06.01.2013 Aufrufe

1 Vom Blaufuß und dem Echternacher Mönch ... - Jos A. Massard

1 Vom Blaufuß und dem Echternacher Mönch ... - Jos A. Massard

1 Vom Blaufuß und dem Echternacher Mönch ... - Jos A. Massard

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Veröffentlicht in : Heimatkalender 2009 Eifelkreis Bitburg-Prüm : 107-113 (Erscheinungsdatum: Ende Oktober 2008).<br />

<strong>Vom</strong> <strong>Blaufuß</strong> <strong>und</strong> <strong>dem</strong> <strong>Echternacher</strong> <strong>Mönch</strong> Placidus Eringer<br />

von <strong>Jos</strong>. A. <strong>Massard</strong>, Gaby Geimer, Pierre Kauthen, Echternach,<br />

<strong>und</strong> Pol Schiltz, Luxembourg<br />

„Ich hab auff Prümer heyd auch nach <strong>dem</strong> Blaufus gesehen, welche[n] wir [d.h. die<br />

<strong>Echternacher</strong> Abtei] Macht haben zu hüten <strong>und</strong> auffzuheben wie von alters”, so lautet ein<br />

Eintrag in einer vom <strong>Echternacher</strong> <strong>Mönch</strong> Placidus Eringer verfassten Chronik, die im<br />

Luxemburger Nationalarchiv aufbewahrt wird <strong>und</strong> den Zeitraum von 1691 bis 1728 umfasst.<br />

Die Notiz ist vom 19. April 1710. Zwei Wochen später, am 3. Mai 1710, fügte Eringer hinzu:<br />

heute „haben wir auff Niederweisser Heerschaft mit den H<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Horn gejagt <strong>und</strong> einen<br />

Hasen geschossen <strong>und</strong> haben selbiges Mahl einen Jungen die Prümer ley heronder gelassen<br />

mitt einem Seil. Die Blaufus waren schon ausgeflogen.”<br />

Mit „Prüm“ ist hier das heutige Prümzurlay gemeint; was aber in Herrgottsnamen ist ein<br />

„Blaufus”?<br />

<strong>Vom</strong> <strong>Blaufuß</strong><br />

In <strong>dem</strong> so genannten Vogelbuch von Conrad Gesner (1516-1565), einem der großen<br />

Naturwissenschaftlern der Renaissancezeit, gibt es ein Kapitel über den „<strong>Blaufuß</strong>” oder<br />

„Falco cyanopus”, einen Edelfalken, mit <strong>dem</strong> sich bereits der berühmte Albertus Magnus<br />

(um 1200-1280) in seinen naturk<strong>und</strong>lichen Schriften beschäftigt hatte. In der 1669 editierten<br />

deutschen Ausgabe von Gesners in Latein verfassten Werk kann man nachlesen, dass diese<br />

Falkenart „blaue Füß” habe <strong>und</strong> an vielen Orten des „Schweitzerlandes”, der Heimat Gesners,<br />

vorkomme.<br />

Dem Jagdwissenschaftler Kurt Lindner (1906-1987) nach ist unter „<strong>Blaufuß</strong>” der Lanner<br />

(Falco biarmicus) zu verstehen (Lindner 1962, Kinzelbach & Hölzinger 2000). Der<br />

Trivialname „Lanner“ ist in <strong>dem</strong> Sinne problematisch, dass man früher in der Falknersprache<br />

- wie bereits bei Albertus Magnus belegt - mit den Begriffen „laner“ oder „lanete“ die<br />

„unedlen“ Bussarde bezeichnete (Suolahti 1909); Gesner dagegen fasste unter <strong>dem</strong><br />

Oberbegriff “Laneten oder Schweimer“ drei von ihm recht unpräzise beschriebene „unedle“<br />

Falkenarten zusammen.<br />

Als Brutvogel kommt der Lanner (im heutigen Sinne) in den offenen Landschaften Afrikas<br />

vor, daneben in Vorderasien, auf der Balkan- <strong>und</strong> der südlichen Apenninhalbinsel sowie auf<br />

