kulturelle, historische und politische Verwandtschaften.<br />

Zudem gibt es <strong>in</strong> weiten Teilen <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> auch<br />

ke<strong>in</strong>e Sprachbarriere für deutsche Unternehmer. Angesichts<br />

<strong>der</strong> engen Verflechtung verfolgt die <strong>Schweiz</strong> gegenüber <strong>der</strong><br />

EU e<strong>in</strong>e Interessenpolitik auf bilateralem Weg 4 . Als großes<br />

Hemmnis hat sich aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit trotz dieser<br />

Interessenpolitik die Nichtzugehörigkeit <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Europäischen Union herausgestellt. Das Verhältnis zwischen<br />

<strong>der</strong> EG und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> wird dabei zunächst durch e<strong>in</strong> Freihandelsabkommen<br />

aus dem Jahr 1972 geregelt 5 . E<strong>in</strong> Beitrittsgesuch<br />

<strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>in</strong> die EG ruht, da es von dem <strong>Schweiz</strong>erischen<br />

Bundesrat sistiert wurde 6 . Im Januar 1993 erklärte <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>erische Bundesrat, dass die <strong>Schweiz</strong> bis auf Weiteres<br />

auf die Eröffnung <strong>der</strong> Beitrittsverhandlungen verzichtet und<br />

ihre Beziehungen zur Geme<strong>in</strong>schaft auf bilateralem Weg weiter<br />

zu entwickeln wünscht 7 . Inzwischen ist <strong>am</strong> 1. 6. 2002 e<strong>in</strong><br />

Paket mit sieben sektoralen Abkommen <strong>in</strong> Kraft getreten 8 .<br />

Die Abkommen haben das Ziel, die wirtschaftlichen Nachteile<br />

des Nichtbeitritts <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> zum europäischen Wirtschaftsraum<br />

auszugleichen 9 . Zu den sieben Sektoren zählt<br />

auch <strong>der</strong> Personenverkehr, <strong>der</strong> <strong>in</strong> dem Freizügigkeitsabkommen<br />

(FZA) geregelt wird.<br />

Das Freizügigkeitsabkommen ist e<strong>in</strong> völkerrechtlicher Vertrag<br />

zwischen <strong>der</strong> EG sowie ihren Mitgliedsstaaten auf <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>en Seite und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite: wegen <strong>der</strong><br />

gleichzeitigen Beteiligung <strong>der</strong> EG und ihrer Mitgliedsstaaten<br />

auf <strong>der</strong> europäischen Seite handelt es sich um e<strong>in</strong> so genanntes<br />

gemischtes Abkommen 10 . Die Vertragsparteien verpflich-<br />

* Der Autor ist Rechtsanwalt beim Berufsför<strong>der</strong>ungswerk <strong>der</strong> Südbadischen<br />

<strong>Bauwirtschaft</strong>, Freiburg im Breisgau.<br />

1 EDA/EVD, Die Bilateralen Abkommen <strong>Schweiz</strong> – Europäische Union,<br />

S. 5.<br />

2 Bopp, CH-D Wirtschaft 2009, 2.<br />

3 Bopp, CH-D Wirtschaft 2009, 2.<br />

4 EDA/EVD, Die Bilateralen Abkommen <strong>Schweiz</strong> – Europäische Union,<br />

S. 5.<br />

5 Bourgeois, <strong>in</strong>:von <strong>der</strong> Groeben/Schwarze, Komm. zum EU-/EG-Vertrag,<br />

6. Aufl. (2003), Art. 133 Rdnr. 153.<br />

6 Weigell, IStR 2006, 190 (191) m. w. Ausführungen.<br />

7 EDA/EVD, Die Bilateralen Abkommen <strong>Schweiz</strong> – Europäische Union,<br />

S. 5.<br />

8 Bourgeois, <strong>in</strong>: von <strong>der</strong> Groeben/Schwarze (o. Fußn. 5), Art. 133<br />

Rdnr. 153.<br />

9 Fehrenbacher, NVwZ 2002, 1344.<br />

10 Fehrenbacher, NVwZ 2002, 1344.


2 NZA Onl<strong>in</strong>e Aufsatz 3/2009 Zimmermann, <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong><br />

ten sich im Freizügigkeitsabkommen unter an<strong>der</strong>em dazu, die<br />

Arbeitsmärkte schrittweise zu öffnen.<br />

Nach Art. 8 lit. a FZA haben die Vertragsparteien <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die Gleichbehandlung zu gewährleisten. D<strong>am</strong>it ist unter<br />

an<strong>der</strong>em auch die Dienstleistungsfreiheit geme<strong>in</strong>t, so dass die<br />

Dienstleistungserbr<strong>in</strong>ger das Recht haben, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

Vertragsstaat Dienstleistungen zu erbr<strong>in</strong>gen, <strong>der</strong>en tatsächliche<br />

Dauer 90 Tage pro Kalen<strong>der</strong>jahr nicht überschreitet 11 .<br />

Um Erwerbstätige <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> vor dem Risiko von Sozialund<br />

Lohndump<strong>in</strong>g, welches mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung des freien<br />

Personalverkehrs zwischen <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> und <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union e<strong>in</strong>treten konnte, zu schützen, wurden <strong>am</strong> 1. 6.<br />

2004 so genannte „flankierende Maßnahmen“ <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong> e<strong>in</strong>geführt 12 . Unter flankierenden Maßnahmen versteht<br />

man zum Teil gesetzliche, zum Teil <strong>in</strong>stitutionelle Vornahmen,<br />

die dazu dienen, die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> schweizerischen<br />

Arbeits- und Lohnbed<strong>in</strong>gungen abzusichern, so dass ke<strong>in</strong><br />

Lohn- und Sozialdump<strong>in</strong>g entstehen kann. Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

geltenden Lohn- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen müssen demnach<br />

von allen Erwerbstätigen und Arbeitgebern e<strong>in</strong>gehalten werden<br />

13 .<br />

Wer <strong>in</strong> die <strong>Schweiz</strong> legal Arbeitnehmer entsenden will, muss<br />

diese flankierenden Maßnahmen kennen und e<strong>in</strong>halten.<br />

Dreh- und Angelpunkt <strong>der</strong> flankierenden Maßnahmen s<strong>in</strong>d<br />

die Regelungen des Entsendegesetzes (EntsG) und <strong>der</strong> Entsendeverordnung<br />

(EntsV). Zu beachten ist, dass sich die flankierenden<br />

Maßnahmen stets an dem Freizügigkeitsabkommen<br />

und mittelbar an <strong>der</strong> Rechtsprechung des EuGH messen<br />

lassen müssen. Die Vertragsparteien haben sich im Freizügigkeitsabkommen<br />

gerade verpflichtet, ke<strong>in</strong>e neuen Beschränkungen<br />

für Staatsangehörige <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Vertragsparteien<br />

e<strong>in</strong>zuführen (Art. 13 FZA). Flankierende Maßnahmen dürfen<br />

daher nicht zu e<strong>in</strong>er Abschottung und Benachteiligung ausländischer<br />

Betriebe führen.<br />

Die EuGH-Rechtsprechung wirkt durch Art. 16 FZA auf das<br />

Abkommen durch. Gemäß Art. 16 II FZA ist die e<strong>in</strong>schlägige<br />

Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt <strong>der</strong> Unterzeichnung<br />

zu berücksichtigen, also bis zum 21. 6. 1999. Über<br />

die Rechtsprechung nach dem Zeitpunkt <strong>der</strong> Unterzeichnung<br />

des Abkommens muss die <strong>Schweiz</strong> unterrichtet werden. Da<br />

aber gem. Art. 16 I FZA die Vertragsparteien gleiche Rechte<br />

und Pflichten herstellen wollen, wird es bei e<strong>in</strong>er Fernwirkung<br />

<strong>der</strong> EuGH-Rechtsprechung auch bei den Entscheidungen<br />

nach dem 21. 6. 1999 bleiben, die die Themengebiete <strong>der</strong><br />

Abkommen betreffen.<br />

II. Aufenthaltsrecht<br />

Gemäß Art. 5 I FZA i. V. mit Art. 17 FZA Anhang I wird<br />

e<strong>in</strong>em Dienstleistungsbr<strong>in</strong>ger das Recht e<strong>in</strong>geräumt, Dienstleistungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> bis zu 90 Arbeitstage lang ohne<br />

