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Zu den Anfängen der Orthopädie in Graz - Universitätsklinik für ...

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<strong>Zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Anfängen</strong> <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

Artikel von Dr. Weiss Norbert<br />

Unternehmenshistoriker <strong>der</strong> KAGes , 2011<br />

<strong>Zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Anfängen</strong> <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

Frühneuzeit<br />

E<strong>in</strong> frühes Beispiel <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong>technik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steiermark gelangte 1907 ans<br />

Tageslicht: Im untersteirischen Schloss Franz fand sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bis dah<strong>in</strong><br />

vermauerten Nische e<strong>in</strong>e Eisenhand. E<strong>in</strong> Knopf am Handrücken diente <strong>der</strong><br />

Steuerung e<strong>in</strong>es komplizierten <strong>in</strong>neren Mechanismus, welcher e<strong>in</strong>e Greifbewegung<br />

ermöglicht. Diese Handprothese stammt aus dem 16. Jahrhun<strong>der</strong>t und ist als<br />

e<strong>in</strong>zigartiges Zeugnis <strong>der</strong> Kunstfertigkeit frühneuzeitlicher Prothetik zu betrachten.<br />

Sie legt nahe, dass hier Wundärzte geme<strong>in</strong>sam mit Bandagisten und Mechanikern<br />

orthopädische Behandlungen unternahmen, lange bevor dies schriftlich<br />

dokumentiert wurde und sich schließlich im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t die <strong>Orthopädie</strong> als<br />

mediz<strong>in</strong>ische Diszipl<strong>in</strong> zu etablieren begann.<br />

Ihre Bezeichnung leitet sich von <strong>den</strong> griechischen Wörtern orthos (gerade) und paideia<br />

(Erziehung) her. Der französische Arzt Nicolas Andry fügte daraus <strong>den</strong> Begriff <strong>der</strong><br />

orthopédie zusammen, mit dem er se<strong>in</strong> 1741 erschienenes Buch betitelte. In <strong>der</strong><br />

deutschen Ausgabe (1744) lauten Titel und Untertitel: „<strong>Orthopädie</strong> o<strong>der</strong> die Kunst,<br />

bei <strong>den</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die Ungestaltheit des Leibes zu verhüten und verbessern“. Andry<br />

besprach dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Reihe von Krankheiten und Schönheitsfehlern, <strong>der</strong>en Mehrzahl<br />

heute nicht zum Fachbereich <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> zählt. Umgekehrt blieben erwachsene<br />

Patienten, Operationen sowie das Bandagistenhandwerk vollends ausgeklammert.<br />

Trotzdem wirkte dieses Buch richtungweisend <strong>für</strong> die allmähliche Herausbildung<br />

<strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong>. Angeregt durch Andrys <strong>Orthopädie</strong>buch, Bandagisten und<br />

mechanische Apparate eröffnete <strong>der</strong> Schweizer Wundarzt André Venel 1780 <strong>in</strong> Orbe<br />

(Kanton Waadt) die erste orthopädische Heilanstalt, die zum Vorbild <strong>der</strong> zahlreichen<br />

orthopädischen Privatanstalten wurde, die danach <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Hälfte des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts gegründet wur<strong>den</strong>. Die orthopädische Heilanstalt <strong>in</strong> Orbe bot <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Klumpfußtherapie <strong>für</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> an. Um die Wende zum 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

bestand <strong>für</strong> kurze Zeit (1796–1801) e<strong>in</strong> ähnliches Institut <strong>in</strong> Ludwigslust<br />

(Mecklenburg).<br />

Orthopädische Heilanstalten im deutschsprachigen Raum<br />

Für Deutschland e<strong>in</strong>flussreich war die Gründung <strong>der</strong> orthopädischen Heilanstalt des<br />

Instrumentenmachers, Mechanikers, Bandagisten und Wundarztes Johann Georg<br />

He<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Würzburg (1816). He<strong>in</strong>e verwendete das Wort <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

umfassen<strong>der</strong>en S<strong>in</strong>n. Er verstand darunter die „gesamte Hilfe, welche <strong>den</strong><br />

Verkrümmten zu leisten ist“ und behandelte auch Erwachsene. 1824 erhielt er von<br />

<strong>der</strong> Universität <strong>den</strong> ehrenvollen Titel „Demonstrator <strong>der</strong> orthopädischen<br />

Masch<strong>in</strong>enlehre und Assessor <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Fakultät“. Inzwischen waren neue


<strong>Zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Anfängen</strong> <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

Artikel von Dr. Weiss Norbert<br />

Unternehmenshistoriker <strong>der</strong> KAGes , 2011<br />

orthopädische Heilanstalten <strong>in</strong> Lübeck, Berl<strong>in</strong>, Pöselsdorf bei Hamburg und Den<br />

