Landesverband Bayern - DWA Bayern
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sem Gebiet zu promovieren. Dazu ging<br />
er 1967 nach der Großen Staatsprüfung<br />
an die TH Darmstadt. Aber es kam<br />
anders. Das dortige Institut für Wasserbau<br />
und Wasserwirtschaft befasste sich<br />
mit einer Reihe von Projekten in Entwicklungsländern,<br />
die nach internationalen<br />
Standards zu planen waren. Dazu gehörten<br />
auch Projektbewertungen im Sinne<br />
von Kosten-Nutzen-Analysen und der<br />
jüngste Assistent wurde mit dem Argument<br />
„Hydrologen gibt’s wie Sand am<br />
Meer, aber Ingenieure mit Spezialkennt-<br />
Prof. Dr.-Ing. Reinhard F. Schmidtke<br />
nissen auf dem Gebiet der Projektbewertung<br />
sind Mangelware“ in die Pflicht genommen.<br />
Das war 1968.<br />
Günthert: Sie sind also gut 37 Jahre mit<br />
Darmstadt verbunden und haben die<br />
Entwicklung über einen so langen Zeitraum<br />
verfolgen können. Hauptberuflich<br />
gehören sie seit Dreijahrzehnten wieder<br />
der bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung<br />
an. Wie sieht der Praktiker mit<br />
universitären Insiderkenntnissen die<br />
heutige Lehre und Forschung?<br />
Schmidtke: Eine spontane, kurze Antwort<br />
in einem so schwierigen Metier<br />
verlangt ein hohes Maß an Kühnheit.<br />
Wohl denn! Rückblickend haben sich<br />
aus meiner Sicht die Rahmenbedingungen<br />
im Laufe der Zeit zunehmend verschlechtert<br />
und eine allgemeine Besserung<br />
ist wohl auch nicht zu erwarten.<br />
Das Wissen in den Teildisziplinen der<br />
Wasserwirtschaft und die zur Verfügung<br />
stehenden Instrumente, sie zu betreiben,<br />
wachsen überproportional. Die Lehre<br />
steht vor der permanenten Herausforderung,<br />
eine zeitgemäße Anpassung der<br />
Curriculae vorzunehmen. Einen Konsens<br />
über Ausgewogenheit der Lehre zu<br />
erhalten, ist wohl Wunschdenken. Ich<br />
13<br />
vertrete die Strategie einer breiten Basisausbildung,<br />
welche das ganzheitliche<br />
Denken in Systemen verinnerlicht. Spezialwissen<br />
muss sich in Gesamtzusammenhänge<br />
einbinden. Wann wird denn<br />
schon ein Berufsanfänger als Spezialist<br />
einen Job finden? Das heute geforderte<br />
lebenslange Lernen führt automatisch<br />
in die Spezialisierung oder das<br />
Management. Weiterführendes Studium<br />
und berufsbegleitende Fortbildung sind<br />
Instrumente, um sich der Entwicklung<br />
anzupassen.<br />
Was den an der Lehre beteiligten akademischen<br />
Mittelbau betrifft stelle ich<br />
fest, dass immer mehr junge Studienabsolventen<br />
mit relativ kurzen Zeitverträgen<br />
daran beteiligt werden müssen,<br />
da die entsprechenden Langzeit- oder<br />
Dauerstellen fehlen. Von welchem qualitätsgesicherten<br />
Wissensfundus kann<br />
man da ausgehen und wie viel Erfahrung<br />
in der Studentenbetreuung lässt sich erwarten?<br />
In der fachübergreifenden Kooperation<br />
und Koordination ist der mitunter<br />
stark ausgeprägte Individualismus der<br />
Lehrenden ein Element, das integrierenden<br />
Ansätzen einer echten Netzwerkbildung<br />
nicht gerade förderlich ist.<br />
Günthert: Ich habe nach Ihrer Meinung<br />
gefragt, jetzt hab’ ich sie. Der Blick auf<br />
die Forschung fehlt aber noch.<br />
Schmidtke: Die universitäre Forschung<br />