Beschränkung zu erbr<strong>in</strong>gen. Hierfür benötigt <strong>der</strong> ausländische<br />

Unternehmer ke<strong>in</strong>e Aufenthaltserlaubnis (Art. 20 I<br />

FZA Anhang I), son<strong>der</strong>n muss alle<strong>in</strong> die entsandten Personen<br />

anmelden. Diese Regelung weicht vom Grundsatz des Art. 11<br />

AuG ab, wonach Auslän<strong>der</strong>, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> e<strong>in</strong>e Erwerbstätigkeit<br />

ausüben wollen, unabhängig von <strong>der</strong> Aufenthaltsdauer<br />

e<strong>in</strong>e Bewilligung benötigen. Bewilligungspflichtig s<strong>in</strong>d<br />

somit sämtliche Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gungen, die länger als<br />

90 Arbeitstage o<strong>der</strong> drei Monate im Kalen<strong>der</strong>jahr dauern,<br />

denn Dienstleistungen über 90 Arbeitstage fallen nicht <strong>in</strong> den<br />

Geltungsbereich des Freizügigkeitsabkommens 14 .<br />

Die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>reise durch bloße Meldung hat die<br />

<strong>Schweiz</strong> für ausländische Unternehmer deutlich attraktiver<br />

gemacht. Das Meldeverfahren kann kostenlos und schnell im<br />

Internet auf <strong>der</strong> Seite des Bundes<strong>am</strong>tes für Migration vorgenommen<br />

werden 15 . Der Arbeitsaufnahme <strong>in</strong> die <strong>Schweiz</strong><br />

geht also alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Meldung voraus. Vor Beg<strong>in</strong>n des Arbeitse<strong>in</strong>satzes<br />

muss <strong>der</strong> Arbeitgeber gem. Art. 6 I EntsG die entsandten<br />

Personen, die ausgeübte Tätigkeit sowie den Arbeitsort<br />

anmelden. Nach Art. 6 III EntsG darf die Arbeit frühestens<br />

acht Tage, nachdem <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz gemeldet wurde, aufgenommen<br />

werden. Art. 6 I EntsV regelt, dass das<br />

Meldeverfahren und auch die dort aufgeführte Acht-Tagefrist<br />

für alle <strong>Arbeiten</strong> obligatorisch ist, die länger als acht Tage<br />

pro Kalen<strong>der</strong>jahr dauern. Bei mehreren E<strong>in</strong>sätzen im Kalen<strong>der</strong>jahr<br />

s<strong>in</strong>d die Tage zus<strong>am</strong>menzuzählen 16 . <strong>Arbeiten</strong>, die<br />

weniger als acht Tage dauern, bedürfen daher nicht e<strong>in</strong>er<br />

solchen Meldung.<br />

Bei bestimmten Tätigkeiten, unter an<strong>der</strong>em im Bauhauptund<br />

Baunebengewerbe, hat allerd<strong>in</strong>gs die Meldung immer<br />

unabhängig von <strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> <strong>Arbeiten</strong> zu erfolgen. Die<br />

Acht-Tagefrist ist daher selbst bei e<strong>in</strong>em Arbeitstag <strong>in</strong> diesen<br />

Branchen e<strong>in</strong>zuhalten. In <strong>der</strong> Praxis entpuppte sich diese<br />

Acht-Tagefrist als Handelshemmnis. Unternehmer beklagen<br />

immer wie<strong>der</strong>, dass sie kurzfristige <strong>Arbeiten</strong> nicht durchführen<br />

könnten und daher gegenüber ihren schweizerischen Mitbewerbern<br />

benachteiligt wären. Die <strong>Schweiz</strong> entgegnet, dass<br />

sie mit <strong>der</strong> Regelung <strong>in</strong> Art. 6 III EntsV e<strong>in</strong>en ausreichenden<br />

Dispens formuliert habe. Dort heißt es, dass <strong>in</strong> Notfällen, wie<br />

Reparaturen, Unfällen, Naturkatastrophen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

nicht vorhersehbaren Ereignissen, die Arbeit ausnahmsweise<br />

auch vor Ablauf <strong>der</strong> achttägigen Frist beg<strong>in</strong>nen kann, frühestens<br />

jedoch <strong>am</strong> Tag <strong>der</strong> Meldung. Die Geltendmachung e<strong>in</strong>es<br />

Notfalls wird von den kantonalen Behörden unter kumulativer<br />

Erfüllung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e folgen<strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gungen anerkannt:<br />

<strong>der</strong> Arbeitse<strong>in</strong>satz dient <strong>der</strong> Behebung e<strong>in</strong>es unvorhersehbaren<br />

e<strong>in</strong>getretenen Schadens und hat zum Ziel, weiteren<br />

Schaden zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n 17 . Außerdem muss <strong>der</strong> Arbeitse<strong>in</strong>satz<br />

unverzüglich erfolgen, das heißt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

spätestens drei Kalen<strong>der</strong>tage nach E<strong>in</strong>tritt des Schadens 18 .<br />

Gleichwohl bleibt es bei e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>direkten Benachteiligung, da<br />

<strong>der</strong> Dispens gerade nur beson<strong>der</strong>e und ungewöhnliche Ausnahmen<br />

regelt. In e<strong>in</strong>er gleichen, diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien Regelung<br />

müsste e<strong>in</strong> ausländischer Betrieb genauso schnell se<strong>in</strong>e<br />

Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> verrichten können wie e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heimischer<br />

Unternehmer. Der Dispens wäre somit gar nicht<br />

notwendig. Zielsetzung des Abkommens ist gerade die E<strong>in</strong>räumung<br />

<strong>der</strong> gleichen Beschäftigungs- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

19 . In dieser Regelung kann man daher e<strong>in</strong>en Verstoß<br />

gegen Art. 2 FZA erkennen. Nach Art. 2 FZA dürfen Auslän<strong>der</strong><br />

nicht auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit diskrim<strong>in</strong>iert<br />

werden. E<strong>in</strong>e solche Diskrim<strong>in</strong>ierung liegt aber auf<br />

Grund <strong>der</strong> grundsätzlich zw<strong>in</strong>genden langen Meldefrist für<br />

Auslän<strong>der</strong> vor. Es bleibt abzuwarten, ob sich <strong>der</strong> gem.<br />

Art. 14 I FZA zuständige „Gemischte Ausschuss“, <strong>der</strong> für die<br />

Verwaltung und ordnungsgemäße Anwendung des Freizügig-<br />

11 Kahil-Wolff/Mosters, EuZW 2001, 5 (8).<br />

12 Seco, Kommentar Flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit,<br />

1. Aufl. (2008), Vorb., S. 7.<br />

13 EDA/EVD, Die Bilateralen Abkommen <strong>Schweiz</strong> – Europäische Union,<br />

S. 23.<br />

14 Seco (o. Fußn. 12), Art. 6 EntsG, S. 25.<br />

15 www.bfm.adm<strong>in</strong>.ch; dort unter: Themen/Freier Personenverkehr/Meldeverfahren.<br />

16 Seco (o. Fußn. 12), Art. 6 EntsG, S. 28.<br />

17 Seco, Ergänzungen und Präzisierungen <strong>der</strong> VEP-Weisungen (April<br />

2009), S. 3.<br />

18 Seco, Ergänzungen und Präzisierungen <strong>der</strong> VEP-Weisungen (April<br />

2009), S. 3.<br />

19 EuGH, Urt. v. 22. 12. 2008 – C-13/08, BeckRS 2009, 70001 – St<strong>am</strong>m<br />

und Hauser.


