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Umweltethische Begründungen und praktisches Akteursverständnis ...

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<strong>Umweltethische</strong> <strong>Begründungen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>praktisches</strong> <strong>Akteursverständnis</strong> in der<br />

Ökosystemrenaturierung<br />

Diplomarbeit im Studiengang<br />

Landschaftsökologie <strong>und</strong> Naturschutz<br />

am Institut für Botanik <strong>und</strong> Landschaftsökologie<br />

der<br />

Ernst Moritz Arndt Universität Greifswald<br />

eingereicht von<br />

Dörthe Wilken<br />

Gutachter: Prof. Dr. Konrad Ott<br />

Prof. Dr. Stefan Zerbe<br />

Greifswald, März 2008


Gedruckt auf 100% Recyclingpapier


Warum sind wir ausgenommen vom schönen Kreislauf der Natur?<br />

Oder gilt er auch für uns?<br />

Friedrich Hölderlin, Hyperion, 1797


Danksagung<br />

All jenen Menschen möchte ich herzlich danken, die mir durch Gespräche, Kritik <strong>und</strong> andere<br />

wertvolle Unterstützung halfen, diese Arbeit zu verwirklichen. Für die Offenheit bei der Ausgabe<br />

des Themas <strong>und</strong> konstruktive Begleitung während seiner Ausarbeitung danke ich besonders meinen<br />

beiden betreuenden Professoren Konrad Ott <strong>und</strong> Stefan Zerbe. Ausdrücklich sei auch den Akteuren<br />

des Wildgeheges Glauer Tal für ihr Engagement <strong>und</strong> Interesse gedankt, was entscheidend zur<br />

Umsetzung meiner Arbeit beitrug. Für andere Gedanken blieb während der letzten Monate kaum<br />

Zeit, doch wenn, dann war es w<strong>und</strong>erbar, sie gemeinsam mit meinen Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> meiner Familie<br />

zu zerstreuen.


Inhaltsverzeichnis<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

1. Einleitung…………………………………………………………………………………...9<br />

1.1 Hintergr<strong>und</strong>………………………………………………………………………………… 9<br />

1.2 Zielsetzung <strong>und</strong> Leitfragen………………………………………………...........................10<br />

1.3 Methode…………………………………………………………………………………....11<br />

1.4 Der Begriff Umweltethik…………………………………………………………………..11<br />

2. Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung……………...............................13<br />

2.1 Der Verb<strong>und</strong> aus Renaturierungsökologie <strong>und</strong> Ökosystemrenaturierung…………………13<br />

2.1.1 Historische Entwicklung……………………………………………......................13<br />

2.1.2 Abgrenzung des Verb<strong>und</strong>es von Naturschutz <strong>und</strong> Ökologie……………………...16<br />

2.1.3 Motivation für Renaturierung……………………………………………………..17<br />

2.1.4 Unterschiedliche Zielvorstellungen <strong>und</strong> Ziele…………………………………….18<br />

2.1.5 Merkmale einer erfolgreichen Renaturierung……………………………………..21<br />

2.2 Truppenübungsplätze………………………………………………………………………22<br />

2.2.1 Bedeutung für den Naturschutz…………………………………………………...22<br />

2.2.2 Situation in den alten <strong>und</strong> neuen B<strong>und</strong>esländern unter besonderer<br />

Berücksichtigung von Brandenburg………………………………………………24<br />

2.2.3 Bedeutung von Offenlandbiotopen………………………………………………..25<br />

2.2.4 Verfahren zur Offenhaltung……………………………………………………….26<br />

2.3 Das Wildgehege Glauer Tal………………………………………………………………..27<br />

2.3.1 Einführung in das Gebiet………………………………………………………….27<br />

Klima………………………………………………………………………………29<br />

Boden <strong>und</strong> Vegetation……………………………………………………………..29<br />

2.3.2 Naturschutzfachliche Bewertung………………………………………………….30<br />

Biotopausstattung <strong>und</strong> Vegetation………………………………………………...30<br />

Avifauna…………………………………………………………………………...32<br />

Entomofauna………………………………………………………………………32<br />

2.3.3 Sozioökonomische Bewertung…………………………………………………….33<br />

2.3.4 Szenarien…………………………………………………………………………..35<br />

Szenario Ist-Verfahren…………………………………………………………….36<br />

Szenario Sukzession……………………………………………………………….37<br />

Fazit der Szenarien………………………………………………………………...38<br />

2.3.5 Rolle der Megaherbivoren bezogen auf Offenlandbiotope………………………..38<br />

3. Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen………………………………………………………40<br />

3.1 Einbettung der <strong>Begründungen</strong> in den umweltethischen Kontext………………………….40<br />

3.2 Die Begriffe Natur <strong>und</strong> Artefakt…………………………………………………………...42<br />

3.3 <strong>Begründungen</strong> von Befürwortern der Ökosystemrenaturierung…………………………...43<br />

3.4 <strong>Begründungen</strong> von Gegnern der Ökosystemrenaturierung………………………………..49<br />

3.5 Auseinandersetzung mit den <strong>Begründungen</strong> von Befürwortern <strong>und</strong> Gegnern der<br />

Ökosystemrenaturierung…………………………………………………………………...53


4. Akteursbefragung………………………………………………………………………...57<br />

4.1 Begründung des quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Forschungsansatzes……………………...57<br />

4.2 Datenerhebung mittels Fragebogen………………………………………………………..58<br />

Form des Fragebogens……………………………………………………………………..58<br />

Entwicklung des Fragebogens……………………………………………………………..59<br />

Wahl der Befragungsteilnehmer…………………………………………………………...60<br />

Durchführung der Befragung………………………………………………………………60<br />

4.3 Datenauswertung…………………………………………………………………………..61<br />

5. Ergebnisse ………………………………………………………………………………...62<br />

5.1 Überblick der Ergebnisse…………………………………………………………………..62<br />

5.2 Einordnung der Ergebnisse in die Kategorien……………………………………………..62<br />

5.2.1 Allgemeine Auffassungen zur Ökosystemrenaturierung………………………….62<br />

5.2.2 Bedeutung der Umweltethik für die Ökosystemrenaturierung…………………....63<br />

5.2.3 Auffassungen zu den umweltethischen <strong>Begründungen</strong> <strong>und</strong> Motiven in der<br />

Ökosystemrenaturierung………..…………………………………………………64<br />

5.2.4 Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e.V. <strong>und</strong> das<br />

Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal……..…………………………….68<br />

6. Diskussion der Ergebnisse……………………………………………………………….73<br />

6.1 Verständnis von Ökosystemrenaturierung…………………………………………………73<br />

6.2 <strong>Umweltethische</strong> Motive……………………………………………………………………76<br />

6.3 Das Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal……………………………………….82<br />

7. Schlussfolgerungen………………………………………………………………………86<br />

8. Zusammenfassung………………………………………………………………………..88<br />

Anhang……………………………………………………………………………………………..90<br />

Fragebogen…………………………………………………………………………………………90<br />

Literaturverzeichnis………………………………………………………………………………94<br />

Ehrenwörtliche Erklärung………………………………………………………………………..99


Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1. Brückenfunktion der Renaturierungsökologie zwischen Ökologie <strong>und</strong> Naturschutz……...17<br />

Abb. 2. Renaturierung von Ökosystemen in Mitteleuropa mit einer Wiederherstellung bzw.<br />

Optimierung der durch Übernutzung beeinträchtigten bzw. verloren gegangenen<br />

Ökosystemleistungen……………………………………………………………………...19<br />

Abb. 3. Luftbild des Wildgeheges Glauer Tal……………………………………………………...30<br />

Abb. 4. Biotopausstattung des Wildgeheges Glauer Tal…………………………………………...31<br />

Abb. 5. Vegetationsentwicklung bei Wildtierbeweidung seit 1998 im Wildgehege…………...…..36<br />

Abb. 6. Vegetationsentwicklung bei Sukzession im Wildgehege…………..……………………...37<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tab. 1. Investitionen für die Einrichtung des Wildgeheges Glauer Tal……………………………34<br />

Tab. 2. Kosten <strong>und</strong> Leistungen des Wildgeheges Glauer Tal im Jahr 2001………………………..35<br />

Tab. 3. Zusammenstellung der quantitativen Ergebnisse der zehn Fragebögen……………………71<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

Abb. Abbildung<br />

Art. Artikel<br />

BbgNatSchG Brandenburgisches Naturschutzgesetz<br />

BJagdG B<strong>und</strong>esjagdgesetz<br />

BNatSchG B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetz<br />

bspw. beispielsweise<br />

BT Befragungsteilnehmer<br />

bzw. beziehungsweise<br />

d.h. das heißt<br />

etc. et cetera<br />

FFH-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie<br />

i.O. im Original<br />

Kap. Kapitel<br />

LFV Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e.V.<br />

LJagdG Bbg Brandenburgisches Landesjagdgesetz<br />

mdl. mündlich<br />

s. siehe<br />

SER Society for Ecological Restoration<br />

Tab. Tabelle<br />

u.a. unter anderem<br />

v.a. vor allem<br />

vgl. vergleiche<br />

z.B. zum Beispiel<br />

zit. zitiert


1. Einleitung<br />

1.1 Hintergr<strong>und</strong><br />

Bei etwa 45% der terrestrischen Landoberfläche war bereits vor mehr als zehn Jahren die Kapazität<br />

für die zukünftige Landnutzung aufgr<strong>und</strong> in der Vergangenheit nicht nachhaltiger<br />

Landbewirtschaftung vermindert (Daily 1995 in Zerbe et al. 2008: Kap. 1.1). Durch die<br />

Übernutzung von Naturressourcen sind derzeit etliche natürliche wie auch durch Kultur<br />

entstandene Ökosysteme <strong>und</strong> Landschaften in ihren Funktionen <strong>und</strong> Leistungen stark beeinträchtigt<br />

oder sogar vollkommen zerstört (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.1). Eines der Kontinente, auf denen die<br />

Ökosysteme am meisten betroffen sind, ist Europa – wegen seiner langen Geschichte der<br />

Industrialisierung, hohen Populationsdichte <strong>und</strong> seinem dadurch starken menschlichen Druck (van<br />

Diggelen 2006: viii). Als Antwort auf die betroffenen Ökosysteme hat sich in den letzten 20 bis 30<br />

Jahren eine völlig neue Form innerhalb des Naturschutzes entwickelt, um den geschilderten Trend<br />

umzuwenden. Anstatt konservierend zu schützen hat Renaturierung das Gegenteil zum Ziel: Natur<br />

zu entwickeln <strong>und</strong> auch „neue“ Natur herzustellen (vgl. van der Heijden 2005: 427). Die<br />

Ökosystemrenaturierung (engl.: ecological restoration) ist somit zu einem wichtigen Bestandteil<br />

der Planungs- <strong>und</strong> Naturschutzpraxis in Mitteleuropa <strong>und</strong> die Renaturierungsökologie (engl.:<br />

restoration ecology) diejenige eigenständige Teildisziplin der Ökologie geworden, welche die<br />

wissenschaftlichen Gr<strong>und</strong>lagen für die Renaturierungspraxis bereitstellt (Zerbe et al. 2008: Kap.<br />

1.1. <strong>und</strong> 1.4).<br />

Die Ökosystemrenaturierung kann inzwischen als eine etablierte Praxis im Bereich des<br />

Naturschutzes gelten (Ott 2008: Kap. 15.1). Sie bezieht sich notwendigerweise auf Ziele <strong>und</strong><br />

Werte, womit sie auch durch eine naturethische Dimension gekennzeichnet ist. Daher hat diese<br />

Praxis die Aufmerksamkeit ebenso von Sozialwissenschaftlern <strong>und</strong> Ethikern auf sich gezogen.<br />

Die vorgelegte Arbeit analysiert ausgewählte kontroverse <strong>Begründungen</strong> verschiedener<br />

Umweltethiker zur Ökosystemrenaturierung. Die Debatte begann im Jahr 1982 mit Robert Elliots<br />

Aufsatz „Faking Nature“ (Elliot 1995), in dem er im Fall zukünftiger Eingriffe ein Einbüßen von<br />

Naturwerten annimmt, selbst wenn sie durch Renaturierung ausgeglichen werden können. Eric<br />

Katz ist der schärfste Kritiker von Ökosystemrenaturierung, der ihr ein technizistisches<br />

Naturverständnis vorwirft <strong>und</strong> meint, dass Renaturierungen nicht möglich, stattdessen eine Form<br />

von Dominanz seien („The Big Lie“ von 1990 bzw. Katz 1997a). Weitere Kritiker sind u.a.<br />

Thomas H. Birch <strong>und</strong> Eugene Hargrove. Die Befürworter einer Renaturierungspraxis wie bspw.<br />

Alastair Gunn, Donald Scherer, C. Mark Cowell <strong>und</strong> Hein-Anton van der Heijden rechtfertigen<br />

auch eine vom Menschen geschaffene (künstliche) Natur als natürlich <strong>und</strong> vollwertig.<br />

9


10<br />

Einleitung<br />

In der vorliegenden Arbeit wird die Relevanz eines Ausschnitts dieser umweltethischen<br />

<strong>Begründungen</strong> für die Renaturierungspraxis anhand eines Beispiels erstmalig beleuchtet. Es<br />

handelt sich um einen ehemaligen Truppenübungsplatz, auf dem ein für Besucher zugängliches<br />

Wildgehege eingerichtet wurde, um Offenlandflächen zu erhalten. Was genau die Motive der<br />

Akteure von Renaturierung sind, ist empirisch wenig belegt <strong>und</strong> konnte bisher nur indirekt aus<br />

Programmen <strong>und</strong> Berichten erschlossen werden (Wiegleb & Lüderitz 2008: Kap. 17.2.3).<br />

1.2 Zielsetzung <strong>und</strong> Leitfragen<br />

Das Ziel der Diplomarbeit ist es, spezifische umweltethische Rechtfertigungen anhand einer<br />

empirischen Untersuchung zu prüfen <strong>und</strong> sie auf ihre praktische Relevanz hin zu analysieren.<br />

Konkreter Gegenstand der Studie ist das Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal im<br />

Landkreis Teltow-Fläming in Brandenburg, anhand dessen Anschauungen <strong>und</strong> Motive bezüglich<br />

Renaturierung ermittelt werden können. Basierend auf den Untersuchungsergebnissen können<br />

Anzeichen zur Bestätigung bzw. Widerlegung der <strong>Begründungen</strong> von Renaturierung ermittelt<br />

werden. Das geschieht, indem vorhandene oder fehlende Wechselbeziehungen zwischen den<br />

eigenen Ergebnissen der Erhebung <strong>und</strong> den Aussagen der Renaturierungsargumentationen<br />

herausgestellt werden. Da eine derartige Untersuchung erstmalig unter Akteuren von Renaturierung<br />

durchgeführt wurde, können keine Vergleiche mit anderen Studien gezogen werden. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> wird die Neuartigkeit von Ökosystemrenaturierung dargestellt. Es soll deutlich<br />

werden, dass die Alleinzuständigkeit der Naturwissenschaften für die Erkenntnis der Natur überholt<br />

ist (Groß 2001: 238). Ökologische Erkenntnisse müssen mit praktischen Erfahrungen, zusätzlich<br />

mit ethischen, politischen, sozialen, ökonomischen <strong>und</strong> kulturellen Aspekten verwoben werden.<br />

In der Arbeit soll drei Leitfragen nachgegangen werden. Das Verständnis von<br />

Ökosystemrenaturierung, auch in Konfrontation mit umweltethischen <strong>Begründungen</strong>, soll deutlich<br />

werden anhand der Leifrage 1:<br />

• Was verstehen die Mitglieder der untersuchten Personengruppe unter<br />

Ökosystemrenaturierung?<br />

Die Auseinandersetzung mit Umweltethik <strong>und</strong> der Hintergr<strong>und</strong> einer möglichen umweltethischen<br />

Motivation für die Renaturierungstätigkeit betrifft Leitfrage 2:<br />

• Lassen sich unter den befragten Akteuren von Ökosystemrenaturierung umweltethische<br />

Motive für ihr Handeln herausstellen?


Die Untersuchung hinsichtlich der Kennzeichnung des Wildgeheges als eine<br />

Renaturierungsmaßnahme behandelt Leitfrage 3:<br />

• Inwieweit ist das untersuchte Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal eine<br />

Renaturierungsmaßnahme?<br />

1.3 Methode<br />

Für die Untersuchung zum praktischen <strong>Akteursverständnis</strong> wurde eine sozialwissenschaftliche<br />

Methode herangezogen. Die für eine schriftliche Befragung entwickelten, standardisierten<br />

Fragebögen sind Sammlungen konkreter Fragen, in denen sämtlichen Personen die gleichen Fragen<br />

in der gleichen Reihenfolge <strong>und</strong> in denen bei geschlossenen Fragen auch die gleichen<br />

Antwortoptionen präsentiert werden (Seipel & Riecker 2003: 146). Fragebögen liegen den<br />

Befragungsteilnehmern vor, sollen von ihnen gelesen <strong>und</strong> beantwortet werden. In Abhängigkeit<br />

von den verwendeten Fragen können sehr kurze Antworten (ein Kreuz, ein Strich, eine<br />

Unterstreichung) oder umfassendere Stellungnahmen (mehrere Worte, Sätze, ganze <strong>Begründungen</strong>)<br />

erhoben werden.<br />

In dieser Arbeit werden verschiedene Ansätze verwendet:<br />

• Darstellung der umweltethischen <strong>Begründungen</strong> zu Renaturierung,<br />

• Sozialwissenschaftliche Datenerhebung,<br />

• Interpretative Ergebnisauswertung.<br />

Es wurden zehn Akteure befragt, die mit dem Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung<br />

e.V., der das Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal betreut, in Verbindung stehen bzw.<br />

standen. Ihnen wurde ein Fragebogen ausgehändigt, der die drei Themenkomplexe<br />

Renaturierungsökologie, Umweltethik sowie Landschafts-Förderverein <strong>und</strong> das<br />

Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal umfasst. Achtzehn Fragebögen wurden postalisch<br />

versandt, während zwei Fragebögen per Email verschickt wurden. Von den Ersteren konnte ein<br />

Rücklauf von acht Fragebögen, von den Letzteren ein vollständiger Rücklauf verzeichnet werden.<br />

Es wurde davon ausgegangen, dass für die Beantwortung eines Fragebogens im Rahmen einer<br />

derartigen Befragung ausreichend Zeit, Konzentration <strong>und</strong> Vertraulichkeit garantiert ist, so dass die<br />

Wahrscheinlichkeit für ehrliche <strong>und</strong> durchdachte Antworten steigt (vgl. Schnell et al. 1999: 336).<br />

1.4 Der Begriff Umweltethik<br />

In Reaktion auf die zunehmenden globalen ökologischen Probleme bildete sich ab den 1970er<br />

Jahren ein neues ethisches Interesse an der Umwelt heraus (Krebs 1997: 337f. <strong>und</strong> Birnbacher<br />

1997: 7). Der daraus entstandene reflexive Teilbereich der anwendungsorientierten Ethik,<br />

11


12<br />

Einleitung<br />

bezeichnet als „Umweltethik“ (etablierte Bezeichnung), „Naturethik“ (korrekter Begriff) oder<br />

„Ökologische Ethik“, befasst sich mit dem moralisch verantwortbaren Umgang des Menschen mit<br />

den unterschiedlichen außermenschlichen Naturwesen (Krebs 1995: 179). Er stellt die<br />

Begründungsdimensionen für die gesellschaftlichen Handlungsbereiche von Umwelt-, Tier- <strong>und</strong><br />

Naturschutz dar.<br />

Innerhalb der Umweltethik können die philosophisch-ethische, die politische <strong>und</strong> die kasuistische<br />

Ebene voneinander unterschieden werden (ebd.). Die geistige Auseinandersetzung auf der<br />

philosophisch-ethischen Ebene führt zu verschiedenen Naturschutzbegründungen, die nachweisen,<br />

an welchen Werten sich das menschliche Handeln in Bezug auf die Natur orientieren sollte. Keine<br />

der Folgerungen aus den Naturschutzbegründungen ist bindend, da sie immer nur nahe liegend<br />

gegenüber ihren Alternativen ist. Sie sind unzureichend, die ökologischen Probleme zu lösen, denn<br />

aus ihnen können keine unmittelbaren Naturschutzziele abgeleitet werden. Sie stellen in der Praxis<br />

aber die nötigen Rechtfertigungen <strong>und</strong> Einsichten bereit, die auf der politischen <strong>und</strong> kasuistischen<br />

Ebene des Einzelfalls diskutiert <strong>und</strong> umgesetzt werden können. Diese Einsichten können quer<br />

verlaufen zu sonstigen Werten in der Kultur. Die Umweltethik ersetzt damit jedoch keine sozialen<br />

<strong>und</strong> aktiven Bewegungen, ohne die sie einem isolierten akademischen Spezialdiskurs entspräche.


2. Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

Ehemalige <strong>und</strong> in Nutzung befindliche Truppenübungsplätze besitzen eine für den Naturschutz<br />

sehr wichtige landschaftsökologische Substanz hoher Qualität <strong>und</strong> Wertigkeit, da sie sich durch<br />

Großflächigkeit, Nährstoffarmut, Biotopvielfalt <strong>und</strong> -qualität, Stadien unterschiedlich<br />

fortgeschrittener Sukzession in engem räumlichen Verb<strong>und</strong> sowie Abgeschiedenheit auszeichnen<br />

(N.N. 1993: 5). Naturschutzfachlich besonders wertvolle Offenbiotope der Truppenübungsplätze<br />

sind Biotoptypen alter Kulturlandschaften wie offene Sandflächen, Trockenrasen,<br />

Zwergstrauchheiden, Ruderalfluren <strong>und</strong> Hutewälder (Prochnow 2001: 129). Entstanden durch<br />

andauernde menschliche Eingriffe unterliegen sie nach Einstellung des Übungsbetriebes raschen<br />

Veränderungen <strong>und</strong> erfordern Managementmaßnahmen, wenn die Landschaft weiterhin offen<br />

gehalten werden soll. Diese Maßnahmen sind Biotopmanagementmaßnahmen, denen im Vorfeld<br />

durch die Entmunitionierung von (Teil-)Flächen eine Renaturierungsmaßnahme vorgeschaltet ist<br />

(Zerbe mdl. 19.2.2008).<br />

Die Ökosystemrenaturierung fördert die Entwicklung bzw. Wiederherstellung eines durch den<br />

Menschen mehr oder weniger stark degradierten bis völlig zerstörten Ökosystems in Richtung auf<br />

einen naturnäheren Zustand (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.4). Damit werden spezifische<br />

Ökosystemleistungen <strong>und</strong> –strukturen vor dem Hintergr<strong>und</strong> aktueller ökologischer,<br />

sozioökonomischer <strong>und</strong> naturschutzfachlicher Rahmenbedingungen wiederhergestellt.<br />

2.1 Der Verb<strong>und</strong> aus Renaturierungsökologie <strong>und</strong><br />

Ökosystemrenaturierung<br />

2.1.1 Historische Entwicklung<br />

Die Renaturierung von Ökosystemen im weitesten Sinne entspricht dem Alter der<br />

Landschaftsnutzung <strong>und</strong> reicht demnach zurück bis in die Jungsteinzeit (Zerbe et al. 2008: Kap.<br />

1.2). Kurzfristig genutzte Ackerflächen, die brachfielen, stellten eine Art der Renaturierung dar. Im<br />

Laufe der Zeit wurden die Brachestadien kürzer <strong>und</strong> verschwanden mit der Intensivierung der<br />

Landwirtschaft völlig aus der mitteleuropäischen Agrarlandschaft. Eines der nachgewiesenen<br />

Renaturierungsprojekte in Mitteleuropa größeren Ausmaßes war die Wiederaufforstung von<br />

übernutzten Wäldern <strong>und</strong> Waldstandorten im Mittelgebirge <strong>und</strong> Tiefland seit dem Ende des 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts. Allerdings basierte diese Form der Ökosystemrenaturierung noch nicht auf<br />

Konzepten <strong>und</strong> Ergebnissen der Renaturierungsökologie als Wissenschaft.<br />

Die Verwissenschaftlichung der Renaturierungsökologie beginnt in den 1980er Jahren (Ott 2008:<br />

Kap. 15.3.2). In dieser Phase herrschte das Bestreben vor, der Renaturierungsökologie den Status<br />

13


14<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

einer Wissenschaft zu übertragen, die im Kreise der biologischen Disziplinen Anerkennung findet.<br />

A. D. Bradshaw spricht von einem „acid test for ecology“ in der Renaturierungspraxis, womit er ihr<br />

Anrecht auf Wissenschaftlichkeit verdeutlichen will (Jordan et al. 1990: 23-29). Wenn die<br />

Renaturierungspraxis Erfolg <strong>und</strong> Effizienz erreichen will, muss sie eine Wissenschaft sein<br />

(Bradshaw 1993). Nach Steve Packard 1 sei Ökosystemrenaturierung die Wissenschaft des<br />

„unkontrollierten Experimentierens“ sowie des „Lernens durch Ausprobieren“, um zwischen<br />

konkurrierenden ökologischen Theorien auszuwählen (Restoration and Management Notes 1988 in<br />

Gross 2002: 28).<br />

Die Entwicklung der Renaturierungsökologie verlief national <strong>und</strong> international verschieden (Zerbe<br />

et al. 2008: Kap. 1.2). In Mitteleuropa begannen erste Renaturierungsvorhaben in den 1980ern,<br />

insbesondere von Fließgewässern <strong>und</strong> Mooren. Daran an schloss sich der ökologische Waldumbau<br />

bzw. die Entwicklung naturnaher Waldökosysteme. Derzeit liegt ein weiterer Fokus auf der<br />

Renaturierung stark gestörter Landschaften wie Bergbaufolgelandschaften, Truppenübungsplätzen<br />

<strong>und</strong> urban-industriellen Ökosystemen.<br />

William R. Jordan, der den Begriff der „Renaturierungsökologie“ prägte, war 1988 Mitbegründer<br />

der international agierenden Gesellschaft für Ökosystemrenaturierung – der Society for Ecological<br />

Restoration, kurz SER (vgl. SER Europe für Europa) (Gross 2002: 28). Die gemeinnützige<br />

Organisation hat inzwischen Mitglieder in 37 Ländern. Ihre offizielle Publikation ist die<br />

wissenschaftlich ausgerichtete Zeitschrift „Restoration Ecology“, von der 1993 die erste Ausgabe<br />

erschien. Ab dem Jahr 2001 sind darin erste Artikel zu lesen, die als „Hilferufe“ der akademischen<br />

Seite bezüglich der Einbindung des kulturellen <strong>und</strong> sozialen Hintergr<strong>und</strong>es in<br />

Renaturierungsprojekte gedeutet werden können. Darüber hinaus werden weitere internationale<br />

wissenschaftliche wie auch eher praxisorientierte Zeitschriften zum Thema<br />

Ökosystemrenaturierung bzw. Renaturierungsökologie (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.2) <strong>und</strong> für<br />

regionale sowie ortspezifische Renaturierungsvorhaben seit 2002 etliche Handbücher<br />

veröffentlicht.<br />

In Deutschland existieren hingegen keine eigenständigen wissenschaftlichen Gesellschaften <strong>und</strong><br />

Zeitschriften (ebd.). Im Jahr 1997 wurde allerdings in der Gesellschaft für Ökologie der<br />

Arbeitskreis „Renaturierungsökologie“ eingerichtet, der jährlich stattfindet. Ebenso wenig gibt es<br />

hierzulande bislang keine eigenständigen Studiengänge zur Renaturierungsökologie, obwohl das<br />

Arbeitsfeld schon fester Bestandteil der Lehre innerhalb der Biologie, Ökologie,<br />

Landschaftsökologie, Landschaftsplanung <strong>und</strong> des Umweltmanagements an zahlreichen<br />

Universitäten <strong>und</strong> Fachhochschulen geworden ist.<br />

1 Packard leitete 1977 in den USA das erste Renaturierungsprojekt unter der ausschließlichen Teilnahme von<br />

Laien – Freiwilligen <strong>und</strong> betroffenen Einwohnern.