Sizilien. Allem Anschein nach war der Lanner noch im 16. Jh. auch in Mitteleuropa weit<br />

verbreitet, starb dann aber dort aus, <strong>und</strong> zwei Generationen später scheint die Erinnerung an<br />

ihn gänzlich verschw<strong>und</strong>en gewesen zu sein (Lindner 1962).<br />

So schrieb Buffon (1770), bei Pierre Belon (1517-1564) sei zwar zu lesen, der Lanner (franz.:<br />

„lanier” oder „faucon lanier”) sei in Frankreich heimisch, er selbst jedoch habe nie weder ein<br />

lebendes noch ein ausgestopftes Exemplar dieses Vogels zu Gesicht bekommen. Hätte Buffon<br />

etwa nach Prümzurlay reisen sollen, um dort diesen seltenen Vogel zu sehen? Oder sollte es<br />

sich bei unserem „<strong>Blaufuß</strong>” etwa nicht um den eher „exotischen“ Lanner gehandelt haben?<br />

1


Veröffentlicht in : Heimatkalender 2009 Eifelkreis Bitburg-Prüm : 107-113 (Erscheinungsdatum: Ende Oktober 2008).<br />

<strong>Vom</strong> Wanderfalken<br />

Ob wohl ein Blick in die ältere vogelk<strong>und</strong>liche Literatur unseres Raumes eine Antwort auf<br />

diese Frage liefern kann? Im Jahre 1865 veröffentlichte der Luxemburger Alphonse de la<br />

Fontaine (1825-1896) den ersten Band seiner Fauna des Luxemburger Landes. Hierin werden<br />

alle im Gebiet des ehemaligen Herzogtums Luxemburg vorkommenden Vogelarten<br />

ausführlich beschrieben. Der Lanner wird jedoch nicht erwähnt, wohl aber ein anderer<br />

Greifvogel, der sich auch bestens zur Beizjagd eignet, nämlich der Wanderfalke (Falco<br />

peregrinus). Er war damals zwar selten, nistete aber in der belgischen Provinz Luxemburg in<br />

den Felsen bei „Laroche” (La Roche-en-Ardenne) <strong>und</strong> im Großherzogtum in den Felsen bei<br />

Marienthal, Manternach <strong>und</strong> Machtum.<br />

In den 1920er Jahren machte der Luxemburger Ornithologe Jean Morbach (1884-1967) in<br />

unserer Gegend Wanderfalkenhorste aus bei Berdorf, bei Dillingen (auf deutscher <strong>und</strong> auf<br />

Luxemburger Seite der Sauer), bei Ernzen, vielleicht auch bei Weilerbach (Schweineställe).<br />

Bei letzterem Vorkommen waren sich die Gewährsleute nicht einig; es könnte sich auch um<br />

einen Turmfalken gehandelt haben. 1962 gab es noch drei Brutpaare im Müllerthal (Morbach<br />

1963); danach galt der Wanderfalke in Luxemburg als ausgestorben. Auf der deutschen Seite<br />

waren im Kreis Bitburg 1962 nur mehr drei Wanderfalkenhorste im Bereich der Ferschweiler<br />

Hochfläche bekannt; 1966 wurden aus einem Gelege noch zwei Jungvögel <strong>und</strong> 1967 ein<br />

Jungvogel ausgebrütet. Den für lange Jahre letzten Horst (mit drei Nestlingen) gab es 1969 in<br />

den Felsen hoch über Weilerbach (Göbel 1996, 1967).<br />

Im Herbst 1997 wurde an der Sauertalbrücke (Autobahn Luxemburg-Trier) ein<br />

Wanderfalkenpaar beobachtet, das dann auch tatsächlich 1998 zur Brut schritt <strong>und</strong> vier<br />