Haag entstan<strong>den</strong>. Viele weitere folgten. In Würzburg machte seit 1826 Dr. Joseph<br />

Anton Mayer Konkurrenz. Se<strong>in</strong>e orthopädische Heilanstalt bed<strong>in</strong>gte 1838 die<br />

Auflösung von He<strong>in</strong>es Institut und bestand danach noch bis etwa 1860.<br />

In Österreich machte um 1800 <strong>der</strong> aus London gebürtige Mechaniker Sigmund<br />

Wolfssohn von sich re<strong>den</strong>. Er etablierte sich <strong>in</strong> Wien als Hersteller orthopädischer<br />

Apparate. Österreichs erstes orthopädisches Institut entstand 1836 <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

ungarischen Stadt Pest und war e<strong>in</strong>e Gründung des <strong>in</strong> Italien ausgebildeten Arztes<br />

Dr. August Schöpf. E<strong>in</strong> Donauhochwasser vernichtete es bereits 1838 wie<strong>der</strong>. In<br />

Wien entstand jedoch im selben Jahr e<strong>in</strong> neues „Institut <strong>für</strong> Heilgymnastik und<br />

<strong>Orthopädie</strong>“. Rasch entwickelte sich nun Wien zu e<strong>in</strong>em Zentrum <strong>der</strong><br />

österreichischen <strong>Orthopädie</strong>. Für Aufsehen sorgten die orthopädischen Operationen,<br />

die 1840 <strong>der</strong> Charité-Direktor Professor Johann Friedrich Dieffenbach aus Berl<strong>in</strong><br />

(1822 promoviert <strong>in</strong> Würzburg) <strong>in</strong> Wien durchführte. Er bewerkstelligte damals die<br />

erste Sehnendurchtrennung bei Schiefhals.<br />

Mit <strong>den</strong> Sehnen- und Muskelschnitten betraten die Orthopä<strong>den</strong> um 1840<br />

„subkutanes“ Neuland und begannen, ihre Diszipl<strong>in</strong> schrittweise zu e<strong>in</strong>em stärker<br />

operativen Fach weiterzuentwickeln. <strong>Zu</strong>r Jahrhun<strong>der</strong>tmitte kamen neue Metho<strong>den</strong><br />

<strong>der</strong> Knochen- und Gelenkschirurgie h<strong>in</strong>zu, wodurch sich die <strong>Orthopädie</strong> zur<br />

„orthopädischen Chirurgie“ (Erstbeleg 1870) erweiterte.<br />

Anfänge <strong>der</strong> orthopädischen Chirurgie <strong>in</strong> Österreich<br />

Seit <strong>der</strong> Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts bestan<strong>den</strong> <strong>in</strong> Wien zwei chirurgische Kl<strong>in</strong>iken.<br />

Die damaligen Kl<strong>in</strong>ikvorstände, Johann Dumreicher Edler von Österreicher (1815–<br />

1880) und Franz Schuh (1804–1865) waren die ersten Wiener Professoren, die sich<br />

wissenschaftlich mit Fragen <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzten. Der Nachfolger von<br />

Franz Schuh, Theodor Billroth, hielt dagegen wenig von <strong>der</strong> neuen Diszipl<strong>in</strong>: „Der<br />

beste Orthopäde ist e<strong>in</strong> guter Schnei<strong>der</strong>“, soll er abfällig bemerkt haben.<br />

Maßgeblich <strong>für</strong> die spätere Etablierung <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> sollte <strong>der</strong> gebürtige<br />

Wiener Carl Nicoladoni (1847–1902) wer<strong>den</strong>. 1871 <strong>in</strong> Wien promoviert, wirkte er seit<br />

1873 als Assistent bei Professor Dumreicher und supplierte nach dessen Tod die<br />

Kl<strong>in</strong>ik bis 1881. Nicoladoni befasste sich zu jener Zeit mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong><br />

Sehnenverpflanzung zur Behandlung des Hackenfußes (pes calcaneus). 1881 gelang<br />

ihm die erste Sehnenverpflanzung, wobei ihm Dumreichers früherer<br />

Operateurszögl<strong>in</strong>g, Adolf Lorenz, assistierte. Mit Dumreichers Nachfolge wurde im<br />

selben Jahr e<strong>in</strong> weiterer Schüler, Eduard Albert (1841–1900), bis dah<strong>in</strong> Vorstand <strong>der</strong><br />

chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Innsbruck, betraut. Gleichzeitig erlangte Nicoladoni (nicht<br />

zuletzt dank se<strong>in</strong>er Italienischkenntnisse) dessen Innsbrucker Chirurgieprofessur.