Charakteristisch in Deutschland ist, dass Planungen von Maßnahmen, die der Renaturierung<br />

zuzuordnen sind, bereits seit 1985 in die Honorarordnung für Architekten <strong>und</strong> Ingenieure (HOAI)<br />

einbezogen werden (ebd.). Darin bezieht sich das entsprechende Leistungsbild auf die<br />

„Festlegungen von Pflege- <strong>und</strong> Entwicklung (Biotopmanagement) von Schutzgebieten oder<br />

schützenswerten Landschaftsteilen“ (HOAI 1996: § 49c (1) in ebd.). Diese Situation ermöglichte es<br />

planungsorientierten Praktikern, ihr Arbeitsfeld auf die Renaturierungsökologie auszuweiten, noch<br />

bevor sich diese als eigenständige Disziplin etablieren konnte. Mit der Durchführung von<br />

Renaturierungsmaßnahmen im Rahmen der Kompensation von Eingriffen in Ökosysteme <strong>und</strong><br />

Landschaften ist eine Praxis weitgehend unabhängig von der Wissenschaft entstanden, wobei<br />

manche Anregungen für die Forschung geliefert werden (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.2). Für viele<br />

Behörden ergibt sich die Verpflichtung der Beteiligung an einem konkreten Renaturierungsprojekt<br />

aus einschlägigen Gesetzen <strong>und</strong> Planungsrichtlinien des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder (s. Kasten unten)<br />

(Wiegleb & Lüderitz 2008: Kap. 17.2.3). Der Gesetzgebung obliegen die Umweltvorsorge sowie<br />

der Ausgleich <strong>und</strong> die Verminderung von Schädigungen. Die Entwicklung von ökologischen<br />

Systemen im Sinne gesellschaftlich akzeptierter Ziele des Naturschutzes <strong>und</strong> der<br />

Landschaftsplanung sollen gelenkt, beschleunigt bzw. zielgerichtet eingeleitet werden. Die<br />

Behörden sind daher in erster Linie auf die pflichtgemäße Umsetzung von Rechtsnormen<br />

ausgerichtet.<br />

§ 2, Abs. 1 (7) BNatSchG:<br />

Beim Aufsuchen <strong>und</strong> bei der Gewinnung von Bodenschätzen, bei Abgrabungen <strong>und</strong><br />

Aufschüttungen sind dauernde Schäden des Naturhaushalts <strong>und</strong> Zerstörungen wertvoller<br />

Landschaftsteile zu vermeiden. Unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur <strong>und</strong> Landschaft sind<br />

insbesondere durch Förderung natürlicher Sukzession, Renaturierung, naturnahe Gestaltung,<br />

Wiedernutzbarmachung oder Rekultivierung auszugleichen oder zu mindern.<br />

Mit Natura 2000 wird eine wichtige legale Basis <strong>und</strong> ein wichtiger Impuls zur Renaturierung<br />

bereitgestellt (Ernst Moritz Arndt University Greifswald 2006: 21). Die im Jahr 1992 beschlossene<br />

Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie, <strong>und</strong> die Vogelschutz-Richtlinie werden von<br />

den EU-Ländern durch die Zuweisung spezieller Schutzgebiete implementiert, welche gemeinsam<br />

das zusammenhängende Natura 2000-Netz bilden.<br />

International liegt ein starker Trend zur Professionalisierung der Renaturierungsökologie vor<br />

(Zerbe et al. 2008: Kap. 1.2). Eine national wie auch international bestehende Schwierigkeit liegt<br />

darin, dass es gewöhnlich lange dauert, bis der aktuelle Kenntnisstand der Ökologie Eingang in die<br />

Praxis, z.B. den Naturschutz, findet.<br />

15


16<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

2.1.2 Abgrenzung des Verb<strong>und</strong>es von Naturschutz <strong>und</strong> Ökologie<br />

Naturschutz wurde ursprünglich in Deutschland als Erhaltung (Konservierung) aufgefasst (Zerbe et<br />

al. 2008: Kap. 1.5). Gemäß dem B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetz (BNatSchG) kann er abwehrend (z.B.<br />

Vermeidungsgebot), bewahrend (z.B. durch Schutzgebietsausweisung) oder entwickelnd (mit<br />

vielfältigen Instrumenten) durchgeführt werden. Zum entwickelnden Naturschutz ist<br />

Ökosystemrenaturierung zu zählen (Brux et al. 2001: 15).<br />

Es gibt keine gängige Definition für Naturschutz (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.5). Die Welt-<br />

Naturschutz-Organisation (IUCN 2000 in ebd.) erklärt zwar eine Vielzahl von Naturgütern wie<br />

Arten, Habitate, Ökosysteme <strong>und</strong> ökologische Prozesse zu Schutzgütern, lässt aber ungeklärt, unter<br />

welchen Zielvorgaben mit ihnen umgegangen werden soll. Naturschutzziele sind untereinander<br />

weder logisch noch kausal verknüpft, was problematisch ist. Fest steht jedoch, dass, im<br />

Unterschied zur wissenschaftlich betriebenen Ökologie, Naturschutz einen Bereich darstellt, der<br />

wesentlich von ehrenamtlichem Engagement geprägt wurde. Die emotionalen Motive seiner<br />

Akteure sind sehr bedeutsam. Naturschutz ist daher ein sozial motiviertes Phänomen.<br />

Zur Anwendung ökologischer Erkenntnisse bedarf es im Naturschutz normativer Elemente (Ziele,<br />

Werte, Normen u.a.), welche die Ökologie als wertfreie Wissenschaft nicht bereitstellen kann<br />

(Jessel 1996 <strong>und</strong> Haaren et al. 2001 in Brux et al. 2001: 7). Verschiedene Disziplinen haben sich<br />

entwickelt, die diese Trennung zu durchbrechen versuchen, darunter Renaturierungsökologie. In<br />

der Renaturierungsökologie werden auch planungstheoretische, rechtliche <strong>und</strong> sozioökonomische<br />

Aspekte einbezogen, welche die Einbindung von ökologischem Fachwissen in gesellschaftliche<br />

Entscheidungsprozesse beeinflussen (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.5). Aus den Leitbildern<br />

„Nachhaltigkeit“, „Erhaltung der Tragekapazität“ <strong>und</strong> „Ressourcenschonung“ kann ein<br />

gewissermaßen moralischer Anspruch auf die Wiederherstellung zerstörter Habitate begründet<br />

hergeleitet werden.<br />

Die Abbildung 1 veranschaulicht die essentielle Brückenfunktion der Renaturierungsökologie<br />

zwischen der Wissenschaft (der Ökologie <strong>und</strong> ihrer Teildisziplinen) sowie der Praxis (dem<br />

Naturschutz <strong>und</strong> der Planung) (ebd.). Auf Gr<strong>und</strong> dessen ist Renaturierung mehr als „angewandte<br />

Ökologie“, sondern beinhaltet diverse praktische Ebenen, die auch normative Tatsachen<br />

berücksichtigen <strong>und</strong> den Arbeitsfeldern der Landschaftsplanung <strong>und</strong> der guten<br />

naturschutzfachlichen Praxis entsprechen. Insofern offeriert die Renaturierungsökologie das zur<br />

Planung nötige Wissen um ökologische Zusammenhänge, da die Wiederherstellung von zerstörten<br />

<strong>und</strong> die Entwicklung von gestörten Systemen ohne Kenntnis ökosystemarer Funktionen nicht oder<br />

erschwert zu erreichen ist. Sie erforscht Schlüsselkonzepte der Ökologie wie bspw. Sukzession,<br />

Störung oder Diversität <strong>und</strong> macht sie für die Anwendung in Naturschutz <strong>und</strong> Landschaftsplanung<br />

nutzbar (ebd.: Kap. 1.6), weshalb Ökosystemrenaturierung zielgerichtet arbeitet. Daher<br />

repräsentiert Renaturierungsökologie ein Bindeglied zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> den normativen


Ansprüchen der Gesellschaft an den Umgang mit anthropogen veränderten Systemen. Zudem<br />

begleitet Renaturierungsökologie eine bestimmte Renaturierung fach-ökologisch. Sie vermag zu<br />

allen Schritten einer Naturschutzfachplanung wie Leitbildentwicklung, Bestandsaufnahme,<br />

Bewertung, Entscheidungsfindung, Maßnahmenplanung <strong>und</strong> -durchführung, Ablaufsteuerung<br />

sowie Erfolgskontrolle einen Beitrag zu leisten.<br />

Abb. 1. Brückenfunktion der Renaturierungsökologie zwischen Ökologie <strong>und</strong> Naturschutz (Zerbe<br />

et al. 2008: Kap. 1.5).<br />

2.1.3 Motivation für Renaturierung<br />

James Aronson & Jelte van Andel fassen die drei wesentlichen Gründe für Renaturierung<br />

zusammen: den Erhalt der einheimischen Biodiversität, den Erhalt oder die Verbesserung von<br />

nachhaltiger ökonomischer Produktivität <strong>und</strong> den Schutz – oder die Zunahme – unseres<br />

Naturkapitalbestandes (2006: 224).<br />

Der erste Gr<strong>und</strong> ist vor allem durch die inhärenten, angeborenen Werte gerechtfertigt, die sich auf<br />

Biodiversität beziehen (ebd.). Diese verlangt Respekt, Verwalterschaft (Stewardship) <strong>und</strong><br />

schlichtweg den Schutz durch uns. Biodiversität ist kein echter ökologischer Fachbegriff (Brux et<br />

al. 2001: 7). Er wurde im Jahr 1986 erf<strong>und</strong>en, um die sozioökonomischen Rahmenbedingungen<br />

<strong>und</strong> Konsequenzen des Erhalts der Artenvielfalt in einen umfassenden Ansatz einbinden zu können<br />

(Eser 2001 in ebd.). Biodiversität involviert die Artenvielfalt, genetische Vielfalt innerhalb<br />

einzelner Arten sowie die Vielfalt von Ökosystemen <strong>und</strong> ist somit wesentlich für die<br />

17


18<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

Funktionsfähigkeit von Ökosystemen. Diese Definition stammt aus dem Art. 2 CBD, der<br />

Biodiversitäts-Konvention, die im Jahr 1992 in Rio de Janeiro ausgehandelt <strong>und</strong> inzwischen von<br />

168 Staaten <strong>und</strong> der Europäischen Union unterzeichnet wurde.<br />

Der zweite Gr<strong>und</strong> kann ohne Weiteres insbesondere auf Teile Afrikas, Asiens <strong>und</strong> Lateinamerikas<br />

bezogen werden, in denen die Menschen direkt vom Land <strong>und</strong> seinem Naturkapital abhängig sind<br />

(Aronson & van Andel 2006: 224f.). Hier zählt weniger Biodiversität an sich, sondern<br />

menschliches Wohlergehen <strong>und</strong> eine ökonomische Lebensgr<strong>und</strong>lage. Die Ökosystemrenaturierung<br />

ist erst dann vertretbar, wenn sie die ökologische Basis für das Überleben der Menschen unterstützt<br />

(SER 2004: 2). Die Industrieländer (Mitteleuropas) sind allerdings auf die Biodiversität des Südens<br />

angewiesen, weshalb dieser Gr<strong>und</strong> zur Renaturierung zunehmend an Bedeutung für sie gewinnt.<br />

Der dritte Gr<strong>und</strong> ist der wichtigste <strong>und</strong> die Kombination aus den beiden vorangegangenen<br />

Gründen. Naturkapital stellt Ökosystemgüter <strong>und</strong> –leistungen bereit, die uns <strong>und</strong> allen anderen<br />

Arten derart zugute kommen, dass wir sie nicht geldlich bemessen bzw. bewerten können.<br />

„Naturkapital“ ist der Oberbegriff für eine Pluralität miteinander verknüpfter, heterogener<br />

Bestände, die verschiedene Funktionen <strong>und</strong> Leistungen erbringen, z.B. globale Stoffkreisläufe,<br />

Kulturlandschaften oder Umweltmedien wie Luft, Wasser <strong>und</strong> Boden (Ott & Döring 2004: 176,<br />

148).<br />

Motive können demzufolge die Wiedernutzbarmachung, die nachhaltige Wiederherstellung der<br />

Leistungsfähigkeit bzw. Produktivität von Ökosystemen für den sozialen Wohlstand, der abiotische<br />

Ressourcenschutz <strong>und</strong> der allgemeine Natur- <strong>und</strong> Umweltschutz sein (u.a. SER 2004: 4). Daneben<br />

schließt Ökosystemrenaturierung ästhetische Annehmlichkeiten <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> der Partizipation<br />

Einzelner in einem Renaturierungsprojekt die Stärkung sozialer Netze ein.<br />

Die Erhaltung oder Entwicklung von Biodiversität wird von Stefan Zerbe & Daria Kreyer<br />

hervorgehoben (2006: 103). Biodiversität kann nicht anhand einer einzigen Zahl die Vielfalt von<br />

Leben einfangen, anstelle dessen gibt es verschiedene messbare Parameter, die als Behelf dienen.<br />

Das können Anzahl der Arten, bestimmte Arten oder Artengruppen wie Indikator- <strong>und</strong><br />

Schlüsselarten, Zielarten, seltene oder gefährdete Arten, Vorzeigearten, Artenreichtum <strong>und</strong><br />

funktionelle Gruppen (kurzlebige Baumarten sowie exotische Arten) sein.<br />

2.1.4 Unterschiedliche Zielvorstellungen <strong>und</strong> Ziele<br />

Ziele in der Renaturierung können Bezug nehmen auf historische Referenzzustände, Artenspektren,<br />

Resilienzfaktoren, Landschaftsbilder, ökologische Funktionen <strong>und</strong> Leistungen sowie den<br />

Hemerobiegrad – den Grad des Kultureinflusses (Ott 2008: Kap. 15.4.3). Die Wiederherstellung<br />

von Ökosystemleistungen wird dabei für wesentlich erachtet (Abb. 2) (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.4).<br />

Insofern bedeutet das Präfix „Re-“ nicht gleichermaßen „zurück“ zum ursprünglichen Zustand.


Abb. 2. Renaturierung von Ökosystemen in Mitteleuropa mit einer Wiederherstellung bzw.<br />

Optimierung der durch Übernutzung beeinträchtigten bzw. verloren gegangenen<br />

Ökosystemleistungen (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.4).<br />

Ökologen <strong>und</strong> Planer haben eine Mannigfaltigkeit an Konzepten entwickelt, die sich durch<br />

verschiedene Zielvorstellungen <strong>und</strong> Maßnahmen auszeichnen (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.3).<br />

Unterscheidungsmerkmale sind insbesondere Vollständigkeit, Wahrscheinlichkeit <strong>und</strong> Zeithorizont<br />

der Wiederherstellung bestimmter Zustände, sowie der Umfang des Gebrauchs technischer Mittel.<br />

Nachfolgend wird ein Ausschnitt der Konzepte der Renaturierung mit ihren Zielvorstellungen<br />

präsentiert:<br />

bestimmte Ökosystemleistungen<br />

Extensivierung: schließt die Verringerung der Intensität der Landnutzung ein, womit der<br />

unmittelbare Bezug zur Renaturierung im engeren Sinne (s. unten) gegeben ist (z.B.<br />

Grünlandextensivierung).<br />

natürliche bis naturnahe<br />

Ökosysteme<br />

der Natur- bzw.<br />

Kulturlandschaft<br />

Mitteleuropas<br />

Übernutzung<br />

Rehabilitation: beschreibt die Wiederherstellung von bestimmten Ökosystemfunktionen bzw. -<br />

leistungen gemäß einem historischen Referenzzustand (z.B. Wiedervernässung eines degradierten<br />

Hochmoores, Wiederherstellung der Fließgewässerdynamik).<br />

Rekonstruktion: bedeutet die aktive Wiederherstellung eines spezifischen Zustandes zumeist mit<br />

technischen Mitteln bzw. Maßnahmen.<br />

mehr oder<br />

weniger stark<br />

degradierte<br />

Ökosysteme<br />

Zeit<br />

Renaturierung<br />

weitere<br />

Degradation<br />

erfolglose<br />

Renaturierung<br />

19


20<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

Rekultivierung: hat die Wiedernutzbarmachung, d.h. die Rückführung in einen nutzbaren Zustand<br />

nach ausgesprochen intensiver Nutzung oder nach Zerstörung zum Ziel (vor allem nach Gesteins-<br />

bzw. Bodenabbau).<br />

Renaturierung im engeren Sinne: meint das Erreichen eines naturnäheren Zustandes, d.h. eines<br />

Zustandes geringerer Nutzungs- bzw. Eingriffsintensität. Bei Unterlassung der Nutzung ist dies<br />

verb<strong>und</strong>en mit dem Gewähren der natürlichen Sukzession. Dabei ist der Begriff „Nutzung“ sehr<br />

weit gefasst <strong>und</strong> beinhaltet menschliche Einwirkungen aller Art. Dies erlaubt eine allmähliche<br />

Annäherung an ein gefasstes Umweltziel (z.B. naturnaher Waldumbau).<br />

Restauration: bezeichnet die Rückführung in den ursprünglichen, eindeutig historischen Zustand<br />

mit diversen, meist technischen Maßnahmen (z.B. bei Mooren).<br />

Revitalisierung: beinhaltet die Wiederherstellung von erwünschten abiotischen<br />

Umweltbedingungen als Voraussetzung für die Ansiedlung standorttypischer<br />

Lebensgemeinschaften (z.B. Auen- <strong>und</strong> Moorrevitalisierung).<br />

In Bezug auf die zu entwickelnden Ökosysteme bzw. Landschaftselemente verfolgt die<br />

Ökosystemrenaturierung verschiedene Ziele, wobei zwischen folgenden unterschieden werden<br />

kann (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.4):<br />

• der (annähernden) (Wieder-)Herstellung von Ökosystemen bzw.<br />

Landschaftselementen der Naturlandschaft, bspw. von Fließgewässern, Seen, Hoch- <strong>und</strong><br />

Niedermooren, Salzrasen <strong>und</strong> Wäldern. Dies wird durch die Beendigung oder Verringerung<br />

von Nutzungen <strong>und</strong> gegebenenfalls durch initiale Eingriffe erreicht.<br />

• der (Wieder-)Herstellung von Ökosystemen bzw. Landschaftselementen der (historischen)<br />

Kulturlandschaft, z.B. Feuchtgrünland, Heiden <strong>und</strong> Trockenrasen. Diese Ziele können auf<br />

unterschiedliche Weise erlangt werden: durch die Wiedereinführung historischer<br />

Nutzungsarten bzw. deren Simulation oder durch die Änderung der gegenwärtigen<br />

Nutzung.<br />

• der Herstellung von „irgendeinem akzeptablen“ Zustand von Ökosystemen bzw.<br />

Landschaftselementen in stark gestörten Landschaften bzw. Landschaftsteilen. Dies ist z.B.<br />

in den Fällen gegeben, bei denen es zu beträchtlichen Bodenveränderungen kam wie es auf<br />

Bergbaugebiete, Steinbrüche oder mit Munition belastete Böden zutrifft. Es wird ein<br />

„neues Ökosystem“ geschaffen, das nie zuvor an der Stelle existiert hat – ein so genanntes<br />

„emerging ecosystem“. Es geht v.a. um die Beseitigung offensichtlicher Schäden über<br />

Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung oder Naturentwicklung.<br />

Das Ziel von Renaturierungen ist es insofern, Abweichungen vom natürlichen bzw. naturnahen,<br />

halbnatürlichen oder kulturhistorisch wertvollen Zustand (so genannte „Denaturierungen“)


teilweise oder ganz rückgängig zu machen (ebd.). Es können aber auch an der Stelle zerstörter<br />

Systeme neue, sich mehr oder weniger selbst regulierende <strong>und</strong> der früheren Kulturlandschaft<br />

entsprechende oder auch nicht entsprechende Systeme etabliert werden.<br />

Kennzeichnend für die Ökosystemrenaturierung ist die Festsetzung von Referenzzuständen, aus<br />

denen die Renaturierungsziele hergeleitet werden <strong>und</strong> die genauso für die Beurteilung des<br />

Renaturierungserfolges bedeutsam sind (ebd.). Sie können hypothetisch konstruiert sein (bspw. die<br />

potenziell natürliche Vegetation nach dem Konzept Tüxens 1956) oder sie sind in der<br />

mitteleuropäischen Kulturlandschaft existent. Die Festlegung von angemessenen<br />

Referenzzuständen bzw. –kriterien bei der Renaturierungspraxis stellt eine Schwierigkeit dar.<br />

Problematisch ist, dass es nur noch fragmentierte oder Reste von Landschaften in Mitteleuropa<br />

gibt, die als Referenz dienen sollen. Eine Alternative oder Ergänzung zur Idee der realen,<br />

existierenden Referenzgebiete – im Fall, wo es keine historische Referenz mehr gibt, so wie es oft<br />

für Mitteleuropa zutrifft – wird vorgestellt vom SER (2004), worauf im Folgenden eingegangen<br />

wird.<br />

2.1.5 Merkmale einer erfolgreichen Renaturierung<br />

Eine gute Renaturierung muss technische, historische, politische, soziale, kulturelle <strong>und</strong> ästhetische<br />

Komponenten umfassen, um eine Aussicht auf nachhaltigen Erfolg bereitzustellen (Harris & van<br />

Diggelen 2006: 4). Das Thema Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt bei<br />

Renaturierungsbemühungen. Ein bloßes technisches Programm durchzuführen, das z.B. die<br />

Anpflanzung von Bäumen oder Wiedereinführung von Arten beinhaltet, ist auf lange Sicht<br />

unwirksam, wenn es nicht gleichfalls den gesellschaftlichen Hintergr<strong>und</strong> berücksichtigt.<br />

Für eine erfolgreiche Renaturierung müssen ihre Ziele naturethisch gerechtfertigt, partizipativ<br />

ausgehandelt <strong>und</strong> diskursiv festgelegt werden (Eser & Potthast 1997 in Ott 2008: Kap. 15.4.3).<br />

Entschieden werden muss über den Zieltyp wie historische oder moderne Referenzsysteme,<br />

funktionale Ziele <strong>und</strong> Ökosystemleistungen für gesellschaftliche Ziele (Harris & van Diggelen<br />

2006: 12-14). Bevor die Gesellschaft die Ziele einer Renaturierung nicht anerkennt, wird diese<br />

nicht unternommen. Sie können begründet werden mit einer zunehmenden Artendiversität, mit<br />

verlorenen oder „beeinträchtigten“ ökosystemaren Funktionen, mit kulturell <strong>und</strong>/ oder ästhetisch<br />

ansprechenden Landschaftsbildern, mit der Wiederansiedlung verdrängter Arten etc. (Ott 2008:<br />

Kap. 15.4.3). Enthalten sind Begründungsmuster im Argumentationsraum der Umweltethik, der im<br />

Kapitel 3.1 vorgestellt wird (Ott 1993: Kap. IV, Krebs 1999, vgl. Scherer 1995: 379 <strong>und</strong> Clewell &<br />

Aronson 2006 in ebd.). Bei derart unternommenen Renaturierungen entstehen so genannte<br />

„sozioökologische Systeme“ (Aronson & van Andel 2006: 229f.).<br />

Rein ökologisch betrachtet ist Ökosystemrenaturierung erfolgreich verlaufen, wenn das renaturierte<br />

System genügend biotische <strong>und</strong> abiotische Ressourcen enthält, um seine Entwicklung ohne weitere<br />

21


22<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

„Unterstützung“ fortzusetzen (SER 2004: 3f.). Die nachfolgend aufgeführten Merkmale bilden die<br />

Gr<strong>und</strong>lage für eine solche Bestimmung, wobei nicht alle zusammengenommen essentiell sind:<br />

1. Das renaturierte Ökosystem enthält die charakteristische Artenzusammensetzung <strong>und</strong><br />

Struktur, welche im Referenzsystem auftreten.<br />

2. Nach der Renaturierung kommen im Ökosystem einheimische Arten im größten umsetzbaren<br />

Ausmaß vor. In renaturierten kulturellen Ökosystemen können auch exotische domestizierte<br />

Arten zugelassen werden.<br />

3. Alle für die weitere Entwicklung bzw. die Stabilität des renaturierten Ökosystems nötigen<br />

funktionellen Gruppen sind vorhanden. Ist das nicht der Fall, haben die fehlenden Gruppen<br />

das Potenzial, sich natürlicherweise anzusiedeln.<br />

4. Die abiotischen Umweltbedingungen des renaturierten Ökosystems gewähren die beständige<br />

Reproduktion der Zielpopulationen (vgl. Punkt 1 bis 3).<br />

5. Die erwünschten Ökosystemfunktionen sind wiederhergestellt.<br />

6. Das renaturierte Ökosystem fügt sich durch biotische <strong>und</strong> abiotische Interaktionen in die<br />

umgebenden Ökosysteme bzw. die umgebende Landschaft ein.<br />

7. Potenzielle negative Einwirkungen, die von außen das renaturierte Ökosystem beeinflussen<br />

<strong>und</strong> den Renaturierungserfolg behindern könnten, wurden beseitigt oder weitestgehend<br />

reduziert.<br />

8. Das renaturierte Ökosystem ist ausreichend resilient, um auf natürliche Einflüsse der lokalen<br />

Umwelt zu reagieren. Das zu seinem Erhalt durchgeführte Management beeinträchtigt<br />

genauso wenig die charakteristische Artenzusammensetzung <strong>und</strong> Struktur.<br />

9. Genauso wie sein Referenzsystem besitzt das renaturierte Ökosystem das Potenzial, unter den<br />

gegebenen Umweltbedingungen auf unbestimmte Zeit fortzubestehen. Wie in intakten<br />

Ökosystemen können sich trotzdem Aspekte seiner Biodiversität, Struktur <strong>und</strong> Funktion als<br />

Teil einer normalen Ökosystementwicklung ändern <strong>und</strong> können als Antwort auf normalen<br />

periodischen Stress <strong>und</strong> größere Störungsereignisse schwanken.<br />

2.2 Truppenübungsplätze<br />

2.2.1 Bedeutung für den Naturschutz<br />

Die herausragende ökologische Rolle von ehemaligen <strong>und</strong> in Nutzung befindlichen<br />

Truppenübungsplätzen hat im Einzelnen die nachfolgenden Gründe.