Jungvögel heranzog. In den folgenden Jahren konnten weitere Brutvorkommen in Luxemburg<br />

vermerkt werden (Conzemius 2006).<br />

Aus <strong>dem</strong> Trierer Raum war übrigens seit 1989 ein Brutplatz bekannt, <strong>dem</strong> sich 1994 ein<br />

zweiter hinzugesellt hatte (Dendrocopos 1994, 1995). Diese Beobachtungen entsprachen einer<br />

anhaltenden Tendenz in Rheinland-Pfalz, wo der Wanderfalke ab 1986 wieder als Brutvogel<br />

festgestellt worden war <strong>und</strong> heute infolge seiner kontinuierlichen Ausbreitung die nahezu<br />

vollständige Rückkehr in alle ehemals besiedelten rheinland-pfälzischen Naturräume <strong>und</strong><br />

Bruthabitate erreicht hat.<br />

Des Rätsels Lösung?<br />

Hilfreich auf <strong>dem</strong> weiteren Wege zur Identifizierung von Eringers „Blaufus“ ist ein Blick in<br />

das Buch „Die deutschen Vogelnamen“ (1909) des bereits zitierten finnischen Philologen<br />

Hugo Suolahti (1874-1944), der schreibt: „Ein allgemein bekannter Vogel war der <strong>Blaufuß</strong><br />

[…]. Ob damit eine Variation des Wanderfalken oder des Würgfalken (falco lanarius)<br />

gemeint ist, ist schwer zu entscheiden. […] In der mittelhochdeutschen Literatur kommt<br />

blâvuoz (ndd. blâvôt, mndl. blauvoet) öfters vor. In den heutigen M<strong>und</strong>arten ist der Ausdruck<br />

aber selten ; im Herzogtume Anhalt wird damit, wie Naumann bemerkt, ‘sehr uneigentlich’<br />

der Wanderfalke benannt.” Bei <strong>dem</strong> zitierten Naumann handelt es sich um Johann Friedrich<br />

Naumann (1780-1857), den Autor einer monumentalen „Naturgeschichte der Vögel<br />

Deutschlands”.<br />

Der Name „Würgfalke“, den Suolahti gebraucht ist heute im Deutschen ein Synonym für den<br />

Saker (Falco cherrug), wurde aber früher wechselweise für Saker oder Lanner benutzt<br />

(Wember 2005). Der lateinische Artname Falco lanarius, der inzwischen nicht mehr<br />

verwendet wird, wird gewöhnlich mit <strong>dem</strong> Lanner in Verbindung gebracht. Der Saker, von<br />

2


Veröffentlicht in : Heimatkalender 2009 Eifelkreis Bitburg-Prüm : 107-113 (Erscheinungsdatum: Ende Oktober 2008).<br />

<strong>dem</strong> Buffon behauptet, er habe blaue Füße genau wie der Lanner, kommt in unseren<br />

Gegenden nicht vor. Er lebt in den Steppen <strong>und</strong> Waldsteppengebieten Osteuropas <strong>und</strong><br />

Zentralasiens; in Mitteleuropa ist der Würgfalke als Brutvogel auf die Ungarische Tiefebene<br />

<strong>und</strong> die angrenzenden pannonisch beeinflussten Becken- <strong>und</strong> Hügellandschaften beschränkt<br />

(Glutz von Blotzheim 1989).<br />

Bei genauerer Analyse stellt man fest, dass der Name „<strong>Blaufuß</strong>“ nicht nur im Herzogtum<br />

Anhalt „uneigentlich“ benutzt wurde, sondern dass dies ziemlich allgemein der Fall geworden<br />

war. „Was in Deutschland um 1800 in Jägerkreisen als <strong>Blaufuß</strong> bezeichnet wurde,“ schreibt<br />

Lindner (1962), „war entweder ein junger Wanderfalke oder ein Habicht.“ Mit „Blaufus“<br />

muss Eringer also nicht unbedingt den Lanner <strong>und</strong> schon gar nicht den Saker gemeint haben,<br />

auch nicht den Habicht, der den Hochwald als Horstplatz aufsucht, sondern eher den<br />

