09.01.2013 Aufrufe

Bio-Boom aber nicht für alle - Aktuell

Bio-Boom aber nicht für alle - Aktuell

Bio-Boom aber nicht für alle - Aktuell

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Datum: 06.01.2012<br />

St. G<strong>alle</strong>r Bauer<br />

9230 Flawil<br />

071/ 394 60 15<br />

www.bauern-sg.ch<br />

Der Fachhandel profitiert kaum vom florierenden <strong>Bio</strong>-Geschäft<br />

<strong>Bio</strong>-<strong>Boom</strong> <strong>aber</strong> <strong>nicht</strong> <strong>für</strong> <strong>alle</strong><br />

<strong>Bio</strong>-Lebensmittel sind so beliebt<br />

wie nie zuvor. Vom <strong>Boom</strong><br />

profitieren vor <strong>alle</strong>m Coop<br />

und Migros, die märchenhafte<br />

Wachstumszahlen erzielen.<br />

Der <strong>Bio</strong>-Fachhandel hingegen<br />

kämpft mit sinkenden Marktanteilen<br />

und stagnierenden<br />

Umsätzen.<br />

Text: Michael Wahl, LID<br />

Nach fast 20 Jahren kam das Aus.<br />

Im April 2011 musste Thomas Vatter<br />

seinen <strong>Bio</strong>-Laden schliessen.<br />

«Das war der schwerste Schritt in<br />

meinem Leben», erklärt der <strong>Bio</strong>-Pionier.<br />

Zu schaffen machten ihm<br />

eine umständliche Logistik, die<br />

hohe Kosten verursachte, sowie<br />

rückläufige Umsätze. «Wir sind von<br />

immer weniger Kunden aufgesucht<br />

worden und diejenigen, die gekommen<br />

sind, haben <strong>für</strong> weniger Geld<br />

eingekauft.» Vatters Geschäft war<br />

<strong>nicht</strong> irgendein <strong>Bio</strong>-Laden, sondem<br />

der erste <strong>Bio</strong>-Supermarkt der<br />

Schweiz, 1992 eröffnet, lokalisiert<br />

in der Berner Altstadt, wenige Meter<br />

von Bundeshaus und Bahnhof<br />

entfernt.<br />

Marktanteile verloren<br />

Die Schliessung von Vatters <strong>Bio</strong>-<br />

Supermarkt ist bezeichnend <strong>für</strong><br />

den <strong>Bio</strong>-Fachhandel. Während die<br />

Verkäufe von <strong>Bio</strong>-Lebensmitteln<br />

bei den Grossverteilern in den<br />

letzten Jahren geradezu explodiert<br />

sind, treten Reform- und <strong>Bio</strong>läden<br />

an Ort (siehe Grafik). So erwirtschafteten<br />

sie 2010 einen Um-<br />

Medienart: Print<br />

Medientyp: Fachpresse<br />

Auflage: 11'493<br />

Erscheinungsweise: wöchentlich<br />

Medienbeobachtung<br />

Medienanalyse<br />

Informationsmanagement<br />

Sprachdienstleistungen<br />

satz von 289 Mio. Franken, was<br />

gegenüber 1997 zwar einem Plus<br />

von 157 Prozent entspricht. Coop<br />

hat im gleichen Zeitraum die Verkäufe<br />

von <strong>Bio</strong>-Lebensmitteln <strong>aber</strong><br />

um 476 Prozent auf 800 Mio. Franken<br />

gesteigert. Die Migros erzielte<br />

2010 einen Umsatz von 416 Mio.<br />

Franken, 495 Prozent mehr als<br />

1997. In dem Masse, wie die beiden<br />

Grossverteiler zugelegt haben,<br />

hat der <strong>Bio</strong>-Fachhandel an<br />

Marktanteilen verloren. Kam er<br />

1997 noch auf einen Marktanteil<br />

von knapp 38 Prozent, waren es<br />

2010 noch 18 Prozent.<br />

Salonfähige <strong>Bio</strong>-Lebensmittel<br />

Wer früher <strong>Bio</strong>-Lebensmittel einkaufen<br />

wollte, konnte dies nur in<br />

einem Reform- und <strong>Bio</strong>laden tun.<br />

<strong>Bio</strong> war eine Nische, etwas <strong>für</strong> Idealisten,<br />

