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Kommunikation in Lehr-Lern-Prozessen mit Erwachsenen

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flexiven Wendungen der Situationsdef<strong>in</strong>ition, suchen.<br />

Was sprachlich schwer fällt, wird man auch nicht begreifen, wenn man Sprache<br />

als isolierbares Mittel betrachtet, dessen Unvollkommenheit durch verbale<br />

I<strong>mit</strong>ation oder grammatische Belehrung aufzufüllen wäre.<br />

Dies war ja e<strong>in</strong>e der beiden Folgerungen, die aus Basil Bernste<strong>in</strong>s (1972)<br />

Entdeckung gezogen wurden, daß die Vertreter der Unterschicht e<strong>in</strong>e weniger<br />

elaborierte Sprache sprächen als die der Mittelschicht. Diese Forderung<br />

nach e<strong>in</strong>em kompensatorischen Sprachunterricht wurde andererseits denunziert<br />

als der unzulässige Versuch, K<strong>in</strong>der der Unterschicht an Normen der Mittelschicht<br />

anzupassen, wo doch die Unterschichtsprache nicht nur funktional<br />

ebenbürtig, sondern auch gewachsener Ausdruck solidarischer Beziehungen<br />

sei. Beide Folgerungen halte ich für voreilig. Die erste Ansicht verkennt den<br />

unauflöslichen Zusammenhang von Tätigkeit, Erfahrung, Interesse und Sprachgebrauch,<br />

den Bernste<strong>in</strong> gerade betont hatte. Die zweite Ansicht verschließt<br />

sich der Tatsache, daß es ke<strong>in</strong>e ,re<strong>in</strong>e‘ Unterschichtsprache gibt, sondern nur<br />

e<strong>in</strong>e, die auch anfällig ist für die Klischees von Kultur<strong>in</strong>dustrie, Bürokratie,<br />

Verwissenschaftlichung und deren Unzulänglichkeiten auf das Ausgesperrtse<strong>in</strong><br />

von Verfügungsgewalt verweisen.<br />

An der groben Debatte s<strong>in</strong>d Bernste<strong>in</strong>s grobe Untersuchungs<strong>mit</strong>tel nicht ganz<br />

unschuldig. Bernste<strong>in</strong> sortiert alle beobachteten Sprachvarianten <strong>in</strong> zwei<br />

Merkmalsgruppen, die er Unter- und Mittelschicht zuordnet. Dabei müssen<br />

Varianten, die sich diesem Schema nicht beugen, notwendig aus dem Blick<br />

geraten. Sodann benutzt Bernste<strong>in</strong> als „Meßlatte“ die Grammatik der Schriftsprache:<br />

Die Sätze der Mittelschichtsprecher s<strong>in</strong>d ausgefeilter, betonen stärker<br />

die logischen Zusammenhänge, während die Unterschichtsprecher weniger<br />

Nebensätze und untergeordnete Konjunktionen verwenden. Da<strong>mit</strong> werden<br />

Äußerungen aus e<strong>in</strong>er Außenansicht „objektiv“ bewertet, sie werden nicht als<br />

Sprechakte (Wunderlich 1976, S. 17) angesehen, über deren Gel<strong>in</strong>gen die<br />

handelnden Subjekte <strong>mit</strong> zu urteilen haben. Schließlich berücksichtigt Bernste<strong>in</strong><br />

nicht, welchen E<strong>in</strong>fluß die Art der Situation auf das Gel<strong>in</strong>gen der Sprachhandlungen<br />

hat (Cazden 1971) und wie sich Gesprächspartner <strong>mit</strong> unterschiedlichem<br />

Sprachgebrauch gegenseitig sprachlich bee<strong>in</strong>flussen (3).<br />

„Situation“ und „Situationskompetenz“ s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>es Erachtens für die Frage<br />

nach den Sprachbarrieren Schlüsselbegriffe. Dabei geht es nicht nur um die<br />

auf der Hand liegende Tatsache, daß jeder Situationen <strong>mit</strong> neuen Themen oder<br />

Gesprächspartnern nicht so leicht bewältigt wie vertraute Situationen. Außer<br />

dieser erwartbaren Schwelle erfordern unterschiedliche Situationstypen unterschiedliche<br />

Grade der Verbalisierung, e<strong>in</strong>e Barriere, die häufig gar nicht<br />

wahrgenommen wird. Sprachpädagogen wissen, daß die meisten Menschen<br />

bestimmte Anforderungen gut bewältigen, beim Übergang auf e<strong>in</strong>en anderen<br />

Anforderungstyp jedoch plötzlich versagen: z.B. vom Beschreiben e<strong>in</strong>es vorhandenen<br />

zum Beschreiben e<strong>in</strong>es nur vorgestellten Objekts, vom Berichten<br />

über e<strong>in</strong>en Sachverhalt zum Erörtern, vom mündlichen Besprechen zur schriftlichen<br />

Darstellung. Offensichtlich gibt es Schwierigkeiten der Verbalisierung,

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