Wanderfalken. Gewisse Ähnlichkeiten zwischen <strong>dem</strong> Lanner <strong>und</strong> diesem könnten ihre<br />

Verwechslung sogar erklären : der Lanner ist etwa wanderfalkengroß <strong>und</strong> kann je nach Kleid<br />

jungen Wanderfalken sehr ähnlich sein (Glutz von Blotzheim 1989), seine Füße sind nur bei<br />

Jungvögeln blau, bei Adulten sind sie schwefelgelb, die Krallen schwarz; beim Wanderfalken<br />

sind die Füße anfangs rosig, dann grünlichgelb <strong>und</strong> schließlich bei Adulten chromgelb, die<br />

Krallen blauschwarz.<br />

Abgesehen von der unwahrscheinlichen Hypothese, bei Eringers Falken habe es sich um<br />

entkommene Beiztiere gehandelt, kann also abschließend mit ziemlicher Sicherheit<br />

festgehalten werde, dass Eringers „Blaufus” ein Wanderfalke war, <strong>und</strong> weder ein Lanner noch<br />

ein Saker, für deren Vorkommen in unserem Raum im 18. Jahrh<strong>und</strong>ert kein Beweis vorliegt.<br />

Der Wanderfalke legt seine Eier übrigens vorzugsweise in schwer zugängliche Felsnischen.<br />

So erklärt es sich, warum man „einen Jungen die Prümer ley heronder gelassen mitt einem<br />

Seil”, um den Horst zu inspizieren.<br />

Ein Mann wird an einer steilen Felswand abgeseilt, um einen Falkenhorst mit Nestlingen zu erreichen <strong>und</strong><br />

auszunehmen. Mittelalterliche Miniatur aus <strong>dem</strong> Falkenbuch Kaiser Friedrichs II. (13. Jh.). Codex Ms. Pal. Lat.<br />

1071 „De arte venandi cum avibus”, Bibliotheca Apostolica Vaticana (aus: Faksimile-Ausgabe, Codices selecti,<br />

Bd. 16, Aka<strong>dem</strong>ische Druck- <strong>und</strong> Verlagsanstalt, Graz. Mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung des Verlags).<br />

3


Veröffentlicht in : Heimatkalender 2009 Eifelkreis Bitburg-Prüm : 107-113 (Erscheinungsdatum: Ende Oktober 2008).<br />

Eringer als Jäger<br />

Ob Eringer die Falken selbst abrichtete oder ob er dies anderen überließ, wissen wir nicht.<br />

Viele Aufzeichnungen bezeugen jedenfalls, dass er ein leidenschaftlicher Jäger war.<br />

Regelmäßig nimmt er am Hubertustag an der Jagd teil. In der Zeit von Mai 1696 bis April<br />

1714 hat er 36 Mal “gejagt“, achtzehn Mal “mit Horn <strong>und</strong> H<strong>und</strong>en“, fünf Mal mit “H<strong>und</strong>en“,<br />

<strong>und</strong> berichtet von sechs Treibjagden. Betrachtet man die Abschussliste in dieser Zeitspanne,<br />

so ist man erstaunt über das verhältnismäßig geringe Ergebnis: 13 Hasen, 5 Füchse, 4<br />

Wildschweine, 2 Rehe <strong>und</strong> eine unbestimmte Zahl Feldhühner.<br />

Wahrscheinlich hat Eringer nicht alle Abschüsse aufgeschrieben, oder nur solche, die er<br />

persönlich getätigt hat. Obschon die Klosterbrüder den Wildbraten sehr schätzten, ging es<br />

Eringer wohl eher darum, das Gewohnheitsrecht der Klosterherren zu <strong>dem</strong>onstrieren <strong>und</strong> zu<br />

bewahren. Daher wurde absichtlich “mit Horn <strong>und</strong> H<strong>und</strong>en“ gejagt, so z.B. um das<br />