Zimmermann, <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong> NZA Onl<strong>in</strong>e Aufsatz 3/2009 3<br />

keitsabkommens zuständig ist, dieser Angelegenheit annimmt.<br />

III. Arbeitsrecht<br />

Um Lohn- und Sozialdump<strong>in</strong>g zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, wurde mit dem<br />

Entsendegesetz e<strong>in</strong> Gesetz verabschiedet, das <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die m<strong>in</strong>imalen Arbeits- und Lohnbed<strong>in</strong>gungen für aus dem<br />

Ausland <strong>in</strong> die <strong>Schweiz</strong> entsandte Arbeitnehmer regelt. E<strong>in</strong>zuhalten<br />

s<strong>in</strong>d für ausländische Arbeitgeber gem. Art. 2 I<br />

EntsG die m<strong>in</strong>imale Entlohnung, die Arbeits- und Ruhezeit,<br />

M<strong>in</strong>destdauer <strong>der</strong> Ferien, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz<br />

<strong>am</strong> Arbeitsplatz, Schutz von Schwangeren, Wöchner<strong>in</strong>nen,<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen sowie die Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung.<br />

Ausländische Arbeitgeber <strong>der</strong> entsandten Arbeiter<br />

müssen dabei m<strong>in</strong>destens die Arbeits- und Lohnbed<strong>in</strong>gungen<br />

garantieren, die <strong>in</strong> Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates,<br />

allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärten Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträgen<br />

und Normalarbeitsverträgen vorgeschrieben s<strong>in</strong>d.<br />

Diese Regelung deckt sich mit <strong>der</strong> Rechtsprechung des<br />

EuGH, die zu den Grundfreiheiten auf das Verhältnis zwischen<br />

<strong>der</strong> EU und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> übertragen wird 20 . Der<br />

EuGH 21 hat auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er aktuellen Entscheidung nochmals<br />

hervorgehoben, dass es unter bestimmten Umständen gestattet<br />

ist, Tarifverträge auf alle Personen, also auch auf entsandte<br />

Arbeitnehmer, zu erstrecken. Die zw<strong>in</strong>gende Anwendung<br />

<strong>der</strong> Arbeits- und Lohnbed<strong>in</strong>gungen auf entsandte Arbeitnehmer<br />

verstößt daher vom Pr<strong>in</strong>zip her nicht gegen das Freizügigkeitsabkommen.<br />

1. Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Gemäß Art. 2 I EntsG müssen die Arbeitgeber den entsandten<br />

Arbeitnehmern m<strong>in</strong>destens die Arbeits- und Lohnbed<strong>in</strong>gungen<br />

garantieren, die <strong>in</strong> Bundesgesetzen, Verordnungen<br />

des Bundesrates, allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärten Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträgen<br />

und Normalarbeitsverträgen i. S. des<br />

Art. 360 a OR <strong>in</strong> bestimmten Bereichen vorgeschrieben s<strong>in</strong>d.<br />

Durch den Ges<strong>am</strong>tarbeitsvertrag stellen Arbeitgeber o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en<br />

Verbände und Arbeitnehmerverbände gem. Art. 356 I<br />

OR geme<strong>in</strong>s<strong>am</strong>e Bestimmungen über Abschluss, Inhalt und<br />

Beendigung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Arbeitsverhältnisse <strong>der</strong> beteiligten<br />

Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf. Wenn ke<strong>in</strong> Ges<strong>am</strong>tarbeitsvertrag<br />

vorliegt, kann unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong> so genannter Normalarbeitsvertrag gem. Art. 360 a OR<br />

erlassen werden, <strong>der</strong> nach Regionen und gegebenenfalls Orten<br />

differenzierte M<strong>in</strong>destlöhne vorsieht.<br />

In vielen Branchen wurden Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträge (GAV) geschlossen<br />

22 , die deutschen Tarifverträgen vergleichbar s<strong>in</strong>d.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs f<strong>in</strong>den die Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträge nur dann für<br />

ausländische Betriebe Anwendung, wenn sie allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich<br />

erklärt werden. Durch die Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlicherklärung<br />

gilt <strong>der</strong> GAV bzw. die allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärten<br />

Passagen e<strong>in</strong>es GAVs für alle Betriebe und nach Art. 2 I<br />

EntsG auch für die ausländischen Unternehmen. Die Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlicherklärung<br />

wird auf Antrag aller betroffenen<br />

Tarifvertragsparteien durch e<strong>in</strong>e zuständige Behörde ausgestellt.<br />

Der Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlicherklärung geht e<strong>in</strong>e umfangreiche<br />

Prüfung voraus, die im Bundesgesetz über die Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlicherklärung<br />

von Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträgen<br />

geregelt ist.<br />

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat im Internet<br />

alle allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärten Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträge abrufbar<br />

aufgeführt 23 .<br />

Häufig kommt es dabei vor, dass nicht sämtliche Normen des<br />

Ges<strong>am</strong>tarbeitsvertrags allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärt wurden,<br />

son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong>zelne Artikel. Der GAV für das Schre<strong>in</strong>ergewerbe<br />

beg<strong>in</strong>nt daher erst mit Art. 5, da die Art. 1 bis 4<br />

gerade nicht allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärt wurden. Beim GAV<br />

für das Bauhauptgewerbe, <strong>der</strong> aus historischen Gründen Landesmantelvertrag<br />

(LMV) genannt wird, s<strong>in</strong>d die allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich<br />

erklärten Regelungen optisch fett gedruckt. So<br />

kommt es dort vor, dass z. B. <strong>in</strong> Art. 52 LMV über die Lohnzuschläge<br />

die Absätze 1 und 3 fett gedruckt s<strong>in</strong>d, mith<strong>in</strong> als<br />

allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich auch für Auslän<strong>der</strong> gelten, Absatz 2<br />

aber nicht und somit ke<strong>in</strong>e Anwendung für Auslän<strong>der</strong> f<strong>in</strong>det.<br />

Ausländische Betriebe müssen also nur dann e<strong>in</strong>en Ges<strong>am</strong>tarbeitsvertrag<br />

e<strong>in</strong>halten, wenn dieser allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich<br />

erklärt ist und auch dann nur die speziell allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich<br />

erklärten Normen.<br />

H<strong>in</strong>zu tritt, dass es regionale Unterschiede geben kann, die<br />

stets zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d. Für das Gipsergewerbe im Kanton<br />

Basel-Land z. B. gibt es e<strong>in</strong>en eigenen GAV, <strong>der</strong> von dem<br />

GAV für das Gipsergewerbe <strong>in</strong> Basel-Stadt abweicht. Der<br />

ausländische Unternehmer schuldet dort natürlich auch unterschiedliche<br />

M<strong>in</strong>destlöhne. Es ist daher unablässig für e<strong>in</strong>en<br />

Unternehmer vorab zu prüfen, <strong>in</strong> welchem Kanton das Bauvorhaben<br />

stattf<strong>in</strong>det, sodass er untersuchen kann, welchen<br />

M<strong>in</strong>destlohn er se<strong>in</strong>en Mitarbeitern <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> schuldet<br />

und welche Normen Anwendung f<strong>in</strong>den.<br />

Beim Abruf e<strong>in</strong>es Tarifvertrags ist zu beachten, dass jedem<br />

allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärten Tarifvertrag noch <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlichkeitsbeschluss<br />

vorsteht. Dieser Beschluss<br />

ist deshalb für Arbeitgeber <strong>in</strong>teressant, da <strong>in</strong> ihm meist die<br />

sachliche und örtliche Zuständigkeit des Tarifvertrags geregelt<br />

wird. In Art. 2 I AVE-Beschluss des LMV f<strong>in</strong>det man<br />

die Kantone aufgeführt, <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> LMV Anwendung f<strong>in</strong>det.<br />

In Art. 2 IV AVE-Beschluss des LMV ist festgehalten,<br />

dass <strong>der</strong> LMV z. B. auf Poliere o<strong>der</strong> das kaufmännische Personal<br />

ke<strong>in</strong>e Anwendung f<strong>in</strong>det. Bei mehreren konkurrierenden<br />

Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträgen soll das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Tarife<strong>in</strong>heit<br />

Anwendung f<strong>in</strong>den, so dass e<strong>in</strong> GAV alle Mitarbeiter e<strong>in</strong>es<br />

Betriebs erfasst 24 .<br />

2. M<strong>in</strong>destlohn<br />

In <strong>der</strong> Praxis als wichtigste, aber sicherlich auch schwierigste<br />

Verpflichtung hat sich die Zahlung des schweizerischen M<strong>in</strong>destlohns<br />

herausgestellt. Die M<strong>in</strong>destvorschriften für die Entlohnung<br />

und für die Ferien gelten gem. Art. 4 EntsG nicht für<br />

<strong>Arbeiten</strong> von ger<strong>in</strong>gem Umfang. Ebenfalls nicht umfasst s<strong>in</strong>d<br />