hat es heute schwer. Der Zwang zur Einwerbung<br />
von Drittmitteln verlangt ihr<br />
Kompromisse ab, macht sie häufig kurzatmig<br />
und in der Personaleinsatzplanung<br />
von momentan gegebenen Möglichkeiten<br />
abhängig. Insbesondere leiden darunter<br />
Forschungen abseits der etablierter Richtungen<br />
und die Behandlung interdisziplinärer<br />
Themen. Potenzielle Auftraggeber<br />
ATV-DVWK <strong>Landesverband</strong> <strong>Bayern</strong><br />
Mitglieder-Rundbrief 1/2004<br />
aus der Praxis hinterfragen heute in der<br />
Regel die Qualifikation des zur Verfügung<br />
stehenden Forschungspersonals. Zwei<br />
Entwicklungen stimmen nachdenklich:<br />
Einmal die bedauerliche Abkoppelung<br />
größerer, gerade unter dem Tenor anwendungsorientierter<br />
Forschung laufender<br />
Verbundvorhaben von den Problemstellungen<br />
der Praxis und die Entwicklung<br />
marktgängiger Produkte aus öffentlichen<br />
Fördermitteln mit anschließendem monopolistischem<br />
Einsatz.<br />
Günthert: Ich weiß, dass Sie sich genau<br />
so wie ich eine starke Kooperation<br />
zwischen den universitären Einrichtungen<br />
und der wasserwirtschaftlichen Praxis,<br />
speziell der Verwaltung wünschen.<br />
Aber liegen dort nicht auch ganz offensichtliche<br />
Hemmschwellen vor?<br />
Schmidtke: In der Tat, ich stelle mir Kooperation<br />
nicht nur als Vergabe von Aufträgen,<br />
deren externe Bearbeitung und<br />
Entgegennahme der Ergebnisse vor. Es<br />
geht ja nicht um die Abwicklung von Ingenieurerträgen,<br />
sondern um die Bewältigung<br />
von Problemstellungen der Praxis,<br />
für die es noch keine routinemäßigen<br />
Lösungsansätze oder adäquate Instrumente<br />
gibt. Das bedeutet, hier muss im<br />
Sinne eines gemeinsamen Lernprozesses<br />
eine echte Zusammenarbeit stattfinden,<br />
die auch seitens des Auftragsgebers<br />
den Einsatz entsprechend<br />
qualifizierten Personals im notwendigen<br />
Umfang erfordert. Und da wird es analog<br />
zu den Schwierigkeiten an den Universitäten<br />
zunehmend enger.<br />
Günthert: Wir sitzen im gleichen Boot<br />
was unsere Rahmenbedingungen und<br />
die gemeinsamen Ziele einer zu verstärkenden<br />
Kooperation betrifft. Ich habe<br />
ernsthafte Bedenken für die Zukunft, vor<br />
allem wenn ich an die einschneidenden<br />
Sparmaßnahmen denke. Was können<br />
wir Ihrer Meinung nach tun?<br />
Schmidtke: An vorderster Stelle sehe<br />
ich die Notwendigkeit, den Handlungsbedarf<br />
für Kooperationsvorhaben in noch<br />
überzeugenderer Form als bisher darzustellen.<br />
Es muss sich um brennende Fragen<br />
der Wasserwirtschaft handeln, sei<br />
es im strategischen oder operationellen<br />
Bereich, zu deren Lösung wissenschaftlicher<br />
Input erforderlich ist. Als ein sehr<br />
effizientes Vorgehen sehe ich die Verknüpfung<br />
von Wissenschaft und Praxis<br />
in partnerschaftlich durchzuführenden<br />
Pilotprojekten an. Für die dabei auftretenden<br />
routinemäßigen Arbeiten lassen<br />
sich Ingenieurbüros integrieren. Damit<br />
würden Wissenschaft, Verwaltung und<br />
Privatwirtschaft zusammenwirken und<br />
auf diese Weise fortschrittliche Lösungsansätze<br />
für aktuelle Problemstellungen<br />
auf qualitätsgesichertem hohem Niveau<br />
bereitstellen.<br />
Günthert: Sie haben eben als dritten<br />
wesentlichen Partner die Ingenieurbüros