Niederweiser Schloss herum, um zu zeigen, wer das Jagdrecht hatte.<br />

Gelegentlich kam es zu Konflikten, wenn das angeschossene Wild auf <strong>dem</strong> Jagdrevier des<br />

Nachbarn verfolgt wurde. Manchmal musste das Jagd- <strong>und</strong> Fischereirecht gerichtlich<br />

verteidigt werden. So wurden die Herren de Waldt mehrmals ermahnt, von der Jagd auf den<br />

Jagdgründen der Abtei abzulassen. Im Gegenzug wurde ihnen einmal diese Jagderlaubnis<br />

gewährt, um bei einer Hochzeit Wildbraten auftischen zu können. Dass Eringer<br />

verschiedentlich einigen Leuten erlaubte, Stricke zum Vogelfang zu setzen, würde die<br />

heutigen Tierschützer sicherlich ärgern. Die Vögel mussten in der Abtei abgeliefert werden<br />

<strong>und</strong> die Vogelfänger erhielten eine Prämie.<br />

Eringer als Speichermeister <strong>und</strong> Kellner<br />

Karl Franz Eringer kam am 3. Dezember 1664 als Sohn von Joannes Eringer <strong>und</strong> Catharina<br />

Hurdt in Luxemburg zur Welt. Nach seinen Studien in Luxemburg <strong>und</strong> Trier begann er 1682<br />

sein Noviziat in Echternach unter <strong>dem</strong> Abt Philippe de la Neuveforge in einer sehr<br />

stürmischen Zeit, in der <strong>dem</strong> Kloster mehrmals der Untergang drohte. Im Jahre 1688 wurde er<br />

in Trier zum Priester geweiht. Bis zu seinem Tode im Jahr 1733 lebte <strong>und</strong> wirkte er in der<br />

<strong>Echternacher</strong> Abtei unter <strong>dem</strong> Namen Placidus Eringer (Kauthen & Schiltz 2005, Keess<br />

2008).<br />

Eringer muss eine bedeutende Intelligenz mit einer starken Persönlichkeit <strong>und</strong> großer<br />

Schaffenskraft vereint haben. Schon nach kurzem Aufenthalt in Echternach wurde er 1691<br />

„granarius“ d.h. Speichermeister; er musste also die Speicherbestände kontrollieren, war<br />

verantwortlich für alle Lebensmittel, die den Speicher verließen <strong>und</strong> führte genau darüber<br />

Buch. Kurze Zeit später wurde er „cellerarius“, Kellner der Abtei, <strong>und</strong> damit in der<br />

Rangordnung des Klosters der dritte Mann nach <strong>dem</strong> Abt <strong>und</strong> <strong>dem</strong> Prior. Ungefähr während<br />

fünfzehn Jahren war er verantwortlich für alle Einnahmen der Abtei. Er kannte alle Rechte<br />

der Abtei, verhandelte sowohl mit den adligen Vasallen, wie auch mit <strong>dem</strong> Baumeister <strong>und</strong><br />

den Schöffen der Stadt Echternach. Er war Vertreter des Konvents, wenn am Pfingstfest <strong>dem</strong><br />

Richter der Stab überreicht wurde, <strong>und</strong> kontrollierte gemeinsam mit <strong>dem</strong> Schultheißen <strong>und</strong><br />

Amtmann die Geschäfte der Stadt.<br />

Eringer war auch sehr oft der Vertreter des Abtes während der Jahrgedinge in Ettelbrück,<br />

Dreis, Kinheim <strong>und</strong> Kröw <strong>und</strong> in allen anderen Ortschaften, in denen der Abt Gr<strong>und</strong>herr war.<br />

Er zeigte einerseits Strenge <strong>und</strong> Durchsetzungskraft, anderseits oft Fingerspitzengefühl, um<br />

allen Abhängigen der Abtei seinen Willen aufzuzwingen. 1715 gab er diese Verantwortung<br />

4


Veröffentlicht in : Heimatkalender 2009 Eifelkreis Bitburg-Prüm : 107-113 (Erscheinungsdatum: Ende Oktober 2008).<br />

aus uns unbekannten Gründen mit fünfzig Jahren auf. Das bedeutet aber nicht, dass er in<br />