Montagearbeiten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> erstmalige E<strong>in</strong>bau, wenn die <strong>Arbeiten</strong><br />

weniger als acht Tage dauern und Bestandteil e<strong>in</strong>es<br />

Warenlieferungsvertrags bilden. <strong>Arbeiten</strong> ger<strong>in</strong>gen Umfangs<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Art. 3 EntsV def<strong>in</strong>iert: Dies s<strong>in</strong>d <strong>Arbeiten</strong>, die pro<br />

Kalen<strong>der</strong>jahr maximal 15 Arbeitstage dauern.<br />

Ausgenommen von diesem Dispens s<strong>in</strong>d aber das Bauhauptund<br />

das Baunebengewerbe sowie das Hotel- und Gastgewerbe.<br />

Für diese Branchen s<strong>in</strong>d somit alle Bestimmungen des<br />

Entsendegesetzes anzuwenden (Ausnahme von <strong>der</strong> Ausnahme)<br />

25 . In Art. 5 EntsV s<strong>in</strong>d die Tätigkeiten aufgeführt, die<br />

darunter fallen. Dazu zählen unter an<strong>der</strong>em Aushubarbeiten,<br />

20 Weigell, IStR 2006, 190 (193).<br />

21 EuGH (19. 6. 2008), NZA 2008, 865 (868) – Kommission/Luxemburg.<br />

22 615 GAV für rund 1,7 Mio. Arbeitnehmer (ca. 40%); s. swiss<strong>in</strong>fo.ch<br />

vom 27. 3. 2009.<br />

23 www.seco.adm<strong>in</strong>.ch dort: Arbeit/Arbeitsrecht/Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträge<br />

Bund<br />

24 Emmel, NZZ v. 6. 9. 2006, Dossiers.<br />

25 Seco (o. Fußn. 12), Art. 4 EntsG, S. 21.


4 NZA Onl<strong>in</strong>e Aufsatz 3/2009 Zimmermann, <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong><br />

Erdarbeiten, aber auch Renovierungen, Reparaturen o<strong>der</strong><br />

Wartungen. Betriebe des Metallgewerbes, des Schre<strong>in</strong>ergewerbes<br />

sowie des Marmor- und Granitgewerbes, die nicht<br />

ganz o<strong>der</strong> teilweise <strong>Arbeiten</strong> auf Baustellen bzw. an Gebäuden<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Umgebung ausführen, fallen nicht unter das<br />

Baunebengewerbe 26 .<br />

Der M<strong>in</strong>destlohn variiert von Branche zu Branche und zum<br />

Teil von Kanton zu Kanton 27 . E<strong>in</strong> Vorarbeiter des Bauhauptgewerbes<br />

<strong>in</strong> Basel-Land erhält 35,35 CHF/h, im Tess<strong>in</strong> aber<br />

nur 32,45 CHF/h. In an<strong>der</strong>en Gewerken wird noch nach<br />

Erfahrungsjahren o<strong>der</strong> Lebensalter unterschieden.<br />

Wichtig ist, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> gem. Art. 1 lit. a EntsV <strong>der</strong><br />

M<strong>in</strong>destlohn entsprechend <strong>der</strong> erworbenen Qualifikation gezahlt<br />

wird. Das heißt, dass e<strong>in</strong> Vorarbeiter, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Baustelle<br />

ausschließlich Hilfstätigkeiten als Helfer ausführt, trotzdem<br />

den Vorarbeiterlohn bekommt. Die Bezahlung erfolgt<br />

folglich qualifikationsbezogen und nicht tätigkeitsbezogen.<br />

Zu beachten ist außerdem, dass die <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich<br />

erklärten GAV enthaltenen M<strong>in</strong>destlöhne jeweils Bruttolöhne<br />

(vor Abzug <strong>der</strong> Arbeitnehmerbeiträge <strong>der</strong> Sozialversicherungen)<br />

s<strong>in</strong>d 28 .<br />

In <strong>der</strong> Regel s<strong>in</strong>d die schweizerischen M<strong>in</strong>destlöhne höher als<br />

z. B. die deutschen Löhne. Da auch die ausländischen Betriebe<br />

den schweizerischen M<strong>in</strong>destlohn zu zahlen haben, werden<br />

Lohnvergleiche zwischen dem gefor<strong>der</strong>ten M<strong>in</strong>destlohn<br />

(Soll) und dem tatsächlich bezahlten Lohn (Ist) geführt. Deutsche<br />

Arbeitgeber zahlen für die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> geleisteten<br />

Stunden meist e<strong>in</strong>e Lohndifferenz, die auf <strong>der</strong> Lohnabrechnung<br />

als „Auslandszulage“ o<strong>der</strong> „<strong>Schweiz</strong>zuschlag“ geführt<br />

wird, um den verlangten M<strong>in</strong>destlohn e<strong>in</strong>zuhalten. Werden<br />

also 15 Euro/h gezahlt, s<strong>in</strong>d aber 17 Euro/h als M<strong>in</strong>destlohn<br />

geschuldet, werden 2 Euro/h als Zulage gezahlt. Beim Lohnvergleich<br />

ist dann <strong>der</strong> M<strong>in</strong>destlohn e<strong>in</strong>gehalten.<br />

Problematisch beim Lohnvergleich s<strong>in</strong>d die unterschiedlichen<br />

Beiträge <strong>in</strong> die Sozialversicherung. Insbeson<strong>der</strong>e deutsche<br />

und österreichische Arbeitgeber führen beim Lohnvergleich<br />

an, dass ihre Beitragszahlungen <strong>in</strong> die Sozialversicherung als<br />

Lohnzuschlag berücksichtigt und zusätzlich auf den Lohn<br />

angerechnet werden müssten.<br />

Das Seco hatte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weisung vom 20. 2. 2007 die unterschiedlichen<br />

Beiträge <strong>in</strong> die Krankenversicherung als Lohnbestandteil<br />

akzeptiert 29 . In <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> besteht ke<strong>in</strong>e gesetzliche<br />

Verpflichtung des Arbeitgebers, sich an den Beiträgen für<br />

die Krankenversicherung des Arbeitnehmers zu beteiligen.<br />

Da <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>e solidarische F<strong>in</strong>anzierung besteht,<br />

nahm das Seco die Arbeitgeberzahlungen als <strong>in</strong>direkte Lohnzahlung<br />

an. Pauschal wurde e<strong>in</strong> Wert von 7,4% als Lohnzuschlag<br />

angenommen. Bei e<strong>in</strong>er Zahlung von 10 Euro/h<br />

wurde dies wie e<strong>in</strong>e Zahlung von 10,74 Euro/h gewertet.<br />

Diese Regelung wurde von vielen schweizerischen Institutionen<br />

kritisiert. Zudem weigerten sich bestimmte Kontrollorgane<br />

die Weisung umzusetzen, da das Seco nicht weisungsbefugt<br />

sei. Mit Weisung vom 11. 11. 2008 nahm das Seco<br />

se<strong>in</strong>e frühere Weisung zurück und stellte nun fest, dass die<br />

Krankenversicherungsbeiträge nicht weiter zu berücksichtigen<br />

s<strong>in</strong>d 30 . Somit werden die unterschiedlichen Sozialversicherungsbeiträge<br />

bei e<strong>in</strong>em Lohnvergleich nicht weiter mit<br />

e<strong>in</strong>fließen.<br />

Die Rücknahme <strong>der</strong> Weisung ist rechtlich nicht haltbar: Arbeitgeberzahlungen<br />

<strong>in</strong> die Sozialversicherung kommen auch<br />

dem Arbeitnehmer zugute. Es ist nicht e<strong>in</strong>zusehen, warum<br />

diese Zahlungen nicht auch als <strong>in</strong>direkte Lohnzahlung bei<br />

e<strong>in</strong>em Lohnvergleich berücksichtigt werden. Vielmehr ist die<br />

bloße Betrachtung des Lohns gegenüber Unternehmen aus<br />

Staaten mit hohen Sozialversicherungsbeiträgen diskrim<strong>in</strong>ierend.<br />

Der tatsächliche Lohnaufwand des Arbeitgebers ist um<br />

e<strong>in</strong> Vielfaches höher als <strong>der</strong> Bruttolohn. <strong>Schweiz</strong>erische Arbeitgeber<br />

mit hohen Löhnen und niedrigeren Sozialversicherungsbeiträgen<br />

werden dadurch bevorzugt. Die Krankenversicherungskosten,<br />

die <strong>der</strong> deutsche Arbeitgeber zur Hälfte<br />

trägt, muss <strong>der</strong> schweizerische Arbeitnehmer vollständig<br />

selbst begleichen. Somit s<strong>in</strong>d die Zahlungen <strong>in</strong> die Krankenversicherungen<br />

wie Lohnzahlungen anzusehen. Zielführend<br />

wären hier bilaterale Verträge zwischen Deutschland und <strong>der</strong><br />