<strong>Zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Anfängen</strong> <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

Artikel von Dr. Weiss Norbert<br />

Unternehmenshistoriker <strong>der</strong> KAGes , 2011<br />

Die Dumreicher-Schüler Albert und Nicoladoni trieben die orthopädischen Studien<br />

nun <strong>in</strong> Wien und Innsbruck weiter voran. Alberts Haupt<strong>in</strong>teresse galt dem<br />

Bewegungsapparat, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dem Hüftgelenk, während Nicoladoni sich<br />

schwerpunktmäßig mit <strong>der</strong> Wirbelsäulenverkrümmung (Skoliose)<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen begann. Se<strong>in</strong>e diesbezüglichen Ergebnisse musste er bald schon<br />

gegen <strong>den</strong> Wi<strong>der</strong>spruch <strong>der</strong> Wiener Kollegen verteidigen.<br />

Albert Hoffa<br />

Albert Hoffa (1859–1907)<br />

Seltsamerweise verfügten die wirkmächtigsten Protagonisten <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> Zeit<br />

ihres Lebens über ke<strong>in</strong>en Lehrstuhl. Es waren dies Adolf Lorenz (promoviert 1880,<br />

habilitiert 1884) <strong>in</strong> Wien und Albert Hoffa (promoviert 1883, habilitiert 1886) <strong>in</strong><br />

Würzburg. Sie machten Wien und Würzburg zu <strong>in</strong>ternationalen Zentren <strong>der</strong><br />

<strong>Orthopädie</strong> und bildeten ihre Schüler zu <strong>den</strong> erfolgreichsten Vertretern des Faches<br />

aus. So konnte die <strong>Orthopädie</strong> seit <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> achtziger Jahre des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

e<strong>in</strong>en enormen Aufschwung verzeichnen. Damals entstand auch das „Centralblatt<br />

<strong>für</strong> orthopädische Chirurgie“ (1884–1890) als erstes Fachjournal. Würzburg erhielt<br />

unter Hoffas Leitung wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Privatheilanstalt <strong>für</strong> orthopädische Chirurgie,<br />

Heilgymnastik und Massage (seit 1887) und <strong>in</strong> Wien entstand nach etwas längerem<br />

H<strong>in</strong> und Her das „Orthopädische Universitätsambulatorium“ (seit 1897) als<br />

Arbeitsstätte von Adolf Lorenz. Lorenz begann 1884 und Hoffa 1892 se<strong>in</strong>e<br />

Vorlesungstätigkeit über orthopädische Chirurgie.<br />

Carl Nicoladoni<br />

(1847–1902)


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Artikel von Dr. Weiss Norbert<br />

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Carl Nicoladoni als Chirurgievorstand <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

Der weggerissene Daumen e<strong>in</strong>es Jenbacher Sensenschmiedes veranlasste 1891 Carl<br />

Nicoladoni <strong>in</strong> Innsbruck zu e<strong>in</strong>er merkwürdigen Operationsleistung. Es gelang ihm,<br />

<strong>den</strong> fehlen<strong>den</strong> F<strong>in</strong>ger durch die Transplantation <strong>der</strong> zweiten Zehe des Patienten zu<br />

ersetzen. 1895 nach <strong>Graz</strong> berufen, sollte Nicoladoni hier bald noch weitere<br />

Daumenplastiken herstellen. In se<strong>in</strong>er <strong>Graz</strong>er Antrittsrede zu Beg<strong>in</strong>n des<br />

W<strong>in</strong>tersemesters 1895/96 verwies Professor Nicoladoni auf die bisher noch nicht<br />

ausgeschöpften Möglichkeiten und Potenziale <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>orthopädie: „Die <strong>in</strong><br />

jüngster Zeit aufgedeckte Ummodlungsfähigkeit jugendlicher Knochen,<br />

nachgewiesen an <strong>den</strong> Skeletten jugendlicher Difformitäten, ist e<strong>in</strong>e Thatsache,<br />

welche unseren orthopädischen E<strong>in</strong>griffen neue Anhaltspunkte gibt und neue Ziele<br />

eröffnen wird.“<br />

Mit Jahresbeg<strong>in</strong>n 1896 wurde am <strong>Graz</strong>er Anna-K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital Dr. Friedrich Lang als<br />

Assistent angestellt und damit beauftragt, <strong>den</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>n orthopädischen Unterricht zu<br />

erteilen, und zwar mit Beratung durch <strong>den</strong> Vorstand <strong>der</strong> Landesturnanstalt.<br />

<strong>Zu</strong>nächst behandelte man hier <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie an Rachitis erkrankte Mädchen, die<br />

häufig unter Rückgratsverkrümmungen litten. Dreimal wöchentlich turnten sie nun<br />

mit dazu angeschafften Geräten, die im Warteraum Aufstellung fan<strong>den</strong>. Neue<br />

Diagnose- und Therapiemöglichkeiten ergaben sich aus <strong>den</strong> damals (am 8.<br />