Die meisten Truppenübungsplätze sind durch Großflächigkeit gekennzeichnet (N.N. 1993: 5, 7f.).<br />

Es kann sich um bis zu 30.000 ha (Bergen in Niedersachsen) umfassende, unzerschnittene<br />

Landschaftsteile handeln, die das Potenzial für eine weiträumige Naturentwicklung in sich tragen.<br />

Das Nichtvorhandensein von in der Regel intensiver Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft <strong>und</strong> die fehlende<br />

Erschließung für den Verkehr bewahrte weitgehend naturnahe Landschaften (ebd.: 8). Aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Verteilung über die verschiedenen geografischen Regionen hinweg stellen die großen<br />

Truppenübungsplätze in Ausschnitten das biologische Inventar unterschiedlicher Naturräume dar<br />

<strong>und</strong> repräsentieren daher den unersetzlichen Gr<strong>und</strong>stock eines Schutzgebietssystems (Natura 2000).<br />

Etliche Truppenübungsplätze zählen zu den nährstoffarm gebliebenen Offenlandschaften, da sie<br />

vor der Periode der Intensivierung der Landnutzung zumeist auf den ertragsschwächeren oder<br />

schlecht zu bewirtschaftenden Standorten eingerichtet wurden (ebd.). Diese Standorte sind bspw.<br />

Sander, Talsandgebiete, Dünenfelder, Moore <strong>und</strong> ertragsarme Gebiete in Mittelgebirgen.<br />

Eine Vielzahl an extrem seltenen Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten existiert auf Truppenübungsplätzen (ebd.:<br />

8f.). Ausschlaggebend sind die noch intakten Nahrungsketten <strong>und</strong> die Landschaftsstrukturen,<br />

welche von Pestiziden <strong>und</strong> Düngung weitgehend verschont wurden.<br />

Durch die verhältnismäßige Abgeschiedenheit <strong>und</strong> gleichzeitige Großflächigkeit militärischer<br />

Sperrgebiete bestehen wertvolle Rückzugsräume für hochgradig gefährdete <strong>und</strong> hochspezialisierte<br />

Arten der meso- bis oligotraphenten Lebensgemeinschaften (ebd. <strong>und</strong> Konold et al. 2004: 311).<br />

Truppenübungsplätze zeichnen sich durch eine einzigartige mosaikartige Verteilung mannigfaltiger<br />

Stadien unterschiedlich fortgeschrittener Sukzession <strong>und</strong> eine anhaltende Dynamik aus (Konold et<br />

al. 2004: 311). Ihr Wert liegt vor allem im Strukturreichtum.<br />

Die durch militärische Nutzung entstandenen Offenlandschaften auf Truppenübungsplätzen haben<br />

im Gegensatz zu bewaldeten Flächen geringere Verdunstungsraten <strong>und</strong> außergewöhnliche<br />

Versickerungsraten des Niederschlagswassers, wodurch Gr<strong>und</strong>wasser neu gebildet werden kann<br />

(N.N. 1993: 9).<br />

Der Übungsbetrieb spielt eine Rolle insbesondere bei der Erhaltung von offenen Flächen bis hin zu<br />

bloßem Sand <strong>und</strong> extremer Aushagerung (Konold et al. 2004: 295f.). Dabei ist die Wirkung von<br />

Rad- <strong>und</strong> Kettenfahrzeugen sowie Schießübungen mit Einschlägen, Detonationen <strong>und</strong> Bränden<br />

herauszustellen. Die Etablierung von Gehölzen wird verhindert, die Vegetation auf bewaldeten<br />

Flächen zerstört <strong>und</strong> der Sukzession Einhalt geboten (Burkart et al. 2004: 5f.). Silbergras<br />

(Corynephorus canescens) ist die auf den meisten Flächen wichtigste Pionierpflanze, denn sie<br />

verträgt viel Sandbewegung. Nach Aufgabe der militärischen Nutzung bleiben die meisten der<br />

genannten Faktoren aus, was sich auf die Lebensräume mitsamt ihrer Artenausstattung<br />

mannigfaltig auswirkt (Konold et al. 2004: 296).<br />

23


24<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

In den dicht besiedelten <strong>und</strong> intensiv genutzten Landschaftsräumen Mitteleuropas wird es immer<br />

schwieriger, großflächige Gebiete dem Naturschutz anzueignen (N.N. 1993: 7). Aufgr<strong>und</strong> dessen<br />

gehören Erhalt <strong>und</strong> Sicherung von Naturschutzbelangen auf Truppenübungsplätzen zu den derzeit<br />

wichtigsten Aufgaben des Naturschutzes in Deutschland.<br />

2.2.2 Situation in den alten <strong>und</strong> neuen B<strong>und</strong>esländern unter besonderer<br />

Berücksichtigung von Brandenburg<br />

Während der Flächenanteil der Truppenübungsplätze in den alten B<strong>und</strong>esländern nur 1,6% der<br />

Landesfläche beträgt, beläuft er sich in den neuen B<strong>und</strong>esländern auf 4,4% (N.N. 1993: 5, 7).<br />

Brandenburg ist aufgr<strong>und</strong> seiner Standortvoraussetzungen mit 6,3% der Landesfläche das am<br />

meisten mit militärischen Hinterlassenschaften behaftete deutsche B<strong>und</strong>esland. Es werden cirka<br />

82.000 ha als Übungsgelände aufgegeben. Die für den Naturschutz bedeutsame Gesamtfläche wird<br />

auf 30.000 ha geschätzt (Beutler 1992: 13).<br />

Ein großer Anteil der typischen Biotope offener Sandlebensräume des Binnenlandes gilt im<br />

europäischen Maßstab als gefährdet (Ssymank et al. 1998 in Burkart et al. 2004: 16). Die Situation<br />

ist in den neuen B<strong>und</strong>esländern weniger angespannt wegen der Truppenübungsplätze, die<br />

hochdynamische Biotoptypen von hohem naturschutzfachlichen Wert enthalten. Allerdings hat hier<br />

eine großflächige Sukzession eingesetzt <strong>und</strong> verwandelt Offenland in Wald. Pioniergehölze wie<br />

Hänge-Birke (Betula pendula) <strong>und</strong> Wald-Kiefer (Pinus sylvestris) können innerhalb weniger Jahre<br />

die Umwandlung von Offenland in Wald einleiten, wo ihre Samen auf unbedeckten Boden treffen<br />

(Burkart et al. 2004: 3).<br />

Viele der ehemaligen Truppenübungsplätze Brandenburgs zeichnen sich durch eine besonders<br />

große Fläche aus (Brunk et al. 2001: 144). Während die hervortretende Relevanz dieser Flächen für<br />

den Naturschutz unterstrichen wird, klaffen bezüglich der Nachnutzung die Zielvorstellungen<br />

selbst unter Naturschützern weit auseinander. Im Spannungsfeld zwischen dynamischen Ansätzen<br />

wie dem Prozessschutz <strong>und</strong> eher statischen Konzepten wie der traditionellen Pflege von<br />

Landschaften steht die Frage nach den Kosten <strong>und</strong> dem Nutzen des „Eingreifens“ oder<br />

„Unterlassens“. Durch die Verknüpfung naturschutzfachlicher, ökonomischer <strong>und</strong> soziologischer<br />

Ansätze soll eine Entscheidungsfindung erleichtert werden.<br />

Bei den betroffenen Flächen in Brandenburg <strong>und</strong> generell in den neuen B<strong>und</strong>esländern sind die<br />

Opportunitätskosten 2 für nicht naturschutzfachliche Nutzungen in der .Regel sehr niedrig (Konold<br />

et al. 2004: 307). Land- <strong>und</strong> forstwirtschaftliche Nutzungen sind aufgr<strong>und</strong> der Munitionsbelastung<br />

2 Opportunitätskosten werden auch Verzichtskosten genannt. Das sind entgangene Erlöse, die dadurch<br />

entstehen, dass vorhandene Möglichkeiten (Opportunitäten) zur Nutzung von Ressourcen nicht<br />

wahrgenommen werden.


mit einem Anteil von 60 bis 70% der Flächen (Miethke et al. 1999: 1293) <strong>und</strong> der Kargheit der<br />

Böden weitgehend betriebswirtschaftlich uninteressant. Dagegen ist die Nutzung als Schutzgebiet<br />

wegen des damit unbestrittenen Beitrags zum Erhalt der biologischen Vielfalt <strong>und</strong> anderer<br />

landschaftlicher Funktionen gesellschaftlich relevant: Biodiversität als Ressourcenpool,<br />

Gr<strong>und</strong>wasserneubildung, ästhetische Befriedigung u.a. (Ehrlich & Ehrlich 1992, Hampicke 1991,<br />

WBGU 1999, Constanza et al. 1997, Marggraf & Streb 1997, Baumgärtner 2002 <strong>und</strong> Brühl 2002 in<br />

Konold et al. 2004: 307).<br />

Truppenübungsplätze in Brandenburg wurden zu einem großen Flächenanteil in Großschutzgebiete<br />

integriert oder als Naturschutzgebiete ausgewiesen. In der Regel wurden sie als Bestandteil des<br />

Natura 2000-Systems nach Brüssel gemeldet (Burkart et al. 2004: 16). Vorrangige Ziele zur<br />

Konversion 3 der Flächen sind in Brandenburg im WGT-Gesetz (Westgruppe der sowjetischen<br />

Streitkräfte) zusammengefasst, welches festlegt, dass „die Liegenschaften […] unter anderem zur<br />

Erhaltung siedlungsfreier Räume <strong>und</strong> Naturschutzflächen, zur Verbesserung der Agrarstruktur <strong>und</strong><br />

des ländlichen Raumes sowie zur Entwicklung der Forstwirtschaft“ dienen sollen.<br />

Prinzipiell ergibt sich für ehemalige Truppenübungsplätze eine breite Palette an Möglichkeiten, den<br />

Naturschutz zu verbessern (Konold et al. 2004: 311). Erfolg versprechen allerdings nur regional<br />

angepasste Konzepte, die sich an der jeweiligen Entwicklung, am naturschutzfachlichen Potenzial<br />

der Flächen orientieren <strong>und</strong> hinreichend die Rahmenbedingungen (Eigentumsverhältnisse,<br />

Nutzungskompetenzen <strong>und</strong> Trägerschaft, zu bewältigenden Kosten) berücksichtigen.<br />

2.2.3 Bedeutung von Offenlandbiotopen<br />

Viele Offenlandbiotope gehören zu den aus naturschutzfachlicher Sicht wertvollen Lebensräumen.<br />

Daher werden von Seiten des Naturschutzes erhebliche Anstrengungen zu ihrem Erhalt<br />

unternommen (Riecken et al. 1998: 269). Unter Offenland sind Gebiete zu verstehen, die nicht von<br />

Gehölzvegetation dominiert <strong>und</strong> nicht überbaut sind (Burkart et al. 2004: 1). Es ist davon<br />

auszugehen, dass fast die gesamte Fläche Mitteleuropas Wald tragen könnte (Ellenberg 1996 in<br />

Burkart et al. 2004: 1). Die Frage, ob in der postglazialen Landschaftsgeschichte Mitteleuropas vor<br />

dem Beginn merklichen menschlichen Einflusses tatsächlich beständig dichtes Waldland<br />

vorherrschte, ist davon losgelöst zu beantworten <strong>und</strong> wird neuerdings kontrovers diskutiert (s. Kap.<br />

2.3.5).<br />

Die Aktivitäten des Menschen führten jedenfalls seit den Anfängen der Landwirtschaft in der<br />

Jungsteinzeit überall zu einem Zurückdrängen der Gehölze (Burkhart et al. 2004: 2).<br />

Offenlandschaft wird heutzutage im Wesentlichen von der industrialisierten Landwirtschaft<br />

geprägt. Gebiete, die nicht agrarisch genutzt, nicht überbaut oder bewaldet sind, sind selten. Solche<br />

3 Konversion meint die Umwandlung militärischer Anlagen <strong>und</strong> Liegenschaften für eine zivile Nutzung.<br />

25


26<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

Flächen finden sich großräumig insbesondere nur noch auf Truppenübungsplätzen oder in der<br />

Bergbaufolgelandschaft (Buchwald 1984 in Burkart et al. 2004: 2).<br />

Unter natürlichen Bedingungen sind Offenlandbiotope in Mitteleuropa entweder beschränkt auf<br />

bestimmte Sonderstandorte (z.B. flachgründige Felsbereiche, oberhalb der alpinen Baumgrenze,<br />

Fluss- <strong>und</strong> Meeresufer mit hoher natürlicher Dynamik), zeitlich befristete Stadien innerhalb von<br />

Sukzessionsprozessen oder zoogenen Ursprung (z.B. Biberwiesen oder von Großherbivoren<br />

freigehaltene Waldlichtungen) (Riecken et al. 1998: 261).<br />

Aufgr<strong>und</strong> der mosaikartigen Verteilung unterschiedlicher Vegetationstypen finden eine Vielzahl an<br />

Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten einen geeigneten Lebensraum in Offenlandschaften (Krüsi et al. 1995 in<br />

Buhmann 2003: 2). Daher weisen diese oftmals eine hohe Biodiversität auf <strong>und</strong> nehmen einen sehr<br />

hohen ökologischen Stellenwert ein. Ein großer Teil unserer heimischen Arten ist an die<br />

entsprechenden ökologischen Verhältnisse im Offenland angepasst – an Nährstoffknappheit bei<br />

hoher Sonneneinstrahlung (Burkart et al. 2004: 2). Wo daher heute in Mitteleuropa großflächig<br />

nährstoffarmes Offenland vorkommt, hat es eine besondere Bedeutung für die Erhaltung dieser<br />

Spezies.<br />

2.2.4 Verfahren zur Offenhaltung<br />

Gerade auf Truppenübungsplätzen kommt es nach Einstellung des militärischen Übungsbetriebes<br />

sehr schnell zu Veränderungen der naturschutzfachlich wertvollen Biotope (Schlauderer &<br />

Prochnow 2004: 75). Um sie offen zu halten, müssen deshalb großflächig entsprechende<br />

Maßnahmen durchgeführt werden. Bei der Auswahl von Offenhaltungsverfahren kommt es auf<br />

Truppenübungsplätzen häufig zu Erschwernissen. Die Böden von Truppenübungsplätzen sind oft<br />

belastet (Burkart et al. 2004: 3). Blindgänger, Munitionsreste, Umweltgifte von Treibstoff- <strong>und</strong><br />

Schmierölresten bis hin zu chemischen Kampfstoffen stellen ein Problem dar. Des Weiteren führen<br />

Hindernisse, starke Bodenunebenheiten, Vegetationsformen mit geringen Aufwuchsmassen <strong>und</strong><br />

niedrigem Futterwert, sehr kleine, unregelmäßige Flächen, große Entfernungen <strong>und</strong> schlechte<br />

Zugänglichkeiten zu Problemen (Schlauderer & Prochnow 2004: 77 <strong>und</strong> Buhmann 2003: 3). Die<br />

Einsatzbedingungen von Offenhaltungsverfahren auf Truppenübungsplätzen unterscheiden sich<br />

deshalb erheblich von denen in Landwirtschaft <strong>und</strong> Landschaftspflege.<br />

Gegenwärtig werden zur Offenhaltung eingesetzt: Die Beweidung mit Haustieren (hauptsächlich<br />

mit Schafen) oder mit Wildtieren, das Mähen <strong>und</strong> Räumen oder Mulchen, das Entbuschen, das<br />

Abplaggen auf Heideflächen <strong>und</strong> das kontrollierte Brennen (Prochnow 2001: 130).<br />

Daraus vorgestellt werden im Folgenden im Rahmen des untersuchten Renaturierungsprojektes die<br />

ökonomisch günstige Beweidung mit Wildtieren <strong>und</strong> das kostenaufwändige Entbuschen.


2.3 Das Wildgehege Glauer Tal<br />

2.3.1 Einführung in das Gebiet<br />

Das Wildgehege Glauer Tal befindet sich 35 km südlich von Berlin, nordwestlich der Stadt Trebbin<br />

im Landkreis Teltow-Fläming <strong>und</strong> gehört zum Landschaftsraum der Mittelbrandenburgischen<br />

Platten <strong>und</strong> Niederungen (Scholz 1962 in Prochnow 2001: 132). Das Landschaftsschutzgebiet ist<br />

164 ha groß <strong>und</strong> Teil des ehemaligen Truppenübungsplatzes Glau, der insgesamt 382 ha umfasst,<br />

im Naturpark Nuthe-Nieplitz (Hinrichsen et al. 2004: 209).<br />

Das Glauer Tal erstreckt sich in annähernder Ost-West-Richtung zwischen den Ortschaften<br />

Löwendorf <strong>und</strong> Blankensee über eine Länge von ungefähr 5 km <strong>und</strong> eine mittlere Breite von 650<br />

m. Das Tal bildet die direkte Verbindung zwischen der unteren Nieplitz-Niederung mit dem<br />

Blankensee <strong>und</strong> der Nuthe-Niederung bei Trebbin <strong>und</strong> liegt auf einer mittleren Höhenlage von 40<br />

m ü. NN (Burkart et al. 2004: 19). Im Norden wird es vom Moränenzug der Glauer Berge begrenzt,<br />

der steil auf eine Höhe von 91 m hinaufführt. Im Süden erfolgt ein langsamer Anstieg zur<br />

Schönhagener Platte (Böhm & Franz 1995 in Prochnow 2001: 132).<br />

Bis in die 1930er Jahre wurde das Gebiet land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlich genutzt (Prochnow 2001:<br />

131). Danach fand die Umwandlung in einen Truppenübungsplatz der Wehrmacht statt, welchen<br />

die sowjetische Armee nach Kriegsende nutzte. Er diente einer Pioniereinheit als Ausbildungsplatz,<br />

trainiert wurden überwiegend Schanzarbeiten, Brücken- <strong>und</strong> Sperrenbau. Des Weiteren erfolgte die<br />

Ausbildung von Fahrern für Rad- <strong>und</strong> Kettenfahrzeuge. Auf einem abgegrenzten Platz wurde der<br />

Umgang mit Panzerminen geübt, ein Schießbetrieb fand selten statt. Die Grünlandbereiche wurden<br />

unregelmäßig für die truppeneigene Viehherde gebraucht (Büttner 1993: 20). Im Jahr 1992 wurde<br />

die militärische Nutzung nach Abzug der Armee eingestellt.<br />

Damit die großflächig vorhandenen naturschutzfachlich wertvollen Biotope des Offenlandes<br />

erhalten werden konnten, entwickelte der regional tätige Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-<br />

Niederung e.V. (LFV) ein Konzept zur Nachnutzung als Wildfreigehege (Decruppe 1996 in<br />

Prochnow 2001: 132). Es sieht den Besatz mit wildlebenden großen Pflanzenfressern<br />

(Megaherbivoren) <strong>und</strong> eine Erschließung für Besucher vor. Das Gehege wurde im Jahr 1999<br />

eingerichtet. Die so genannten „Landschaftspfleger“ sind bis zu 160 Wildtiere der Arten Rotwild<br />

(Cervus elaphus), Damwild (Dama dama) 4 <strong>und</strong> Mufflon (Ovis ammon musimon) 5 sowie mehrere<br />

Islandpferde 6 . Begleitend finden Entbuschungsmaßnahmen statt.<br />

4 Damwild war ursprünglich in Europa heimisch (http://www.wildgehege-glau.de/glau/index-glau.htm<br />

22.3.2008). Es wurde im Pleistozän vor 90.000 Jahren bis nach Kleinasien, Zypern <strong>und</strong> den Balkan<br />

zurückgedrängt <strong>und</strong> starb in unserem Raum aus. Menschen siedelten es wieder an.<br />

5 Muffelwild wurde durch die Beschneidung seines Habitates <strong>und</strong> durch Bejagung in Europa vor 3.000-4.000<br />

Jahren ausgerottet (http://www.wildgehege-glau.de/glau/index-glau.htm 22.3.2008). Auf Korsika, Sardinien<br />

27


28<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

Mit dieser Renaturierungsmaßnahme verfolgt der Trägerverein vier Ziele (Prochnow 2001: 132):<br />

Das naturschutzfachliche Ziel beinhaltet die weitgehend ungehinderte Erhaltung von<br />

Offenlandbiotopen. Auf wechselnden Teilflächen soll eine unregelmäßige Rücknahme von<br />

Sukzessionsstadien betrieben werden, welche die aktuell vorhandenen Biotoptypen an immer<br />

neuen Standorten wieder initiieren (Decruppe 1996 in ebd.). Erwartet werden kann bei diesem<br />

dynamischen Ansatz somit eine Kombination von relativ intensiv genutzten offenen Bereichen<br />

über diverse Sukzessionsentwicklungen bis hin zu Waldgesellschaften (Hartong & Schmid 1998 in<br />

ebd.).<br />

Beim betriebswirtschaftlichen Ziel wird die Rentabilität durch die Verknüpfung von Naturschutz<br />

<strong>und</strong> Erholungsnutzung angestrebt, wobei die Eintrittsgelder den laufenden Betrieb ohne staatliche<br />

Zuschüsse garantieren sollen. Großherbivoren sind reizvoll in vielen Schutzgebieten weltweit. Sie<br />

tragen erheblich zur touristischen <strong>und</strong> ökonomischen Bedeutung dieser Gebiete bei. Wilderlebnis<br />

soll durch achtsame Erschließung des Geländes durch die Anlage von Wanderwegen, die<br />

Einrichtung von Beobachtungspunkten <strong>und</strong> Informationstafeln ermöglicht werden.<br />

In Bezug auf die Regionalentwicklung soll das Gehege einen Beitrag zur touristischen Infrastruktur<br />

des Naturparks Nuthe-Nieplitz leisten.<br />

Auf dem Gelände wird vorgesehen, begleitende wissenschaftliche Untersuchungen zur Erfassung<br />

der Auswirkungen der Wildtierbeweidung auf Vegetation <strong>und</strong> Fauna sowie zur Ermittlung<br />

ökonomischer Kennzahlen zu integrieren. Außerdem wird angestrebt, Gr<strong>und</strong>lagen für ähnliche<br />

Projekte zur Sicherung naturschutzfachlich interessanter Offenlandstandorte zu erarbeiten. Daher<br />

wird das Wildgehege als nachhaltig orientiertes Offenhaltungsprojekt bewertet (Hinrichsen et al.<br />

2004: 219).<br />

Die Erhebungen führen mittlerweile die Universität Potsdam, die Humboldt-Universität Berlin, das<br />

Institut für Agrartechnik in Bornim, das Büro Umland <strong>und</strong> der Förderverein regelmäßig durch (u.a.<br />

Prochnow 2001: 136). Aus dem Tierreich werden Brutvögel, Laufkäfer <strong>und</strong> andere Käferfamilien,<br />

Spinnen, aculeate Hautflügler, Tagfalter, Heuschrecken <strong>und</strong> Amphibien erfasst. Für<br />

Vegetationsaufnahmen wurden im März 1999 vor dem Einsetzen der Wildtiere vier Gatter in<br />

großflächig vertretenen Biotoptypen eingerichtet. Die Dauerflächen umfassen eine silbergrasreiche<br />

Pionierflur, eine ruderale Staudenflur, eine reiche Feuchtwiese <strong>und</strong> einen Kiefernforst. Zudem<br />

werden Gehölzschäden unterschiedlicher Gehölzarten, -dichten <strong>und</strong> Sukzessionsstadien in neun<br />

Trakten erhoben.<br />

<strong>und</strong> Zypern hat es überlebt. Um 1900 wurde die Art in Deutschland wieder angesiedelt, sowohl im<br />

Mittelgebirge als auch im Flachland.<br />

6 Die ursprüngliche Heimat dieser robusten Pferderasse verrät schon ihre Name: Island<br />

(http://www.wildgehege-glau.de/glau/index-glau.htm 22.3.2008).


Da bei diesem Renaturierungsprojekt die aktive Wiederherstellung des Zustandes zur Zeit des in<br />

Nutzung befindlichen Truppenübungsplatzes mit technischen Mitteln bzw. Maßnahmen (durch die<br />

Entmunitionierung) angestrengt wurde, kann man es als eine Rekonstruktion (Decruppe,<br />

Vorsitzender des LFV, mdl. 24.1.2008) bezeichnen (s. Kap. 2.1.4).<br />

Klima<br />

Die jährliche Niederschlagsmenge der Region beträgt 535 mm, mit 8,6° C Jahresmitteltemperatur<br />

liegt sie minimal über dem ostdeutschen Durchschnitt (Hinrichsen et al. 2004: 210). Im Sommer<br />

zählt das Gebiet zu den wärmsten Regionen Ostdeutschlands (Böhm & Franz 1995 in ebd.). Es<br />

kommt zu einer starken Aufheizung der vegetationsarmen, sandigen Flächen.<br />

Boden <strong>und</strong> Vegetation<br />

Das Gebiet ist Teil einer durch jahrh<strong>und</strong>ertelange Nutzung geformten Kulturlandschaft (Hinrichsen<br />

et al. 2004: 210). Als Folge der militärischen Nutzung, mit welcher die Errichtung<br />

gebietsuntypischer, steiler Sandwälle, Bodenverw<strong>und</strong>ung <strong>und</strong> Bodenverdichtung einherging, sowie<br />

partieller land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlicher Nutzung ist ein weites Spektrum diverser Biotoptypen<br />

entstanden.<br />

Auf den spätglazialen Talsandflächen entwickelten sich im Holozän Niedermoorböden mit mehr<br />

als 1 m Mächtigkeit (ebd.). In den Niederungsbereichen im kleineren nördlichen Teil des Geheges<br />

befindet sich feuchtes bis frisches, artenreiches Grünland, das durch Solitärgehölze, Gräben,<br />

temporäre Kleingewässer, Hecken <strong>und</strong> Gebüsche strukturiert ist. Den Übergang zum höher<br />

gelegenen südlichen Umfeld bilden Laubholzbereiche, oft mit vorgelagerten Erlenbrüchen.<br />

In den Bereichen der kiesigen <strong>und</strong> unsortierten Geschiebesande sind die Böden ausgeprägt sauer<br />

<strong>und</strong> arm an Feinmaterial, Karbonat <strong>und</strong> Nährstoffen (ebd.). Als Bodentyp dominieren Podsole<br />

(Prochnow 2001: 133). Hier finden sich die für Truppenübungsplätze des mitteleuropäischen<br />

Tieflandes bezeichnenden offenen Sandflächen, Silbergrasfluren <strong>und</strong> Sandtrockenrasen (Hinrichsen<br />

et al. 2004: 210).<br />

Wo das anlehmige Substrat der Gr<strong>und</strong>moräne ansteht, bildeten sich lehmigere <strong>und</strong> carbonatreichere<br />

Böden mit entsprechend höheren Werten für pH <strong>und</strong> Calcium mit ruderalen Staudenfluren (ebd.).<br />

Der Fahrbetrieb bewirkte hier teilweise die Verfestigung des mergeligen Untergr<strong>und</strong>es <strong>und</strong><br />

Staunässebildung (Götting-Frosinski 2001 in ebd.).<br />

Seit der Nutzungsaufgabe entwickelten sich im ganzen Gebiet hauptsächlich Kiefern in großem<br />

Umfang zu Vorwäldern, mit zunehmender Nährstoff- <strong>und</strong> Wasserversorgung in geringerem<br />

Ausmaß auch Birken <strong>und</strong> Zitterpappeln (Hinrichsen et al. 2004: 210f.). Ihre Randbereiche säumen<br />

29


30<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

oft Besenginsterbestände. In Teilbereichen des Platzes liegen Kiefernforsten, die schon vor der<br />

militärischen Nutzung des Geländes angelegt wurden (Decruppe 1996 in ebd.).<br />

Abb. 3. Luftbild des Wildgeheges Glauer Tal, Befliegung am 28.5.2005 (Landesvermessung <strong>und</strong><br />

Geobasisinformation Brandenburg - http://geobroker.geobasis-bb.de/index.php 6.2.2008).<br />

2.3.2 Naturschutzfachliche Bewertung<br />

Biotopausstattung <strong>und</strong> Vegetation<br />

Im Wildgehege Glauer Tal liegt eine reiche Biotopausstattung vor, was die Abbildung 4<br />

veranschaulicht (Hinrichsen et al. 2004: 212). Von den 43 aufgenommenen Biotoptypen sind 22<br />

nach §§31 <strong>und</strong> 32 BbgNatSchG geschützt bzw. FFH-relevant. Die für den Naturschutz<br />

bedeutsamen Biotope nehmen einen Flächenanteil von 88% ein.


