Prostatakarzinom - Dr. med. Wasylewski
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Meiner Mutter ging es zunehmend schlechter. Nach der Pflegestufe I folgte bald die<br />
Einstufung in II und III. Der ambulante Pflegedienst betreute meine Mutter täglich<br />
mit sehr viel persönlicher Zuwendung. Ich war wöchentlich zwischen drei bis fünf<br />
Tagen vor Ort. Die Leiterin der Pflegestation war meiner Mutter schon als Kind bekannt.<br />
Ein junger Pflegedienstleister kam ebenso zu meiner Mutter – er hatte sie wohl<br />
zu seiner Großmutter erkoren und konnte seinen ganzen Liebeskummer bei ihr abladen.<br />
Das gefiel ihr – bis dann die Schmerzen kamen; ausgelöst durch eine Gürtelrose,<br />
die nie gekannte Schmerzen verursachte. Die unstillbare Angst bei meiner Mutter<br />
nahm zu. Oft irrational – waren wir nicht in der Lage, damit umzugehen. Dann stellte<br />
sich Hautkrebs ein. Bestrahlungen, wieder in einem anderen Ort in Mecklenburg,<br />
folgten. Gegen die Schmerzen bekam sie jetzt dreimal täglich Spritzen.<br />
Ihr behandelnder Arzt fand eine damals neue Therapie – die Antikörpertherapie.<br />
Sein Antrag auf die Kostenübernahme durch die Kasse wurde befürwortet. Diese<br />
Therapie ging zwar mit schrecklichen Nebenwirkungen einher, brachte aber doch<br />
wieder neue Hoffnungen. Ich organisierte eine häusliche Physiotherapie, besorgte<br />
Aloe-Vera Saft und gesunde Kost und wir vertieften in schmerzfreien Momenten<br />
unsere Familiengespräche. Irgendwann würde ich meine Mutter nicht mehr fragen<br />
können – Abschiedsgedanken stellten sich ein, immer öfter.<br />
Aber damit nicht genug, es folgen Darmverschluss, Milzentfernung – ITS mit Durchgangssyndrom,<br />
was uns erschreckte. Auch das hat sie überstanden. Dennoch wurde<br />
meine Mutter schwächer, mutloser und immer stiller. Der Gewichtsverlust wurde<br />
sichtbarer. Wo sollten neue Hoffnungen her kommen?<br />
Es ging ihr rapide schlechter. Sie sagte damals, vor dem Sterben habe sie keine<br />
Angst – nur der Weg dahin, der wäre so verdammt schwer. Im Winter 2003, kurz<br />
vor ihrem 83. Geburtstag ist sie dann gestorben. Ganze neun Jahre hat sie gegen<br />
die Leukämie gekämpft.<br />
Meine Mutter hatte im Krieg und danach tiefe Krisen gemeistert. Ihr Schicksal<br />
ist später in einer szenischen Lesung auf die Theaterbühne gebracht worden. Das<br />
hat sie leider nicht mehr erlebt. Wenn ich heute über ihre letzten Jahre nachdenke,<br />
dann wünschte ich, sie hätte die heute geltenden Behandlungsansätze, die<br />
ihre Lebensqualität erträglicher gemacht hätten, noch erlebt und ihr ein wenig<br />
die Angst vor jedem neuen Tag genommen. Und ich frage mich, wie die Versorgungssituation<br />
wohl heute außerhalb der Tumorzentren in den vielen Krankenhäusern<br />
im Land für Krebskranke wirklich aussieht. ■<br />
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