<strong>Schweiz</strong>, bei denen beide Staaten den jeweiligen M<strong>in</strong>destlohn<br />

des an<strong>der</strong>en Staates pauschal als ausreichend akzeptierten, so<br />

dass e<strong>in</strong> Lohnvergleich gar nicht vorgenommen werden muss.<br />

Der jetzt vorgenommene Weg bevorzugt e<strong>in</strong>seitig die e<strong>in</strong>heimischen<br />

Arbeitgeber und wird den unterschiedlichen Sozialversicherungssystemen<br />

nicht gerecht. Durchgesetzt hat sich<br />

weitgehend, dass bestimmte Zahlungen, wie vermögenswirks<strong>am</strong>e<br />

Leistungen, Mehraufwandsw<strong>in</strong>tergeld o<strong>der</strong> Spesenzahlungen<br />

auch auf den Lohn als Zuschlag berücksichtigt und<br />

angerechnet werden.<br />

3. 13. Monatsgehalt<br />

Obligatorisch ist <strong>in</strong> den Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträgen die Zahlung<br />

e<strong>in</strong>es vollständigen 13. Monatsgehalts. Auch diese Regelungen<br />

s<strong>in</strong>d meist allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärt und werden gem.<br />

Art. 1 lit. e EntsV von ausländischen Betrieben geschuldet. Es<br />

reicht folglich nicht aus, alle<strong>in</strong> den schweizerischen M<strong>in</strong>destlohn<br />

zu zahlen. Häufige Verfehlungen stellen deshalb die<br />

Nichtbeachtung des 13. Monatsgehalts dar. Das 13. Monatsgehalt<br />

muss dabei lediglich anteilig („pro rata“) bezahlt werden.<br />

Dies beträgt 8,33% (z. B. Art. 31 III GAV Holzbau)<br />

bzw. 8,3% (z.B. Art. 50 II LMV). Mittlerweile werden Urlaubs-<br />

und Weihnachtsgeld als Gegenstück zum 13. Monatsgehalt<br />

anerkannt und entsprechend angerechnet 31 .<br />

4. Ferienlohn und Feiertagsentschädigung<br />

Gemäß Art. 329 a I OR hat <strong>der</strong> Arbeitgeber dem Arbeitnehmer<br />

für jedes Dienstjahr wenigstens vier Wochen, dem Arbeitnehmer<br />

bis zum vollendeten 20. Altersjahr wenigstens<br />

fünf Wochen Ferien zu gewähren. Üblich s<strong>in</strong>d 25 Arbeitstage<br />

(z. B. Art. 34 I LMV). Die Feiertage s<strong>in</strong>d kantonal unterschiedlich<br />

geregelt. Die Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträge haben häufig<br />

eigene Regelungen bezüglich <strong>der</strong> Feriendauer. Im Allgeme<strong>in</strong>en<br />

bekommen deutsche Arbeitnehmer mehr Urlaub und<br />

haben mehr Feiertage. Dies macht sich bei <strong>der</strong> Berechnung<br />

und dem Vergleich des Ferien- und Feiertagslohns bemerkbar.<br />

Für die Berechnung und den Vergleich des Ferienlohns und<br />

<strong>der</strong> Feiertagsentschädigung, die gem. Art. 1 lit. d und lit. f<br />

EntsV zu zahlen s<strong>in</strong>d, hat das Seco e<strong>in</strong>e Tabelle herausgegeben<br />

32 . Für jeden Ferien- o<strong>der</strong> Feiertag gibt es e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Prozentangabe, die vom Arbeitgeber zu begleichen<br />

ist.<br />

5. Arbeits- und Ruhezeit<br />

Generelles zur Arbeitszeit ist im Bundesgesetz über die Arbeit<br />

<strong>in</strong> Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG) ge-<br />

26 Seco (o. Fußn. 12), Art. 4 EntsG, S. 21 (Fußn. 11).<br />

27 Seit Juni 2009 gibt es e<strong>in</strong>en Lohnrechner auf www.entsendung.ch (dort<br />

unter: Lohn und Arbeit).<br />

28 Seco (o. Fußn. 12), Art. 1 EntsG, S. 15.<br />

29 Seco, Weisung v. 20. 2. 2007, S. 4 f.<br />

30 Seco, Weisung v. 11. 11. 2008, S. 9.<br />

31 Seco, Weisung v. 11. 11. 2008, S. 8 f.<br />

32 Seco, Weisung v. 11. 11. 2008, S. 6 f.


Zimmermann, <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong> NZA Onl<strong>in</strong>e Aufsatz 3/2009 5<br />

regelt. Gemäß Art. 9 I lit. a ArG beträgt die wöchentliche<br />

Höchstarbeitszeit 45 Stunden für Arbeitnehmer <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustriellen<br />

Betrieben sowie für Büropersonal, technische und an<strong>der</strong>e<br />

Angestellte mit E<strong>in</strong>schluss des Verkaufspersonals <strong>in</strong> Großbetrieben<br />

des Detailhandels; 50 Stunden beträgt die Höchstarbeitszeit<br />

für übrige Arbeitnehmer. Ebenfalls im Arbeitsgesetz<br />

s<strong>in</strong>d Ausführungen zu Überstunden aufgeführt. Viele<br />

Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträge haben allerd<strong>in</strong>gs eigene Regelungen<br />

zur Arbeitszeit. Im Bauhauptgewerbe beträgt z. B. die<br />

Höchstarbeitszeit 45 Stunden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche (Art. 25 II lit. b<br />

LMV). Die Arbeit ist durch Pausen zu unterbrechen. Bei e<strong>in</strong>er<br />

täglichen Arbeitszeit von mehr als sieben Stunden beträgt die<br />

M<strong>in</strong>destdauer <strong>der</strong> Pause e<strong>in</strong>e halbe Stunde, bei e<strong>in</strong>er täglichen<br />

Arbeitszeit von mehr als neun Stunden e<strong>in</strong>e Stunde (Art. 15 I<br />

ArG). Die Pausen gelten dann als Arbeitszeit, wenn die Arbeitnehmer<br />

ihren Arbeitsplatz nicht verlassen dürfen (Art. 15<br />

II ArG). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel<br />

die Pausen nicht mit dem schweizerischen M<strong>in</strong>destlohn zu<br />

vergüten s<strong>in</strong>d.<br />

6. Überstundenzuschläge, Nachtzuschläge<br />

Gemäß Art. 10 I ArbG gilt die Arbeit von 6 Uhr bis 20 Uhr<br />

als Tagesarbeit, die Arbeit von 20 Uhr bis 23 Uhr als Abendarbeit.<br />

Nachtarbeit und Sonntagsarbeit s<strong>in</strong>d grundsätzlich<br />

untersagt. Zu beachten ist, dass bei <strong>der</strong> Abendarbeit und bei<br />

<strong>der</strong> ausnahmsweise von <strong>der</strong> Behörde genehmigten Nachto<strong>der</strong><br />

Sonntagsarbeit e<strong>in</strong> entsprechen<strong>der</strong> Zuschlag zu bezahlen<br />

ist, <strong>der</strong> sich wie<strong>der</strong>um meist aus den Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträgen<br />

ergibt. Für Überstunden ist im Bauhauptgewerbe gem.<br />

Art. 53 II LMV e<strong>in</strong> Zuschlag von 25%, bei Sonntagsarbeit<br />

sogar von 50% (Art. 56 LMV) zu zahlen. Es sei aber nochmals<br />

darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass Sonntagsarbeit grundsätzlich<br />

untersagt ist und Ausnahmen vom Verbot e<strong>in</strong>er Bewilligung<br />

bedürfen.<br />

7. Reisezeit<br />

Als e<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis großes Problem hat sich die Behandlung<br />