Über die Hälfte des Gebietes ist von Kiefernwäldern trocken-warmer Standorte <strong>und</strong><br />

Kiefernvorwäldern bedeckt. Sie sind den Flechten-Kiefernwäldern (Cladonio-Pinetum)<br />

zuzuordnen, die in den letzten Dekaden, bedingt durch natürliche Regeneration, einem enormen<br />

Rückgang unterlagen. Die typische Gesellschaft ist das Silbergras-Kieferngehölz (Cladonio-<br />

Pinetum corynephoretosum) (Hinrichsen et al. 2004: 213). Dabei bilden lockere Pionierwälder ein<br />

Mosaik aus Gehölzgruppen, Resten von Sandmagerrasen <strong>und</strong> vereinzelten offenen Bodenstellen.<br />

Etliche Kiefernvorwälder im Gehege gehören zur Hieracium-pilosella-Variante des Silbergras-<br />

Kieferngehölzes, einem relativ kurzlebigen Sukzessionsstadium, das sich bei ungestörter<br />

Entwicklung rasch zum Drahtschmielen-Kiefernwald (Deschampsia-Pinus-Gesellschaft) oder zum<br />

Berghaarstrang-Kiefernwald (Peucedano-Pinetum) fortentwickelt.<br />

Das Gebiet ist mit 21% von Sandtrockenrasen bedeckt (ebd.). Den beträchtlichsten Anteil hiervon<br />

nehmen die silbergrasreichen Pionierfluren ein, welche infolge von Nutzungsänderungen,<br />

Eutrophierung <strong>und</strong> Flächenentzug zu den gefährdeten Vegetationseinheiten Deutschlands zählen<br />

(u.a. Ellenberg 1996 <strong>und</strong> Tischew & Mahn 1998 in ebd.). Der Großteil der charakteristischen Arten<br />

von Silbergrasfluren ist im Glauer Tal vorhanden, was ein Vergleich seines Arteninventars mit<br />

anderen Aufnahmen aus Brandenburg (Krausch 1968 in Hinrichsen et al. 2004: 214) verdeutlicht.<br />

Mit 48 Arten ist das Artenspektrum verhältnismäßig hoch (Böhm & Franz 1995 in ebd.).<br />

Die übrige Fläche umfasst vegetationsarmen bzw. -freien Sand, Laub- <strong>und</strong> Vorwälder,<br />

Feuchtwiesen <strong>und</strong> -weiden, Seggenriede sowie Gebüsch (ebd.).<br />

Abb. 4. Biotopausstattung des Wildgeheges Glauer Tal (Hinrichsen et al. 2004: 213).<br />

31


32<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

Auf den Dauerflächen der untersuchten Vegetationstypen Silbergrasflur, Kiefernvorwald <strong>und</strong><br />

ruderale Staudenflur sowie im Zuge der Biotopkartierung konnten 310 Pflanzenarten (davon 288<br />

Gefäßpflanzen) festgestellt werden (ebd.). In der Roten Liste Brandenburg (Benkert & Klemm<br />

1993 in ebd.) sind 16 von ihnen (5%) verzeichnet. Die Artenzahl in Glau <strong>und</strong> der Anteil<br />

gefährdeter Arten sind damit relativ niedrig. Allerdings zeichnen sich die untersuchten<br />

Vegetationstypen, vor allem Silbergrasflur <strong>und</strong> Kiefernvorwald, natürlicherweise durch eine<br />

geringe Artenzahl aus. Die tatsächliche Artenzahl liegt wahrscheinlich höher, da die feuchteren,<br />

artenreichen Grünlandbiotope nicht genauer untersucht wurden.<br />

Mit seiner Nährstoffarmut, seinem reichhaltigen Biotopmosaik, in dem fast alle Sukzessionsstadien<br />

von vegetationsfreien Sandflächen bis hin zu Kiefernwäldern eng miteinander vernetzt sind, <strong>und</strong><br />

seinem hohen Anteil an Offenlandarten ist der Truppenübungsplatz Glau ein charakteristisches<br />

Beispiel eines aufgegebenen, naturschutzfachlich wertvollen Übungsgeländes (ebd.). Sein Wert<br />

bemisst sich in erster Linie an seinem Strukturreichtum, der in dieser Vielfalt <strong>und</strong> Ausbildung im<br />

landwirtschaftlich genutzten Umfeld kaum noch vorzufinden ist.<br />

Avifauna<br />

In Bezug auf die Avifauna ist das Wildgehege als sehr artenreich einzustufen (Prochnow 2001:<br />

133). Im Zeitraum 1999 bis 2001 ließen sich insgesamt 57 Brutvogelarten feststellen, von denen 8<br />

(14%) auf der Roten Liste stehen (Hinrichsen et al. 2004: 215). Die Mehrheit der Vogelarten gehört<br />

zu den Wald- <strong>und</strong> Gebüschbewohnern. Zu den gefährdeten Offenlandarten zählen Arten wie<br />

Wiedehopf (Upupa epops), Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus), Brachpieper (Anthus<br />

campestris), Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe), Neuntöter (Lanius collurio) <strong>und</strong> Heidelerche<br />

(Lullula arborea) (Prochnow 2001: 133). Eine Besonderheit im Gehege ist der vom Aussterben<br />

bedrohte Fischadler (Pandion haliaetus), der seit 2001 im nördlichen Randbereich des Geländes<br />

brütet, <strong>und</strong> eine Kolonie von Uferseeschwalben (Riparia riparia) an einer Sandabbruchkante<br />

(Hinrichsen et al. 2004: 215).<br />

Entomofauna<br />

Im Wildgehege wurde eine äußerst artenreiche Lebensgemeinschaft aculeater Wespen<br />

(Grabwespen u.a.) nachgewiesen (Hinrichsen et al. 2004: 215). Etwa die Hälfte des gesamten in<br />

Brandenburg verfügbaren Artenpools konnte im Glauer Tal belegt werden, unter anderem<br />

zurückzuführen auf den ungewöhnlich hohen Flächenanteil an halboffenen Grasfluren.<br />

Die Offenlandbereiche sind für gefährdete Tagfalterarten wie den Wegerich-Scheckenfalter<br />

(Melitaea cinxia) <strong>und</strong> das Kleine Ochsenauge (Hyponephele lycaon) bedeutsam (Prochnow 2001:<br />

133). Die Heuschreckenfauna wärmeliebender Habitate ist im Gebiet nahezu vollständig <strong>und</strong>


umfasst einige stark spezialisierte Arten wie die Blauflügelige Sandschrecke (Sphingonotus<br />

caerulans) (Hinrichsen et al. 2004: 217).<br />

In den Jahren 2001 <strong>und</strong> 2002 konnten auf sechs Probeflächen 8.293 Laufkäferimagines<br />

nachgewiesen werden, die sich auf 55 Arten verteilen (ebd.). Die Artenzahl ist als hoch<br />

einzustufen, da es sich ausschließlich um trockene <strong>und</strong> weitgehend offene Biotope handelt.<br />

Betrachtet man den Untersuchungszeitraum von 1999 bis 2002, so unterliegen 15 Arten einer<br />

b<strong>und</strong>esweiten (Trautner et al. 1998 in ebd.) <strong>und</strong> 4 Arten einer landesweiten Gefährdung (Scheffler<br />

et al. 1999 in ebd.).<br />

2.3.3 Sozioökonomische Bewertung<br />

Für die Einrichtung des Wildgeheges Glauer Tal waren Investitionen in Höhe von 1.344 €/ ha<br />

erforderlich (Tab. 1). Eine Förderung erhielt der im Jahr 1991 aus ehrenamtlichem Engagement<br />

heraus gegründete Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e.V. zu 70% vom<br />

Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt <strong>und</strong> Raumordnung des Landes Brandenburg (Prochnow<br />

2001: 140). Die wesentlichen Kosten entfielen auf den Flächenerwerb, Zaunbau einschließlich<br />

Kampfmittelberäumung <strong>und</strong> den Tierkauf. Fremdfirmen entmunitionierten außerdem auf den<br />

Wanderwegen <strong>und</strong> den Futterstellen. Der Vorteil der Wildtierbeweidung ist, dass das<br />

Offenlandmanagement auch auf den nicht beräumten Flächen möglich ist (Tschöpe et al. 2004:<br />

129).<br />

Der Trägerverein erwarb größtenteils die Flächen, weniger als 20% werden privat an Dritte<br />

verpachtet (Decruppe, LFV, mdl. 24.1.2008). Da das Gebiet von der Friedensstadt 7 umgrenzt ist,<br />

konnte nicht der gesamte ehemalige Truppenübungsplatz Glau ins Gehege integriert werden.<br />

Außerdem hätte es Probleme mit Eigentumsverhältnissen gegeben. Ehemalige Militärgebäude<br />

wurden nicht abgerissen. Hierin finden Mufflons Gelegenheit zum Schalenabrieb <strong>und</strong> Pferde<br />

Schutz bei extremen Witterungsverhältnissen (Prochnow 2001: 135).<br />

Mit Ausnahme des Zaunbaus <strong>und</strong> der Entmunitionierung trugen die Vereinsmitglieder selbst zur<br />

Wiederherstellung des Geländes bei (Decruppe, LFV, mdl. 24.1.2008). Sie „entkusselten“ in erster<br />

Linie das Gebiet, was die Befreiung von Kiefernaufwuchs bedeutet. Weiterhin sammelten sie Müll<br />

<strong>und</strong> entfernten Hinterlassenschaften der Armee wie Kabel oder Netze.<br />

7 Die Friedensstadt im Trebbiner Ortsteil Glau ist ein religiöses Siedlungswerk mit verschiedenen sozialen,<br />

medizinisch-therapeutischen <strong>und</strong> pädagogischen Einrichtungen (http://de.wikipedia.org/wiki/Friedensstadt<br />

22.3.2008). Sie wurde 1920 durch den Religions- <strong>und</strong> Sozialreformer Joseph Weißenberg gegründet. Heute<br />

ist die Johannische Kirche Eigentümerin der Siedlung, in der aktuell annähernd 400 Menschen leben.<br />

33


34<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

Tab. 1. Investitionen für die Einrichtung des Wildgeheges Glauer Tal (Prochnow & Schlauderer<br />

2002 in Tschöpe et al. 2004: 130).<br />

Position Kosten flächenspe-<br />

gesamt [€] zifisch [€/ha]<br />

Flächenerwerb 220 000 1 344<br />

Zaunbau (Kampfmittelberäumung, Länge 5,5 km, Höhe 2 m) 70 000 427<br />

Tierkauf (13 Rothirsche, 21 Damhirsche, 17 Mufflons) 35 000 213<br />

Anlage Tränke (Kampfmittelberäumung, Tauchpumpe, Solarpanel) 12 000 73<br />

Verkehrssicherung 10 000 61<br />

Anlage eines Wanderweges (Kampfmittelberäumung, Markierung) 8 000 49<br />

sonstige (u.a. Transportanhänger, Aussichtspunkte) 13 000 79<br />

Gesamt 368 000 2 246<br />

Die laufenden Kosten betragen jährlich 230 €/ ha, wobei die Leistungen bei 117 €/ ha liegen <strong>und</strong><br />

vorrangig durch Eintrittsgelder entstehen (Tab. 2). Im Jahr 2007 besuchten das Wildgehege etwa<br />

13.000 Gäste (Decruppe, LFV, mdl. 24.1.2008). Mit einem Besucheraufkommen von 20.000<br />

jährlich würden die Kosten ohne Vereinsfördermittel gedeckt werden können. Die andere wichtige<br />

Einnahmequelle stellt die Wildbretvermarktung dar, weil der für das Gehege verträgliche<br />

Tierbestand eine Schwelle von etwa einem Tier pro Hektar nicht überschreiten darf (160 Tiere).<br />

Mit fortwährender Gehölzsukzession kann das kostenaufwändige Entbuschen notwendig werden,<br />

welches das Abschieben der entstandenen humosen oberen Bodenschicht erfordert (Schlauderer &<br />

Prochnow 2004: 79). Für diese ergänzende mechanische Pflegemaßnahme stehen Freischneider,<br />

Motorkettensägen oder Forstmulcher zur Verfügung.<br />

Nach Auskunft des Vorsitzenden des Fördervereins Karl Decruppe ist der Verein kurz davor, die<br />

Personalkosten decken zu können (24.1.2008). Die Investitionskosten haben sich dagegen noch<br />

lange nicht amortisiert. Entscheidend für die langfristige Sicherung des Projektes ist die geringe<br />

Größe des Geheges (Hinrichsen et al. 2004: 218). So ist es möglich, die ablaufenden ökologischen,<br />

ökonomischen <strong>und</strong> sozialen Prozesse zu beobachten <strong>und</strong> zu steuern.<br />

Der Wildtierbeweidung zur Offenhaltung wird unter den Anwohnern im Unterschied zu anderen<br />

Pflegemaßnahmen am ehesten zugesprochen (Tschöpe et al. 2004: 131ff.). Das belegt eine<br />

repräsentative Befragung an fünf Standorten ehemaliger Truppenübungsplätze in Ostdeutschland,<br />

darunter Glau. Die Mehrheit der teilnehmenden Befragten möchte: die „Schönheit der Natur<br />

genießen“, „Spazieren gehen oder wandern“, „Ruhe suchen“ <strong>und</strong> „Tiere beobachten“. Der<br />

Artenschutz ist „sehr wichtig“, aber erwächst eher aus den Bedürfnissen, welche auf der eigenen<br />

Lebensqualität gründen.


Tab. 2. Kosten <strong>und</strong> Leistungen des Wildgeheges Glauer Tal im Jahr 2001 (Prochnow &<br />

Schlauderer 2002 in Tschöpe et al. 2004: 131).<br />

Position Betrag<br />

€/a €/ha<br />

Kosten<br />

Lohnkosten 18 500 113<br />

Gehegemanagement 7 500 46<br />

Besucherbetreuung 11 000 67<br />

feste Kosten 5 700 34<br />

Gehegeeinrichtung <strong>und</strong> -unterhaltung (Maschinen, Zaun) 4 500 27<br />

Besucherinfrastruktur (Eingangsbereich, Aussichtspunkte) 1 200 7<br />

veränderliche Kosten (Tierarzt, Zufütterung, Verbrauchsmaterial) 5 000 30<br />

Gemeinkosten (z.B. Abgaben, Verwaltung, Öffentlichkeitsarbeit) 8 600 52<br />

Leistungen<br />

Besucher (Eintrittsgelder, Führungen, Kremserfahrten, Spenden) 16 500 101<br />

Vertragsnaturschutz (Pflege von 20 ha Feuchtwiesen) 8 2 600 16<br />

Verfahrenskosten der Wildtierbeweidung<br />

(ohne Besucherinfrastruktur/ -betreuung <strong>und</strong> Gemeinkosten) 17 000 104<br />

Verfahrensleistungen der Wildtierbeweidung<br />

(ohne Besucherbetrieb <strong>und</strong> Feuchtwiesenpflege) 0 0<br />

Kosten gesamt 37 800 230<br />

Leistungen gesamt 19 100 117<br />

Mit dem am 29. September 2007 eröffneten Besucherzentrum sind die Pläne des Fördervereins für<br />

das Gehege (vorerst) abgeschlossen. Es ist zentraler Ausgangspunkt für Wild- <strong>und</strong> Naturerlebnis<br />

im Glauer Tal <strong>und</strong> dient der Tourismusinformation. Gäste werden auf Angebote im Naturpark <strong>und</strong><br />

auf weitere Ausflüge in die Region hingewiesen, womit die Attraktivität des gesamten Gebietes<br />

erhöht werden kann.<br />

2.3.4 Szenarien<br />

Prognosen <strong>und</strong> Szenarien, d.h. konstruierte Zustände der Zukunft, besitzen einen hohen Stellenwert<br />

in der Renaturierungsökologie wie auch in einem konkreten Renaturierungsvorhaben (Zerbe et al.<br />

2008: Kap. 1.9). Nachfolgend werden zwei Szenarien für das Gehege vorgestellt, um zu zeigen,<br />

8 Gemäß Karl Decruppe vom LFV gibt es derzeit keine Förderung durch den Vertragsnaturschutz (mdl.<br />

24.1.2008). Zusätzliche Leistungen entstehen aus der Vermarktung von Wildbret. Alljährlich in den Monaten<br />

November <strong>und</strong> Dezember werden Tiere entnommen. Dafür haben drei Personen eine polizeiliche<br />

Schießerlaubnis erhalten, weil aufgr<strong>und</strong> der Einzäunung eine jagdliche Nutzung nach §6 BJagdG <strong>und</strong> §5<br />

LJagdG Bbg ausgeschlossen ist (Schlauderer & Prochnow 2004: 81).<br />

35


36<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

weshalb sich der Trägerverein für die Beweidung mit Wildtieren zur Offenhaltung der Flächen<br />

entschieden hat, anstatt Prozessschutz zu betreiben.<br />

Szenario Ist-Verfahren<br />

Das Szenario „Ist-Verfahren“ bedeutet die Beibehaltung des gegenwärtigen Managements<br />

(Hinrichsen et al. 2004: 219). Der Wildtierbestand wird konstant auf einem Niveau von 2002, d.h.<br />

bei etwa einem Tier pro Hektar, gehalten.<br />

Rot-, Dam- <strong>und</strong> Muffelwild eignen sich wegen ihrer Verbiss- <strong>und</strong> Schältätigkeit an Gehölzen zur<br />

Biotoppflege (Tschöpe et al. 2004: 122). Die Tiere wurden in der Kombination eingesetzt, weil sie<br />

verschiedene Ernährungstypen verkörpern <strong>und</strong> weil damit ein breites Äsungsspektrum genutzt<br />

werden kann, was zu einem vielfältigeren Mosaik führt (ebd: 133). Rot- <strong>und</strong> Damwild ist den<br />

Intermediärtypen (Mischäsern) <strong>und</strong> das Mufflon den Gras- <strong>und</strong> Raufutterfressern (engl.: grazer)<br />

zugehörig (ebd.: 122). Intermediärtypen verzehren sowohl Gräser als auch Laub <strong>und</strong> Kräuter<br />

(Bunzel-Drüke et al. 2001). Grazer sind auf relativ schwer verdauliche Gräser spezialisiert <strong>und</strong><br />

daher auf Weideland angewiesen. Für die Offenhaltung werden sie idealerweise zu gleichen<br />

Anteilen im Gehege gehalten (Tschöpe et al. 2004: 129).<br />

Abb. 5. Vegetationsentwicklung bei Wildtierbeweidung seit 1998 im Wildgehege (Hinrichsen et al.<br />

2004: 220).<br />

Kurzfristig ist die Beweidung nachteilig, weil sich das Angebot an Nektarquellen (Blüten) für<br />

Insekten durch den Fraßdruck verringert (Tschöpe et al. 2004: 133). Nach wenigen Jahren<br />

dominieren jedoch die Vorteile, da vielen vorrangig schützenswerten Arten durch die Offenhaltung<br />

ein Fortbestehen ermöglicht wird. Aus dem genannten Gr<strong>und</strong> gibt es 5 bis 6 ausgekoppelte<br />

Sukzessionsflächen (Decruppe, LFV, mdl. 24.1.2008). Sie ermöglichen es auch den von den<br />

Wildtieren bevorzugten Arten, ihre natürliche Wuchshöhe zu erreichen <strong>und</strong> sich zu reproduzieren.


Für die Entwicklung der Vegetation bei diesem Szenario (Abb. 5) diente die Interpretation von<br />

Luftbildern aus den Jahren 1998 <strong>und</strong> 2001 (Hinrichsen et al. 2004: 219). Silbergrasfluren <strong>und</strong><br />

andere Licht <strong>und</strong> Wärme liebende Spezies (z.B. Hieracium pilosella <strong>und</strong> Flechtenarten der Gattung<br />

Cladonia) bleiben flächenmäßig erhalten (ebd. <strong>und</strong> Tschöpe et al. 2004: 124f.). Die Schaffung<br />

offener Bodenstellen durch den Tritt der Tiere wirkt sich dabei positiv aus. Landreitgras-, Rot- <strong>und</strong><br />

Weißstraußgrasfluren können sich durch Beweidung stark ausbreiten. Außerdem profitieren<br />

Bauernsenf (Teesdalia nudicaulis) <strong>und</strong> das Moos Brachithecium albicans. Der Bestand der<br />

Gemeinen Quecke (Elytrigia repens) erhöht sich zunächst durch die Beweidung, nimmt nach sechs<br />

Jahren jedoch wieder ab (Reinken 1987 in ebd.).<br />

Hingegen verschwinden ruderale Hochstaudenfluren bzw. büßen ihren Hochstaudencharakter<br />

durch den Verbiss der Tiere ein (Hinrichsen et al. 2004: 219). Rainfarn (Tanacetum vulgare) geht<br />

in seinem Bestand signifikant zurück (Tschöpe et al. 2004: 125). Die Gesamtdeckung der<br />

blühenden Kräuter dezimiert sich.<br />

Die infolge der siebenjährigen Sukzession bis zur Einrichtung des Geheges entstandenen<br />

Vorwälder <strong>und</strong> die mit höherwüchsigen Gehölzen bestandenen Flächen konnten in ihrer<br />

Entwicklung kaum gehindert werden <strong>und</strong> unterliegen der Waldbildung (Hinrichsen et al. 2004:<br />

219). Durch Schälen, Verbiss oder Fegen des Geweihs der Wildtiere v.a. an jungen Kiefern in den<br />

Silbergrasfluren könnte es zu einer „Krüppelwaldbildung“ kommen. Folgen dieser drei Faktoren<br />

sind verlängerte Verjüngungszeiträume, Verbuschungen, Deformierungen bis hin zum Absterben<br />

von Bäumen, sobald die Rinde um den gesamten Spross herum abgelöst wird (Tschöpe et al. 2004:<br />

123). Das kurzlebige Sukzessionsstadium des Silbergras-Kieferngehölzes könnte durch die<br />

Trittwirkung bewahrt <strong>und</strong> die weitere Sukzession verzögert werden (Hinrichsen et al. 2004: 219).<br />

Szenario Sukzession<br />

Das Szenario Sukzession beschreibt die weitgehend ungehinderte Etablierung der Vegetation,<br />

insbesondere der Gehölze, sobald das Gehege nicht mehr betreut würde (Hinrichsen et al. 2004:<br />

222). Es gäbe keine Wildtiere, keine Umzäunung <strong>und</strong> keine Information für Besucher.<br />

Abb. 6. Vegetationsentwicklung bei Sukzession im Wildgehege (Hinrichsen et al. 2004: 222).<br />

37


38<br />

Truppenübungsplätze im Kontext von Renaturierung<br />

Für die Prognose der Vegetationsgenese (Abb. 6) wurden Luftbilder aus den Jahren 1992 bis 1998,<br />

in denen es bereits zum Prozessschutz gekommen war, herangezogen (ebd.). Die Artendiversität<br />

ginge in allen Vegetationstypen zurück. Infolge größerer Wuchshöhen <strong>und</strong> Streuakkumulation<br />

würden lichtbedürftige Pionierarten durch konkurrenzstärkere Arten ersetzt. Silbergrasfluren<br />

würden durch Gehölzeinwanderung verdrängt, stattdessen könnte sich das Moos Polytrichum<br />

piliferum ausbreiten. Vegetationsfreie Sandflächen <strong>und</strong> Sandtrockenrasen reduzierten sich<br />

(Hinrichsen et al. 2004: 215). Letztere würden sich größtenteils zu grasreichen Trockenrasen <strong>und</strong><br />

Grasfluren entwickeln. Kiefern sowie andere Gehölze könnten sich großflächig etablieren. Nach<br />

wenigen Dekaden wäre flächendeckend Wald <strong>und</strong> Vorwald vorhanden. Mit zunehmender<br />

Gehölzentwicklung gäbe es erhebliche Verluste innerhalb der Hautflüglerarten <strong>und</strong> der<br />

Offenlandarten der Avifauna (ebd.: 223).<br />

Ökonomisch betrachtet fielen einzig Gemeinkosten für öffentliche Abgaben, Versicherungen <strong>und</strong><br />

Verwaltung an (Hinrichsen et al. 2004: 223ff.). Einnahmen könnten ausschließlich durch die<br />

Verpachtung der Jagd erzielt werden. Die Folgen wären eine stetige Kostenunterdeckung, ein<br />

nachlassender Erlebniswert <strong>und</strong> damit ein Rückgang des öffentlichen Interesses. Das Gelände ist zu<br />

kleinflächig, um durch Sukzession genügend eigene Strukturen zu entwickeln. Wichtige<br />

Sichtachsen würden fehlen <strong>und</strong> ästhetische Qualitäten des „Erhabenen“ <strong>und</strong> „Wilden“ könnten sich<br />

kaum entfalten.<br />

Fazit der Szenarien<br />

Der aktuell praktizierte Einsatz von Wildtieren ist am ehesten fähig, das naturräumliche Potenzial<br />

der Fläche aufzunehmen <strong>und</strong> zu generieren (Hinrichsen et al. 2004: 225). Ins Gewicht fällt, dass<br />

naturschutzfachliche Ziele mit sozioökonomischen Ansprüchen in einem offenen Prozess verknüpft<br />

worden sind. Somit bleibt Raum für Veränderungen wie wechselnde Auskopplungen,<br />

Entbuschungen <strong>und</strong> die Anpassung der Wilddichte. Zudem gewinnt das zu erwartende<br />

Landschaftsbild (Krüppelwald) an Eigenart <strong>und</strong> weicht von gängigen Waldbildern ab.<br />

2.3.5 Rolle der Megaherbivoren bezogen auf Offenlandbiotope<br />

Die traditionelle Vegetationsk<strong>und</strong>e geht davon aus, dass Mitteleuropa vor der Jungsteinzeit nahezu<br />

flächendeckend von Wald bedeckt war (Ellenberg 1986 in Prochnow 2001: 130). In jüngerer Zeit<br />

wurde stattdessen die These entwickelt, dass natürliche Störungen (Brände, Überschwemmungen,<br />

die Wirkung wildlebender Herbivoren etc.) die großflächige Entwicklung geschlossener<br />

Waldlandschaften verhinderten (u.a. Geiser 1992 <strong>und</strong> Vera 2002 in Tschöpe et al. 2004: 122). So<br />

entstand ein Mosaik aus Wald <strong>und</strong> Offenland – eine parkähnliche halboffene Landschaft, bei deren


Schaffung insbesondere die Rolle großer Pflanzenfresser als Gestalter aktuell herausgestellt wird.<br />

Diese Annahme stellt die konträr diskutierte Megaherbivorentheorie dar:<br />

Als Folge der Übernutzung durch Großherbivoren entwickeln sich relativ artenarme Fettwiesen<br />

<strong>und</strong> –weiden zu artenreichen Magerweiden (Krüsi et al. 1995 in Buhmann 2003: 5f.). Diese<br />

verlieren aufgr<strong>und</strong> mangelnder Futterqualität an Reiz für Weidetiere, verarmen artenmäßig,<br />

verbuschen <strong>und</strong> werden langfristig zu Wald. Waldflächen, die intensiv als Ruhezonen genutzt<br />

werden, weisen eine positive Nährstoffbilanz auf. Die permanente Nutzung als Ruhezone führt zur<br />

Überalterung der Baumbestände, zu deren Zusammenbruch <strong>und</strong> zu Waldlichtungen, die sich<br />

schließlich wegen der guten Nährstoffversorgung wieder zu attraktiven Weideflächen entwickeln.<br />

In Mitteleuropa bestehen wenige großflächige Schutzgebiete, in denen Wildtiere zur Offenhaltung<br />

der Landschaft eingesetzt werden, z.B. der polnische Nationalpark Bialowieza oder das<br />

niederländische Beweidungsprojekt Oostvaardersplassen, dessen wissenschaftlicher Stand in die<br />

Konzeption des Wildgeheges Glauer Tal eingeflossen ist (Tschöpe et al. 2004: 122, Krüger 1999<br />

<strong>und</strong> Fragebogen 6). In diesem Vogelschutzgebiet wurden nach Trockenlegung eines Polders im<br />

Ijsselmeer auf einer Fläche von 5.500 ha Großherbivoren – Heckrinder, Koniks <strong>und</strong> Rotwild – als<br />