Ungnade gefallen war oder müßig wurde.<br />

Eringer als Arzt <strong>und</strong> Apotheker<br />

Seite aus Eringers Chronik. ©Nationalarchiv, Luxemburg.<br />

Neben seiner Tätigkeit als Kellner war Eringer auch ein sehr bekannter <strong>und</strong> beliebter Arzt <strong>und</strong><br />

Apotheker, der nicht nur innerhalb der Klostermauern seine Kunst ausübte, sondern auch in<br />

der ganzen Gegend die Kranken betreute. Auffällig ist, dass er sogar nach Luxemburg gerufen<br />

wurde, um fremde Offiziere zu behandeln. Dabei gab es dort nach Kugener (2005) mehrere<br />

Militärärzte. Eringer behandelte auch die Grafen von Manderscheid, Herrn De Pergener von<br />

Neuerburg <strong>und</strong> viele andere Adlige der Gegend, <strong>und</strong> er durfte sogar die Nonnen in Echternach<br />

<strong>und</strong> Prüm betreuen. Während der Belagerung von Traben-Trarbach durch die kaiserlichen<br />

Truppen im Jahre 1704 reiste er dorthin, um den Kommandanten der Stadt zu verarzten.<br />

Man kann sich vorstellen, dass diese Tätigkeit einerseits viel Zeit kostete anderseits aber auch<br />

seine Arbeit als Kellner erleichterte. Denn jemand, der den Arzt zu Hilfe gerufen hatte <strong>und</strong><br />

erfolgreich behandelt worden war, konnte sich kaum <strong>dem</strong> Kellner widersetzen.<br />

Als 1712 in Echternach eine schlimme Seuche ausgebrochen war, entwickelte Eringer nach<br />

vielen Bemühungen eine Therapie, die es ihm erlaubte, viele Kranke zu heilen (Keess 2008).<br />

In seinen letzten Aufzeichnungen schreibt er, dass er ein paarmal nach Köln zum Buchhändler<br />

Metternich fuhr, um dort medizinische Bücher für die Apotheke zu kaufen.<br />

5


Veröffentlicht in : Heimatkalender 2009 Eifelkreis Bitburg-Prüm : 107-113 (Erscheinungsdatum: Ende Oktober 2008).<br />

Alles deutet darauf hin, dass Eringer einer der ersten Luxemburger Mediziner war, der<br />

versuchte empirisch <strong>und</strong> wissenschaftlich die Ursache der Krankheiten zu verstehen <strong>und</strong> der<br />

in seiner Apotheke die Medikamente selber zusammensetzte, um die Kranken zu heilen. Er<br />

verließ sich nicht auf W<strong>und</strong>erheilungen <strong>und</strong> hielt auch nichts von Quacksalbern, wie seine<br />

heftige Kritik am Müller von Niederanven, der sich anmaßte Kranke heilen zu wollen,<br />

beweist.<br />

Im Kloster blieb Eringer bis zu seinem Tode ein angesehener Mann. Es gibt eine ganze Reihe<br />

von Dokumenten, in denen er an dritter Stelle hinter <strong>dem</strong> Abt <strong>und</strong> <strong>dem</strong> Prior unterzeichnete.<br />

Als Abt Zender im Jahre 1717 starb, bekam Eringer bei der anschließenden Abtwahl zwölf<br />

Stimmen, Henn sechzehn <strong>und</strong> Hartz, der zum Abt genannt wurde, elf. Auch 1728, als<br />

Schouppe zum Abt ernannt wurde, bekam Eringer trotz seines Alters noch elf Stimmen. Man<br />

kann also annehmen, dass er bis zu seinem Lebensende sehr aktiv war <strong>und</strong> seine Tätigkeit als<br />

Kellner nur eingestellt hat, um sich desto mehr seiner Arbeit als Arzt hingeben zu können.<br />