<strong>der</strong> Reisezeit herausgestellt. In Art. 13 I V1ArG ist festgehalten,<br />

dass <strong>der</strong> Weg zu und von <strong>der</strong> Arbeit nicht als Arbeitszeit<br />

gilt. Etwas an<strong>der</strong>es soll nur dann gelten, wenn die Arbeit<br />

außerhalb des Arbeitsortes zu leisten ist, an dem <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />

normalerweise se<strong>in</strong>e Arbeit verrichtet. In diesem Fall<br />

läge nach Art. 13 II V1ArG e<strong>in</strong>e vergütungspflichtige Reisezeit<br />

vor. Arbeitsort ist normalerweise <strong>der</strong> St<strong>am</strong>mbetrieb, <strong>der</strong><br />

Anstellungsort o<strong>der</strong> im Baugewerbe etwa <strong>der</strong> Werkhof 33 . Die<br />

vorliegende Bestimmung regelt aber alle<strong>in</strong> den Fall jenes Arbeitnehmers,<br />

<strong>der</strong> grundsätzlich e<strong>in</strong>en festen Arbeitsort hat<br />

und an<strong>der</strong>e E<strong>in</strong>satzorte aufsuchen muss 34 . Dies ist aber gerade<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong> problematisch, da die Arbeitnehmer<br />

von Baustelle zu Baustelle ziehen. Der Werk- o<strong>der</strong> Bauhof ist<br />

dort nicht <strong>der</strong> feste Arbeitsort, son<strong>der</strong>n die Baustelle. Nach<br />

<strong>der</strong> Auslegung dieser Regelung ist die Reisezeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong><br />

nicht zu vergüten, sofern die Mitarbeiter nicht<br />

regelmäßig auf dem Bauhof arbeiten.<br />

Im LMV f<strong>in</strong>det sich aber für die Reisezeit e<strong>in</strong>e speziellere<br />

Regelung. Nach Art. 54 II LMV ist die Reiszeit dann mit dem<br />

Grundlohn zu vergüten, wenn die tägliche Reisezeit 30 M<strong>in</strong>uten<br />

übersteigt. Diese Regelung ist aber nicht allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich<br />

erklärt, gilt also gerade nicht für ausländische Bauunternehmer.<br />

E<strong>in</strong>e schweizerische Kontrollstelle hat die<br />

Norm analog anwenden und dies d<strong>am</strong>it rechtfertigen wollen,<br />

dass ansonsten die e<strong>in</strong>heimischen schweizerischen Unternehmer<br />

schlechter stünden. In Konsequenz wurde dann die vollständige<br />

Reisezeit mit Verlassen des Bauhofs <strong>in</strong> Deutschland<br />

als vergütungspflichtige Zeit angesehen. Diese Ansicht fand<br />

aber auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> wenig Unterstützung. Zum e<strong>in</strong>en<br />

wi<strong>der</strong>spricht e<strong>in</strong>e Analogie <strong>der</strong> Regelung <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlichkeit.<br />

Könnte man durch e<strong>in</strong>e Analogie die nicht allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich<br />

erklärten Regelungen praktisch h<strong>in</strong>terrücks<br />

doch allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich machen, bedürfte es des<br />

komplizierten Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlichkeitserklärungsverfahrens<br />

nicht weiter. Zum an<strong>der</strong>en kann das schweizerische<br />

Recht nicht auf deutschem Boden Anwendung f<strong>in</strong>den. Die<br />

schweizerischen Tarifverträge gelten bereits örtlich nicht <strong>in</strong><br />

Deutschland, so dass <strong>der</strong> schweizerische M<strong>in</strong>destlohn nicht<br />

schon <strong>in</strong> Deutschland geschuldet wird.<br />

Das Seco dürfte dieser Diskussion nun mit se<strong>in</strong>er Weisung<br />

vom 11. 11. 2008 e<strong>in</strong> Ende bereitet haben. Dort stellte das<br />

Seco fest, dass e<strong>in</strong> Lohnvergleich erst mit Grenzübertritt möglich<br />

ist, folglich <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz erst mit dem Grenzübergang<br />

beg<strong>in</strong>nt 35 . Die befremdliche Ansicht, dass <strong>der</strong> schweizerische<br />

M<strong>in</strong>destlohn bereits mit Verlassen des deutschen Bauhofs zu<br />

zahlen wäre, ist somit obsolet. Weiterh<strong>in</strong> ungeklärt ist freilich<br />

die Analogiefähigkeit nicht allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärter<br />

Regelungen.<br />

8. Auslösung<br />

E<strong>in</strong> ebenfalls wichtiger Bestandteil <strong>in</strong> den schweizerischen<br />

Tarifverträgen ist die Auslösung. Mittagessen o<strong>der</strong> Übernachtungskosten<br />

müssen vom Arbeitgeber bezahlt werden<br />

o<strong>der</strong> aber Unterkunft und Verpflegung gestellt werden. Werden<br />

Unterkunft o<strong>der</strong> Verpflegung vom Unternehmer gestellt,<br />

so sollte dieser alle Rechnungen, Belege und Quittungen sorgs<strong>am</strong><br />

aufbewahren, da er dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Kontrollverfahren<br />

gegebenenfalls nachzuweisen hat.<br />

9. Tagesrapporte<br />

Die Führung von Tagesrapporten ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> Pflicht.<br />

Auch <strong>in</strong> Deutschland besteht gem. § 2 II a AEntG z. B. für die<br />

<strong>Bauwirtschaft</strong> e<strong>in</strong>e Verpflichtung den Beg<strong>in</strong>n, das Ende und<br />

die Dauer <strong>der</strong> täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen. Während<br />

<strong>in</strong> Deutschland diese Vorschrift <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis häufig nicht<br />

angewandt wird, auch weil es an entsprechenden Rechtsfolgen<br />

fehlt, werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> die Tagesrapporte bei Kontrollen<br />

regelmäßig verlangt und überprüft. Dabei rekurriert<br />

diese For<strong>der</strong>ung auf Art. 73 I ArgV1 i. V. mit Art. 46 ArG.<br />

Umstritten ist hier wie ausführlich diese Tagesrapporte zu<br />

führen s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>zelne Kontrollstellen verlangen den Beg<strong>in</strong>n<br />

und das Ende <strong>der</strong> Arbeitszeit, sowie e<strong>in</strong>e genaue zeitliche<br />

Angabe, wann die Pausen lagen (Bsp.: 8-12 Uhr, 12-13 Uhr<br />

Pause, 13-17 Uhr). In Art. 73 I lit. c ArgV1 heißt es, dass aus<br />

den Unterlagen die geleistete tägliche und wöchentliche Arbeitszeit<br />

hervorgehen muss. Dieser Anfor<strong>der</strong>ung kommt me<strong>in</strong>es<br />

Erachtens aber schon <strong>der</strong> Unternehmer nach, wenn er auf<br />

den Tagesrapport als Zeitangabe „8 Stunden“ notiert, also<br />

nicht <strong>in</strong>dividuell den Anfang und das Ende. Gänzlich abzulehnen<br />

ist die For<strong>der</strong>ung, dass die Tagesrapporte unterschrieben<br />

se<strong>in</strong> müssen. E<strong>in</strong> solches Erfor<strong>der</strong>nis ist gesetzlich<br />

nicht geschuldet und – sofern e<strong>in</strong> GAV es nicht explizit verlangt<br />

– nicht notwendig.<br />

IV. Vollzug<br />

Die E<strong>in</strong>haltung des Entsen<strong>der</strong>echts wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> auf<br />

zwei Schultern getragen: Zum e<strong>in</strong>en gibt es die staatlichen<br />

kantonalen Arbeitsämter und zum an<strong>der</strong>en gibt es paritätische<br />

Kommissionen. Die paritätischen Kommissionen s<strong>in</strong>d<br />

E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Tarifparteien und haben die Aufgabe die<br />

33 Seco, Wegleitung zur Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz, 4. Aufl. (2009),<br />

Art. 13 V 1 ArG, S. 113-1.<br />

34 Seco (o. Fußn. 33), S. 113-2.<br />

35 Seco, Weisung v. 11. 11. 2008, S. 3.


6 NZA Onl<strong>in</strong>e Aufsatz 3/2009 Zimmermann, <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong><br />

E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträge zu überwachen. Im<br />