Landschaftsgestalter angesiedelt (Krüger 1999: 428, 435). Es stellt die erfolgreiche Verschneidung<br />

von ingenieurmäßiger Planung <strong>und</strong> großtechnischer Umsetzung sowie dem Zulassen<br />

„selbstlaufender“ Prozesse dar. Projekte mit wildlebenden Rothirschen befinden sich bspw. in der<br />

Eifel (Petrak 1992 in Tschöpe et al. 2004: 122) oder im Schweizer Nationalpark Ofenpass/ Il Fuorn<br />

(Krüsi et al. 1998 in ebd.).<br />

Da die Wildtierbeweidung als Managementmaßnahme ein junges Verfahren repräsentiert, gibt es<br />

weiterhin offene Fragen (Tschöpe et al. 2004: 122). Sie betreffen bspw. das Problem der<br />

Eutrophierung nährstoffarmer Biotope über Kotablagerung der Tiere, den Umgang mit kranken<br />

oder toten Tieren, Probleme des Seuchenschutzes oder jagdrechtliche Schwierigkeiten (u.a. Völkl<br />

1999 in ebd.). Zudem muss das Risiko von Zwischenfällen mit Besuchern <strong>und</strong> Wildtieren durch<br />

Informationsarbeit verringert werden (Josten 2002 <strong>und</strong> Kampf 2001 in ebd.).<br />

Nach dieser praxisnahen Beschreibung der Situation von Ökosystemrenaturierung sollen im<br />

nächsten Kapitel die ethischen Gr<strong>und</strong>lagen dafür vorgestellt werden.<br />

39


40<br />

3. Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

In diesem Kapitel sollen die theoretischen <strong>Begründungen</strong> verschiedener Umweltethiker zur<br />

Renaturierung dargestellt werden, die im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen. Sie widerstreiten<br />

sich im Wesentlichen in ihren Positionen zur Rolle des Menschen in der Natur <strong>und</strong> zum Begriff<br />

von Natur.<br />

3.1 Einbettung der <strong>Begründungen</strong> in den umweltethischen Kontext<br />

Die Diskussion über den normativ richtigen Umgang des Menschen mit der außermenschlichen<br />

Natur hat ein breites Spektrum an philosophisch-ethischen Naturschutzbegründungen<br />

hervorgebracht, in welche sich auch die Rechtfertigungen zur Renaturierung einfügen. Die<br />

Gesamtheit dieser Positionen wird als „Argumentationsraum“ der Umweltethik bezeichnet. Der<br />

Argumentationsraum der Umweltethik ist insbesondere in der Ökosystemrenaturierung so weit<br />

gefasst, da er nicht vorrangig der Wissensvermittlung dienen, sondern eine umfassende Teilnahme<br />

an der Auseinandersetzung mit ihr sichern soll (partizipativer Ansatz). In ihn werden zunächst auf<br />

deskriptiver Ebene alle Argumente aufgenommen, von denen angenommen wird, dass sie<br />

individuelle <strong>und</strong> kollektive moralische Verpflichtungen begründen können, Umwelt-, Natur- <strong>und</strong><br />

Tierschutz zu betreiben (vgl. Ott 1997: 630). Diskursiv prüfen die Beteiligten, welche der Gründe<br />

für sie bindend werden. Ein Ziel ist, den Kreis der direkt moralisch zu berücksichtigenden Wesen<br />

bzw. den Bereich der Wesen mit einer moralisch relevanten Eigenschaft – der „moral community“<br />

– abzustecken <strong>und</strong> zu rechtfertigen. Sobald einem Wesen eine moralisch relevante Eigenschaft<br />

zukommt, bestehen für jede Person gegenüber diesem Wesen Pflichten, die sie erfüllen muss.<br />

Dieses Problem der Inklusion ist auch unter dem Namen „demarcation problem“ bekannt (Sober<br />

1995 in Ott & Gorke 2000: 22).<br />

Angelika Krebs zufolge können Naturschutzbegründungen in zwei hauptsächliche Gruppen<br />

moralischer Einstellungen differenziert werden: die Anthropozentrik <strong>und</strong> die Physiozentrik (1997:<br />

342). In der Anthropozentrik bestehen direkte moralische Pflichten nur gegenüber Menschen in<br />

Ansehung von Umwelt <strong>und</strong> Natur. Umwelt-, Natur- <strong>und</strong> Tierschutzbegründungen beziehen sich<br />

stets auf menschliche Bedürfnisse bzw. Interessen, d.h. sie existieren einzig um des Menschen<br />

willen. Keinem außermenschlichen Naturwesen wird ein moralischer Selbstwert zuerkannt. In der<br />

Physiozentrik ist Naturschutz um der Natur selbst willen geboten. Die moralische Gemeinschaft<br />

wird erweitert, sodass bestimmte oder alle Naturentitäten in ihr aufgenommen werden <strong>und</strong> somit<br />

einen moralischen Selbstwert erhalten. Die Physiozentrik umfasst im Wesentlichen vier<br />

Konzeptionen: Im Sentientismus bestehen direkte moralische Pflichten gegenüber<br />

empfindungsfähigen Organismen, im Biozentrismus gegenüber allen Lebewesen, im


Ökozentrismus gegenüber Ökosystemen <strong>und</strong> im pluralistischen Holismus gegenüber allem<br />

Seienden – der Ganzheit der Natur.<br />

Die <strong>Begründungen</strong> zur Renaturierung beruhen entweder auf einer anthropozentrischen oder<br />

physiozentrischen Haltung. Während Anthropozentriker Nutzenwerte in den Mittelpunkt ihrer<br />

Betrachtungen stellen <strong>und</strong> z.B. aus ökonomischen, landschaftsästhetischen, ökologisch-<br />

funktionellen, Erholungs- oder Umweltbildungsgründen renaturieren, fokussieren Physiozentriker<br />

Nicht-Nutzenwerte, weshalb die Natur bspw. aus Arten- oder Habitatschutzgründen<br />

wiederhergestellt wird.<br />

In Anlehnung an Konrad Ott existieren zwei Falltypen A <strong>und</strong> B von Renaturierung, die<br />

unterschiedliche Bewertungsfragen nach sich ziehen <strong>und</strong> zum allgemeinen Richtungssinn von<br />

Ökosystemrenaturierung in einer verschiedenen Beziehung stehen (2008: Kap. 15.4.5). Der<br />

allgemeine Richtungssinn definiert, was als „Verbesserung“ in der Renaturierung angesehen wird<br />

(ebd.: Kap. 15.4.2). Gemeint ist die Entwicklung von Zuständen, die in einem ökologischen Sinn<br />

als „naturnäher“ gelten können <strong>und</strong> dem Ist-Zustand vorgezogen werden. Unter den Falltyp A<br />

gruppieren sich Korrekturen vergangener Eingriffe in die Natur, wohingegen mit dem Falltyp B<br />

zukünftige Eingriffe angesprochen werden (ebd.: Kap. 15.4.5). Es handelt sich um die Frage, ob ein<br />

in Zukunft geplanter Eingriff, der durch Ökosystemrenaturierung rückgängig bzw. ausgeglichen<br />

werden kann, gegenwärtig zu rechtfertigen ist.<br />

Im Falltyp A existiert das, was renaturiert werden soll, nicht mehr in seinem vorherigen Zustand<br />

(ebd.). Menschliche Eingriffe haben ihn verändert. Durch eine Renaturierung würde nun der<br />

Hemerobiegrad herabgesetzt <strong>und</strong> das entsprechende Gebiet wieder naturnäher werden, was dem<br />

Richtungssinn von Ökosystemrenaturierung gleichkommt.<br />

Im Falltyp B hingegen würde der Hemerobiegrad zunächst durch den menschlichen Eingriff, der<br />

zumeist aus wirtschaftlichen Gründen geschieht, erhöht werden (ebd.). Es wird argumentiert, dass<br />

dies nur zeitweilig ist <strong>und</strong> auf lange Sicht die negativen Folgen durch eine Renaturierung<br />

(weitgehend) rückgängig gemacht werden können. Kritikwürdig ist, dass damit dieser Falltyp für<br />

die sich auf Ökosystemrenaturierung spezialisierten Firmen mehr Anreiz bietet als Falltyp A. Die<br />

Natur wird zum handelbaren Gut <strong>und</strong> eine Renaturierung von Vornherein einberechnet. Insofern<br />

muss Falltyp B anders bewertet werden als Falltyp A. Es ist fraglich, ob der Richtungssinn der<br />

Ökosystemrenaturierung damit noch gewahrt bleibt, denn diese steht nicht mehr wie<br />

selbstverständlich an der Seite des Naturschutzes.<br />

Viele Gegner der Renaturierung nehmen allein Falltyp B als Ausgangspunkt ihrer Positionen<br />

(ebd.). Er kann prima facie nicht für biozentrische, ökozentrische <strong>und</strong> holistische Konzeptionen<br />

von Umweltethik begründet werden (Taylor 1986, Westra 1994 <strong>und</strong> Gorke 2007 in Ott 2008: Kap.<br />

15.5.2). Wenn eine Handlung moralisch falsch ist, weil moralische Selbstwerte naturaler Entitäten<br />

nicht respektiert werden, so ist sie zu unterlassen. Eine sich anschließende Renaturierung käme<br />

41


42<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

lediglich einer Wiedergutmachung von Unrecht gleich. In den physiozentrischen Konzeptionen<br />

haben jedoch Unterlassungspflichten einen höheren Stellenwert als Wiedergutmachungspflichten.<br />

Falltyp A ist dagegen vom holistischen Standpunkt immer weniger dann in Erwägung zu ziehen, je<br />

länger der falsche frühere Eingriff zurückliegt. Am potenziellen Renaturierungsstandort hat sich in<br />

der Zwischenzeit eine neue biotische Gemeinschaft gebildet, die moralischen Eigenwert besitzt <strong>und</strong><br />

die durch einen erneuten Eingriff zerstört oder geschädigt würde. Eine Renaturierung im<br />

holistischen Verständnis meint, menschliche Naturnutzung zu beenden <strong>und</strong> die natürlichen<br />

Systeme durch Prozessschutz ohne Zielvorgabe „laufen zu lassen“.<br />

3.2 Die Begriffe Natur <strong>und</strong> Artefakt<br />

Zum besseren Verständnis der sich anschließenden ausgewählten <strong>Begründungen</strong> von Befürwortern<br />

<strong>und</strong> Gegnern der Ökosystemrenaturierung werden im Folgenden die Begriffe „Natur“ <strong>und</strong><br />

„Artefakt“ erläutert.<br />

Etymologisch bezeichnet das Wort Natur, in Übereinstimmung mit der lateinischen Wurzel natura,<br />

„das Hervorbringen, Geburt, Wesen, Schöpfung“ (Groß 2001: 26). Der Begriff natura stammt ab<br />

von nasci „entstehen, geboren werden“ (Korff et al. 1998: 728). Man unterscheidet zwischen<br />

belebter – biotischer – <strong>und</strong> unbelebter – abiotischer Natur. Unter „Natur“ wird im Allgemeinen das<br />

gefasst, was nicht vom Menschen geschaffen wurde als Gegenstück zum „Artefakt“, das ein durch<br />

menschliche Einwirkung entstandenes Produkt oder Phänomen bezeichnet wie Kultur, Technik<br />

oder Gesellschaft (u.a. Duden 1992: 52). Der Begriff Artefakt leitet sich ab vom Lateinischen<br />

„ars“, der Kunst, <strong>und</strong> „factum“, das Gemachte.<br />

Eine Wurzel unserer Vorstellungen von der Natur liegt in der jüdisch-christlichen Tradition, in der<br />

sie als Schöpfung Gottes angenommen wird (Korff et al. 1998: 728). Durch die alttestamentliche<br />

Überlieferung bildete sich im mittelalterlichen Europa ein Naturverhältnis, das dem Menschen<br />

sowohl einen Beherrschungs- als auch Bewahrungsauftrag gab. In der Aufklärung wurde die Natur<br />

vollständig den Menschen zu ihren Zwecken nutzbar untergeordnet. Sie waren fest davon<br />

überzeugt, dass der so genannte Unterwerfungsauftrag von Genesis 1: 26ff. nicht nur eine<br />

Erlaubnis, sondern ein Gebot beinhaltet, sich „die Erde untertan zu machen“ (Ott 2008: Kap.<br />

15.4.4). Der Historiker Lynn White hat 1966 auf einer Tagung der „American Association for the<br />

Advancement of Science“ das Christentum für die Entstehung der ökologischen Krise der<br />

Gegenwart geistesgeschichtlich verantwortlich gemacht (Tribe 1996: 44). Diese Behauptung ist<br />

allerdings häufig als überzogen kritisiert worden.<br />

Erst gegen Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde maßgeblich u.a. durch Ökologie die Natur als ein<br />

selbstregulierendes System begriffen. Mit der Popularisierung der Ökosystemforschung wird seit<br />

den 1980er Jahren die Einsicht gewonnen, dass Natur nicht als Ganzes zu begreifen ist, sondern nur


als ein offenes System, dessen Teil auch der Mensch mit seiner Kultur ist (Großklaus & Oldemeyer<br />

1983). Dies wird bspw. auch in der Definition der Arbeit deutlich, welche die Gesellschaft <strong>und</strong> die<br />

Natur im Systemzusammenhang nennt.<br />

Der Mensch kann sich erkennend (theoretisch), handelnd (technisch-praktisch) oder reflektierend<br />

(ästhetisch) auf die Natur berufen (Korff et al. 1998: 728). Im Zuge der ökologischen Krise nimmt<br />

er nun auch eine moralisch-praktische Einstellung ihr gegenüber ein (ebd.: 732f.). Durch die<br />

ökologische Krise ist eine Rückkehr zu Vorstellungen von Endlichkeit, Verletzlichkeit <strong>und</strong><br />

Einmaligkeit festzustellen. Heutzutage erfährt der Gedanke der Natur als Schöpfung im<br />

Zusammenhang ökologischer Überlegungen neuen Aufschwung, denn nur die „Scheu vor der<br />

Verletzung eines Heiligen“ (zit. Jonas 1979: 57 in ebd.: 730) werde uns vom jetzigen Raubbau an<br />

der Natur abbringen.<br />

Die außermenschliche Natur kann als ein gradueller Begriff oder Skalenbegriff verstanden werden<br />

(Ott 2008: Kap. 15.5.3). Er bewegt sich zwischen zwei Polen – der „absoluten Wildnis“, die kaum<br />

noch vorhanden ist, <strong>und</strong> dem „puren Artefakt“, das nicht existieren kann, da alles aus natürlichem<br />

Material hergestellt ist. Dazwischen sind renaturierte Ökosysteme verschieden auf der Skala<br />

positioniert. Sie können durchaus in den Bereich der „relativen sek<strong>und</strong>ären Wildnis“ vordringen.<br />

Ein abgestufter Naturbegriff trägt zum Verständnis der vorliegenden Arbeit bei, da sie sich mit der<br />

vom Menschen überformten Natur beschäftigt.<br />

3.3 <strong>Begründungen</strong> von Befürwortern der Ökosystemrenaturierung<br />

Unter den Befürwortern von Renaturierungsprojekten gibt es sowohl Anthropozentriker als auch<br />

Physiozentriker, deren Ziele prinzipiell ökologische sind, aber genauso ökonomische, soziale,<br />

kulturelle, politische <strong>und</strong> moralische Bestrebungen sein können. Sie erkennen die<br />

Renaturierungsthese an, welche die Gleichwertigkeit der ursprünglichen Landschaft im Vergleich<br />

zur renaturierten Landschaft verheißt. Die Renaturierungsthese findet sich im Wortlaut bei Robert<br />

Elliot 1995: 76: „Any loss of value is merely temporary and […] full value will in fact be restored.<br />

[…] The destruction of what has value is compensated for by the later creation (recreation) of<br />

something of equal value.“ Ihr zufolge kann der volle Wert eines Teils der natürlichen Umwelt zu<br />

irgendeiner gegebenen Zeit ganz von seinen Elementen abgeleitet werden, die repliziert,<br />

reproduziert oder wiederhergestellt werden können (Elliot 1994b: 135f.). Die These impliziert<br />

daher die Verweigerung der scharfen Trennung zwischen dem Menschlichen <strong>und</strong> Natürlichen<br />

(Gunn 1991: 296).<br />

Bei einem funktionierenden ökologischen Gleichgewicht ist die historische Kontinuität einer<br />

Landschaft demnach irrelevant (Scherer 1995: 364). Selbst wenn diese verloren ist, besteht oft die<br />

Möglichkeit, das interaktive Gleichgewicht durch Renaturierung wiederherzustellen, indem vorige<br />

43


44<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Nischen durch andere Arten besetzt werden. Die renaturierte Landschaft ist daher nicht<br />

minderwertiger als die natürlich entstandene. Light & Higgs gehen davon aus, dass Renaturierer<br />

sogar Wertschöpfer in der Natur sind (1996: 235). Im Unterschied wird bei der Konservierung<br />

einer Landschaft hingegen kein neuer Wert produziert, da nur die Werte erhalten werden, die schon<br />

existieren.<br />

Donald Scherer vertritt den Standpunkt, dass Ökosystemrenaturierung eine Praxis darstellt, die nur<br />

in einem größeren Zusammenhang möglich ist (1995: 375-379). Um eine derartige soziale Praxis<br />

zu entwickeln bedarf es gleichzeitig den folgenden Zielen von zugänglichen Märkten, ungiftigen<br />

Abfällen <strong>und</strong> einer stabilen Bevölkerungszahl. Weil Degradationen im Wesentlichen aus der<br />

Entrechtung bestimmter Entitäten resultieren, sind soziale Signale nötig, um das ökologische<br />

„Wohlsein“ zu schützen. Sozialkapital 9 wird gebraucht, um die übergeordneten Marktstrukturen<br />

mit dem Wohl von Akteuren <strong>und</strong> von breiteren Gemeinschaften zu koordinieren. Es ist<br />

anzustreben, Ökosystemrenaturierung als Anstoß dafür zu nehmen, eine Stabilität in der<br />

Bevölkerungsentwicklung <strong>und</strong> Sparsamkeit im Ressourcengebrauch zu erreichen. Das geschieht,<br />

indem der Wohlstand, welcher durch Ökosystemrenaturierung erlangt wird, mit entsprechenden<br />

Koordinierungen verb<strong>und</strong>en wird. Ansonsten ist ihr Richtungssinn fraglich (Scherer 1995: 375-<br />

379), wie durch den Falltyp B bereits im Kapitel 3.1 besprochen wurde. Scherer sieht deshalb den<br />

Wert der Ökosystemrenaturierung als ambivalent an, wenn sie als eine Strategie betrachtet wird,<br />

alles haben zu können: Die ungehinderte menschliche Entwicklung mit dem ökologischen<br />

„Wohlergehen“ in Einklang zu bringen, eher als dieselbige derart umzugestalten, dass ökologische<br />

Schäden verringert werden. Wenn renaturierte Habitate einen Raum für Menschen bieten, ihr<br />

eigenes Bevölkerungswachstum <strong>und</strong> ihren verschwenderischen Ressourcengebrauch aufzuwiegen,<br />

dann scheint es mithilfe von Renaturierungen Straffreiheit zu geben, neue Fehler zu machen. In<br />

Anspielung an die Strategie international agierender Wirtschaftsunternehmen wie IBM oder Red<br />

Wing Shoes, ihre Hauptsitze mit renaturierter „indigener“ Natur zu umgeben, ist die<br />

Ökosystemrenaturierung nicht notwendigerweise eine Naturschutzpraxis (Light & Higgs 1996:<br />

240f.).<br />

Nach John L. Harper sind Renaturierer nicht einfach Bastler, sondern Handwerker <strong>und</strong> Ingenieure,<br />

die dem Ökozentriker <strong>und</strong> Wegbereiter von Ökosystemrenaturierung in der US-amerikanischen<br />

Tradition Aldo Leopold zufolge der Kunst des intelligenten Bastelns anhängen: „Keep all the<br />

pieces“ (Jordan et al. 1990: 45 <strong>und</strong> zit. Scherer 1995: 364). Sie könnten zudem eine andauernde<br />

„teilnehmend-gärtnerische“ Beziehung entwickeln, was als ein neuer Wert in der<br />

9 Sozialkapital bezeichnet die Gesamtheit der gegenwärtigen <strong>und</strong> potenziellen Ressourcen, die mit der<br />

Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen zusammenhängen können. Es stellt für die Individuen einen Zugang<br />

zu den Ressourcen des sozialen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Lebens bereit wie Unterstützung, Hilfeleistung,<br />

Anerkennung, Wissen <strong>und</strong> Verbindungen bis hin zum Finden von Arbeits- <strong>und</strong> Ausbildungsplätzen<br />

(http://de.wikipedia.org/wiki/Soziales_Kapital 17.1.2008).


Ökosystemrenaturierung entstehen könnte (Cowell 1993: 32). Renaturierer sehen den Unterschied<br />

zwischen menschlichen Tätigkeiten <strong>und</strong> denjenigen anderer Arten nur als eine graduelle Abstufung<br />

(Gunn 1991: 296). Einige äußern die Verpflichtung des Menschen, seine Kräfte nicht zu<br />

gebrauchen, um unverantwortlich zu zerstören <strong>und</strong> frühere Schäden so gut es geht auszubessern.<br />

Robert L. Chapman plädiert dafür, dass der Begriff der „wildness“ – die nach Henry D. Thoreau<br />

selbsttätige Aktivität lebendiger Systeme – bestimmte menschliche Handlungen einschließen sollte,<br />

damit der Ökosystemrenaturierung ein natürlicher Wert zuerkannt werden kann (2006: 463). Die<br />

menschliche Intervention in die außermenschliche Natur ist nicht unbedingt destruktiv oder<br />

respektlos gegenüber ihrer Autonomie (Lo 1999: 265). Genauso wenig wie die Auferlegung von<br />

externer Kontrolle in jedem Fall eine unterdrückende Beherrschung konstituiert wie es von<br />

manchen Kritikern der Praxis unterstellt wird. Was als eine evolutionäre Anpassung vorliegt,<br />

existiert nicht notwendigerweise frei von Kontrolle <strong>und</strong> Veränderung durch technologische<br />

Prozesse. Zumal auch außermenschliche Produkte wie Biberdämme oder Bienenwaben durch<br />

technologische Prozesse hervorgebracht werden (Scherer 1995: 362f.). So wendet Scherer die<br />

Definition von „natürlichen menschlichen Tätigkeiten“ vom schärfsten Kritiker der<br />

Ökosystemrenaturierung Eric Katz ab, die „als evolutionäre Anpassungen, unabhängig von einer<br />

Kontrolle <strong>und</strong> von Veränderungen durch technologische Prozesse“ existieren (Katz 1991: 95).<br />

Laurel Ross, Koordinatorin von Renaturierungsprojekten in Illinois, stellt fest, dass<br />

Renaturierungsarbeit so natürlich ist wie Kinder zu erziehen oder Kunst zu machen (zit. Ladkin<br />

2005: 207). Für einen anderen Befürworter von Renaturierung Carl Pletsch repräsentiert die<br />

Ökosystemrenaturierung zwar den Gipfel der Herrschaftssicht, doch erscheint sie eher<br />

unterstützend als zerstörerisch (Light & Higgs 1996: 232).<br />

Alastair Gunn bevorzugt M. Muries Definition von „Natürlichkeit“ (1991: 297f.). Darin bezeichnen<br />

„natural environments“ alle Orte, an denen sich Organismen in wechselseitigen Beziehungen<br />

befinden, die von einem direkten Management oder anderen drastischen menschlichen Eingriffen<br />

unabhängig sind, wobei die An- oder Abwesenheit von Menschen keine Rolle spielt. Gunn führt<br />

weiter aus, dass nahezu jedes Gebiet der Erde auf irgendeine Art <strong>und</strong> Weise durch menschliche<br />

Aktivität beeinflusst wurde. Dadurch verringerte sich zwar das Areal <strong>und</strong> auch die Zahl von Arten,<br />

doch menschliche Tätigkeit hat, abgesehen von beabsichtigten oder unbeabsichtigten<br />

Einführungen, auch Habitate für andere Arten geschaffen. Bei einigen Sperlings-, Star- oder<br />

Möwenarten kann nicht abgestritten werden, dass sie reale Spezies sind. Bemühungen, die eine<br />

gefährdete Art sich in ihrer Individuenanzahl wieder erholen lassen – einschließlich durch Zucht –<br />

produzieren nichts inhärent Geringeres als das Original.<br />

Wenngleich nicht jede menschliche Interaktion mit der Natur, umfasst Renaturierung stets eine<br />

politische Dimension (Light & Higgs 1996: 232f.). Es muss entschieden werden, was renaturiert<br />

werden soll <strong>und</strong> was nicht bzw. was erhalten werden soll <strong>und</strong> was nicht. Allerdings sind viele<br />

Praktiker dem abgeneigt, da Politik Dinge beschmutzt. William R. Jordan spricht weniger von<br />

45


46<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

einem Programm als vielmehr von einem die Ökosystemrenaturierung umfassenden<br />

kontinuierlichen Dialog, der unsere Handlungen in der biotischen Gemeinschaft vereinbart (Light<br />

& Higgs 1996: 234). Damit werde eine demokratische Gesellschaft unterstützt <strong>und</strong> auf Änderungen<br />

hin anpassungsfähig gemacht. Gemäß Jordan ist Renaturierung demokratisch per Definition –<br />

inhärent demokratisch. Light & Higgs widersprechen dem. Renaturierung habe nur ein inhärentes<br />

demokratisches Potenzial, denn es kann ebenso ein solches fiktives Projekt, durch Zwangsarbeiter<br />

verrichtet <strong>und</strong> technisch erfolgreich, w<strong>und</strong>ervoll divers sein <strong>und</strong> zu einem „ges<strong>und</strong>en“ Ökosystem<br />

führen. Auch verstaatlichte <strong>und</strong> kommerzialisierte Natur, z.B. von Unternehmen durchgeführte<br />

Renaturierungen, passen gut in die gängigen Muster von Globalisierung als eine Tendenz, die das<br />

demokratische Potenzial von Renaturierung erodiert (ebd.: 231). Undemokratische<br />

Renaturierungen sind ein Verlust für die Werte in der Praxis (ebd.: 239f.). Als eine Alternative<br />

erscheint „localism“ (Light & Higgs 1996: 240). Eine große Anzahl Freiwilliger ist dabei in<br />

Renaturierungsvorhaben eingeb<strong>und</strong>en, die das demokratische Potenzial der Praxis wiederum<br />

stärken <strong>und</strong> Hoffnung auf Erfolg geben.<br />

Für Andrew Light & Eric Higgs ist eine schlechte Renaturierung durch einen Mangel an<br />

gesellschaftlicher Teilnahme charakterisiert (1996: 236). Es darf deshalb nicht nur das Produkt von<br />

Ökosystemrenaturierung <strong>und</strong> somit die Politik von Ökosystemrenaturierung, sondern es muss auch<br />

der Prozess der Ökosystemrenaturierung <strong>und</strong> damit die Politik in der Ökosystemrenaturierung<br />

betrachtet werden (ebd.: 230, 241f.). Die Ökosystemrenaturierung ist erst dann demokratisch, wenn<br />

wir einen politischen Diskurs zu ihr ermöglichen (ebd.: 246). So führe die „ökologische<br />

Entwicklung von Natur“ zu einer „besseren Natur“, wobei sie jedoch gleichzeitig als „schlechte<br />

Ökosystemrenaturierung“ beschrieben werden kann (van der Heijden 2005: 442f.). Dagegen führe<br />

die „gesellschaftliche Entwicklung von Natur“ zu „guter Ökosystemrenaturierung“. Obgleich<br />

daraus weniger „echte Natur“ resultiert, ist sie vorzuziehen. Der frühere Präsident des SER Eric<br />