die besonders naturnah<br />

produzierte Lebensmittel schätzten.<br />

Dann stiegen die Grossverteiler<br />

ein. Coop nahm 1992 <strong>Bio</strong>-Produkte<br />

ins Sortiment auf, die Migros<br />

zog 1995 nach. Inzwischen bieten<br />

auch Manor und Discounter <strong>Bio</strong>-<br />

Lebensmittel an. Mit ihren millionenschweren<br />

Kampagnen haben<br />

Coop und Migros dazu beigetragen,<br />

<strong>Bio</strong>-Lebensmittel salonfähig<br />

zu machen. Davon habe der <strong>Bio</strong>-<br />

Fachhandel zunächst profitiert, erklärt<br />

Vatter. Denn das Sortiment<br />

der Grossverteiler war anfänglich<br />

bescheiden. Auf einen Gang ins<br />

Spezialgeschäft konnten <strong>Bio</strong>-Kunden<br />

deshalb <strong>nicht</strong> verzichten.<br />

Zudem verfügte der Fachhandel<br />

über einen Glaubwürdigkeitsvorteil.<br />

Inzwischen haben die Grossverteiler<br />

aufgeholt. Die einstigen<br />

Angebotslücken sind weitgehend<br />

geschlossen. Folge: «Konsumenten<br />

sind zunehmend nur noch <strong>für</strong> Ergänzungseinkäufe<br />

zu uns gekommen»,<br />

erklärt Vatter.<br />

Nicht mehr nur <strong>Bio</strong><br />

Zu schaffen macht dem <strong>Bio</strong>-Fachhandel<br />

<strong>nicht</strong> nur der Verlust der<br />

Monopolstellung, sondern auch<br />

die breite Palette an Labels. Galt<br />

es früher zu unterscheiden zwischen<br />

biologisch und konventio-<br />

«Jene Kunden, die gekom-<br />

men sind, haben <strong>für</strong> immer<br />

weniger Geld in unserem<br />

<strong>Bio</strong>-Laden eingekauft.»<br />

nell hergestellten Lebensmitteln,<br />

haben die Detailhändler ihr soziales<br />

und ökologisches Engagement<br />

verstärkt, sodass heute verschiedene<br />

Produktlinien in ihren<br />

Regalen stehen, die das Thema<br />

<strong>Bio</strong>diversität aufgenommen haben<br />

oder mit Attributen wie «Aus<br />

der Region» oder «Fairtrade» werben.<br />

So würden heute auch viele<br />

angestammte <strong>Bio</strong>-Kunden zu Produkten<br />

der IP-Bauern greifen, erklärt<br />

Toralf Richter, Agronom und<br />

<strong>Bio</strong>-Marketingexperte. Die Toleranz<br />

gegenüber Nicht-<strong>Bio</strong>produkten<br />

sei grösser geworden. Studien<br />

hätten gezeigt, dass Regionalität<br />

und Fairtrade den Konsumenten<br />

wichtiger seien als <strong>Bio</strong>. Der<br />

Fachhandel setzt <strong>aber</strong> nach wie<br />

ARGUS der Presse AG<br />

Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich<br />

Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01<br />

www.argus.ch<br />

Themen-Nr.: 541.3<br />

Abo-Nr.: 1008268<br />

Seite: 44<br />

Fläche: 49'562 mm²<br />

Argus Ref.: 44745706<br />

Ausschnitt Seite: 1/2


Datum: 06.01.2012<br />

St. G<strong>alle</strong>r Bauer<br />

9230 Flawil<br />

071/ 394 60 15<br />

www.bauern-sg.ch<br />

vor voll auf <strong>Bio</strong>. «In den letzten 30<br />

Jahren hat sich kaum etwas verändert»,<br />

sagt Richter.<br />

Grosser Individualismus<br />

Dass <strong>Bio</strong> bei den grossen Detailhändlern<br />

boomt und im Fachhandel<br />

<strong>nicht</strong>, hat auch mit den Preisen<br />

zu tun. So sind <strong>Bio</strong>-Lebensmittel in<br />

Reform- und <strong>Bio</strong>läden deutlich<br />

teurer. Früher habe man dies mit<br />

dem Hinweis «es isch halt bio»<br />

rechtfertigen können, sagt Vatter.<br />