Bauhauptgewerbe s<strong>in</strong>d die lokalen paritätischen Kommissionen<br />

als Vere<strong>in</strong> gesellschaftsrechtlich organisiert (Art. 76 I<br />

LMV). Es handelt sich also um privatrechtliche Kontrollstellen.<br />

Der schweizerische Gesetzgeber hat aber diesen privatrechtlichen<br />

Kontrollstellen e<strong>in</strong>e sehr weit reichende Kontrollbefugnis<br />

e<strong>in</strong>geräumt. In Art. 7 I lit. a EntsG heißt es, dass die<br />

E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen des Entsendegesetzes bezüglich<br />

<strong>der</strong> Bestimmungen e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärten<br />

GAV den paritätischen Kommissionen e<strong>in</strong>geräumt wird. Wie<br />

weitreichend diese Regelung geht, lässt sich an Art. 7 II<br />

EntsG feststellen: Danach muss <strong>der</strong> Arbeitgeber den paritätischen<br />

Kommissionen auf Verlangen alle Dokumente zustellen,<br />

welche die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Arbeits- und Lohnbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>der</strong> entsandten Arbeitnehmer belegen.<br />

Freilich wenden die paritätischen Kommissionen <strong>in</strong> ganz unterschiedlicher<br />

Weise diese Bestimmung an. Während es bei<br />

e<strong>in</strong>igen Kontrollstellen ausreicht, die Tagesrapporte sowie die<br />

Lohn- und Gehaltsabrechnungen e<strong>in</strong>zureichen, verlangen an<strong>der</strong>e<br />

Kontrollstellen die Vorlage sämtlicher Arbeitsverträge<br />

und Qualifikationszeugnisse <strong>der</strong> Arbeitnehmer sowie <strong>der</strong><br />

Werkverträge. Insbeson<strong>der</strong>e diese weite Ausnutzung <strong>der</strong> Vorlagepflicht<br />

macht deutschen Bauunternehmern zu schaffen.<br />

Zum e<strong>in</strong>en bestehen bei vielen Betriebe ke<strong>in</strong>e schriftlichen<br />

Arbeitsverträge, die vorgelegt werden können, zum an<strong>der</strong>en<br />

gibt ke<strong>in</strong> deutscher Unternehmer gerne Firmen<strong>in</strong>terna an e<strong>in</strong>e<br />

paritätische Kommission, die von dem schweizerischen Arbeitgeberverband<br />

und den schweizerischen Gewerkschaften<br />

besetzt werden. Die Angst, sich gegenüber den e<strong>in</strong>heimischen<br />

Wettbewerbern quasi gläsern darzustellen, treibt viele Unternehmer<br />

um. Hier wäre e<strong>in</strong>e Regelung, die verhältnismäßig<br />

und datenschutzrechtlich unangreifbar wäre, immer noch<br />

wünschenswert. Freilich hat sich <strong>der</strong> schweizerische Gesetzgeber<br />

selbst <strong>in</strong> die Bredouille gebracht, <strong>in</strong> dem er ausgerechnet<br />

die Tarifparteien für die Kontrolle auf den Baustellen<br />

e<strong>in</strong>setzt. E<strong>in</strong>e unabhängige Institution wäre hier sicherlich<br />

angebrachter.<br />

Als solche unabhängige Institution bestehen die kantonalen<br />

Arbeitsämter, die wie<strong>der</strong>um Schwarzarbeits<strong>in</strong>spektoren beschäftigen.<br />

Gemäß Art. 16 c EntsV haben auch diese Inspektoren<br />

die Möglichkeit zur Kontrolle <strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

und zur Kontrolle <strong>der</strong> Lohnbücher. Nach Art. 7 a I EntsG ist<br />

die Aufgabe <strong>der</strong> Inspektoren eigentlich auf Bestimmungen<br />

e<strong>in</strong>es Normalarbeitsvertrags beschränkt, also gerade auf die<br />

Branchen, bei denen es ke<strong>in</strong>en Ges<strong>am</strong>tarbeitsvertrag gibt.<br />

Die paritätischen Kommissionen haben jeden Verstoß gegen<br />

das Entsendegesetz gem. Art. 9 I EntsG <strong>der</strong> zuständigen kantonalen<br />

Behörde zu melden, so dass diese Verstöße gegen das<br />

Entsen<strong>der</strong>echt prüfen und ahnden. Ausländische Arbeitgeber<br />

haben zu beachten, dass sie jährlich von den Kontrollstellen<br />

zur Zahlung von Kontroll- und Vollzugskosten herangezogen<br />

werden, sofern dies e<strong>in</strong> Ges<strong>am</strong>tarbeitsvertrag regelt (Art. 8 a<br />

EntsV).<br />

V. Sanktionierung<br />

In Branchen mit allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich erklärten Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträgen<br />

s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>gesetzten paritätischen Kommissionen<br />

zuständig detaillierte Kontrollen <strong>der</strong> Lohn- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

durchzuführen; die Sanktionskompetenz<br />

gemäß des Entsendegesetzes bleibt aber ausschließlich bei<br />

den Kantonen 36 .<br />

Statt e<strong>in</strong>er staatlichen Geldbuße kann die paritätische Kommission<br />

allerd<strong>in</strong>gs Konventionalstrafen aussprechen, sofern<br />

dies <strong>der</strong> Ges<strong>am</strong>tarbeitsvertrag vorsieht (Art. 2 II quarter<br />

EntsG). Freilich haben die meisten Tarifparteien <strong>in</strong> ihren<br />

Ges<strong>am</strong>tarbeitsverträgen davon Gebrauch gemacht – alle<strong>in</strong><br />

schon um den hohen Personalaufwand <strong>der</strong> paritätischen<br />

Kommissionen f<strong>in</strong>anzieren zu können. Im Bauhauptgewerbe<br />

ist die paritätische Kommission z. B. gem. Art. 79 II LMV<br />

berechtigt e<strong>in</strong>e Verwarnung auszusprechen, e<strong>in</strong>e Konventionalstrafe<br />

bis zu 50 000 CHF zu verhängen (<strong>in</strong> Fällen vorenthaltener<br />

geldwerter Ansprüche darf die Konventionalstrafe<br />

bis zur Höhe <strong>der</strong> geschuldeten Leistung gehen) und die<br />

Neben- und Verfahrenskosten <strong>der</strong> fehlbaren Partei auferlegen.<br />

In <strong>der</strong> Praxis ist e<strong>in</strong> recht zurückhalten<strong>der</strong> Gebrauch <strong>der</strong><br />

Verwarnungen festzustellen; die Verhängung von Konventionalstrafen<br />

zuzüglich <strong>der</strong> Auferlegung <strong>der</strong> Verfahrenskosten<br />

ist die Regel.<br />

Neben <strong>der</strong> Verhängung e<strong>in</strong>er Konventionalstrafe und <strong>der</strong><br />

Verfahrenskosten durch die paritätische Kommission wird<br />

bei e<strong>in</strong>em Verstoß zusätzlich e<strong>in</strong>e Geldbuße als Sanktion<br />

durch den Kanton verhängt. Bei ger<strong>in</strong>gfügigen Verstößen<br />

kann die kantonale Behörde e<strong>in</strong>e Verwaltungsbuße bis zu<br />

5 000 CHF aussprechen. Bei Verstößen, die nicht mehr als<br />

ger<strong>in</strong>gfügig angesehen werden, kann die Behörde e<strong>in</strong> Berufsverbot<br />

zwischen e<strong>in</strong>em und fünf Jahren auferlegen (Art. 9<br />

EntsG). Zudem ist die Sanktion <strong>der</strong> Bundesbehörde zu melden,<br />

die e<strong>in</strong>e öffentlich e<strong>in</strong>sehbare Liste <strong>der</strong> sanktionierten<br />

Betriebe führt 37 . Dieser „Internetpranger“ wurde seit se<strong>in</strong>er<br />

Freizeichnung heftig kritisiert. Neben datenschutzrechtlichen<br />

und rechtsstaatlichen Bedenken wurde <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Verhältnismäßigkeit<br />

beklagt, da e<strong>in</strong> solcher E<strong>in</strong>trag reputationsschädigende<br />

Auswirkungen hat. Die <strong>Schweiz</strong> k<strong>am</strong> diesen Bedenken<br />

nun <strong>in</strong>soweit entgegen, als dass sie nur noch schwere<br />

Verstöße, also Verstöße, die zu e<strong>in</strong>em Berufsverbot führten,<br />

dort auflistet. E<strong>in</strong> generelles Unbehagen gegen e<strong>in</strong>e solche<br />