Higgs vetritt die Position, dass Renaturierung als eine neue Metapher für unsere Beziehungen mit<br />

natürlichen Dingen zu dienen scheint: „we are in a restorative, as opposed to, say, a conservationist<br />

mode“ (2003: 11). Allerdings nehmen durch die Kontrolle durch Professionalisierung der<br />

Renaturierung die Partizipation <strong>und</strong> das demokratische Potenzial ab (Light 2000: 163).<br />

C. Mark Cowell zufolge bietet Renaturierung eine Alternative für die menschliche Interaktion mit<br />

der Umwelt, wenngleich er allerdings auch auf die gefährlichen Möglichkeiten für die Umwelt<br />

hinweist, die diese Form der Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie durch ihre manipulative Kapazität<br />

bereitstellt (1993: 19). Er schlägt eine Wiederbewertung der Definition von Renaturierung vor, die<br />

bei der Klärung sowie Entwicklung eines Systems von Umweltethik helfen kann, menschliche<br />

Beziehungen mit der Umwelt als potenziell symbiotisch <strong>und</strong> positiv anzuerkennen. Wenn Natur<br />

<strong>und</strong> des Menschen Rolle in ihr als dynamisch angesehen werden, wird das Potenzial für eine<br />

partizipatorische, wechselseitige Beziehung klarer (ebd.: 32). Derart betrachtet wird die natürliche<br />

Gesellschaft – z.B. die Klimaxgesellschaft vor der Siedlungstätigkeit – ausgesondert <strong>und</strong> durch


eine Serie von Gesellschaften verschiedener Entwicklungsstadien <strong>und</strong> variierender Ursprünge<br />

ersetzt. Die Komponenten in diesem Gesellschaftsmosaik könnten sich ändernde Werte – wie<br />

utilitaristische <strong>und</strong> intrinsische Werte – für Menschen <strong>und</strong> andere Ökosystemmitglieder innehaben.<br />

Insofern würde sich die scharfe Grenze zwischen dem Menschlichen <strong>und</strong> Natürlichen auflösen, so<br />

dass eine wechselseitige Beziehung möglich ist.<br />

Der Stadt- <strong>und</strong> Umweltsoziologe Matthias Groß liefert in seinem Buch „Inventing Nature:<br />

Ecological Restoration by Public Experiments“ ein Konzept für die Interaktion von Natur <strong>und</strong><br />

Gesellschaft (Gross 2003). Insofern fügt sich die Ökosystemrenaturierung in den folgenden<br />

Rahmen ein (ebd.: 153):<br />

(a) Das naturwissenschaftliche Wissen trifft auf das gesellschaftliche Wissen als<br />

wesentlicher Teil des Renaturierungsplans.<br />

(b) Die gesellschaftlichen Aktivitäten befinden sich damit in einer direkten<br />

Interaktion mit der Natur.<br />

(c) Der Natur wird der Status eines „Akteurs“ verliehen, dessen Handlungen von<br />

der Gesellschaft bewertet werden.<br />

(d) Die Gesellschaft wird zum „Labor“.<br />

Ersichtlich wird dadurch, dass die Natur abhängig von der Gesellschaft ist (ebd.: 33). Sie braucht<br />

unsere Verwalterschaft bzw. ein Management durch uns 10 <strong>und</strong> wird zum „Partner“ der Gesellschaft<br />

(ebd.: 44). Die Natur <strong>und</strong> die Menschen formen sich wechselseitig: Je komplexer <strong>und</strong> ausgefeilter<br />

ein Renaturierungsvorhaben wird, um so mehr werden Laien, lokales Wissen <strong>und</strong> ästhetische<br />

Präferenzen einbezogen (ebd.: 149).<br />

Einen anderen Rahmen für eine erfolgreiche Renaturierung steckt Donna Ladkin (2005: 214-217).<br />

Nach ihr können Renaturierungen außerhalb einer „Herrscher-Logik“ unter der Beachtung von vier<br />

Kriterien ausgeführt werden:<br />

(a) Menschen sehen ihre Rolle als Mitschöpfende, die an der Seite der Natur arbeiten.<br />

(b) Das Ziel einer Renaturierung wird darin gesehen, die „Landges<strong>und</strong>heit“ <strong>und</strong><br />

Biodiversität zu erhöhen.<br />

(c) Es gibt eine Zusage, vom Land zu lernen.<br />

10 So äußern sich verschiedene Praktiker wie Steve Packard u.a. in einem Interview im Jahr 2000 (zit. Gross<br />

2003: 41f.). Böhme spricht im selben Wortlaut von „humans become […] the stewards of natural creation“<br />

(1992: 19 zit. Gross 2003: 42f.).<br />

47


48<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

(d) Die eigenen „Projekte“ des Landes – um den Begriff Plumwoods 11 auszuborgen –<br />

werden in die Darstellung aufgenommen.<br />

(a) Es ist nicht hilfreich, eine zerstörte Landschaft – wie z.B. ein ehemals militärisch genutztes<br />

Gelände – unberührt zu lassen, da manche durch den Menschen verursachte Störungen so wenig<br />

mit natürlichen Prozessen gemein haben, dass ein Nicht-Eingreifen zu großen Nachteilen aufseiten<br />

der menschlichen Gesellschaft führen würde. Außerdem kann sich ein Ökosystem durch invasive,<br />

vom Menschen eingeschleppte Arten nie so entwickeln, wie es sich natürlicherweise entfaltet hätte.<br />

Einheimische Arten würden ohne Eingriff verloren gehen. Diese Eingriffe umfassen frühere<br />

menschliche Handlungen <strong>und</strong> deren Folgen für Ökosysteme. Sie erfordern von Menschen, ihre<br />

Aufmerksamkeit, Neugier <strong>und</strong> Sorge für die „Heilung“ der Natur aufzubringen.<br />

(b) Das primäre Ziel der Renaturierung sollte sein, die „Ges<strong>und</strong>heit“ des Landes zu erreichen. Das<br />

geschieht, im Sinne Aldo Leopolds, indem es befähigt wird, sich aus sich selbst heraus zu<br />

regenerieren.<br />

(c) Um erfolgreich zu renaturieren, müssen wir begreifen, dass wir nicht alles wissen können,<br />

unsere Technologie nicht vollkommen ist. Insofern sollen wir vom Land lernen, welches wir<br />

renaturieren wollen. Denn bezeichnend für die Rolle der Natur ist es, zu „wissen“ wie sie<br />

Ökosysteme renaturiert.<br />

(d) Nach Val Plumwood erfordert die Idee, Natur zu respektieren, dass sie als ein stetig präsenter<br />

„Akteur“, der zu unserem täglichen Leben beiträgt, anerkannt wird (Ladkin 2005: 216). Diese<br />

Anerkennung bezieht sich auf die Natur als ein „unabhängiges Wertezentrum“, als ein „Schöpfer<br />

von Projekten“, der unseren Respekt verdient.<br />

Bei vielen Autoren findet sich der Begriff der „Heilung“. Jordan spricht von einer aktiven<br />

„Heilung“ von Systemen (Cowell 1993: 22). Carolyn Merchant zufolge erkennt Renaturierung an,<br />

dass, solange Menschen ein Teil der Natur sind, sie auch mehr Vermögen haben, diese zu<br />

verändern als andere Arten (ebd.: 27). Verantwortungsvoll <strong>und</strong> mit einem ethischen Bewusstsein<br />

„heilt“ der Mensch das, was geändert oder beschädigt wurde <strong>und</strong> kreiert dadurch eine neue<br />

Zukunft. Die Idee der Renaturierung sollte sein, „verw<strong>und</strong>ete“ Natur zu „heilen“ (Lo 1999: 266).<br />

Die in ihrem Buch „In Service of the Wild“ 12 über Renaturierungserfolge in den USA <strong>und</strong> in Indien<br />

berichtende <strong>und</strong> mit Steve Packard zusammen tätige Stephanie Mills formuliert es so: „Restoration<br />

is about accepting the brokenness of things, and investigating the emergent property of healing”<br />

(zit. Ladkin 2005: 203). Donna Ladkin geht davon aus, dass der Mensch den Ort „heilt“, an dem er<br />

sich zuhause fühlt (ebd.: 207). Dafür wählt sie den Begriff „re-inhabitation“. Er drückt eine intime<br />

Mensch-Natur-Beziehung aus, in welcher die Menschen einen Sinn für den Ort <strong>und</strong> eine<br />

11 Plumwood, V. (2002): Environmental Culture: The Ecological Crisis of Reason. – London: Routledge.<br />

12 Mills, S. (1995): In Service of the Wild: Restoring and Reinhabiting Damaged Land. – Boston: Beacon<br />

Press.


Zugehörigkeit zum Land wiedergewinnen (ebd.: 212). Eine wechselseitige „heilsame“ Interaktion<br />

kann somit zwischen Menschen <strong>und</strong> ihrer Umwelt entstehen, welche einen beträchtlichen<br />

intrinsischen Wert haben kann (ebd.: 217). Es ist möglich, dass „Heilung“ Manipulation bedeutet,<br />

weil Arten eingeführt werden, doch impliziert diese Manipulation nicht gleichzeitig Dominanz<br />

(ebd.: 209). Der Zoologe <strong>und</strong> Praktiker Chris Maser vertritt den Standpunkt, dass wir durch<br />

Renaturierung lernen, wie ein Land zu renaturieren oder ein Ökosystem zu „heilen“ ist (Cowell<br />

1993: 27f.). Während wir ein Ökosystem „heilen“, „heilen“ wir uns selbst. Daniel T. Spencer<br />

drückt sich ähnlich wie Maser aus, obgleich er den Begriff der „Heilung“ ausspart: „indem wir die<br />

Erde renaturieren, werden wir wiederum der Erde zurückerstattet“ (2007: 416).<br />

Schließlich stellt die Ökosystemrenaturierung für Jordan einen Akt des Glaubens an die<br />

Möglichkeit einer wechselseitigen, wohltätigen Beziehung zwischen den Menschen <strong>und</strong> dem Rest<br />

der Natur dar (Cowell 1993: 21). Scherer spricht sogar von einem „monumentalen<br />

Glaubensbekenntnis“ (1995: 379). Zudem wird argumentiert, dass die Renaturierungspraxis als<br />

obligatorische Antwort auf bedrohte <strong>und</strong> geschädigte Ökosysteme fungiere (Scherer 1995: 376 <strong>und</strong><br />

Gunn in Light & Higgs 1996: 229).<br />

Nachdem nun der ethische Sinn der Praxis umrissen ist, sollen anschließend die Kritiker von<br />

Renaturierungsprojekten zu Wort kommen, bevor zu einzelnen Aussagen beider Seiten Stellung<br />

genommen wird.<br />

3.4 <strong>Begründungen</strong> von Gegnern der Ökosystemrenaturierung<br />

Den Behauptungen gegen Renaturierung liegt ein idealisiertes Naturbild zugr<strong>und</strong>e, wodurch der<br />

Mensch vom Natürlichen separiert wird (vgl. Groß 2001: 237).<br />

Gemäß Robert Elliot sei der Mensch nicht einfach Teil der Natur, denn infolge von Kultur <strong>und</strong><br />

Technologie verlaufen natürliche Prozesse – inbegriffen die natürliche Selektion – entfernt von ihm<br />

(1994b: 143). Schließlich nimmt der Mensch Medikamente, besitzt die Fähigkeit, Entscheidungen<br />

zu treffen, hat kulturell auferlegte Haltungen, Wünsche <strong>und</strong> Präferenzen. Seine Neigungen sind<br />

nicht fest „verdrahtet“ wie die anderer Organismen. Insofern hat er die Möglichkeit, Natur zu<br />

formen <strong>und</strong> sie seinen Zwecken anzupassen, was bei der Ökosystemrenaturierung der Fall ist.<br />

Von vielen Kritikern wird unterstellt, dass die Renaturierung eine unterdrückende Beherrschung<br />

einnimmt. Die Annahme, dass der Mensch Teile der Natur renaturieren könnte, ist laut Eric Katz<br />

Ausdruck einer anthropozentrischen Weltsicht, in der durch die Verfolgung ausschließlich<br />

menschlicher Interessen eine wohltuende natürliche Realität neu geformt wird (1997a: 95). Für<br />

Katz sind Versuche zur Umgestaltung, Wiederherstellung <strong>und</strong> Renaturierung natürlicher Gebiete<br />

<strong>und</strong> Objekte eine radikale Intervention in natürliche Prozesse: “The f<strong>und</strong>amental error is thus<br />

domination, the denial of freedom and autonomy” (1991: 95). Katz kritisiert, dass die<br />

49


50<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Renaturierung nur einen „fehlgeleiteten Glauben an die Hegemonie <strong>und</strong> Unfehlbarkeit der<br />

menschlichen Macht, die natürliche Welt zu kontrollieren“ bedeuten kann <strong>und</strong> insofern eine<br />

Selbsttäuschung darstellt (1996: 222, 224). Stattdessen möchte er in einem Aufsatz den “call of the<br />

wild” entdecken – den Anreiz, das zu bewerten, was in der natürlichen Welt außerhalb von<br />

menschlicher Kontrolle existiert (1992: 265).<br />

Eugene C. Hargrove vertritt folgende Auffassung: „Zu versuchen, die Natur zu manipulieren, selbst<br />

aus ästhetischen Gründen, verändert sie ungünstig von einem ästhetischen Standpunkt aus.<br />

Historisch wird die Manipulation von Natur, selbst um sie zu verbessern, als Unterwerfung oder<br />

Dominanz betrachtet“ (1989: 195). Diese Beherrschung, resultierend aus menschlichen Eingriffen,<br />

führt zu mehr als einem Verlust von Schönheit. Hargrove schätzt den Verlust von Freiheit als am<br />

schwerwiegendsten ein: „it reduces [nature´s] ability to be creative“.<br />

Thomas H. Birch sieht Verwilderung als das Andere des westlichen „technologischen Imperiums“,<br />

das in Wildnisgebieten dem Verständnis von Herrschaft <strong>und</strong> Kontrolle zufolge gewissermaßen<br />

eingesperrt wird (1990: 3). Diese Gebiete bezeichnet er als kontrollierte „Simulationen“ von<br />

Verwilderung. Um den Wert zu verstehen, welcher in der natürlichen Welt außerhalb von<br />

menschlicher Kontrolle existiert, ist es notwendig, das Verhältnis zwischen der Technologie <strong>und</strong><br />

der natürlichen Welt zu begreifen, d.h. die Art <strong>und</strong> Weise, durch die menschliche Versuche, Natur<br />

zu „fixieren“ <strong>und</strong> zu formen menschlichen Zwecken angepasst werden (Katz 1992: 266). Birch hat<br />

dies als das Projekt der „Kontrolle über die Andersartigkeit“ beschrieben, eine Form von<br />

Dominanz, welche die Überwachung von Natur <strong>und</strong> alles Weitere, was außerhalb der menschlichen<br />

Gesellschaft existiert, umfasst (Birch 1990: 18). Der gesamte Prozess, Wildnisreservate<br />

auszuweisen <strong>und</strong> durch menschliche Gesetze aufrechtzuerhalten ist widersprüchlich:<br />

„Wildnisreservate werden nicht als Lücken innerhalb von Dominanz betrachtet, wo ´Anarchie´<br />

erlaubt ist, wo die Natur tatsächlich frei ist. Überhaupt nicht. Das Gesetz steht über allem. Da<br />

Reservate per Gesetz erschaffen wurden, können sie auch per Gesetz wieder abgeschafft werden“<br />

(ebd.: 10).<br />

Katz spricht gar von einem „technological fix“ (1992: 265f.). Demnach „fixiert“ die Technologie<br />

die natürliche Welt durch die Aufbesserung für menschlichen Nutzen, worunter er auch die<br />

Renaturierung degradierter Ökosysteme fasst. Technologie kreiert eine „neue Welt“, eine<br />

künstliche Realität, die weit entfernt ist von der „Verwilderung“ in der Natur. Dabei werden<br />

ausschließlich Artefakte hergestellt, die das „Wilde“ nicht liefern, ersetzen oder renaturieren<br />

können. Insofern ist das Resultat von Steve Packards Renaturierung der mittelwestlichen Savanne<br />

in den USA zwar ein Ökosystem, das aussieht <strong>und</strong> funktioniert wie das Original, doch stellt sie ein<br />

Produkt menschlicher Wissenschaft <strong>und</strong> Technologie – ein Artefakt – dar (Katz 1996: 223). Es<br />

wurde erschaffen durch das systematische Sammeln der Samen von Wildgräsern <strong>und</strong> durch<br />

kontrolliertes Brennen. Die „technologische Fixierung“ der Natur wirft einen moralischen<br />

Sachverhalt auf. Zu klären ist, inwieweit sich ein Artefakt moralisch von der natürlichen <strong>und</strong>


wilden Entität unterscheidet. Artefakte sind menschliche Instrumente <strong>und</strong> im Gegensatz zu<br />

natürlichen Entitäten nicht selbstbestimmt (Katz 1997a: 104). Ihr Wert liegt einzig in der Fähigkeit,<br />

menschliche Bedürfnisse abzudecken (Katz 1992: 270). Natürliche Entitäten haben sich dagegen<br />

entwickelt, um ökologische Nischen in der Biosphäre zu füllen. Andrew Brennan bezeichnet sie als<br />

Entitäten, die keine „intrinsischen Funktionen“ besitzen, da sie für keinen speziellen Zweck kreiert<br />

wurden (1984: 41). Der Versuch, natürliche Entitäten zustande zu bringen ist die Verleugnung ihrer<br />

inhärenten Autonomie: eine Form von Dominanz (Katz 1992: 265). Der Mensch ist verpflichtet,<br />

durch den Erhalt von so viel natürlicher Welt wie möglich dagegen anzukämpfen. Die<br />

„technologische Fixierung“, zerstörte <strong>und</strong> degradierte Natur wiederherzustellen, ist illusorisch wie<br />

auch unwahr (ebd.: 270). Deshalb bezeichnet Katz dies an anderer Stelle als „große Lüge“ (1997a).<br />

Das Produkt der Renaturierung von Natur ist nicht das Ergebnis eines auf ihrer Geschichte<br />

basierenden natürlichen Prozesses (Katz 1992: 270). Er vergleicht die Ergebnisse von<br />

Ökosystemrenaturierung mit denen der Herstellung einer künstlichen Umwelt, entsprechend den<br />

Plastikbäumen Martin H. Kriegers (1973) 13 . Demnach existiert wilde Natur nicht mehr länger, nur<br />

noch kontrollierte Natur, die uns angenehme Erlebnisse beschert. Katz bemisst den Wert von Natur<br />

in dem Ausmaß, wie ihre Modifikation durch menschliche Technologie vermieden wird. Insofern<br />

ist der Wert der renaturierten Umwelt fraglich.<br />

Genauso wie Katz sieht Elliot die Ökosystemrenaturierung als technologische Praxis an, die ein<br />

Betrug ist <strong>und</strong> welche die Aufmerksamkeit von der wichtigeren Bewahrung der Natur ablenkt<br />

(Light & Higgs 1996: 228f.). Hargrove meint, der Mensch sollte mit der Natur vorsichtig umgehen,<br />

weil es niemals möglich sein wird, die passenden Techniken für ein Management der Natur ohne<br />

entstehende Randschäden zu entwickeln (1989: 159f.).<br />

Im Folgenden soll auf das Argument der ontologischen Identität eingegangen werden. Elliot sagt<br />

aus, dass der Mensch eine natürliche Gegend aufgr<strong>und</strong> ihrer „besonderen Art der Kontinuität mit<br />

der Vergangenheit“ bewertet (1995: 81). Diese Geschichte, meint Hargrove, stellt die Authentizität<br />

der Natur bereit: „Nature is not simply a collection of natural objects; it is a process that<br />

progressively transforms those objects. […] When we admire nature, we also admire that history”<br />

(1989: 195). Deshalb ist renaturierte Natur gefälschte Natur. Sie ist eine künstliche menschliche<br />

Erschaffung, nicht das Produkt eines historischen natürlichen Prozesses. Aus dem Gr<strong>und</strong> sind<br />

Renaturierungen für Katz nicht ausführbar (Attfield 1994: 48). Elliot räumt hingegen eine<br />

Minderung im Wert einer Renaturierung ein. Selbst wenn diese erfolgreich gewesen ist <strong>und</strong> es<br />

keinen Unterschied zur originalen Landschaft gibt, kann aufgr<strong>und</strong> ihres nicht natürlichen<br />

13 Eine Antwort darauf schreibt 1974 Laurence H. Tribe (1996). Tribe geht davon aus, dass die Bäume, die<br />

durch Plastikbäume ersetzt werden, damit auf Eigenschaften wie Brauchbarkeit, Nützlichkeit <strong>und</strong> Zierde<br />

reduziert werden (65f.). Solche Logik des Eigennutzes führt letztlich nicht zu menschlicher Befriedigung,<br />

sondern zum Verlust der Menschlichkeit an sich.<br />

51


52<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Ursprungs ihr voller ursprünglicher Wert nicht wiederhergestellt werden: „faked nature is inferior“<br />

(Elliot 1995: 80, 86).<br />

Im Unterschied zu Alastair Gunns Definition von Natürlichkeit (s. oben bzw. 1991: 297f.), bei der<br />

sich Organismen in wechselseitiger Beziehung zueinander befinden <strong>und</strong> die An- oder Abwesenheit<br />

von Menschen keine Rolle spielt, meint „das Natürliche“ im Sinne Elliots etwas „unmodifiziert<br />

durch menschliche Tätigkeit“ (1995: 79f.). Er behauptet allerdings nicht, dass das, was natürlich ist<br />

„gut“ <strong>und</strong> das, was nicht natürlich ist „schlecht“ ist, sondern argumentiert, einige Dinge –<br />

insbesondere Wildnis – würden geschätzt in Anbetracht ihrer Natürlichkeit, die nicht kopiert<br />

werden kann. Wenn „Natürlichkeit“ zerstört wird, ist sie unwiederbringlich verloren. Zudem nimmt<br />

er Grade von Natürlichkeit <strong>und</strong> demnach Grade von Wert an. Der Wert erhöht sich, je mehr sich<br />

der Grad von Natürlichkeit steigert (Elliot 1994b: 139-141). Ein renaturiertes Ökosystem besitzt<br />

mehr Wert als ein degradiertes aber weniger als ein vom Menschen weitgehend unbeeinflusstes.<br />

Insofern rückt er ein Stück weit ab von seiner früheren, vehementeren Haltung aus seinem<br />

klassischen Aufsatz „Faking Nature“ (1995: 88). Darin stellte er heraus, dass die Natur überhaupt<br />

nicht durch menschliche Eingriffe verbessert werden kann. Für Elliot wiegt der vom Menschen<br />

zugefügte Schaden durch einen bestimmten Eingriff in ein Stück wilder Natur schwerer als<br />

derjenige von Naturkatastrophen zugefügte (1994b: 142). Dabei liegt nicht nur der Unwert des<br />

Schadens vor, sondern auch der Unwert, zugefügt durch den Eingriff an sich, welcher<br />

charakterisiert werden kann als eine Handlung, die den natürlichen Wert reduziert.<br />

Katz wendet sich gegen die Einstellung von Befürwortern der Ökosystemrenaturierung <strong>und</strong><br />

behauptet, sobald nur ein funktionierendes ökologisches Gleichgewicht als das Ziel einer<br />

Renaturierung angesehen wird, uns dies empfänglich für das Substitutionsproblem macht (1996:<br />

222f.). Wenn ein renaturiertes Ökosystem einen passenden Ersatz für die zuvor existierende<br />

natürliche Umwelt darstellt, resultiert daraus, dass der Mensch natürliche Entitäten <strong>und</strong> Habitate<br />

ohne moralische Konsequenzen nutzen, degradieren, zerstören <strong>und</strong> ersetzen kann (Katz 1992: 269).<br />

Katz führt weiter aus, dass die ökologische Funktion ein Kriterium ist, das angewandt wird für<br />

holistische Systeme <strong>und</strong> nicht für Individuen, die darin leben <strong>und</strong> woraus das System besteht<br />

(1996: 223). Solange der Mensch nur auf die ökologische Funktion des Systems bedacht ist, kann<br />

er einzelne Komponenten durch ökologisch effizientere substituieren – vorausgesetzt er hat genug<br />

Wissen. Das Kriterium eliminiert nach ihm jedes direkte Argument für den Schutz natürlicher<br />

Entitäten innerhalb des Systems. Solange die ökologische Funktion erhalten bleibt, können<br />

Individuen ersetzt oder zerstört werden.<br />

Katz´ Schlussfolgerung aus seiner Haltung zur Ökosystemrenaturierung – dargestellt von Yeuk-Sze<br />

Lo, der ihn am gründlichsten kritisiert hat – ist, dass die Renaturierung von Natur moralisch falsch<br />

ist (1999: 261). Katz selbst macht deutlich, dass Renaturierer ihre Arbeit fortsetzen sollten (1991:<br />

95f.). Er verunglimpft nicht die praktischen Anstrengungen von Steve Packard oder Chris Maser<br />

u.a. Seine Kritik bezieht sich auf die Begrifflichkeit, in welcher Praktiker ihre Bemühungen


eschreiben. Sie sollten über diese als künstliche Kreationen sprechen, nicht als Renaturierung von<br />

Natur. Es wird letztlich keine Natur renaturiert, sie wird durch den Menschen nicht „repariert“ oder<br />

„ges<strong>und</strong>“. Die Ökosystemrenaturierung ist ein Kompromiss. Sie sollte keine gr<strong>und</strong>legende<br />

Methode sein, die als Ziel herangezogen wird. Die Renaturierung von Natur macht das Beste aus<br />

einer nachteiligen Situation – sie bereinigt unsere Fehler. Anstrebenswert wäre allerdings, die<br />

Ökosystemrenaturierung von vornherein zu vermeiden. In Anbetracht der massiven Zerstörung, die<br />

der Mensch verursacht hat, renaturiert er natürliche Umwelten, um sich besser zu fühlen (Katz<br />

1996: 224). Allerdings wären eine kritische Reflexion durch uns <strong>und</strong> Selbstkontrolle eher<br />

angebracht. Es müssen schließlich keine degradierten ökologischen Systeme renaturiert werden,<br />

sondern es muss vielmehr eingesehen werden, dass unsere Macht über die natürliche Welt Grenzen<br />

hat. Im Unterschied dazu sollte gemäß Hargrove der Mensch gänzlich seine Hände aus den für ihn<br />

zu verflochtenen natürlichen Prozessen lassen, denn: “Nature knows best […] because whatever it<br />

does through creative indifference is beautiful but also, more importantly, because the end result is<br />

a creative output that is far too complex for humans to reproduce, to go beyond, or even fully to<br />

participate in; as such, it is unique and irreplaceable” (1989: 194f.).<br />

3.5 Auseinandersetzung mit den <strong>Begründungen</strong> von Befürwortern <strong>und</strong><br />

Gegnern der Ökosystemrenaturierung<br />

Das Konzept des Befürworters von Renaturierungen Matthias Groß (Gross 2003: 153) beinhaltet<br />

zwei problematische Voraussetzungen (Punkt c <strong>und</strong> d). Zum einen kann die Natur kein „Akteur“<br />

oder „Partner“ sein, denn sie handelt nicht. Dies führt in die Problematik, Natur als eine Art von<br />

Subjekt zu konzipieren (s. Kap. 6.2). Zum anderen wird die Gesellschaft nicht zum „Labor“. In<br />

einem Labor werden „Experimente“ durchgeführt, welcher Begriff vom lateinischen Wort<br />

„experimentum“ abstammt <strong>und</strong> „Versuch, Beweis, Prüfung, Probe“ bedeutet<br />

(http://de.wikipedia.org/wiki/Experiment 21.3.2008). Im wissenschaftlichen Sinn ist ein<br />

