Bindung, Ressourcen und Verantwortung als Leitmotiv kinder

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Entwickeln sich Individuen und Organisationen analog? Bindung, Ressourcen und Verantwortung als Leitmotiv kinder- und jugendpsychiatrischer Versorgung Bernhard Prankel, Birger Repp Rotenburg (Wümme), 07/2003 S.10 5 Exkurs: Strukturen der Entwicklung 1. Vor einer Frage nach der Entwicklung muss das Objekt der Entwicklung bekannt sein: Leben ist eine komplexe Struktur, die mit ihrer unmittelbaren Umgebung Materie, Energie und Information austauscht und sich außerdem reproduziert. Diesen Austausch regulieren die organischen, die psychischen und die sozialen Strukturen eines Lebewesens durch Mess- und Regelprozesse mit den drei Elementen (1) der Sensorik, d.h. Messen von Abweichungen, (2) der Bewertung nach Toleranz oder Kompensationsbedarf und (3) dem letztendlich motorischen Ausgleich. 2. Im Prozess der psychosozialen Entwicklung (Regelkreis der Anpassung zwischen Individuum und Umwelt) übernimmt die Wahrnehmung als die Schnittstelle zwischen Individuum und Umwelt eine führende Rolle. Sie ist mit der Aufgabe betraut, einer Flut von Information über statische und veränderliche Bedingungen und deren Toleranzen Rechnung zu tragen. Mit der menschlichen Wahrnehmung ist im Laufe der Hunderte von Jahrmillionen der Evolution ein hoch effektives multimodales Messinstrument entstanden, das die auf Anpassung zielende Informationsverarbeitung – das Lernen – revolutioniert hat: Gab es zunächst lediglich das universelle Lernen durch Versuch und Irrtum, welches auf physische Unterscheidung abzielte, wurde dieses später durch die Sensorik (Begreifen, Erfassen, Einsicht) und die gegenseitige Informationsausbeutung (Nachfühlen, Nachahmen, Nachvollziehen) ergänzt und zuletzt durch die aktive sprachgebundene Wahr-Nehmung im Sinne der Aneignung revolutioniert (Verständnis, Erkenntnis). Was wahr-scheint, wird wahr-genommen. 3. Dieser adaptive Wahrnehmungsprozess muss die Eigenschaften einer Messung haben, um auf lange Sicht erfolgreich zu sein. Folgt man dem Gedanken, dass durch die Multimodalität der Wahrnehmung ein komplexes und üblicherweise außerordentlich zuverlässiges Messinstrument entstanden ist, dann lässt es sich rechtfertigen, eine Verbindung zur Messtheorie herzustellen. Wenn die drei Gültigkeitskriterien der Objektivität (Beobachter-Unabhängigkeit), der Reliabilität (Verlässlichkeit) und der Validität (Gültigkeit bzw. Relevanz) in sozialpsychologische Begriffe überführt werden, dann erscheinen die drei G r u n d b e g r i f f e d e r E n t w i c k l u n g , auf welchen jegliche pädagogische und therapeutische Arbeit beruht. A. Bindung ist durch übereinstimmende Wahrnehmung gewonnenes Einverständnis: Wir sehen dasselbe, und das eint uns (Objektivität Kohäsion). B. Ressourcen sind wiederkehrende und verlässliche Handlungserfolge, welche eine stabile Wahrnehmung voraussetzen: Beständiges Gelingen heißt, dass ich etwas kann (Reliabilität Kompetenzen). C. Verantwortung wird einer Person durch gesellschaftlich relevante Leistungs- und Beziehungsaufgaben übertragen. Meine Meinungen bedeuten etwas, und meine Handlungen bewirken etwas (Validität ökologische Kongruenz).
Entwickeln sich Individuen und Organisationen analog? Bindung, Ressourcen und Verantwortung als Leitmotiv kinder- und jugendpsychiatrischer Versorgung Bernhard Prankel, Birger Repp Rotenburg (Wümme), 07/2003 S.11 6 Literaturauswahl Ainsworth MDS, Blehar M, Water E, Wall S (1978) Patterns of attachment. Hillsdale: Erlbaum Belsky J (2001) Emanuel Miller Lecture Developmental risks (still) associated with early child care. J. Child Psychol. Psychiatr. 42: 845-859 Dunn J (2001) Children’s Development and Adjustment in Different Family Settings. In: Child Mental Health in Europe: Common Currency or Tower of Brussels? Association for Child Psychology and Psychiatry, Occasional Papers No. 17: 17-24 Henggeler SW (1999) Multisystemic Therapy: An Overview of Clinical Procedures, Outcomes, and Policy Implications. Child Psychology & Psychiatry Review (4) 1: 2-10 Nagel, E (1961) The Structure of Science. New York: Hartcourt, Brace, and World. Papoušek M (1995) Frühe Störungen der Eltern-Kind-Beziehungen im Säuglingsalter: Ein präventiver Ansatz zur Früherkennung und Behandlung. In: H. Schneider (Hrsg.), Die frühe Kindheit. 51. Psychotherapie-Seminar Freudenstadt (1-21). Heidelberg: Mattes Papoušek M (1996) Die intuitive elterliche Kompetenz in der vorsprachlichen Kommunikation als Ansatz zur Diagnostik von präverbalen Kommunikations- und Beziehungsstörungen. Kindheit und Entwicklung, 5, 140-146. Prankel BH (2001) Der Rotenburger Kooperationsstandard. Forum der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 11: 25-34 Prankel BH (2002) Risiken – Ressourcen – Reifungsdynamik. Die Entwicklung evidenzbasierter Therapieziele in Sozialpädiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Beitrag für den Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin vom 18.-20.9.2002 in Leipzig Rutter M, Taylor E, Hersov L (1994) Child and Adolescent Psychiatry. Oxford: Blackwell Science Schmidt G (1997) Methode und Techniken der Organisation. Gießen: Verlag Dr. Götz Schmidt Stern DN (1998) Die Mutterschaftskonstellation. Stuttgart: Klett-Cotta Trevarthen C, Aitken KJ (2001) Infant Intersubjectivity: Research, Theory and Clinical Applications. J. Child. Psychol. Psychiatr. 42: 3-48 Wygotsky LS (1986) Denken und Sprechen. Frankfurt: Fischer Yule W (2001) Child Behaviour Therapy in the New Millenium. In: Child Mental Health in Europe: Common Currency or Tower of Brussels? Association for Child Psychology and Psychiatry, Occasional Papers No. 17: 7-17
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