öffentliche Bloßstellung kann aber auch dieses Entgegenkommen<br />

nicht beseitigen.<br />

Es ist nach dem <strong>Schweiz</strong>er Entsen<strong>der</strong>echt möglich, dass e<strong>in</strong>er<br />

Firma wegen Verletzung des Ges<strong>am</strong>tarbeitsvertrags durch die<br />

paritätische Kommission e<strong>in</strong>e Konventionalstrafe auferlegt<br />

wird und gleichzeitig z. B. wegen Meldeverstößen aber auch<br />

e<strong>in</strong>e Geldbuße verhängt wird wegen Verletzung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlich<br />

erklärten M<strong>in</strong>destlöhne 38 . In <strong>der</strong> Praxis<br />

kommt es sogar zu Verfahren, bei denen <strong>der</strong>selbe Verstoß<br />

gegen den M<strong>in</strong>destlohn sowohl von <strong>der</strong> paritätischen Kommission<br />

(mit e<strong>in</strong>er Konventionalstrafe), als auch von <strong>der</strong> kantonalen<br />

Behörde (mit e<strong>in</strong>er Geldbuße) geahndet wird.<br />

Das Seco erkennt hier<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>en Verstoß von dem Rechtsgrundsatz<br />

„ne bis <strong>in</strong> idem“, da zwei unterschiedliche Organe<br />

auf Grund von unterschiedlichen Vorschriften vorgehen 39 .<br />

Bei <strong>der</strong> Konventionalstrafe handle es sich um e<strong>in</strong> privatrechtliches<br />

Instrument, das auf privatrechtlichem Wege durchzusetzen<br />

ist; dass die Möglichkeit <strong>der</strong> Verhängung e<strong>in</strong>er Konventionalstrafe<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em öffentlich-rechtlichen Erlass erwähnt<br />

wird, würde nichts an dem privatrechtlichen Charakter än<strong>der</strong>n<br />

40 .<br />

Das Verbot von „ne bis <strong>in</strong> idem“ knüpft an das Vorliegen<br />

<strong>der</strong>selben Straftat an und ist z. B. auch <strong>in</strong> Art. 50 <strong>der</strong> Charta<br />

<strong>der</strong> Grundrechte <strong>der</strong> EU geregelt. E<strong>in</strong>e Doppelbestrafung läge<br />

dann vor, wenn es sich kumulativ um e<strong>in</strong>en identischen Sachverhalt,<br />

also dieselbe strafbare Handlung im S<strong>in</strong>ne des <strong>der</strong><br />

Anklage zu Grunde liegenden konkreten Lebenssachverhalts,<br />

36 Seco (o. Fußn. 12), Art. 9 EntsG, S. 42.<br />

37 www.seco.adm<strong>in</strong>.ch dort: Arbeit/Flankierende Maßnahmen/Entsendung<br />

– Rechtskräftige Sanktionen.<br />

38 Seco (o. Fußn. 12), Art. 9 EntsG, S. 43.<br />

39 Seco (o. Fußn. 12), Art. 9 EntsG, S. 43.<br />

40 Seco (o. Fußn. 12), Art. 9 EntsG, S. 44.


Zimmermann, <strong>Arbeiten</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> <strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>der</strong> <strong>Bauwirtschaft</strong> NZA Onl<strong>in</strong>e Aufsatz 3/2009 7<br />

e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Täter, denselben Rechtsverstoß und d<strong>am</strong>it<br />

dasselbe geschützte Rechtsgut handelt 41 . Die Sperrwirkung<br />

tritt dann für künftige Strafverfahren e<strong>in</strong>, die auf Grund<br />

<strong>der</strong>selben Vorschrift o<strong>der</strong> auf Grund unterschiedlicher, materiell<br />

jedoch m<strong>in</strong>destens teilweise identischer Vorschriften e<strong>in</strong>geleitet<br />

werden 42 . Nicht nur <strong>der</strong> Begriff des Strafverfahrens,<br />

son<strong>der</strong>n auch die „Strafe“ ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiten S<strong>in</strong>n zu verstehen,<br />

so dass auch Ordnungswidrigkeiten und an<strong>der</strong>e Verwaltungsmaßnahmen<br />

mit strafähnlichem Charakter erfasst<br />

s<strong>in</strong>d 43 .<br />

Wenn aber die kantonale Behörde e<strong>in</strong>en Verstoß gegen den<br />

M<strong>in</strong>destlohn mit e<strong>in</strong>er Geldbuße bestraft, ist es nicht e<strong>in</strong>zusehen,<br />

dass <strong>der</strong>selbe Verstoß nochmals von <strong>der</strong> paritätischen<br />

Kommission als Konventionalstrafe geahndet werden kann.<br />

Es liegt <strong>der</strong> identische Sachverhalt und <strong>der</strong> identische Rechtsverstoß<br />

vor, so dass e<strong>in</strong>e Sperrwirkung e<strong>in</strong>treten muss. Letztlich<br />

hat die Konventionalstrafe auch ke<strong>in</strong>en privatrechtlichen<br />

Charakter, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en Strafcharakter. Entsprechend ist<br />

<strong>der</strong> Art. 79 LMV auch mit dem Wort „Sanktionen“ bezeichnet,<br />

so dass e<strong>in</strong> Verstoß des „ne bis <strong>in</strong> idem“-Grundsatzes<br />

vorliegt. E<strong>in</strong>e Überarbeitung <strong>der</strong> Sanktionierungen ersche<strong>in</strong>t<br />

daher dr<strong>in</strong>gend geboten.<br />

VI. Ergebnis<br />

Die bilateralen Verträge haben die wirtschaftlichen Beziehungen<br />

zwischen <strong>der</strong> EU und <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong> erheblich vere<strong>in</strong>facht<br />

und dadurch auch verbessert. Nie zuvor war es für ausländische,<br />

zumal deutsche Betriebe so e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Schweiz</strong><br />

Dienstleistungen anzubieten. Allerd<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d die praktischen<br />

Ausführungen noch verbesserungswürdig. Insbeson<strong>der</strong>e das<br />

Sanktionswesen bedarf e<strong>in</strong>er umfassenden Überarbeitung.<br />

Zudem machen sich immer wie<strong>der</strong> Zeichen e<strong>in</strong>es Protektionismusses<br />

breit. Schon wurde im Kanton Basel-Land als<br />

Pilotprojekt e<strong>in</strong>e Kaution von 20 000 CHF für Betriebe des<br />

Ausbaugewerbes e<strong>in</strong>geführt, an <strong>der</strong> sich die paritätischen<br />

Kommissionen im Fall e<strong>in</strong>es Verstoßes und <strong>der</strong> Verhängung<br />

e<strong>in</strong>er Konventionalstrafe unter bestimmten Umständen bedienen<br />

dürfen. Solche Än<strong>der</strong>ungen stehen mit dem Freizügigkeitsabkommen<br />

nicht im E<strong>in</strong>klang. Dort wurde <strong>in</strong> Art. 13<br />

FZA e<strong>in</strong> „Stand still“ vere<strong>in</strong>bart, so dass sich die Vertragsparteien<br />

verpflichten, ke<strong>in</strong>e neuen Beschränkungen für die<br />

Staatsangehörigen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Vertragspartei e<strong>in</strong>zuführen.<br />

Jede neue Beschränkung verstößt aber nicht nur gegen das<br />

Freizügigkeitsabkommen, son<strong>der</strong>n verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t e<strong>in</strong>en funktionierenden<br />

Wettbewerb. Statt sich abzuschotten, sollten die<br />

bestehenden Probleme konstruktiv und im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es liberalen<br />

und offenen Wettbewerbs gelöst werden. Denn von e<strong>in</strong>em<br />

Dienstleistungswettbewerb profitieren <strong>am</strong> Ende alle. &<br />

41 Blanke, <strong>in</strong>: Callies/Ruffert, VerfassungsR <strong>der</strong> EU, 3. Aufl. (2007),<br />

Art. 50 GRCh Rdnr. 4.<br />

42 Blanke,<strong>in</strong>:Callies/Ruffert (o. Fußn. 41), Art. 50 GRCh Rdnr. 4.<br />

43 Blanke,<strong>in</strong>:Callies/Ruffert (o. Fußn. 41), Art. 50 GRCh Rdnr. 4.

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