Zusammenfassung - OUP
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Arzt und Recht<br />
S t o ß w e l l e n t h e r a p i e<br />
Pflicht des Patienten zu nicht leichter und<br />
nicht gefahrloser Revisionsoperation<br />
604<br />
Rechtsanwalt<br />
Christoph Osmialowski,<br />
Karlsruhe<br />
Einleitung<br />
Wenn es zu einem Behandlungsfehler<br />
kommt, ist dies für<br />
den Arzt unangenehm genug.<br />
Steht der Behandlungsfehler<br />
zweifelsfrei fest, bleibt nur noch<br />
die Regulierung durch die Haftpflichtversicherung.<br />
Noch unangenehmer<br />
wird es jedoch,<br />
wenn der Patient sich einer<br />
Revisionsoperation verweigert<br />
und den aus dieser Verweigerung<br />
bzw. der Verspätung der<br />
Revisionsoperation resultierenden<br />
Schaden ebenfalls von<br />
dem Arzt ersetzt verlangt. Es<br />
stellt sich die Frage, inwiefern<br />
der Patient zu einer Revisionsoperation<br />
verpflichtet werden<br />
kann, um weitere Schadensersatzforderungen<br />
zu vermeiden.<br />
Bisherige Rechtsprechung<br />
Nach bisheriger Rechtsprechung<br />
des Bundesgerichtshofs<br />
muss sich der von einem<br />
Behandlungsfehler betroffene<br />
Patient einer zumutbaren Revisionsoperation<br />
zur Beseitigung<br />
seiner körperlichen Beeinträchtigung<br />
unterziehen. Verweigert<br />
er diese Revisionsoperation,<br />
kann er für die hieraus resultierenden<br />
Folgen keine Schadensersatzansprüche<br />
gegen<br />
den Arzt geltend machen. Zumutbar<br />
ist die Revisionsoperation<br />
jedoch für den Patienten<br />
nur dann, wenn sie einfach und<br />
gefahrlos ist, keine besonderen<br />
Schmerzen bereitet und eine sichere<br />
Aussicht auf Heilung und<br />
wesentliche Besserung bietet.<br />
Die Voraussetzungen hat der<br />
Arzt nachzuweisen1.<br />
Orthopädische Praxis 47, 12, 2011<br />
Diese so genannte „Schadensminderungspflicht“<br />
des Patienten<br />
wurde vom BGH in weiterer<br />
Rechtsprechung reduziert:<br />
Kann ein Kassenpatient wegen<br />
erheblicher Schmerzen keinen<br />
Arzt seines Vertrauens finden,<br />
der die Revisionsoperation zu<br />
den Sätzen der vertragsärztlichen<br />
Vergütung übernimmt,<br />
verletzt der Patient seine Schadensminderungspflicht<br />
nicht,<br />
wenn er die Revisionsoperation<br />
als Privatpatient beim Arzt<br />
seines Vertrauens durchführen<br />
lässt und diese Kosten von dem<br />
Arzt verlangt, der durch seinen<br />
Behandlungsfehler die Revisionsoperation<br />
erforderlich gemacht<br />
hat2.<br />
In einem weiteren Fall wurde die<br />
Schadensminderungspflicht jedoch<br />
über die genannten Grundsätze<br />
des BGH hinaus erweitert:<br />
Wenn durch den Behandlungsfehler<br />
keine neue Schädigung<br />
verursacht, sondern lediglich<br />
eine Grunderkrankung behandlungsfehlerhaft<br />
nicht beseitigt<br />
wurde, hat sich der Patient einer<br />
gleichartigen oder gleich<br />
erfolgversprechenden Operation<br />
(die unter Umständen nicht<br />
lediglich einfach und gefahrlos<br />
ist) zu unterziehen. Andernfalls<br />
kann er von dem Arzt für weitere<br />
Folgen keine Ersatzleistungen<br />
fordern3.<br />
Entscheidung des Oberlandesgerichts<br />
Koblenz vom<br />
26.9.2011<br />
Das Oberlandesgericht Koblenz<br />
hat nun in einer aktuellen Entscheidung<br />
vom 26.9.2011 (Az. 5<br />
U 776/11) die Pflichten des Patienten<br />
in folgenden Grundsätzen<br />
weiter konkretisiert:<br />
1. „Eine nicht einfache und gefahrlose<br />
Revisionsoperation<br />
kann gleichwohl zumutbar<br />
und ihr Unterlassen ein Verstoß<br />
gegen die Schadensminderungspflicht<br />
sein, wenn der<br />
Patient einen anderen Eingriff<br />
durchführen lassen möchte,<br />
der erheblich schwieriger<br />
und risikoreicher ist (Vollprothese<br />
statt zweiter Kreuzbandersatzplastik).“<br />
2. „Der jahrelange Aufschub<br />
eines erfolgversprechenden<br />
Zweiteingriffs aus Beweissicherungsgründen<br />
ist ein<br />
Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht,<br />
wenn der<br />
haftungsrelevante Befund<br />
durch bildgebende Verfahren<br />
oder in sonstiger Weise hinreichend<br />
gesichert erscheint.“<br />
Zum Sachverhalt:<br />
Der Kläger erlitt am 8.7.2005 einen<br />
Riss des Kreuzbandes im<br />
linken Kniegelenk. Am 22.8.2005<br />
nahm der Arzt im Krankenhaus<br />
eine Kreuzbandersatzplastik<br />
vor. Eine Fehlplatzierung des<br />
Bohrkanals für den implantierten<br />
Kreuzbandersatz führte postoperativ<br />
zu einer erheblichen<br />
Bewegungseinschränkung des<br />
Kniegelenks. Die Verantwortlichkeit<br />
von Arzt und Krankenhaus<br />
für diesen Fehler war bereits<br />
außergerichtlich anerkannt<br />
worden; die Haftpflichtversicherung<br />
hatte ein Schmerzensgeld<br />
gezahlt. Dem Kläger war dies<br />
nicht genug: Er machte weitere<br />
vermeintliche Ansprüche<br />
(Schmerzensgeld, Verdienstausfall,<br />
Anwaltskosten) und die<br />
Feststellung der Ersatzpflicht für<br />
weitere materielle Zukunftsschäden<br />
geltend.