Seit Migros und Coop <strong>Bio</strong>-Produkte<br />

zu tieferen Preisen anbieten,<br />

geht das <strong>nicht</strong> mehr. Die höheren<br />

Preise sind weitgehend strukturbedingt<br />

und entstehen durch einen<br />

ausgeprägten Individualismus<br />

innerhalb der Branche. Versuche,<br />

die Zusammenarbeit unter den<br />

<strong>Bio</strong>-Läden zu verstärken, sind stets<br />

gescheitert. Gemeinsame Marketingkonzepte<br />

sowie Schulungsangebote<br />

werden zu wenig genutzt.<br />

So tritt jeder <strong>Bio</strong>-Fachhändler <strong>alle</strong>ine<br />

am Markt auf, bestrebt, ein<br />

Sortiment zu führen, das sich von<br />

demjenigen des benachbarten<br />

<strong>Bio</strong>-Ladens unterscheidet. Als Folge<br />

sind die gehandelten Mengen<br />

klein, die Vielzahl an Marken<br />

und Herstellern dagegen gross. All<br />

das treibt die Verkaufspreise in<br />

die Höhe. Dass der <strong>Bio</strong>-Fachhandel<br />

zudem unter einer geringen<br />

Kundenfrequenz leidet, hat mit<br />

den Standorten zu tun. «Coop<br />

und Migros haben die besten Lagen<br />

bereits besetzt», erklärt Richter.<br />

So blieben dem Fachhandel<br />

oft zweitklassige Standorte.<br />

BIO BOOMT BEI COOP UND MIGROS, NICHT<br />

ABER IM FACHHANDEL<br />

Umsatz-Entwicklung mit <strong>Bio</strong>-Produkten<br />

600 1997 = 100 %<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

Medienart: Print<br />

Medientyp: Fachpresse<br />

Auflage: 11'493<br />

Erscheinungsweise: wöchentlich<br />

100 --109...411/111"<br />

co Lrl 1/4.0<br />

Produkte aus der Region<br />

Thomas Vatter hat seinen <strong>Bio</strong>-Supermarkt<br />

zwar schliessen müssen,<br />

unterkriegen lässt sich der <strong>Bio</strong>-Pionier<br />

<strong>aber</strong> <strong>nicht</strong>. Noch im gleichen<br />

Monat eröffnete er im Berner Kirchenfeldquartier<br />

einen neuen Laden.<br />

Das Sortiment ist weitgehend<br />

das gleiche wie im einstigen Supermarkt.<br />

Vermehrt bietet er nun<br />

auch Lebensmittel an, die <strong>nicht</strong><br />

«<strong>Bio</strong>» sind, da<strong>für</strong> aus der Region<br />

stammen. Eine solche Öffnung des<br />

Sortiments müsse <strong>aber</strong> überlegt<br />

erfolgen, zumal eine Verwässerung<br />

drohe, gibt Vatter zu bedenken.<br />

Richter hingegen glaubt, dass die<br />

Konsumenten dies <strong>nicht</strong> so eng sehen.<br />

Mit Blick auf die Zukunft erwartet<br />

der Marketingexperte eine<br />

Festigung der Branche.<br />

C<br />

Migros<br />

Coop<br />

Reform- und<br />

<strong>Bio</strong>läden<br />

Bei Coop und Migros sind die Umsätze mit <strong>Bio</strong>-Lebensmitteln in den letzten Jahren explodiert. Coop verkaufte 2010<br />

<strong>Bio</strong>-Produkte im Wert von 800 Mio. Fr. (1997: 168 Mio. Fr.), bei der Migros waren es 416 Mio. Fr. (1997:84 Mio, Fr.)<br />

Stagnation herrscht bei den Reform- und <strong>Bio</strong>laden, deren Umsätze sich 2010 auf 289 Mio. Fr. (1997: 185 Mio. Fr.) beliefen.<br />

Medienbeobachtung<br />

Medienanalyse<br />

Informationsmanagement<br />

Sprachdienstleistungen<br />

ARGUS der Presse AG<br />

Rüdigerstrasse 15, Postfach, 8027 Zürich<br />

Tel. 044 388 82 00, Fax 044 388 82 01<br />

www.argus.ch<br />

Themen-Nr.: 541.3<br />

Abo-Nr.: 1008268<br />

Seite: 44<br />

Fläche: 49'562 mm²<br />

Argus Ref.: 44745706<br />

Ausschnitt Seite: 2/2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!