November 1895) entdeckten Röntgenstrahlen, <strong>den</strong>en Professor Nicoladoni sogleich<br />

se<strong>in</strong>e Aufmerksamkeit schenkte. Am 1. Dezember 1896 präsentierte er im steirischen<br />

Ärztevere<strong>in</strong> „sehr gelungene mit Hilfe von Röntgen-Strahlen aufgenommene<br />

Durchleuchtungsbil<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des [...], welches an bei<strong>der</strong>seitiger congenitaler<br />

Hüftgelenks-Luxation leidet.“<br />

Die Innovationen auf dem Gebiet <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> weckten freilich auch das Interesse<br />

<strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong>stu<strong>den</strong>ten. Gleich mehrere <strong>Graz</strong>er Promoventen des Jahres 1896<br />

widmeten sich nach ihrem Studienabschluss noch e<strong>in</strong>gehen<strong>der</strong> <strong>der</strong> neuen Diszipl<strong>in</strong>:<br />

Josef Hertle, Hans Spitzy, Arnold Wittek. Nicoladonis bedeutendster Schüler, Erw<strong>in</strong><br />

Payr, war bereits 1894 <strong>in</strong> Innsbruck aufgrund e<strong>in</strong>er Dissertation zum Thema „Hallux<br />

valgus“ promoviert wor<strong>den</strong> und wirkte seit Anfang Juli 1897 als Assistent an <strong>der</strong><br />

chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> <strong>Graz</strong>. Hertle, Spitzy und Wittek vertieften ihre<br />

orthopädischen Kenntnisse ab 1897 durch Studienaufenthalte <strong>in</strong> Würzburg, wo sie<br />

bei Albert Hoffa gründlich ausgebildet wur<strong>den</strong>.<br />

Abseits <strong>der</strong> universitären Mediz<strong>in</strong> bestand damals <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> noch e<strong>in</strong> „Institut <strong>für</strong><br />

orthopädische Heilgymnastik“ im Haus Sparbersbachgasse 51. Besitzer dieses um<br />

die Mitte <strong>der</strong> achtziger Jahre gegründeten Instituts war <strong>der</strong> Turnlehrer Gottlieb<br />

Gerlitz, <strong>der</strong> seit Anfang <strong>der</strong> neunziger Jahre auch e<strong>in</strong>en Arzt beschäftigte. Anfänglich<br />

war dies <strong>der</strong> Internist Dr. Hermann Coltelli von Roccamare, dann <strong>der</strong> Chirurg<br />

Privatdozent Dr. Franz Walser († 1897) und nach dessen Tod Dr. Ludwig Ebner,


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Artikel von Dr. Weiss Norbert<br />

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Extraord<strong>in</strong>arius <strong>für</strong> Chirurgie, <strong>der</strong> selbst e<strong>in</strong>e chirurgische Privatheilanstalt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Halbärthgasse 2 führte.<br />

Am Anna-K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital war 1897 die bisherige chirurgisch-okulistische <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

chirurgisch-orthopädische Abteilung umgewandelt wor<strong>den</strong>. Mit 1. April wurde Dr.<br />

Hans Spitzy hier als Sekundararzt und ab Herbst Professor Dr. Ludwig Ebner als<br />

Konsiliarius angestellt. Spitzy begann unterdessen se<strong>in</strong>e Studienreise nach<br />

Deutschland, die ihn zu berühmten Orthopä<strong>den</strong> nach Würzburg (Albert Hoffa),<br />

Berl<strong>in</strong> (Julius Wolff) und München (Fritz Lange) sowie zum Sportmediz<strong>in</strong>er August<br />

Bier nach Bonn führte. <strong>Zu</strong>rück <strong>in</strong> <strong>Graz</strong>, demonstrierte er am 6. März 1899 im<br />

Ärztevere<strong>in</strong> fortschrittliche orthopädische Apparate, die im K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital hergestellt<br />

wor<strong>den</strong> waren. Im selben Jahr habilitierte sich Payr <strong>für</strong> Chirurgie und gründete<br />

Wittek se<strong>in</strong>e Privatheilanstalt <strong>für</strong> orthopädische Chirurgie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Merangasse 26.<br />

Hans Spitzy (1872-1956)<br />

Professor Nicoladoni ließ nun auch an <strong>der</strong> chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong> orthopädisches<br />

Ambulatorium (Skoliosenambulatorium) e<strong>in</strong>richten und mit mo<strong>der</strong>nen<br />

Übungsapparaten (auch zur Behandlung von Gelenkskontrakturen) bestücken. 1900<br />

trat Arnold Wittek dazu die Stelle e<strong>in</strong>es orthopädischen Assistenten an. Am 1. April<br />

