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Gantz – Die ultimative Antwort

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ESSEN<br />

Vom Verzehr wird<br />

abgeraten<br />

Hans-Ulrich Grimm guckt der<br />

Lebensmittelindustrie in den Kochtopf<br />

Der neue Mäkel-Trend geht so:<br />

Bio ist doof. Bio schmeckt gar nicht<br />

besser. Und gesünder ist es schon<br />

mal gar nicht!<br />

Mit solchen Trends befasst sich<br />

der Journalist Hans-Ulrich Grimm,<br />

der seit den 90ern Bücher über Ernährung<br />

und ihre Zusatzstoffe verfasst.<br />

Vom Verzehr wird abgeraten<br />

heißt sein neues Buch, über das die<br />

Nahrungsmittelindustrie nicht begeistert<br />

ist („Grimms Märchen“).<br />

Grimms Thema: Warum<br />

gesundmachende<br />

Lebensmittel meistens<br />

gar nicht so gesund<br />

sind. Zum Beispiel die<br />

berühmte Margarine,<br />

die angeblich vor Herzinfarkt<br />

schützen soll, dabei<br />

aber selbst einen<br />

Wirkstoff enthält, der<br />

nachweislich das Infarktrisiko<br />

erhöht.<br />

Oder all die drolligen<br />

Joghurts und ihre probiotischen<br />

Bakterien, die angeblich<br />

so gesund sind und unkontrolliert in<br />

den Verkehr gebracht werden. Als<br />

die österreichischen Bauern mit dem<br />

Spruch warben „Jeder Joghurt aktiviert<br />

Abwehrkräfte“, wurde ihnen<br />

das gerichtlich untersagt. Nicht weil<br />

es falsch wäre, sondern weil es den<br />

Mitbewerber, der seine Joghurts mit<br />

viel Mühe und Bakterien aufwertet,<br />

herabsetze.<br />

In Lebensmitteln stecken inzwischen<br />

so viele angeblich gesund ma-<br />

24 ULTIMO<br />

chende Zusatzstoffe, dass der Vitamin<br />

A und Folsäure-Dauerbeschuss<br />

durchaus krank machen<br />

kann. Damit darüber nicht zu viel<br />

nachgedacht wird, hat sich die Industrielobby<br />

gut in allen Parlamenten,<br />

vor allem in Brüssel, platziert, um<br />

für die richtige Gesetzgebung zu sorgen.<br />

Nebenbei erhält sie dafür auch<br />

noch Fördermittel aus Steuergeldern,<br />

denn die Lobbyinstitute tarnen<br />

sich gerne als „Forschungseinrichtungen“,<br />

die dann im<br />

Auftrag der Industrie<br />

„forschen“, warum Glutamate<br />

und der Süßstoff<br />

Aspartam vollkommen<br />

harmlos seien <strong>–</strong> auch<br />

wenn es längst deutliche<br />

Hinweise gibt, dass dem<br />

nicht so ist.<br />

<strong>Die</strong> Lebensmittelhersteller,<br />

die mit dem Gesundheitsfutter<br />

längst<br />

ein gigantisches Geschäftsfeld<br />

entdeckt haben,<br />

gehen dabei heimlicher vor als<br />

etwa Waffenhersteller: Keine Fabrik,<br />

keine Herstellungsanlage durfte<br />

Grimm besuchen. Ähnlich wie die<br />

Massentierzuchtquäler ihre Ställe<br />

abschirmen, wollen sich auch die Vitaminpanscher<br />

nicht in den Kessel<br />

gucken lassen.<br />

Dass Bio-Lebensmittel im Schnitt<br />

nicht (mehr) gesünder sind als herkömmliche,<br />

liegt genau an diesem<br />

Trend: Wenn Maggi seine Kochkonzentrate<br />

in der Variante „Bio“ anbie-<br />

tet, ist die nicht gesünder und unterscheidet<br />

sich im Wesentlichen darin,<br />

dass statt Glutamaten eben Hefeextrakte<br />

verwendet werden, die übrigens<br />

auch Glutamat enthalten. Je näher<br />

ein Produkt einem Fabriktor<br />

kommt, so Grimm, desto mehr verliert<br />

es seine natürlichen Eigenschaften,<br />

egal ob hinterher „bio“ draufsteht<br />

oder nicht; das Siegel bezieht<br />

sich ja nur auf die Herstellung der<br />

Stoffe, nicht ihre gesundheitsfördernden<br />

Eigenschaften. „Bionade“ zum<br />

Beispiel, seit kurzem eine 100%ige<br />

Oetker-Tochter, ist ebenso überzuckert<br />

wie andere Limonaden und enthält<br />

Aromastoffe; da ist es dann auch<br />

egal, ob der Hollunder von<br />

natürlichen Anbauflächen stammt.<br />

Bei Vergleichstests zwischen „bio“<br />

und konventionell, wird manchmal<br />

auch genau das bemängelt, was<br />

„bio“ ausmacht. Etwa der fehlende<br />

