Das Ritual der Gleißenden Dämonen
Das Ritual der Gleißenden Dämonen
Das Ritual der Gleißenden Dämonen
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essierst dich doch selbst nur noch einen Dreck für den Papa,<br />
den ich vorher hatte! Der hat mir immer gesagt, ich soll das<br />
Licht anmachen, wenn ich fernsehe, und erst recht vor dem<br />
Computer. Alles an<strong>der</strong>e verdirbt die Augen, hat mein Papa damals<br />
gesagt. Er hat sich Sorgen und Gedanken gemacht. Um<br />
sich. Um mich. Und jetzt sieh dich doch um! Alle Rollläden sind<br />
geschlossen! Alle Lichter sind aus! Du verkriechst dich hier in<br />
deinem dunklen Loch wie eine Schlange! Du willst in Wirklichkeit<br />
gar nicht mehr hier sein, bei uns, gib es doch wenigstens zu!“<br />
Der Programmierer Hans Leonardt biss sich kräftig auf die<br />
geschundene Unterlippe, und ein Blutstropfen benetzte seine<br />
Mundhöhle. Er sog ihn auf und fand ihn süßer als den Sherry,<br />
den er vorhin verschmäht hatte, genau <strong>der</strong> richtige Tropfen, um<br />
damit auf seinen Erfolg anzustoßen, seinen eigenen Erfolg, er<br />
allein hatte ihn sich erkämpft, und nun kamen die Nei<strong>der</strong>, die<br />
ihm seinen Erfolg schlechtreden wollten, er musste sich wehren,<br />
willkommen im Haifischpool, hatte Theo Welcker gesagt,<br />
willst du schwimmen o<strong>der</strong> untergehen?<br />
Lea erinnerte sich später nur bruchstückhaft an die folgenden<br />
Sekunden. Wenn sie versuchte, sie zu rekonstruieren, dann war<br />
da das Bild ihres Vaters, <strong>der</strong> seinen grauen Anzug mit <strong>der</strong> roten<br />
Krawatte trug und in fast völliger Reglosigkeit auf seinem ergonomischen,<br />
blau gepolsterten Schreibtischstuhl saß. Seine Zähne<br />
auf seiner Lippe.<br />
Dann wurde ihre Erinnerung undeutlich. Er musste aufgesprungen<br />
sein, denn plötzlich war er groß, zu groß kam er ihr<br />
vor, <strong>der</strong> Kopf war auch zu groß, und in dem Kopf waren viel zu<br />
große, aufgerissene Augen, Raubtieraugen, die Augen des bösen<br />
Wolfs, des Monsters unter dem Bett, des Schattens im Klei<strong>der</strong>schrank.<br />
Die Zähne schienen plötzlich rasiermesserscharf zu<br />
sein, ein Löwe, ein Hai, und er war überall und füllte den Raum<br />
aus, er musste aufgesprungen sein, und zwar vor Zorn, vor verzweifeltem<br />
Zorn, wie ein wil<strong>der</strong> Eber, <strong>der</strong> mit dem Rücken zur<br />
Felswand stand und seine Jäger vor sich sah und nur noch die<br />
Wahl hatte, abzuwarten o<strong>der</strong> nach vorn zu rennen. Sterben<br />
o<strong>der</strong> Töten. O<strong>der</strong> beides. Er war riesengroß und riss das Raubtiermaul<br />
auf, bis es ein klaffen<strong>der</strong> Abgrund war, und er würde<br />
sie auffressen wie <strong>der</strong> Riese im Märchen, und das Wesen schrie,<br />
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