1902 durfte er auf dem ersten deutschen Orthopä<strong>den</strong>kongress <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> über<br />

Fußdeformationen referieren. Spitzy hatte kurz nach <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende se<strong>in</strong>e<br />

„Anstalt <strong>für</strong> orthopädische Chirurgie und Sprachstörungen“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Glacisstraße 15<br />

gegründet und entfaltete nun auch am K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital e<strong>in</strong>e rege Operationstätigkeit.<br />

1902 führte er dort 78 Operationen durch (39 unblutige, 29 blutige an Knochen und<br />

Gelenken, 10 blutige an Sehnen und Muskeln). Gegen Ende desselben Jahres erlag<br />

Professor Nicoladoni im Alter von 55 Jahren unerwartet e<strong>in</strong>em Herzschlag.<br />

Abb. 2<br />

l<strong>in</strong>ke Hand e<strong>in</strong>es zweie<strong>in</strong>halbjährigen Rachitispatienten<br />

(Aufnahme vom Frühjahr 1897 aus dem Anna-K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital)


<strong>Zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Anfängen</strong> <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

Artikel von Dr. Weiss Norbert<br />

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Erste <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> habilitierte Orthopä<strong>den</strong><br />

1905 habilitierten sich zwei Nicoladoni-Schüler <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> <strong>für</strong> „Orthopädische<br />

Chirurgie“, nämlich Arnold Wittek und Hans Spitzy. Spitzy hatte zuvor Albert Hoffa<br />

auf e<strong>in</strong>er viel beachteten Studienreise durch die Vere<strong>in</strong>igten Staaten (1904) begleitet<br />

und nach dem Tod von Professor Ebner (1906) das neu geschaffene Primariat <strong>der</strong><br />

chirurgisch-orthopädischen Abteilung am Anna-K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital übernommen. Bei <strong>den</strong><br />

Freun<strong>den</strong> des verstorbenen Professors Ebner führte er e<strong>in</strong>e Spen<strong>den</strong>sammlung<br />

durch, mit <strong>der</strong>en Erlös sich e<strong>in</strong> orthopädischer Turnsaal <strong>für</strong> das K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital<br />

f<strong>in</strong>anzieren ließ. 1910 verfasste Spitzy geme<strong>in</strong>sam mit dem Münchener Orthopä<strong>den</strong><br />

Fritz Lange das späterh<strong>in</strong> noch zahlreich aufgelegte Werk „Chirurgie und<br />

<strong>Orthopädie</strong> im K<strong>in</strong>desalter“, welches ihm <strong>den</strong> Titel e<strong>in</strong>es Extraord<strong>in</strong>arius e<strong>in</strong>trug.<br />

1913 übersiedelte Professor Spitzy nach Wien, wo er 1956 (etwa drei Wochen vor<br />

Arnold Wittek) sterben sollte.<br />

Wie Spitzy war auch Arnold Wittek 1911 <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> zum außeror<strong>den</strong>tlichen Professor<br />

ernannt wor<strong>den</strong>. Im Rahmen des Krankenhausneubaues befasste er sich mit <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung des medikomechanischen Institutes, das am 1. Mai 1913 eröffnet wurde.<br />

Gleichzeitig <strong>in</strong>itiierte er nach deutschem Vorbild die „Krüppel<strong>für</strong>sorge“ <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Steiermark, <strong>der</strong>en Grundgedanke dar<strong>in</strong> bestand, orthopädische Patienten <strong>in</strong> <strong>den</strong><br />

Erwerbsprozess e<strong>in</strong>zuglie<strong>der</strong>n. Ergebnis dieser Bemühungen waren die Gründung<br />

des Orthopädischen Spitals (Unfallkrankenhauses) <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> (1918), <strong>der</strong> Landes-<br />

Sonnenheilstätte auf <strong>der</strong> Stolzalpe (1920) und <strong>der</strong> „Landes-Pflege- und<br />

Ausbildungsanstalt <strong>für</strong> krüppelhafte Jugendliche“ <strong>in</strong> Andritz (1927), die alle unter<br />

se<strong>in</strong>er ärztlichen Leitung stan<strong>den</strong>.<br />

Spitzys Nachfolger <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> wurde Philipp Erlacher (1886–1980), <strong>der</strong> nach se<strong>in</strong>er<br />

Promotion <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> (1910) – wie Spitzy – auch bei Fritz Lange (übrigens e<strong>in</strong>em<br />

Schüler von Adolf Lorenz) <strong>in</strong> München die <strong>Orthopädie</strong> studiert hatte. Seit 1913<br />

leitete er als Primarius die chirurgisch-orthopädische Abteilung des Anna-<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>spitals. Nach e<strong>in</strong>er kriegsbed<strong>in</strong>gten Unterbrechung habilitierte er sich 1919 <strong>in</strong><br />