Experiment eine methodisch angelegte Untersuchungsanordnung in einer Vielzahl von<br />

Wissenschaften, die wiederholbar sein muss. Das ist in der Gesellschaft nicht gegeben, da sie<br />

einem steten Wandel unterliegt (Groß 2001: 238). Solche Begrifflichkeiten können daher nur als<br />

Metaphern verstehend zur Kenntnis genommen werden.<br />

Einige der vorgestellten Befürworter von Renaturierungsprojekten sprechen zudem davon, die<br />

Natur zu „heilen“. Dieser Begriff ist genauso mit Problemen behaftet, da damit vermittelt wird, die<br />

Natur sei ein Subjekt. Darüber hinaus werden weitere Ausdrücke verwendet, die umstritten sind.<br />

Zu nennen wären in erster Linie die Begriffe „Ökosystem-Ges<strong>und</strong>heit“ (Landges<strong>und</strong>heit,<br />

ecological health, ecosystem health: s. SER 2004: 7) <strong>und</strong> „ökosystemare Integrität“ (ecological<br />

integrity, ecosystem integrity: s. ebd.). Diese Hybridbegriffe beinhalten ökologische <strong>und</strong><br />

naturethische Ansichten (Ott 2008: Kap. 15.4.3). Sie sind sowohl in Ökologie als auch Naturethik<br />

53


54<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

sehr ungewiss (Potthast 2005 in ebd.). Zum einen, da man denken könnte, es handele sich um<br />

wissenschaftliche Konzepte. Zum anderen ist bedenklich, ob der Begriff der Ges<strong>und</strong>heit auf<br />

transorganismische Ebenen übertragen werden sollte <strong>und</strong> ob dadurch Clements´<br />

Superorganismustheorie zur Bedingung wird. In jener Theorie treten Gesellschaft <strong>und</strong> Individuen<br />

in einem als „Superorganismus“ verstandenen Lebenssystem als bloße biologisch geprägte<br />

Teilorganismen auf, die durch ihre Stoffwechselvorgänge für „Ges<strong>und</strong>heit“ oder „Krankheit“ der<br />

Natur verantwortlich seien (Groß 2001: 222). Vergleichbare ethische Probleme treten beim Ansatz<br />

der ökosystemaren Integrität auf, die im Ökozentrismus fokussiert wird (Ott 2003: 136-140 in Ott<br />

2008: Kap. 15.4.3). Van Andel & Grootjans erachten „ecosystem health“ <strong>und</strong> „ecosystem integrity“<br />

als nützliche Metaphern <strong>und</strong> präzisieren sie in wissenschaftlicher Hinsicht (2006: 22f.). Im Konzept<br />

der Ökosystem-Ges<strong>und</strong>heit sind ökosystemare Funktionen zentral, die über einen kürzeren<br />

Zeitraum erfasst werden können. Im Konzept der ökosystemaren Integrität handelt es sich dagegen<br />

um die Fähigkeit eines Ökosystems, auf unvorhergesehene zukünftige Ereignisse zu reagieren (im<br />

Sinne einer Konzeption von Resilienz). Es involviert eine starke Biodiversitätskomponente wie<br />

Artenzusammensetzung oder biozönotische Strukturbildung, was zur Folge hat, dass über eine<br />

längere Zeit beobachtet werden muss. In dieser Hinsicht mögen Hybridbegriffe zwar heuristisch<br />

zweckmäßig sein, systematisch jedoch unbrauchbar (Ott 2008: Kap. 15.4.3). In normativer Hinsicht<br />

sollten sie durch ein Set von Zielen (z.B. historische Referenzzustände, Artenspektren, ökologische<br />

Funktionen; vgl. Kap. 2.1.4) ausgetauscht werden, die man durch Renaturierungsprojekte anstrebt.<br />

Eine weitere mittlerweile etablierte Bezeichnung, die einer kurzen Erklärung bedarf, ist<br />

„degradieren“. Im geläufigen Sinne von „degradierten Ökosystemen“ hat sie ihre Wurzeln jedoch<br />

in einem anderen Zusammenhang. Einerseits ist der Begriff im militärischen Sinn zu verstehen,<br />

wobei Leutnante strafweise im Rang herabgestuft wurden (Langenscheidt 1993: 153). Andererseits<br />

enthält „degradieren“ einen geologischen Sinn, womit die Bewirkung einer Veränderung (meist<br />

Verschlechterung) der charakteristischen Merkmale eines Bodens durch Klimaeinwirkungen oder<br />

durch menschliche Eingriffe gemeint ist.<br />

Im Folgenden soll auf die Stellungnahmen der Gegner von Renaturierungen näher eingegangen<br />

werden. Bei Thomas H. Birch, der Verwilderung von Natur als das eingekerkerte Andere des<br />

westlichen „technologischen Imperiums“ annimmt (1990: 3), wird die klare Trennung zwischen<br />

Menschlichem <strong>und</strong> Natürlichem ersichtlich. Zudem wird offenbar, dass selbst Wildnisreservate, die<br />

auf der im Kapitel 3.2 umrissenen Skala den Bereich von „relativer Wildnis“ einnehmen würden<br />

<strong>und</strong> wohinein sich auch renaturierte Ökosysteme fügen könnten, von Birch als Gebiete angesehen<br />

werden, die der Mensch beherrscht.<br />

Weitere Kritik durch Katz <strong>und</strong> Elliot wird von Harris & van Diggelen als f<strong>und</strong>amentalistisch<br />

abgewendet (2006: 5). Allerdings muss sich die Renaturierungsökologie mit derlei Anfechtungen<br />

ernsthaft auseinandersetzen <strong>und</strong> sie in ihr eigenes Selbstverständnis aufnehmen (Ott 2008: Kap.<br />

15.5). Mit dieser Aufnahme sollte auch die Entkopplung der Ethik des Verb<strong>und</strong>es aus


Renaturierungsökologie <strong>und</strong> Ökosystemrenaturierung vom ausschließlich US-amerikanischen<br />

Kontext einhergehen. Die Argumentationsführung von Katz im Hinblick auf seine Behauptung,<br />

dass ein funktionierendes ökologisches Gleichgewicht bei einer Renaturierung für das<br />

Substitutionsproblem empfänglich macht, ist fehlerhaft (1996: 222f.). Er unterstellt, wenn ein<br />

renaturiertes Ökosystem einen passenden Ersatz für die zuvor existierende natürliche Umwelt<br />

darstellt, der Mensch im Ergebnis natürliche Entitäten <strong>und</strong> Habitate ohne moralische<br />

Konsequenzen nutzen, degradieren, zerstören <strong>und</strong> ersetzen kann (Katz 1992: 269). Das ist<br />

allerdings ein Fehlschluss, d.h. die geschlussfolgerte These kann nicht aus der zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />

Prämisse abgeleitet werden. Es können andere, nicht substituierbare Werte mit einer natürlichen<br />

Umwelt verb<strong>und</strong>en werden, so dass eine Renaturierung nicht ohne Weiteres hingenommen werden<br />

muss <strong>und</strong> demnach keine Entitäten <strong>und</strong> Habitate mutwillig <strong>und</strong> ohne moralische Konsequenzen<br />

zerstört werden. Ein anderer beachtenswerter Punkt dabei ist, dass sich die Natur wissenschaftlich<br />

betrachtet immer im Gleichgewicht befindet, ohne bestimmte Zustände vorzuziehen (Korff et al.<br />

1998: 731). Wenn allerdings vom „ökologischen Gleichgewicht“ als einem erhaltenswerten<br />

Zustand ausgegangen wird, dann kann es sich dabei nicht um eine Norm der Natur handeln,<br />

sondern um eine bestimmte Wertung, die eigene Gesichtspunkte veranschlagen muss.<br />

Mit den Thesen von Katz sind im Einzelnen folgende Schwierigkeiten verb<strong>und</strong>en. Sein Vorwurf<br />

eines Selbstbetrugs unter Akteuren von Ökosystemrenaturierung zeigt, dass er von vornherein<br />

ausschließt, diese Praxis gemäß ihrem Richtungssinn betreiben zu wollen (Ott 2008: Kap. 15.5.3).<br />

Solche Behauptungen, die Personen eine derartige Täuschung unterstellen, bedürfen einer<br />

Begründungslast, welche Katz nicht liefert. Zudem unterscheidet er nicht zwischen den zwei<br />

Falltypen A <strong>und</strong> B von Renaturierung. Obwohl sich Katz stets in erster Linie einseitig auf Falltyp B<br />

bezieht, übt er Kritik am Verb<strong>und</strong> aus Renaturierungsökologie <strong>und</strong> Ökosystemrenaturierung im<br />

Ganzen. Des Weiteren ist er Anhänger der Kontinuitätsprämisse natürlicher Systeme, welche man<br />

nicht annehmen muss, da sie auf einer wertgeladenen Naturphilosophie beruht. Außerdem<br />

differenziert Katz ausschließlich zwischen Wildnis <strong>und</strong> Artefakten, womit er ignorant gegenüber<br />

einem Skalenbegriff von Natur ist. Er setzt Natur mit Wildnis gleich, wozu daher keine<br />

renaturierten Ökosysteme zählen können <strong>und</strong> somit zu Artefakten heruntergestuft werden.<br />

Schließlich ist der von Katz vorgebrachte Vorwurf, dass menschliche Interventionen stets<br />

„anthropozentrisch“ seien, fehlerhaft. Manche menschliche (naturschützerische) Tätigkeiten<br />

befördern nicht nur Menschen, sondern genauso nichtmenschliche Organismen.<br />

Auch wenn verschiedene Autoren das Fehlschlagen von Einstellungen Katz´ belegt haben (Ladkin<br />

2005, Light 2000 <strong>und</strong> Lo 1999 in ebd.), sind diese nicht vollständig von der Hand zu weisen (ebd.).<br />

Ernst zu nehmen sind Befürchtungen einer Instrumentalisierung von Renaturierungsökologie <strong>und</strong><br />

Ökosystemrenaturierung. Insofern kann die Besorgnis berechtigt sein, dass jener Verb<strong>und</strong> zu einem<br />

technokratischen <strong>und</strong> kommerzialisierten Unternehmen avancieren könnte, welches eine Alibi-<br />

Funktion bei der Fortführung naturzerstörender Praktiken entgegennimmt. Damit ist jedoch nicht<br />

55


56<br />

Debatte über ethische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der Zusammenschluss aus Renaturierungsökologie <strong>und</strong> Ökosystemrenaturierung an sich in Frage<br />

gestellt.<br />

Light & Higgs konstatieren, dass ethische Debatten keinen großen Einfluss auf professionelle<br />

Renaturierer haben (1996: 229). Es gibt kein produktives Zusammenspiel zwischen Akteuren der<br />

Ökosystemrenaturierung <strong>und</strong> Philosophen. Die Arbeit Katz´ wirkt als abschreckendes Beispiel,<br />

weshalb Praktiker den Theoretikern keinen Glauben schenken. Das gilt es im Folgenden zu<br />

überprüfen. Eine geeignete sozialwissenschaftliche Methode wird im nächsten Kapitel vorgestellt.


4. Akteursbefragung<br />

4.1 Begründung des quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Forschungsansatzes<br />

Um das Verhältnis von Philosophen <strong>und</strong> bestimmten Akteuren von Ökosystemrenaturierung zu<br />

begreifen, ist es notwendig, einen tieferen Einblick in die Anschauungen <strong>und</strong> Erfahrungen dieser<br />

Praktiker mit Renaturierungsprojekten zu erhalten. Für die Erhebung zur Verwirklichung dieses<br />

Vorhabens wurde eine sozialwissenschaftliche Methode angewendet, wobei der quantitative<br />

Forschungsansatz mit dem qualitativen zum Teil verknüpft wurde.<br />

Das Wissenschaftsverständnis von Vertretern der quantitativen <strong>und</strong> qualitativen<br />

Forschungsrichtungen ist verschieden. Während die quantitative Sozialforschung als erklärende<br />

Wissenschaft an äußeren Bedingungen wie generellen Prinzipien, Gesetzen oder gesetzesähnlichen<br />

Aussagen interessiert ist, setzt die qualitative Sozialforschung als verstehende Wissenschaft an der<br />

Erfassung individueller Voraussetzungen an (Mayring 2003: 17f.). Diese beiden Ansprüche sind<br />

aber bspw. in der allgemeinen Soziologie nicht als konkurrierende Vorhaben, sondern als zwei<br />

Schritte eines Erkenntnisprozesses konzipiert (Seipel & Rieker 2003: 214).<br />

In der quantitativen Forschung wird der Unabhängigkeit des Forschers vom Forschungsgegenstand<br />

viel Gehalt eingeräumt, eine Beziehung zwischen beiden wäre potenziell störend (Seipel & Rieker<br />

2003: 135). Diese Forschungsrichtung bedarf zur Realisierung ihrer statischen <strong>und</strong> vergleichenden<br />

Auswertungen großer Stichprobenmengen <strong>und</strong> ist durch ein hohes Maß an Standardisierung<br />

charakterisiert. Die Standardisierung trägt dazu bei, dass Antworten besser miteinander<br />

vergleichbar sind. Es soll gewährleistet sein, dass die Angaben der Untersuchungsteilnehmer nicht<br />

durch situationsspezifische Besonderheiten oder durch die Eigenheiten einzelner Beteiligter<br />

beeinträchtigt werden.<br />

Der qualitativen Forschung geht es stattdessen nicht darum, durch große Fallzahlen ein<br />

repräsentatives Gesellschaftsbild zu erhalten, sondern eine auf die Fragestellung zugeschnittene<br />

<strong>und</strong> typische, meist kleine Personengruppe genauer zu betrachten. Es wird angestrebt, die<br />

Lebenswelten aus der Innenperspektive der handelnden Menschen zu schildern, um damit<br />

insbesondere subjektiven Sichtweisen, individuell unterschiedlich ausgeprägten Wissensständen<br />

<strong>und</strong> Wertvorstellungen besser gerecht zu werden.<br />

Mit der auf die Erfassung von Gemeinsamkeiten ausgerichteten qualitativen Forschung sind vor<br />

allem die Bildung von Typologien, Kategoriensystemen <strong>und</strong> Forschungshypothesen, aber auch die<br />

Prüfung von Hypothesen möglich (Garz & Kraimer 1991: 17 <strong>und</strong> Diekmann 2000: 444). Gerade<br />

wenn der zu untersuchende Forschungsgegenstand noch sehr wenig erforscht ist, werden selbst in<br />

der quantitativen Forschung, die sich auf die Erfassung von Differenzen konzentriert, qualitative<br />

Methoden angewandt.<br />

57


58<br />

Akteursbefragung<br />

Die Auseinandersetzung mit den durch Ökosystemrenaturierung angesprochenen Aspekten,<br />

insbesondere in Bezug auf Umweltethik, sind noch junge Forschungsbereiche. Zur Untersuchung<br />

des praktischen <strong>Akteursverständnis</strong>ses bezüglich umweltethischer <strong>Begründungen</strong> in der<br />

Renaturierungspraxis bietet sich daher eine Kombination des quantitativen Verfahrens mit der<br />

qualitativen Methode an.<br />

4.2 Datenerhebung mittels Fragebogen<br />

Die am häufigsten praktizierten qualitativen <strong>und</strong> quantitativen Erhebungsmethoden sind<br />

Befragungen, von denen es eine Vielzahl an Varianten gibt (Seipel & Rieker 2003: 137f.).<br />

Besonders bedeutsam ist die Unterscheidung zwischen standardisierten, teilstandardisierten <strong>und</strong><br />

nicht standardisierten Befragungen, die mündlich oder schriftlich durchgeführt werden. Schriftliche<br />

Befragungen erfolgen in der Regel anhand eines Fragebogens.<br />

Form des Fragebogens<br />

Im Rahmen dieser Arbeit wird eine Fallstudie präsentiert. Als Erhebungsverfahren diente die<br />

quantitative <strong>und</strong> in Teilen qualitative, standardisierte schriftliche Befragung mittels Fragebogen,<br />

die zugleich nicht repräsentativ war. Mit einer Ausnahme enthielt der postalisch <strong>und</strong> per Email<br />

versandte Fragebogen geschlossene Fragen. Geschlossene Fragen werden gestellt, wenn es sich um<br />

genau definierte, begrenzte Sachverhalte handelt <strong>und</strong> wenn spezifische Annahmen überprüft<br />

werden sollen (Seipel & Rieker 2003: 138). Die Standardisierung wird dadurch erreicht, dass allen<br />

Untersuchungsteilnehmern die gleichen Fragen <strong>und</strong> Antwortmöglichkeiten in der gleichen<br />

Reihenfolge mit identischen Erläuterungen vorgelegt werden (ebd.: 135). Die<br />

Teilnahmevoraussetzungen sind weitestgehend übereinstimmend <strong>und</strong> der benötigte Zeitaufwand ist<br />

niedrig.<br />

Der übersichtlich <strong>und</strong> klar aufgebaute Fragebogen muss einen seriösen Eindruck machen <strong>und</strong><br />

gr<strong>und</strong>legenden ästhetischen Maßstäben genügen, um den Befragten zu vermitteln, dass ihre<br />

Beteiligung wichtig ist. Zum Abschluss eines Fragebogens wird empfohlen, sich für die<br />

Beteiligung zu bedanken <strong>und</strong> um Kommentare nachzusuchen (Schnell et al. 1999: 339).<br />

Um Verbindlichkeit herzustellen, sollte in einem überzeugenden, informativen <strong>und</strong> gut<br />

verständlichen Anschreiben über das Thema, die Bearbeitung sowie gegebenenfalls darüber, auf<br />

welchem Weg die Befragten als Zielpersonen ermittelt wurden <strong>und</strong> zu welchem Zweck die Daten<br />

erhoben werden, informiert werden (Seipel & Rieker 2003: 139). Darüber hinaus gilt es den<br />

Befragten glaubhaft zu vermitteln, dass mit ihren persönlichen Daten <strong>und</strong> Angaben vertraulich<br />

umgegangen wird <strong>und</strong> ihnen außerdem Anonymität zuzusichern.


Entwicklung des Fragebogens<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage für die Ausarbeitung des hier verwendeten Fragebogens war die Definition der<br />

Frage- <strong>und</strong> Zielstellungen der vorliegenden Arbeit. Dabei wurden die Positionen von Gegnern der<br />

Renaturierung wie bspw. Eric Katz <strong>und</strong> Robert Elliot insbesondere aus Publikationen der<br />

umweltphilosophischen Zeitschriften „Environmental Ethics“ <strong>und</strong> „Environmental Values“ <strong>und</strong><br />

Auffassungen von Praktikern wie Steve Packard verarbeitet. Zudem dienten ein Artikel Konrad<br />

Otts (2008) sowie Informationen zum konkreten Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal als<br />

Gr<strong>und</strong>lage.<br />

Der Fragebogen bestand aus drei Themenblöcken:<br />

• Im ersten Abschnitt wurden allgemeine Fragen zur Renaturierungsökologie (womit auch<br />

die Renaturierungspraxis angesprochen wurde, vgl. Kap. 5.1) gestellt, um den befragten<br />

Praktikern einen guten Einstieg zu ermöglichen. Die Fragen sollten insbesondere hier<br />

einfach, übersichtlich, interessant <strong>und</strong> neutral formuliert sein. Sie enthielten Aspekte zur<br />

Beantwortung der ersten Leitfrage der vorgelegten Arbeit.<br />

• Der zweite Abschnitt umfasst den Themenkomplex der Umweltethik. Die Akteure wurden<br />

mit allgemeinen Fragen, konkreten Argumenten von Umweltethikern sowie Motiven in der<br />

Renaturierung konfrontiert. Diese Fragen dienten der Untersuchung zur Beantwortung der<br />

ersten <strong>und</strong> zweiten Leitfrage.<br />

• Im dritten Abschnitt wurden Fragen formuliert, um Auskunft über den Trägerverein des<br />

Renaturierungsprojektes, die Motivation <strong>und</strong> Aufgabe seiner befragten Akteure sowie über<br />

das Projekt Wildgehege Glauer Tal zu erhalten. Mit einem Teil der Aussagen sollte der<br />

dritten Leitfrage nachgegangen werden.<br />

Die Fragen wurden kurz, klar, möglichst eindeutig <strong>und</strong> wenn notwendig auch anschaulich anhand<br />

eines Beispiels formuliert <strong>und</strong> haben auf konkrete Erfahrungen, Ereignisse <strong>und</strong> Meinungen der<br />

Befragungsteilnehmer Bezug genommen, ohne sie mit ihrer Antwort in eine bestimmte Richtung<br />

zu lenken (Suggestivfragen).<br />

In der Regel reichten kurze Antworten, bei denen die Zustimmung oder Ablehnung zu einer<br />

Antwortvorgabe durch ein Kreuz auf einer mehrstufigen Antwortskala angezeigt werden konnte.<br />

Sowohl dichotome Ja-Nein Fragen, Ratingfragen oder Fragen mit der Möglichkeit, mehrere<br />

Antworten zu geben (Mehrfachantworten) waren auf dem Fragebogen vertreten (vgl. Seipel &<br />

Rieker 2003: 138). Oftmals gab es für die Teilnehmenden der Befragung in der Antwortskala die<br />

Option, eigenständig Antworten zu formulieren, auf Gr<strong>und</strong> dessen die Befragung nicht rein<br />

quantitativ war.<br />

Um eventuelle Unklarheiten hinsichtlich der Konstruktion des Fragebogens auszuräumen fand ein<br />

Pretest in kleinem Umfang innerhalb Außenstehender des Renaturierungsprojektes vor der<br />

59


60<br />

Akteursbefragung<br />

Versendung der Fragebögen statt. Anschließend daran wurden unpräzise Formulierungen,<br />

problematische Begriffe <strong>und</strong> ganze Fragen verworfen <strong>und</strong> gegebenenfalls ausgetauscht. Bei dem<br />

Test wurde eine Bearbeitungszeit von 20 bis 30 Minuten ermittelt.<br />

Im Anschluss an die Auswertung der Befragung zeigte sich, dass die Erweiterung des Fragebogens<br />

um einen Themenblock „Naturverständnis“ die Aussagekraft erhöht hätte. Hier sollte geklärt<br />

werden, ob die Befragten einen Skalenbegriff von Natur akzeptieren würden. Zur Verkürzung des<br />

Fragebogens wurde jedoch darauf verzichtet.<br />

Wahl der Befragungsteilnehmer<br />

Für die vorgelegte Arbeit wurde das Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal gewählt, zu<br />

dem im Rahmen dieser Arbeit zehn Personen, die im Trägerverein arbeiten <strong>und</strong> in zwei Fällen für<br />

ihn arbeiteten, befragt wurden. Die Wahl dieses Projektes ist zum einen mit seiner geringen Größe<br />

<strong>und</strong> damit der leichteren Überschaubarkeit der ablaufenden Prozesse sowie seiner Neuartigkeit zu<br />

begründen. Erst vor kurzem sind die letzten Pläne mit dem Gehege soweit abgeschlossen worden.<br />

Zum anderen konnte ich mich bereits im Vorfeld meines Studiums durch ein Praktikum beim<br />

Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e.V. mit dem Projekt vertraut machen <strong>und</strong><br />

vom Engagement seiner Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter sowie Vereinsmitglieder überzeugen.<br />

Durchführung der Befragung<br />

Für die Durchführung der Befragung war es wichtig, das Thema der vorliegenden Arbeit beim<br />

Trägerverein vorzustellen. Dies geschah am 29. September 2007, als das Besucherzentrum des<br />

Wildgeheges Glauer Tal eröffnet wurde. Bei dieser Gelegenheit erk<strong>und</strong>igte ich mich nach der<br />

Bereitschaft der Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter des Vereins, den Fragebogen auszufüllen. Erste<br />

Zusagen erhielt ich auf diesem Weg.<br />

Einen knappen Monat später wurden achtzehn Fragebögen postalisch versandt. Die schriftliche<br />

Befragung wurde der mündlichen vorgezogen, um den Zeitaufwand zu begrenzen.<br />

Um die Ausschöpfungsquote zu optimieren, war es hilfreich, durch zwei Erinnerungstelefonate die<br />

betreffenden Akteure wiederholt anzusprechen, die innerhalb einer dreiwöchigen Frist noch nicht<br />

geantwortet hatten. Auf diese Weise gingen acht Fragebögen bis Ende November ein. Zwei weitere<br />

Fragebögen wurden im Anschluss per Email verschickt, deren Rücklauf bis Mitte Dezember 2007<br />

verzeichnet werden konnte.


4.3 Datenauswertung<br />

Die Inhalte der Fragebögen wurden zunächst maschinell eingegeben. Da allen zehn Befragten<br />

Anonymität zugesichert worden war, wurde jedem Befragungsteilnehmer ein Code zugewiesen, der<br />

sich aus den Großbuchstaben BT für „Befragungsteilnehmer“ <strong>und</strong> aus einer Zahl von 1 bis 10<br />

zusammensetzt.<br />

Es erwies sich insbesondere im Hinblick auf die gestellten Leitfragen als hilfreich, ein<br />

Kategoriensystem zu entwickeln. Die Aussagen der Akteure wurden einzeln auf die vier definierten<br />

Kategorien hin untersucht, so dass die gesamten Daten darin eingeordnet werden konnten. Im<br />

letzten Untersuchungsschritt wurden sie interpretativ ausgewertet <strong>und</strong> diskutiert.<br />

61


62<br />

5. Ergebnisse<br />

5.1 Überblick der Ergebnisse<br />

Ergebnisse<br />

Nach Analyse der zehn Fragebögen werden im Folgenden die in Kategorien eingeordneten<br />

Ergebnisse der Befragungsteilnehmer (BT) dargestellt. Die gewählten Kategorien sind mit<br />

Aspekten der Frage- <strong>und</strong> Zielstellungen (s. Kap. 1.2) in Verbindung zu bringen.<br />

Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt zum Teil anhand von Zitaten der Praktiker. In Anbetracht<br />

der Zusicherung von Anonymität der Befragten, die auch eine Unterscheidung zwischen weiblicher<br />

Teilnehmerin <strong>und</strong> männlichem Teilnehmer unmöglich macht, wurde die männliche Sprachform<br />

bevorzugt.<br />

Drei der Akteure machen nur quantitative Angaben. Zwei von ihnen äußern sich allerdings zu<br />

ihrem Aufgabengebiet. Die Tabelle 3 am Schluss dieses 5. Kapitels gibt einen Überblick der<br />

quantitativen Ergebnisse der Fragebögen. An dieser Stelle soll zum Vergleich auf den Fragebogen<br />

im Anhang der vorliegenden Arbeit verwiesen werden, den jeder Teilnehmer zur Bearbeitung<br />

erhielt. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des<br />

Fragebogens der Begriff der „Renaturierungsökologie“ von mir auch für die Renaturierungspraxis<br />

verwandt wurde, da mir anders definierende Literatur noch nicht zugänglich war. Die Akteure<br />

griffen diesen Begriff auf <strong>und</strong> verstanden ebenso ihre praktische Tätigkeit darunter. Mit Ausnahme<br />

der Wiedergabe von Zitaten <strong>und</strong> Fragen wurde im Folgenden der Begriff „Renaturierungsökologie“<br />

mit „Ökosystemrenaturierung“ ausgetauscht.<br />

5.2 Einordnung der Ergebnisse in die Kategorien<br />

Als Ergebnis der Analyse wurden die vier Kategorien „Allgemeine Auffassungen zur<br />

Ökosystemrenaturierung“, „Bedeutung der Umweltethik für die Ökosystemrenaturierung“,<br />

„Auffassungen zu den umweltethischen <strong>Begründungen</strong> <strong>und</strong> Motiven in der<br />

Ökosystemrenaturierung“ sowie „Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e.V. <strong>und</strong><br />

das Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal“ gebildet <strong>und</strong> unterschieden.<br />

5.2.1 Allgemeine Auffassungen zur Ökosystemrenaturierung<br />

Diese Kategorie bildet einen Bestandteil zur Beantwortung der ersten Leitfrage, in der angestrebt<br />

wird darzulegen, was die Mitglieder der befragten Personengruppe unter Ökosystemrenaturierung<br />

verstehen. Die Kategorie kann verglichen werden mit dem Themenblock A des Fragebogens.


