Kommunikation in Lehr-Lern-Prozessen mit Erwachsenen
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Ekkehard Nuissl<br />
Deutungsmuster im <strong>Lehr</strong>-<strong>Lern</strong>-Prozeß – nach<br />
wie vor e<strong>in</strong>e Herausforderung an die Forschung<br />
1 Was ist und was leistet die Kategorie „Deutungsmuster“<br />
Deutungsmuster s<strong>in</strong>d<br />
„die mehr oder weniger zeitstabilen und <strong>in</strong> gewisser Weise stereotypen Sichtweisen<br />
und Interpretationen von Mitgliedern e<strong>in</strong>er sozialen Gruppe (…), die<br />
diese zu ihren alltäglichen Handlungs- und Interaktionsbereichen lebensgeschichtlich<br />
entwickelt haben. Im e<strong>in</strong>zelnen bilden diese Deutungsmuster e<strong>in</strong><br />
Orientierungs- und Rechtfertigungspotential von Alltagswissensbeständen <strong>in</strong><br />
der Form grundlegender, eher latenter Situations-, Beziehungs- und Selbstdef<strong>in</strong>itionen,<br />
<strong>in</strong> denen das Individuum se<strong>in</strong>e Identität präsentiert und se<strong>in</strong>e<br />
Handlungsfähigkeit aufrecht erhält“ (ARNOLD 1985, 23).<br />
Deutungsmuster s<strong>in</strong>d weder Bewußtse<strong>in</strong> noch Erfahrung, noch Wissen, noch<br />
E<strong>in</strong>stellung, aber sie haben <strong>mit</strong> alldem zu tun. Deutungsmuster s<strong>in</strong>d, so haben<br />
wir im Verlaufe unserer Analyse von <strong>Lehr</strong>-<strong>Lern</strong>-<strong>Prozessen</strong> def<strong>in</strong>iert, die<br />
„Bewußtse<strong>in</strong> und Erfahrung verb<strong>in</strong>dende und handlungsrelevante Interpretation<br />
der Wirklichkeit“ (HOLZAPFEL u.a. 1978, 58).<br />
Es ist an dieser Stelle nützlich, sich zu vergegenwärtigen, woher der Begriff<br />
des Deutungsmusters überhaupt kommt. Es ist ja immer die Frage, welcher<br />
erkenntnisfördernde S<strong>in</strong>n dar<strong>in</strong> liegt, neue Begriffe e<strong>in</strong>zuführen, vor allem dann,<br />
wenn sie solch <strong>in</strong>terpretative Kraft entfaltet haben wie die „Deutungsmuster“.<br />
Der Begriff des Deutungsmusters stammt aus der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit<br />
und geht zurück auf den Begriff der sozialen Topik, den NEGT im Anschluß<br />
an POPITZ und BAHRDT so def<strong>in</strong>iert hat:<br />
„Da es sich (bei der sozialen Topik, E. NUISSL) um traditionell überlieferte<br />
und verd<strong>in</strong>glichte Deutungsmodelle handelt, müßte e<strong>in</strong>e kritische Bildungsarbeit<br />
dar<strong>in</strong> bestehen, durch soziologische <strong>Lern</strong>prozesse neue auftretende<br />
Widersprüche zwischen dem sozialen Selbstverständnis des e<strong>in</strong>zelnen, den<br />
existierenden Formen des Klassenbewußtse<strong>in</strong>s und den veränderten Existenzbed<strong>in</strong>gungen<br />
bewußt zu machen und auf e<strong>in</strong>e sozialrevolutionäre Praxis h<strong>in</strong><br />
zu orientieren“ (NEGT 1971, 64).<br />
Diese „Deutungsmodelle“ s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>eswegs nur <strong>in</strong>dividuelle, sondern auch<br />
kollektive Verarbeitungstopoi sozialer Wirklichkeit, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>dividuelle, auf die<br />
jeweilige Arbeits- und Lebenssituation bezogene Ausprägungen kollektiver<br />
Bewußtse<strong>in</strong>sformen. Und <strong>in</strong> den Untersuchungen über Voraussetzungen und<br />
Bed<strong>in</strong>gungen der Weiterbildung von betrieblichen Interessenvertretern, <strong>mit</strong><br />
denen DYBOWSKI und THOMSSEN den Begriff des „Deutungsmusters“ <strong>in</strong> die