<strong>Graz</strong> <strong>für</strong> das Fach <strong>der</strong> Orthopädischen Chirurgie (Extraord<strong>in</strong>arius seit 1923).<br />

Professor Hans Haberer von Kremshohenste<strong>in</strong>, <strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Emeritierung des<br />

Nicoladoni-Nachfolgers Viktor Ritter von Hacker 1924 nach <strong>Graz</strong> berufen wurde,<br />

stellte <strong>den</strong> Antrag auf e<strong>in</strong>en eigenen orthopädischen Assistenten <strong>für</strong> die chirurgische<br />

Kl<strong>in</strong>ik. Diesem Antrag wurde zwar nicht stattgegeben, doch stand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge<br />

Professor Erlacher von <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>kl<strong>in</strong>ik auch <strong>für</strong> orthopädische Fälle <strong>der</strong><br />

chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik zur Verfügung. Damals bestand übrigens e<strong>in</strong>e eigene<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>station im zweiten Stock des Chirurgieblocks (Westflügel). Erlacher leitete<br />

dann auch die orthopädische Ambulanz <strong>der</strong> chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik. 1929 nahm er<br />

geme<strong>in</strong>sam mit Spitzy als Vertreter Österreichs an <strong>der</strong> Gründungsversammlung <strong>der</strong>


<strong>Zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Anfängen</strong> <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

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<strong>in</strong>ternationalen Orthopä<strong>den</strong>vere<strong>in</strong>igung SICOT (Société <strong>in</strong>ternationale de chirurgie<br />

orthopédique et de traumatologie) <strong>in</strong> Paris teil. Aufgrund se<strong>in</strong>er Ehe mit e<strong>in</strong>em<br />

„Mischl<strong>in</strong>g“ wurde Professor Erlacher im April 1938 entlassen und noch im selben<br />

Jahr <strong>in</strong> <strong>den</strong> Ruhestand versetzt. 1942 übernahm er (nach dem dortigen Ausschei<strong>den</strong><br />

Spitzys) die Leitung des orthopädischen Spitals <strong>in</strong> Wien.<br />

In <strong>Graz</strong> trat Erlachers Assistent Dr. Wilhelm Philipp Schäffer 1938 se<strong>in</strong>e Nachfolge<br />

an. In <strong>der</strong> nationalsozialistischen Ära wurde das Anna-K<strong>in</strong><strong>der</strong>spital vom Land<br />

übernommen und um das vormalige Sanatorium „Theresia“ <strong>der</strong> Kreuzschwestern<br />

(He<strong>in</strong>richstraße 31) erweitert, wo die chirurgisch-orthopädische K<strong>in</strong><strong>der</strong>abteilung „bis<br />

zur Fertigstellung <strong>der</strong> vom Reichsgau geplanten neuen K<strong>in</strong><strong>der</strong>abteilung des<br />

Krankenhauses <strong>Graz</strong>“ e<strong>in</strong>e vorübergehende Unterbr<strong>in</strong>gung f<strong>in</strong><strong>den</strong> sollte. Tatsächlich<br />

kam <strong>der</strong> erwähnte Neubau bis Kriegsende nicht zustande und verblieb <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge<br />

die chirurgisch-orthopädische K<strong>in</strong><strong>der</strong>abteilung (seit 1955 e<strong>in</strong>e eigene landschaftliche<br />

Abteilung) <strong>in</strong> <strong>der</strong> He<strong>in</strong>richstraße. Unter <strong>der</strong> Leitung von Professor Dr. Hugo Sauer<br />

erfolgte 1982 ihre Etablierung als Universitätskl<strong>in</strong>ik <strong>für</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>chirurgie und 1993<br />

ihre Übersiedlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Neubau im Landeskrankenhausgelände<br />

(Auenbruggerplatz 34). Aufgrund e<strong>in</strong>er Neustrukturierung unter dem<br />

gegenwärtigen Kl<strong>in</strong>ikvorstand Professor Dr. Michael Höllwarth entstand hier 1999<br />

e<strong>in</strong>e Kl<strong>in</strong>ische Abteilung <strong>für</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>orthopädie.<br />

Scoliosenapparat von Gottlieb Gerlitz <strong>in</strong> Vor<strong>der</strong>-,<br />

Seiten- und Rückenansicht (Fig. 1–3):<br />

Die Konstruktion aus Stahl, Le<strong>der</strong> und Watte ermöglichte<br />

e<strong>in</strong>em siebzehnjährigen Patienten (Fig. 6) bereits<br />

zehn M<strong>in</strong>uten nach dem Anlegen e<strong>in</strong>e<br />

verbesserte Körperhaltung (Fig. 4–5).<br />

Bemühungen um e<strong>in</strong>e eigene <strong>Orthopädie</strong>kl<strong>in</strong>ik<br />