Der Mann des Klosters<br />

In seiner eingangs erwähnten Chronik — ungefähr 130 Seiten, teilweise auf Latein <strong>und</strong><br />

teilweise auf Deutsch — beschreibt Eringer vor allem seine Arbeit als Kellner; manchmal<br />

lässt er aber einfließen, dass er auch als Arzt tätig war. Es kommt ihm hauptsächlich darauf<br />

an, für seine Nachfolger konkrete Beweise zu hinterlassen, dass das Kloster Recht auf<br />

bestimmte Einnahmen hatte. Er sagt also, dass er in einer bestimmten Ortschaft z.B. in Kersch<br />

das Jahrgeding abgehalten hat <strong>und</strong> dass also der Abt in dieser Ortschaft Gr<strong>und</strong>herr mit<br />

bestimmten Rechten ist. Oder er lässt den Zehnten in Strotzbüsch versteigern, oder<br />

kontrolliert die Gewichte auf <strong>dem</strong> Jahrmarkt in Dreis.<br />

Er erklärt auch manchmal ganz genau die Verpflichtungen der Abtei gegenüber den Schöffen.<br />

In Geichlingen z.B. bekommen die Schöffen, wenn Eringer dorthin geht, um die Steuern<br />

einzutreiben, ein Huhn als Belohnung. Beim Jahrgeding wird ihnen ein Essen angeboten.<br />

Diese Gewohnheit wird peinlich beibehalten, um jeden neuen Forderungen aus <strong>dem</strong> Wege zu<br />

gehen.<br />

Zur Zeit Eringers herrschte nämlich das Gewohnheitsrecht. Wenn er also ungestört, d.h. ohne<br />

dass ein anderer Herr oder die Bauern protestieren, in Körperich den Zehnten versteigern<br />

lassen kann, bedeutet das, dass er ein Recht darauf hat <strong>und</strong> dass er oder sein Nachfolger auch<br />

im folgenden Jahr den Zehnten dort erheben darf. Aber genau so haben die Schöffen <strong>und</strong> der<br />

Meyer jedes Jahr Recht auf die Vergünstigungen, die sie die Jahre vorher genossen.<br />

Interessant für den Leser sind auch immer strittige Fragen, z.B. glaubt Eringer, dass die<br />

Bauern von Körperich, viel zu viel Land zum Galgenland geschlagen haben, das zinsfrei ist.<br />

Die Bauern von Dreis versuchen, sich der Vorherrschaft von Echternach zu entziehen <strong>und</strong><br />

wollen sich der rheinischen Reichsritterschaft anschließen. Bei solchen Streitigkeiten<br />

beschreibt Eringer genau die Rechte der Abtei. Dabei nennt er z.B. im Falle von Dreis auch<br />

die „Bösewichte“, die für ihre Freiheit kämpfen, <strong>und</strong> die der Abtei Ergebenen, die bereit sind<br />

für das Schöffenamt auf ihre Freiheit zu verzichten.<br />

Die meisten Besitztümer der <strong>Echternacher</strong> Abtei lagen im heutigen Deutschland. Das<br />

Interesse der Chronik liegt zum Teil darin, dass wir genau erkennen können, welche<br />

Eifeldörfer der <strong>Echternacher</strong> Abtei Abgaben leisten mussten. Darüber hinaus finden wir eine<br />

genaue Beschreibung der Natur der Abgaben. Eringer nennt auch oft die adligen Herren der<br />

Gegend, die entweder als Vasall oder Vogt von Echternach abhängen, oder die mit <strong>dem</strong><br />

Kloster in einem fast immer gespannten Nachbarverhältnis leben.<br />

6


Veröffentlicht in : Heimatkalender 2009 Eifelkreis Bitburg-Prüm : 107-113 (Erscheinungsdatum: Ende Oktober 2008).<br />

Die Chronik ist aber auch interessant für alle Genealogen, weil nicht nur die Namen der<br />

