Kommunikation in Lehr-Lern-Prozessen mit Erwachsenen
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<strong>Lern</strong>en ansieht, so können umgekehrt <strong>Lern</strong>situationen als Verständigungssituationen<br />
betrachtet werden, deren Gel<strong>in</strong>gen an e<strong>in</strong>er Idee der Verständigung<br />
zu messen wäre. Ganz gleich, welche strategischen Ziele e<strong>in</strong> Teilnehmer<br />
außerhalb der <strong>Lern</strong>situation <strong>mit</strong> dem Gelernten verfolgt, das Ziel der <strong>Lern</strong>situation<br />
selbst ist E<strong>in</strong>verständnis unter den Beteiligten. E<strong>in</strong>verständnis ist nicht<br />
gleichbedeutend <strong>mit</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung. Während diese aus e<strong>in</strong>er Gestimmtheit<br />
oder aus geme<strong>in</strong>samen Erlebnissen heraus faktisch vorhanden se<strong>in</strong> kann,<br />
muß E<strong>in</strong>verständnis argumentativ ausgehandelt werden. In den Verständigungsprozeß<br />
br<strong>in</strong>gen die Beteiligten ihre Wissensbestände, Handlungsorientierungen<br />
und persönlichen Standards als Behauptungen e<strong>in</strong>, deren Geltung für alle, aber<br />
auch für den Sprechenden selbst <strong>mit</strong> Hilfe von Argumenten e<strong>in</strong>gelöst werden<br />
muß. Je nach Art des zentralen Geltungsanspruchs – „Die W<strong>in</strong>kelsumme im<br />
Dreieck beträgt 180 Grad“; „Jeder sollte sich der Friedensbewegung anschließen“;<br />
„Goethe lesen macht Spaß“ – ist die Verständigung auf Wahrheit, Richtigkeit<br />
oder Wahrhaftigkeit gerichtet, erfordert die <strong>Lern</strong>situation e<strong>in</strong>en theoretischen<br />
Diskurs, e<strong>in</strong>en praktischen Diskurs oder ästhetisch-therapeutische<br />
Kritik (2).<br />
Die Idee der Verständigung setzt nicht nur kommunikatives Vermögen voraus.<br />
Sie unterstellt doch, man könne bewußt verfügen über se<strong>in</strong>e Lebens- und<br />
Handlungsorientierungen. Diese s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel aber vorbewußtes H<strong>in</strong>tergrundwissen.<br />
Sie können nicht spontan zur Diskussion gestellt werden, wie<br />
es etwa der Dozent <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em wissenschaftlichen und argumentativ durchgebildeten<br />
Wissen kann. Gegenüber der Strukturiertheit des von ihm vorgetragenen<br />
Geltungsanspruchs werden Anfragen und Gegenargumente der Teilnehmer<br />
zunächst häufig als Datensammlungen ohne Schlußfolgerungen oder<br />
als Rationalisierungen ersche<strong>in</strong>en. In der Forderung nach symmetrischer<br />
Verständigung <strong>in</strong> <strong>Lern</strong>situationen ist allerd<strong>in</strong>gs die Hoffnung enthalten, „daß<br />
die Lebenswelt ihre präjudizierende Gewalt über die kommunikative Alltagspraxis<br />
<strong>in</strong> dem Maße verliert, wie die Aktoren ihre Verständigung eigenen Interpretationsleistungen<br />
verdanken“ (Habermas 1981, S. 203).<br />
Solche regulativen Ideen dürfen nicht als schnell erreichbare Ziele genommen<br />
werden. <strong>Kommunikation</strong>stheorien neigen dazu, die Fähigkeit von Gesprächspartnern<br />
sowie die Autonomie von <strong>Kommunikation</strong>ssituationen zu überschätzen.<br />
Wird dagegen der Anteil der Sprache an der Verständigung betont,<br />
so bleibt e<strong>in</strong> wesentlicher Teil der historischen und pragmatischen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
im Blick, an die Verständigung und <strong>Lern</strong>en gebunden s<strong>in</strong>d.<br />
Sprache ist <strong>in</strong>dividuell und sozial, aktuelles <strong>Kommunikation</strong>s<strong>mit</strong>tel und biographisches<br />
Sediment zugleich. Die persönliche Sprache ist Spur aller versprachlichten<br />
Tätigkeiten und aller als wesentlich erlebten Verständigungssituationen.<br />
In jede Äußerung geht e<strong>in</strong> Teil dieses H<strong>in</strong>tergrundes als <strong>mit</strong>schw<strong>in</strong>gende<br />
Bedeutung (Konnotation) <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>.<br />
Bedeutungen werden <strong>in</strong> <strong>Lern</strong>situationen nicht un<strong>mit</strong>telbar ausgetauscht, sondern<br />
werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Geräusch kodiert und müssen daraus wieder entschlüsselt,<br />
dekodiert werden. Dieser Umstand ist nicht zu h<strong>in</strong>tergehen, obwohl <strong>in</strong> Ver-