Während des Zweiten Weltkrieges setzte sich Arnold Wittek <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> <strong>für</strong> die<br />

Errichtung e<strong>in</strong>er orthopädischen Universitätskl<strong>in</strong>ik im ersten Stock des<br />

Unfallkrankenhauses e<strong>in</strong>. Die Leitung dieser Kl<strong>in</strong>ik sollte se<strong>in</strong> Schüler Oberarzt<br />

Willibald Pacher übernehmen. Dieser war nach dem Mediz<strong>in</strong>studium <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

(Promotion 1926) vorübergehend an <strong>der</strong> II. chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Wien tätig<br />

gewesen, bevor er 1930 als Witteks Assistent am <strong>Graz</strong>er Unfallkrankenhaus zu<br />

arbeiten begann. Unter dessen E<strong>in</strong>fluss habilitierte er sich anschließend <strong>für</strong><br />

orthopädische Chirurgie. Nach se<strong>in</strong>er öffentlichen Lehrprobe war schließlich 1940<br />

se<strong>in</strong>e Ernennung zum Dozenten erfolgt. Nachdem die <strong>Graz</strong>er Kl<strong>in</strong>ikgründung jedoch


<strong>Zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Anfängen</strong> <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

Artikel von Dr. Weiss Norbert<br />

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<strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge nicht zustande kam, ließ sich Dozent Pacher 1944 nach Innsbruck<br />

berufen, wo er die Leitung <strong>der</strong> orthopädischen Station übernahm. Nach Kriegsende<br />

<strong>in</strong>itiierten Arnold Wittek und Willibald Pacher geme<strong>in</strong>sam mit <strong>den</strong> <strong>Graz</strong>er<br />

Orthopä<strong>den</strong> Dr. Robert Hagen und Dr. Georg Neugebauer die konstituierende<br />

Sitzung <strong>der</strong> „Vere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Orthopä<strong>den</strong> Österreichs“ am 9. Dezember 1948. Die<br />

Orthopä<strong>den</strong>vere<strong>in</strong>igung wählte Philipp Erlacher zu ihrem ersten Präsi<strong>den</strong>ten und<br />

hielt ihre erste Jahrestagung (27. Mai 1949) auf <strong>der</strong> Stolzalpe ab.<br />

Behandlungserfolge mit dem Gerlitz‘schen Scoliosenapparat:<br />

Der siebzehnjährige Patient aus <strong>der</strong> vorigen Abbildung<br />

nach dreimonatigem Tragen des Scoliosenapparates (Fig. 7)<br />

sowie drei Patient<strong>in</strong>nen im Alter von vierzehn (Fig. 8–9),<br />

zwölf (Fig. 10–12) und dreizehn Jahren (Fig. 13–14) vor,<br />

bei und nach <strong>der</strong> Therapie (Fotos 1892–1893).<br />

Inzwischen hatte Professor Franz Spath (Kl<strong>in</strong>ikvorstand 1947–1970) die Leitung <strong>der</strong><br />

<strong>Graz</strong>er Chirurgie übernommen. <strong>Zu</strong> Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> fünfziger Jahre unternahm Arnold<br />

Wittek e<strong>in</strong>en erneuten Versuch zur Errichtung e<strong>in</strong>er orthopädischen Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> <strong>Graz</strong>.<br />

Geme<strong>in</strong>sam mit dem Professorenkollegium <strong>der</strong> Fakultät beantragte er dazu 1952 <strong>für</strong><br />

Dozent Dr. Herbert Moser (1911–1991) von <strong>der</strong> chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong>en<br />

Lehrauftrag <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong>. Moser unternahm <strong>in</strong> <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Jahren mehrere<br />

Studienreisen an orthopädische Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> England, <strong>der</strong> Schweiz und Deutschland<br />

und hielt <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> Vorlesungen <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong> ab. 1956 wurde er zum<br />

Extraord<strong>in</strong>arius ernannt und leitete seit 1957 als Primarius die III. chirurgische<br />

Abteilung. Unterdessen wechselte 1953 Dr. Hermann Buchner (1922–1996) vom<br />

Unfallkrankenhaus an die chirurgische Kl<strong>in</strong>ik, um hier e<strong>in</strong>e Unfall- und<br />

orthopädische Station aufzubauen. Auf dieser Station gelangen erstmalig <strong>in</strong><br />

Österreich die operative Aufrichtung e<strong>in</strong>er Skoliose (1956) und die weltweit erste<br />

erfolgreiche operative Gelenkversteifung bei e<strong>in</strong>em schweren Bluter mit Hämophilie<br />

