Dortmund 2009
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Nicht das erste Mal. Als der Internetversender<br />
Buch.de in Bestellungen<br />
zu ersticken drohte und knapp vor<br />
dem Kollaps stand, rief das Unternehmen<br />
Maris: „Buch.de wurde in<br />
der Hoch-Zeit der Internet-Experimente<br />
gegründet. Man war dort<br />
plötzlich überrascht, wie viele Leute<br />
bestellen und dass manche Kunden<br />
nicht zahlen.“ Er spielte Feuerwehrmann,<br />
brachte Buch.de, mittlerweile<br />
mehrheitlich im Thalia-Besitz, auf<br />
Vordermann.<br />
Ein Lager voller Bestseller<br />
Auf sein Gesellenstück folgte das<br />
Meisterstück. Das Zentrallager in<br />
<strong>Dortmund</strong>. Maris durchforstete die<br />
Bestelllisten der einzelnen Thalia-<br />
Filialen und stellte etwas Überraschendes<br />
fest: „In Deutschland sind<br />
zwar 800.000 Buchtitel lieferbar, den<br />
Hauptumsatz machen wir aber mit<br />
ca. 80.000 Produkten.“ Die 3.000<br />
bestverkäuflichen stehen nun aufgereiht<br />
im <strong>Dortmund</strong>er Lager. Verlangt<br />
ein Kunde ein anderes Buch,<br />
erfolgt die Bestellung aus der Filiale<br />
beim Verlag oder beim Barsortiment.<br />
Teil 1 der Revolution.<br />
Teil 2 betrifft die Filialen selber. Maris<br />
unterteilte die einzelnen Geschäfte<br />
der Kette in Zonen. Beim Beladen<br />
der schwarzen Wannen im Lager<br />
muss klar sein, wo das Buch im Laden<br />
stehen soll. In welcher Filiale, in<br />
welcher Zone, in welchem Regal. So<br />
landen die in <strong>Dortmund</strong> gepackten<br />
Wannen nicht im Lager einer Filiale,<br />
sondern direkt am Regal. Die Verkäuferin<br />
muss vor Ort nur in die Wanne<br />
greifen und kann das bestellte Buch<br />
umgehend an der richtigen Stelle<br />
einsortieren. Das spart Zeit und Geld.<br />
Die Wanne ist voll<br />
Ein komplexes System, das Maris<br />
Besuchern am Laptop mit unendlich<br />
vielen Waben, Symbolen und Pfeilen,<br />
die kreuz und quer über Folien wei-<br />
sen, erklärt. Was das in der Praxis<br />
bedeutet, zeigt Maris in der Lagerhalle.<br />
Hier flitzen 80 Mitarbeiter durch<br />
die Gänge. Sie schieben einen Wagen<br />
mit acht schwarzen Wannen vor sich<br />
her. Ein Mini-Computer und eine rote<br />
Signallampe an den Wannen zeigen<br />
ihnen, welches Buch sie wo greifen<br />
und in welche Kiste stellen müssen.<br />
Die Konkurrenz rümpft über das<br />
System die Nase. Insbesondere über<br />
das Eindampfen der Zentrallager-<br />
Artikelzahl auf 3.000. Verlage sind<br />
darüber ebenfalls nicht glücklich,<br />
„denn wir haben nur mit 400 Verlagen<br />
direkte Verträge. Manch einer<br />
wäre auch gern gelistet, ist es aber<br />
nicht, das schmeckt denen natürlich<br />
nicht.“ Maris weiß, dass sich Thalia<br />
in der Branche deshalb nicht nur<br />
Freunde gemacht hat. Zumal die<br />
Kette mit den gelisteten Verlagen<br />
harte Verhandlungen über Lieferkonditionen<br />
führt.<br />
Opfer dieses Systems ist auch<br />
Christoph Maris. In einem Kleinstverlag,<br />
der ebenfalls nicht gelistet<br />
ist, hat er kürzlich das Buch „Das<br />
Bergbauspiel“ veröffentlicht, ein<br />
Ratgeber für bergbaugeschädigte<br />
Immobilienbesitzer. Davon gibt es<br />
laut Maris „im Ruhrgebiet und im<br />
Saarland Hunderttausende“. Gut<br />
möglich, dass er einen zukünftigen<br />
Bestseller verfasst hat. Es bestehen<br />
Chancen, dass sein Buch irgendwann<br />
direkt vom <strong>Dortmund</strong>er Zentrallager<br />
in die Filialen geliefert wird. L<br />
Links und oben:<br />
Über lange Fließbänder<br />
rollen die<br />
gelieferten Bücher<br />
zum richtigen Ort<br />
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