Personen genannt werden, der Leser erfährt auch Einzelheiten über Personen, die er sonst<br />

nirgends finden kann. Diese Chronik wird im Laufe des Jahres 2009 im vollständigen<br />

Wortlaut von Kauthen & Schiltz herausgegeben. Damit jeder die recht schwierige Sprache<br />

verstehen kann, wird der teilweise lateinische Text auf Deutsch übersetzt <strong>und</strong> kommentiert<br />

werden.<br />

Literaturnachweis<br />

Nationalarchiv Luxemburg. ANLux A-XXIX-1298.<br />

Buffon, G.L.L. (1770): Histoire naturelle des Oiseaux. Tome premier. - Paris, Imprimerie royale, 485 S.<br />

Conzemius, T. (2006): Die Rückkehr des Wanderfalken 'Falco peregrinus' nach Luxemburg. - Regulus:<br />

Wissenschaftliche Berichte, 21: 40-43.<br />

Dendrocopos (1994), Nr. 21; (1995), Nr. 22.<br />

Fontaine, A. de la (1865): Faune du Pays de Luxembourg [Première partie: Oiseaux]. Luxembourg, V. Bück,<br />

152 S.<br />

Gesner, C. (1669): Vollkommenes Vogel-Buch. Gesneri redivivi, aucti et emendati tomus II & III. - Frankfurt<br />

am Main, Serlin, 1-387 (t. II), 1-226 (t. III) [Nachdruck 1995, Schlütersche Verlagsanstalt <strong>und</strong> Druckerei,<br />

Hannover, mit Nachwort von W. Steinigeweg].<br />

Glutz von Blotzheim, U.N. (Hrsg.) (1989): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. 4: Falconiformes. 2. Aufl. -<br />

Wiesbaden, Aula-Verlag, 943 S.<br />

Göbel, P. (1967): Pflanzen <strong>und</strong> Tierwelt. - in: J. Hainz (Hrsg.): Das Bitburger Land. Bd. I. Bitburg: 45-73.<br />

Göbel, P. (1996): Natur <strong>und</strong> Naturschutz im Grenzgebiet bei Echternach. - Annuaire de la Ville d'Echternach<br />

1995: 206-217.<br />

Kauthen, P. & P. Schiltz (2005): Deux chroniqueurs d'Echternach : Eringer et Keess. - récré, 21: 214-246.<br />

Keess, O. (2008): La retraite honorable et religieuse; trad. et commenté par Pierre Kauthen et Pol Schiltz.<br />

Luxembourg, Archives nationales, 264 S.<br />

Kinzelbach, R. & J. Hölzinger (Hrsg.) (2000): Marcus zum Lamm: Die Vogelbücher aus <strong>dem</strong> Thesaurus<br />

Picturarum. Stuttgart, Ulmer, 404 S.<br />

Kugener, H. (2005): Die zivilen <strong>und</strong> militärischen Ärzte <strong>und</strong> Apotheker im Großherzogtum Luxemburg. Band<br />

1/3 (A-G). - Luxemburg, Eigenverlag, S. 1-652.<br />

Lindner, K. (1962): Von Falken, H<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Pferden. Deutsche Albertus-Magnus-Übersetzungen aus der ersten<br />

Hälfte des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts. Teil II. - De Gruyter, Berlin, 210 S.<br />

Morbach, J. (1963): Vögel der Heimat. Band 5. Familien der Falken <strong>und</strong> Greife. - Esch-Alzette, Kremer-Müller,<br />

207 S.<br />

Suolahti, H. (1909): Die deutschen Vogelnamen: eine wortgeschichtliche Untersuchung. - Strassburg, Karl J.<br />

Trübner, XXXIII, 540 S. [zitiert nach: 2. unveränd. Aufl., mit einem Nachw. von Elmar Seebold. Berlin, New<br />

York, de Gruyter, 2000, XXXIII, 549 S.]<br />

Wember, V. (2005): Die Namen der Vögel Europas. Bedeutung der deutschen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Namen. -<br />

Wiebelsheim, Aula, 207 S.<br />

7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!