A (1957). Mit e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>schlägigen Arbeit habilitierte sich Buchner daraufh<strong>in</strong> 1963 <strong>für</strong><br />

das Fach <strong>der</strong> Chirurgie e<strong>in</strong>schließlich <strong>der</strong> Unfallchirurgie. Mit Jahresbeg<strong>in</strong>n<br />

wechselte er jedoch als Chefarzt auf die Stolzalpe, wo nun e<strong>in</strong>e orthopädische<br />

Abteilung entstand.<br />

Moser und Buchner konnten ihre chirurgische Lehrbefugnis 1966 auf das Fachgebiet<br />

<strong>der</strong> Orthopädischen Chirurgie ausdehnen. Trotzdem blieb <strong>Graz</strong> im Gegensatz zu<br />

Wien, wo seit 1962 e<strong>in</strong>e eigene Universitätskl<strong>in</strong>ik <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong> bestand, e<strong>in</strong>e<br />

entsprechende Kl<strong>in</strong>ikgründung auch weiterh<strong>in</strong> versagt. Nach dem Weggang<br />

Buchners übernahmen nache<strong>in</strong>an<strong>der</strong> Dr. Peter Feischl, Dr. Harald Tscherne und Dr.<br />

Randolf Scholz die „Unfall-, <strong>Orthopädie</strong>- und Physikotherapiestation“ <strong>der</strong>


<strong>Zu</strong> <strong>den</strong> <strong>Anfängen</strong> <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>in</strong> <strong>Graz</strong><br />

Artikel von Dr. Weiss Norbert<br />

Unternehmenshistoriker <strong>der</strong> KAGes , 2011<br />

chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> <strong>Graz</strong>. 1966 verfügte diese Station über hun<strong>der</strong>t Betten.<br />

Während Innsbruck 1970 e<strong>in</strong>e eigene Universitätskl<strong>in</strong>ik <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong> erhielt, gab<br />

es <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> vorerst noch ke<strong>in</strong>e konkreten Anzeichen da<strong>für</strong>.<br />

Verselbständigung <strong>der</strong> Universitätskl<strong>in</strong>ik <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong><br />

Ansätze zur Herauslösung <strong>der</strong> <strong>Orthopädie</strong>station aus dem Verband <strong>der</strong><br />

chirurgischen Kl<strong>in</strong>ik ergaben sich nach <strong>der</strong> Berufung von Professor Julius Kraft-K<strong>in</strong>z<br />

(Kl<strong>in</strong>ikvorstand 1970–1996). Nach amerikanischem Vorbild <strong>in</strong>itiierte er e<strong>in</strong>e<br />

Unterteilung <strong>der</strong> Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> mehrere Departments. So entstan<strong>den</strong> u. a. 1971 e<strong>in</strong><br />

Department <strong>für</strong> Unfallchirurgie und 1977 e<strong>in</strong> Department <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong>. Letzteres<br />

kam unter die Leitung von Dozent Dr. Oskar Stampfel (1940–1995), <strong>der</strong> sich vor<br />

allem auf dem Gebiet <strong>der</strong> Endoprothetik engagierte. Das Department wurde nun <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e kl<strong>in</strong>ische Abteilung umgewandelt.<br />

Im Jahr 1997 erfolgte die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er weiteren orthopädischen Abteilung im<br />

Landeskrankenhaus Bad Radkersburg sowie die Berufung von Dozent Dr. Re<strong>in</strong>hard<br />

W<strong>in</strong>dhager (geboren 1957) nach <strong>Graz</strong>. Bis dah<strong>in</strong> wirkte dieser als Leiter des<br />

Tumordepartments an <strong>der</strong> orthopädischen Universitätskl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Wien. Auf se<strong>in</strong>e<br />

Ernennung zum Ord<strong>in</strong>arius <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong> <strong>der</strong> Universität <strong>Graz</strong> folgte schließlich<br />

die Errichtung <strong>der</strong> Universitätskl<strong>in</strong>ik <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong> mit Anfang Feber 2001. Im<br />

selben Jahr erhielt übrigens auch die Salzburger Universität e<strong>in</strong>e eigene<br />

<strong>Orthopädie</strong>kl<strong>in</strong>ik. Während se<strong>in</strong>er neunjährigen Vorstandsära <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> etablierte<br />

Professor W<strong>in</strong>dhager <strong>in</strong> <strong>Graz</strong> e<strong>in</strong> orthopädisches Laboratorium sowie <strong>den</strong><br />

Schwerpunkt <strong>der</strong> Tumororthopädie. 2010 folgte er e<strong>in</strong>er Berufung nach Wien zur<br />

Leitung <strong>der</strong> dortigen Universitätskl<strong>in</strong>ik <strong>für</strong> <strong>Orthopädie</strong>.<br />

Dr. Norbert Weiss<br />

Unternehmenshistoriker <strong>der</strong> Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft

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