Konservierungsstoff und die damit<br />

verbundene kürzere Haltbarkeit.<br />

Unschlagbar ist „bio“ nach wie<br />

vor da, wo es einmal herkam. Wer<br />

Bio-Tomaten, -Käse oder -Gemüse<br />

kauft, enthält nicht nur Lebensmittel,<br />

die fast immer besser schmecken<br />

als ihre Kollegen aus dem Normalanbau,<br />

sie enthalten, wenn schon nicht<br />

gesundheitsfördernde Zusatzstoffe,<br />

so wenigstens keine Pestizide. <strong>Die</strong><br />

Möhre vom Biobauern schmeckt<br />

nicht nur besser, sie enthält zum Beispiel<br />

auch wesentlich mehr Salicylate,<br />

ein natürlicher Abwehrstoff (der<br />

etwa in „Aspirin“ steckt), der<br />

unseren Pflanzen inzwischen<br />

ausgetrieben wurde.<br />

Am Ende jedes seiner Kapitel präsentiert<br />

Grimm übrigens ein kleines<br />

Kochrezept, das aus wenigen Zutaten<br />

besteht und einfach herzustellen<br />

ist. Dabei beschreibt Grimm dann<br />

auch, warum das gesund ist, was<br />

man sich da gerade gekocht hat.<br />

Erich Sauer<br />

Hans-Ulrich Grimm: Vom Verzehr<br />

wird abgeraten. Wie uns die Industrie<br />

mit Gesundheitsnahrung krank macht.<br />

Droemer, München 2012, 319 S., 18,00<br />

TRÄUME<br />

Fiktive Wahrheit<br />

F<br />

Felicitas Hoppe schreibt sich ein<br />

Leben zurecht<br />

BÜCHER<br />

elicitas Hoppe, *22.12.1960 in Hameln,<br />

ist eine deutsche Schriftstellerin.“<br />

So steht es bei Wikipedia,<br />

und so steht es auch als „Kapitel<br />

Null“ am Anfang von Hoppe. Eine<br />

Traumbiographie soll es sein, keine<br />

richtige Autobiographie, sondern<br />

eine Geschichte, wie sie hätte sein<br />

können. Oder vielleicht doch war?<br />

Felicitas Hoppe erzählt das Leben einer<br />

Schriftstellerin, die ihr ganzes Leben<br />

lang auf Reisen ist. Von Hameln<br />

nach Kanada, nach Australien, nach<br />

New York, dazwischen wochenlange<br />

Reisen auf Schiffen, nie kommt diese<br />

„Hoppe“ irgendwo an, nie kann sie irgendwo<br />

glücklich werden. Erzählt<br />

wird die fiktive Geschichte der Autorin<br />

Felicitas Hoppe. Von ihr selbst<br />

verfasst.<br />

Und das macht die „reale“ Autorin<br />

Felicitas Hoppe auf einem Niveau,<br />

das den Leser immer wieder innehalten<br />

lässt. Kunstvoll verwebt sie die<br />

Geschichte des Mädchens Hoppe mit<br />

ZitatenausihrentatsächlichenWerken,<br />

wie dem 1996 erschienenen Erzählband<br />

Picknick der Friseure. Sie<br />

zitiert Kritikerstimmen und Stellen<br />

aus literaturwissenschaftlichen Arbeiten,<br />

erforscht die Motive, die in ihrem<br />

Schreiben immer wieder auftauchen,<br />

kommentiert das, was die fiktive<br />

Hoppe macht, mit dem Wissen,<br />

das die „reale“ Hoppe hat und läßt<br />

Zeitzeugen zu Wort kommen, die im<br />

Leben der fiktiven Hoppe eine Rolle<br />

gespielt haben. Heraus kommt eine<br />

Autobiographie, die, wie schon er-<br />

wähnt, eine Traumbiographie sein<br />

soll. Eine Biographie, wie man sie<br />

sich wünscht.<br />

Hoppe ist, bei allem ironischen Unterton,<br />

eine Feier für sich selbst. Zwischenzeitlich<br />

nervt es dann auch ein<br />

wenig, das Spiel mit den unterschiedlichen<br />

Hoppes. Manchmal verliert<br />

der Leser den Überblick darüber,<br />

wer gerade zitiert wird, welches<br />

Werk durchleuchtet wird. Und vor allem<br />

sind die eigenen Kommentare<br />

auf das zarte Geflecht, das Felicitas<br />

Hoppe erschaffen hat, überflüssig.<br />

Da wird dann viel zu oft erwähnt,<br />

dass die fiktive Hoppe zu viel Phantasie<br />

besäße, dass „die Realität als Kategorie<br />

förmlich auszulöschen“ sei<br />

und wie wenig sie Unterschiede zwischen<br />

„Sein, Schein und Bedeutung“<br />

macht. Trotzdem bleibt Hoppe ein<br />

wahnwitziger und unterhaltsamer<br />

Versuch, sich seine eigene<br />

Biographie zu schreiben. Eine<br />

Traumbiographie. Sacha Brohm<br />

Felicitas Hoppe: Hoppe. Fischer Verlag,<br />

Frankfurt am Main 2012, 330 S., 19,99

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