Einleitend soll erwähnt werden, dass sich die Mehrheit der Befragten über Renaturierungsökologie<br />

bzw. Ökosystemrenaturierung informiert, mit Ausnahme der Befragungsteilnehmer BT 4 <strong>und</strong> BT<br />

10. Sie geben an, dass Renaturierungsökologie außerhalb ihres Tätigkeitsspektrums <strong>und</strong> fachlichen<br />

Schwerpunktes liegt. Diese Teilnehmer befassten sich erst nach der Renaturierung des ehemaligen<br />

Truppenübungsplatzes mit dem Projekt, wobei ihre Hauptaufgabe in dem einen Fall dessen<br />

Betreuung ist <strong>und</strong> in dem anderen Fall die Gestaltung von einem Teil des Wildgeheges war.<br />

Ökologisch-funktionelle Gründe rechtfertigen für alle Befragten am ehesten eine Renaturierung.<br />

Weniger wichtig sind landschaftsästhetische <strong>und</strong> kulturhistorische Gründe oder moralische<br />

Verpflichtungen. Der Vereinsmitarbeiter BT 9 erkennt nur selten eine moralische Verantwortung<br />

bei der Ausführung von Ökosystemrenaturierung.<br />

Technische <strong>und</strong> finanzielle Fragen sind für die Mehrzahl der Befragungsteilnehmer vorrangig.<br />

Hinter sie treten organisatorische sowie moralische Fragen zurück. Einmalig werden durch den<br />

Akteur BT 4 moralische Fragen an die erste Stelle der abstufenden Skala gesetzt. Der<br />

Vereinsmitarbeiter BT 9 gibt zusätzlich die Relevanz privatrechtlicher Fragen <strong>und</strong> gesetzlicher<br />

Regelungen an, womit er auf die Eingriffsregelung hinweist.<br />

Für die meisten Befragten sind Entsprechungen in Artenvielfalt <strong>und</strong> funktionale Entsprechungen<br />

wesentlich für den Erfolg einer Renaturierung. Weniger bedeutsam sind für sie Entsprechungen<br />

ästhetischer <strong>und</strong> kultureller Art. Der Befragungsteilnehmer BT 6 macht auf freiwilliger Basis vier<br />

Abstufungen. Für ihn sind funktionale Entsprechungen bzw. die Behebung funktionaler Defizite<br />

prioritär. Dahinter rangieren Entsprechungen in Artenvielfalt <strong>und</strong> Entsprechungen kultureller Art.<br />

Die Schaffung von Entsprechungen ästhetischer Art ist von untergeordneter Bedeutung.<br />

5.2.2 Bedeutung der Umweltethik für die Ökosystemrenaturierung<br />

Anhand dieser Kategorie wird die Auseinandersetzung der im Rahmen dieser Arbeit befragten<br />

Akteure mit Umweltethik aufgegriffen. Sie spielt in die Beantwortung der zweiten Leitfrage hinein,<br />

mittels derer mögliche umweltethische Motive unter den Praktikern herausgestellt werden sollen.<br />

Die Kategorie umfasst die Ergebnisse der Fragen 5 bis 7 des Fragebogens.<br />

Während sechs von den zehn Befragten die Bedeutung des Begriffes „Umweltethik“ kennen, ist<br />

nur der Akteur BT 8 mit umweltethischen <strong>Begründungen</strong> in der Ökosystemrenaturierung vertraut.<br />

Die meisten von den Befragungsteilnehmern, die Stellung bezogen, sehen wenig gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

<strong>und</strong> zusätzliche Aspekte, die durch Umweltethik in die Renaturierungspraxis eingebracht werden<br />

können. Der Befragte BT 10 äußert die Befürchtung, dass umweltethische <strong>Begründungen</strong> zu<br />

theoretisch sein könnten <strong>und</strong> „es schwierig sein wird, neue Gedankensätze in die Köpfe der<br />

Akteure zu übertragen.“ Der ehemalige Mitarbeiter BT 1 sagt aus: „Ging bisher auch gut ohne<br />

[Umweltethik].“ Dieser Akteur bemerkt zum Schluss, dass er die durch den Fragebogen<br />

63


64<br />

Ergebnisse<br />

angestoßene Diskussion „ziemlich abgehoben <strong>und</strong> akademisch“ empfindet. Sie spielt vor Ort im<br />

praktischen Naturschutz überhaupt keine Rolle, obgleich viel über Management oder Nicht-<br />

Eingreifen gesprochen wird. Einzig der Teilnehmer BT 6 bescheinigt dem Beitrag der Umweltethik<br />

zur Ökosystemrenaturierung große Bedeutsamkeit, „weil Umweltethik uns die Gründe unseres<br />

Handelns deutlicher erkennen lässt.“<br />

5.2.3 Auffassungen zu den umweltethischen <strong>Begründungen</strong> <strong>und</strong> Motiven in der<br />

Ökosystemrenaturierung<br />

Mithilfe dieser Kategorie sollen die erste <strong>und</strong> zweite Leitfrage geklärt werden. Eingangs werden<br />

jeweils entsprechend die Fragen 8 bis 13 <strong>und</strong> die Frage 23 vom Fragebogen wiedergegeben.<br />

• Frage 8: Was halten Sie vom Argument, Renaturierungsökologie basiere auf einer<br />

herrschaftsorientierten Einstellung der Menschen, Naturzustände willkürlich planen <strong>und</strong> technisch<br />

herstellen zu wollen?<br />

Dieses Argument lehnt die Hälfte der Befragten ab, vier positionieren sich in der Mitte <strong>und</strong> ein<br />

Akteur stimmt zu.<br />

Der Befragungsteilnehmer BT 5 erachtet es für nicht relevant <strong>und</strong> BT 9 meint, dass die natürliche<br />

Entwicklung nicht planbar sei.<br />

Vier der Befragten halten nur wenig von diesem Argument. Der ehemalige Mitarbeiter BT 1 meint,<br />

dass es sich stets um bestimmte menschliche Ziele handelt – sowohl bei Renaturierern als auch bei<br />

Nicht-Renaturierern. Bei guter Planung besteht keine Willkür <strong>und</strong> technische Lösungen sollen<br />

Prozesse nur initiieren, gibt BT 6 an. In diese Richtung tendiert genauso das Argument vom<br />

Teilnehmer BT 8, der unter Ökosystemrenaturierung das „Sich-Selbst-Überlassen“ von<br />

Naturräumen (Prozessschutz) versteht. Weiterhin bevorzugt BT 8 „lieber eine herrschaftsorientierte<br />

Einstellung als keine Renaturierung.“ Der Befragte BT 4 findet es nicht richtig, dass einzelne<br />

negative Beispiele für die Gesamtheit gelten.<br />

Ausschließlich der Befragungsteilnehmer BT 10 stimmt dem Argument zu, denn er ist der<br />

Meinung, „dass sich der Mensch oft die Natur so gestaltet wie er denkt, sie müsse so sein.“<br />

• Frage 9: Renaturierung wird mit dem Fälschen von Kunstwerken verglichen: Menschliche<br />

Eingriffe bedeuten einen Bruch in der Landschaftsgeschichte, wobei gefälschte Natur geringeren<br />

Wert besitzt. Andererseits existiert ein weniger statischer Vergleich mit Opernaufführungen, da bei<br />

ihnen mehr Improvisation vorausgesetzt wird. – Finden Sie es für die Debatte zwischen Praktikern<br />

<strong>und</strong> Ethikern hilfreich, solche Parallelen zwischen Renaturierungsökologie <strong>und</strong> Kunstprodukten zu<br />

ziehen?


Parallelen für eine solche Debatte zu ziehen findet die Mehrzahl der Befragten nicht hilfreich,<br />

während drei Akteure dem zusprechen.<br />

Der Befragte BT 9 gibt an, dass Kunstprodukte reine menschliche Produkte sind, die daher<br />

entworfen werden. Dagegen beinhaltet Ökosystemrenaturierung immer eine nicht planbare<br />

Komponente, die Natur, welche „sich nicht abstrahieren“ lässt. Der Akteur BT 8 sieht es ähnlich,<br />

denn die Renaturierungspraxis muss nicht heißen, alles „durchzuplanen“. Viel eher können<br />

entsprechende Vergleiche sie zu Unrecht „verunglimpfen“. Der Befragungsteilnehmer BT 4 meint,<br />

dass „es wichtig ist, überhaupt etwas zu tun.“<br />

Von den Befürwortern dieser Analogie meint BT 6: „Nach einer solchen Diskussion gewinnt man<br />

eine höhere Sicherheit für die praktischen Maßnahmen – so abwegig die Unterscheidung zwischen<br />

Praktikern <strong>und</strong> Ethikern auch ist.“ Schließlich entspringe Naturschutz einer ethischen Anschauung.<br />

Der Wettbewerbsteilnehmer BT 10 gibt an, dass durch den Vergleich „Fakten versinnbildlicht<br />

werden <strong>und</strong> dadurch leichter verständlich sind.“<br />

• Frage 10: Renaturierungsökologie fungiert als Alibi: Durch ihre technischen Möglichkeiten birgt<br />

sie die Gefahr, dass naturzerstörende Praktiken fortgeführt werden. Was halten Sie davon?<br />

Vier der Befragten lehnen dieses Argument ab. Während drei Akteure wenig davon halten,<br />

sprechen sich zwei Mitarbeiter dafür aus.<br />

Der Befragungsteilnehmer BT 9 findet eine einfache kurze Antwort schwer. Er positioniert sich<br />

nicht, sondern schreibt: „Eine Betrachtung der Natur ohne den Menschen als Teil der Natur zu<br />

sehen, erscheint sehr realitätsfern. Auch in der Renaturierungsökologie muss der Mensch als Teil<br />

des Projektes integriert werden. Wird ein Renaturierungsprojekt initiiert, erfolgt dies oft von<br />

engagierten Menschen, die darin keine Alibifunktion sehen, sondern als Vertreter der Natur<br />

Stellung beziehen. Die Gelder für diese Projekte stammen oft aus Ausgleichsmaßnahmen, die<br />

gesetzlich vorgeschrieben sind. Naturzerstörende Praktiken werden mit <strong>und</strong> ohne<br />

Renaturierungsprojekte fortgeführt. Eine unmittelbare Beziehung oder gar eine moralische<br />

Verantwortung ist nur selten erkennbar.“<br />

Genauso geben die Akteure BT 6 <strong>und</strong> BT 8 an, dass naturzerstörende Praktiken unabhängig von<br />

Renaturierungen erfolgen. BT 8 schreibt: „Die naturzerstörenden Praktiken sind durch unser<br />

Wirtschaftssystem begründet. Dagegen, dies gr<strong>und</strong>sätzlich zu ändern, sprechen einige praktische<br />

Erfahrungen…“ Für BT 4 ist der Gr<strong>und</strong> für seine Ablehnung des Arguments, dass durch<br />

Ökosystemrenaturierung versucht werden soll, „entstandene Fehler ins Positive zu bringen.“<br />

Der Teilnehmer BT 1 räumt ein, dass die Fortführung naturzerstörender Praktiken in Einzelfällen<br />

(ungewollt) passieren kann. Allerdings führt Renaturierung in der Regel nicht zu weiterer<br />

Naturzerstörung.<br />

65


66<br />

Ergebnisse<br />

Unter den Befürwortern des Arguments sieht der Vereinsmitarbeiter BT 5 eine mögliche<br />

„Zweckentfremdung“. Demnach bestehe die Gefahr, sich von dem Zweck zu entfernen, der durch<br />

Ökosystemrenaturierung erreicht werden soll, so dass sie zum Alibi werden <strong>und</strong> daher zu weiterer<br />

Naturzerstörung führen kann. Renaturierungsmaßnahmen werden nicht vorrangig um ihrer selbst<br />

willen realisiert, meint der Praktiker BT 10 <strong>und</strong> schließt sich in diesem Punkt dem Akteur BT 9 an.<br />

Entsprechende Maßnahmen sind auch Teil der Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzregelungen <strong>und</strong> dienen somit<br />

schon von vornherein dem „Wiedergutmachen“. Insofern können durch sie ebenso größere Projekte<br />

ausgeglichen werden.<br />

• Frage 11: Welche Motive unterstützen Sie in der Renaturierungsökologie?<br />

Die Mehrheit der Akteure unterstützt das Motiv, dass Renaturierungsökologie bzw.<br />

Ökosystemrenaturierung eine Strategie im Rahmen starker Nachhaltigkeit ist. Jeweils vier<br />

Teilnehmer der Befragung sehen als weitere Motive einerseits die Zusammenarbeit von Ökologen,<br />

Naturschützern <strong>und</strong> Laien u.a., welche Renaturierung um ihrer selbst willen betreiben <strong>und</strong><br />

andererseits die Veränderung unseres Wertesystems auf eine moralisch begrüßenswerte Weise.<br />

Dabei wird der Mensch als Teil der Natur angesehen. Für den Vereinsmitbegründer BT 6 ist<br />

Ersteres allerdings schon theoretisch ausgeschlossen, da der Mensch seiner Meinung nach nie<br />

anders als anthropozentrisch denken kann. Die Korrektur von Fehlern <strong>und</strong> die Wiedergutmachung<br />

vergangenen Unrechts als Motive für Renaturierungsökologie bzw. Ökosystemrenaturierung sehen<br />

die Befragten als weniger bedeutend an, obwohl sich drei Akteure an anderer Stelle moralisch<br />

verpflichtet fühlen, etwas an der Natur wieder gut zu machen (Frage 13).<br />

• Frage 12: Gehen Sie von der (annähernden) Gleichwertigkeit einer vom Menschen weitgehend<br />

unbeeinflussten Landschaft im Vergleich zu einer renaturierten Landschaft aus?<br />

Die Hälfte der Befragten geht nicht von jener (annähernden) Gleichwertigkeit aus <strong>und</strong> lehnt somit<br />

die Renaturierungsthese Elliots (s. Kap. 3.3) ab, während der These vier Akteure zustimmen.<br />

Der Befragungsteilnehmer BT 1 meint, dass es diese weitgehend unbeeinflusste Landschaft<br />

hierzulande nicht gibt. Sobald naturschutzfachlich wertvollere Ökosysteme <strong>und</strong><br />

Landschaftselemente durch Renaturierung entstehen, kann daher von einer Wertsteigerung<br />

gesprochen werden. Der Befragte BT 8 ist dagegen der Meinung, dass „eine unbeeinflusste<br />

Landschaft in der Regel immer wesentlich höhere Qualitäten in Bezug auf Artenausstattung <strong>und</strong><br />

Naturnähe besitzen wird.“ Daher ist ein Vergleich schwer möglich. Die „Natur folgt ihren eigenen<br />

Gesetzen“, schreibt BT 4 <strong>und</strong> unterstreicht damit, dass es keine Gleichwertigkeit geben wird. Für<br />

den Praktiker BT 10 liegt die Schwierigkeit in der Messung des Erfolges eines<br />

Renaturierungsprojektes. Da die Meinungen über den Erfolg aufgr<strong>und</strong> der Heterogenität des<br />

„Bearbeitungsgebietes“ <strong>und</strong> der Akteure, Bewohner sowie weiterer Interessenten unterschiedlich


ausfallen werden, ist es kompliziert, „die (annähernde) Gleichwertigkeit einer unbeeinflussten<br />

Landschaft zu bescheinigen.“ Ungeklärt sind u.a. gültige Maßstäbe.<br />

Für den Akteur BT 6 ist die Frage problematisch, da er nicht weiß, welche Funktionen <strong>und</strong><br />

Leistungen der Natur damit angesprochen werden.<br />

Vier der Praktiker stimmen der Renaturierungsthese zu. Während sie der Befragte BT 5 mit der<br />

„Herstellung alter Zustände durch Renaturierung“ begründet, bejaht sie der Befragungsteilnehmer<br />

BT 9, weil „das Ziel einer Renaturierung eine zukünftige natürliche Entwicklung zulässt.“<br />

• Frage 13: Fühlen Sie sich moralisch verpflichtet, etwas an der Natur wieder gut zu machen?<br />

Die Mehrzahl der Akteure fühlt sich nicht moralisch verpflichtet, etwas an der Natur wieder gut zu<br />

machen. Dagegen verspüren drei Akteure eine solche Verpflichtung.<br />

Der Praktiker BT 6 weist dieses umweltethische Motiv ab, weil er nicht das Gefühl hat, „quasi<br />

unrechtmäßig gehandelt zu haben.“ Ähnlich argumentiert der Vereinsmitarbeiter BT 9, er könne<br />

nicht die „Fehler <strong>und</strong> das Leben anderer Menschen korrigieren.“ Vielmehr muss man lernen, „im<br />

Einklang mit der Natur zu leben.“ Der Befragte BT 1 lehnt das Motiv ab, da die Natur nicht<br />

empfindet, ob sie „gut“ oder „schlecht“ behandelt wird. Er glaubt „auch insgesamt nicht an solche<br />

altruistischen Motivationen bei Naturschützern. Auch Naturschützer verfolgen eigene Interessen<br />

<strong>und</strong> Ziele, auch wenn diese nicht materieller Art sind.“ Der Wettbewerbsteilnehmer BT 10 sieht<br />

seine vorrangige moralische Verpflichtung im Erhalt <strong>und</strong> Schutz des derzeitigen Zustandes von<br />

Natur. Allerdings schließt er nicht aus, „etwas für die Natur zu tun, was einer ´Wiedergutmachung´<br />

gleichkommt.“<br />

Drei der Befragten fühlen sich moralisch verpflichtet, etwas an der Natur wieder gut zu machen.<br />

Dem Verständnis von BT 4 nach sind wir „Teile der Natur, was in dieser Gesellschaft fast<br />

vergessen wird.“ Der Befragte BT 8 hat den Nachhaltigkeitsgedanken im Sinn, denn dem Akteur<br />

zufolge ist es moralisch nicht zu rechtfertigen, die Lebensgr<strong>und</strong>lagen bzw. Natur irreversibel zu<br />

beeinträchtigen.<br />

• Frage 23: Was halten Sie vom Argument, dass Offenlandmanagement nur um des Menschen<br />

willen geschieht <strong>und</strong> unnatürlich ist, da sich durch den Schutz durch Nicht-Eingreifen ein anderes<br />

Gleichgewicht einstellen würde?<br />

Die Mehrheit der Befragten hält wenig von diesem Argument. Zwei Akteure wenden sich dagegen<br />

<strong>und</strong> ein Teilnehmer spricht sich dafür aus.<br />

Der ehemalige Mitarbeiter BT 1 meint, dass beides sinnvoll sein kann <strong>und</strong> fallweise entschieden<br />

werden sollte, ob Management oder Sukzession betrieben wird: „Im speziellen Fall Glau wäre das<br />

Gleichgewicht bei Nicht-Eingreifen artenarm.“ Es entstünde ein „monotoner Kiefernvorwald“, der<br />

naturschutzfachlich weit weniger wertvoll ist. Zu bedenken ist außerdem, dass Nicht-Eingreifen<br />

67


68<br />

Ergebnisse<br />

auch um des Menschen willen bzw. um einzelner Menschen willen geschieht. Der Praktiker BT 4<br />

argumentiert, dass die niederen Pflanzenarten <strong>und</strong> die auf sie angewiesenen Tierarten ohne<br />

entsprechendes Management kaum noch Flächen zur Etablierung hätten. Für den<br />

Vereinsmitbegründer BT 6 bieten „derartige Argumente keinerlei Hilfe, funktionale Defizite zu<br />

beheben.“ Der Mitarbeiter BT 9 hält das Argument für Spekulation, da wir nicht wissen können:<br />

„Was wäre wenn?“<br />

Der Befragte BT 8 verwirft das Argument völlig. Seine Begründung kann verglichen werden mit<br />

der von BT 1: „Schutz durch Nicht-Eingreifen hat genauso seine Berechtigung wie<br />

Offenlandmanagement <strong>und</strong> wird auch großflächig umgesetzt (Jüterbog West). Wenn man alles was<br />

´unnatürlich´ sein soll im Naturschutz unterlassen würde, würden wir sehr an Vielfalt verlieren.“<br />

Ausschließlich BT 10 bescheinigt dem Argument Richtigkeit: „Denn diese Art der Natur [im<br />

Wildgehege], die jetzt zwar sehr attraktiv ist, war aber vor dem anthropogenen Eingriff nicht da.<br />

Somit wird wieder der Naturzustand bewertet, aber mit Hilfe menschlicher Maßstäbe <strong>und</strong><br />

menschlicher Gesichtspunkte.“<br />

5.2.4 Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e.V. <strong>und</strong> das<br />

Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal<br />

In dieser Kategorie finden sich Aspekte zur Beantwortung der dritten Leitfrage, in der geprüft<br />

werden soll, inwieweit das untersuchte Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal eine<br />

Renaturierungsmaßnahme ist. Es werden die Ergebnisse der Fragen 14 bis 22 der Erhebung<br />

wiedergegeben.<br />

Das Engagement beim Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-Niederung e.V. (LFV) hat für<br />

jeweils drei der befragten Akteure durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme <strong>und</strong> durch<br />

ehrenamtliche Tätigkeit, d.h. freiwilliges Naturschutzengagement, begonnen. Zwei der Praktiker<br />

arbeiteten von Anfang an hauptamtlich beim Verein. Der Naturschützer BT 6 hat ihn mitbegründet<br />

<strong>und</strong> BT 10 war kurzfristig durch einen Ideenwettbewerb zur Freiflächengestaltung in den Verein<br />

eingeb<strong>und</strong>en.<br />

Gegenwärtig ist für die Hälfte der Befragten eine ehrenamtliche Tätigkeit die Motivation, beim<br />

Verein bzw. Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal mitzuarbeiten. Für BT 1 war diese bis<br />

zu seinem Ausscheiden ebenso das freiwillige Naturschutzengagement. Vier der Vereinsmitglieder<br />

sind fest angestellt. Die Motivation von BT 10 „war die Gestaltung mittels neuer Ideen <strong>und</strong><br />

Ansätze, um das Engagement des Landschafts-Fördervereins <strong>und</strong> die Einzigartigkeit der<br />

Landschaft spannend abzubilden.“<br />

Die Aufgabengebiete der Befragungsteilnehmer werden im Folgenden genannt: Vorstandsvorsitz<br />

des Vereins, Projektmanagement <strong>und</strong> -umsetzung, Sachbearbeitung, Erarbeitung der Konzeption


des Renaturierungsprojektes, Erarbeitung der Zustimmung vom Land, von der Brandenburgischen<br />

Boden GmbH, von den Kommunen, Mittelakquise sowie die strategische Ausrichtung des Vereins.<br />

Als weitere Tätigkeitsfelder werden von den Mitarbeitern angegeben: die Betreuung der Tiere <strong>und</strong><br />

Besucher im Gehege, Artenmonitoring (z.B. Kartierung des Neuntöters) <strong>und</strong> Aufrechterhaltung der<br />

Ordnung im Gehege, Wettbewerbsauslobung, die Gestaltung der Außenanlagen, Tourismus sowie<br />

die Unterstützung der Naturschutzarbeit vor Ort (Naturwacht). Ein Befragter machte keine<br />

Angaben zu seinem Aufgabenbereich.<br />

Zwei Befragungsteilnehmer arbeiten nicht mehr beim Landschafts-Förderverein <strong>und</strong> beim Projekt.<br />

BT 1 ist aus persönlichen Gründen ausgeschieden, während für BT 10 der Ideenwettbewerb<br />

abgeschlossen ist.<br />

Der Vereinsmitbegründer BT 6, der zugleich das Konzept für das Gehege entwickelte, gibt an, dass<br />

Vorschläge von folgenden Personen in die Planung des Renaturierungsprojektes integriert wurden:<br />

von Ökologen, Landschaftsplanern, Ökonomen, von Politikern, Soziologen, von am Naturschutz<br />

engagierten Laien aus der lokalen Bevölkerung, Mitarbeitenden von Steuerbüros, von<br />

Tourismusplanern, Bürgern <strong>und</strong> Gemeindevertretern. Weiterhin listet der Befragte auf, dass der<br />

damalige (auch europaweite) Stand der Megaherbivorendiskussion – ebenso Erkenntnisse des<br />

niederländischen Musterprojektes Ostvaardersplassen – in die Konzeption geflossen ist. Der<br />

Vereinsmitarbeiter BT 8 nennt statt Ökonomen „ökonomisch versierte Personen“ <strong>und</strong> BT 1 macht<br />

die Einschränkung, dass das weitgehend fertige Konzept scheinbar so gut war, dass die Politiker<br />

ihm zugestimmt haben. Somit wurden ihre Vorschläge nicht in die Planung des<br />

Renaturierungsprojektes integriert. Die Mehrzahl der Befragten ist sich darin einig, dass die<br />

Vorschläge von Ökologen sowie Landschaftsplanern <strong>und</strong> weniger die von Soziologen <strong>und</strong> von am<br />

Naturschutz engagierten Laien aus der lokalen Bevölkerung in die Planung des<br />

Renaturierungsprojektes eingeb<strong>und</strong>en wurden.<br />

Das Wissen der lokalen Bevölkerung hatte keinen Vorrang vor dem akademischen Wissen, weil<br />

das Konzept zu neu war, um darauf zurückgreifen zu können. Einzig hätte es Vorbehalte innerhalb<br />

der Bevölkerung gegeben, da die Zugänglichkeit durch die Einrichtung des Wildgeheges<br />

eingeschränkt wurde, gibt der Praktiker BT 8 zu bedenken. Es war überhaupt kaum Wissen über<br />

derartige Projekte vorhanden.<br />

Die Mehrzahl der Befragten findet es sinnvoll, die betroffenen Einwohner aktiv in die<br />

Entscheidungen zum Projekt einzubeziehen. Zwei der Vereinsmitglieder lehnen das ohne einen<br />

Gr<strong>und</strong> anzugeben ab. Der Akteur BT 8 erkennt dabei Schwierigkeiten <strong>und</strong> möchte es differenziert<br />

betrachtet sehen. Geklärt werden müsste zunächst, wer auf welche Art betroffen würde, um welche<br />

Art von Entscheidungen es sich handelt <strong>und</strong> ob nach Mehrheit entschieden wird. Von den<br />

Befürwortern geben die meisten als Gr<strong>und</strong> steigende Akzeptanz <strong>und</strong> zunehmendes Interesse an<br />

einer Beteiligung innerhalb der Bevölkerung an. „Es ist immer besser, Verständnis zu erzielen, als<br />

69


70<br />

Ergebnisse<br />

mit arroganter Ignoranz zu bestimmen“, schreibt der Praktiker BT 4. Für alle Menschen ist nur eine<br />

Landschaft da, aufgr<strong>und</strong> dessen sollte sich jeder einbringen dürfen. Außerdem können gute Ideen<br />

von den Einwohnern kommen, meint BT 1.<br />

Sämtliche Befragungsteilnehmer stimmen dem Konzept zur Nachnutzung als Wildgehege aus dem<br />

Jahr 1996 weiterhin zu. Es stößt allseits auf Zustimmung gemäß dem ehemaligen Mitarbeiter BT 1<br />

<strong>und</strong> ist attraktiv, meinen BT 6 <strong>und</strong> BT 10. Die Gesamtheit der Befragten geben als Gr<strong>und</strong> dafür,<br />

weshalb die Akteure sich für das Wildgehege <strong>und</strong> somit für die Offenhaltung der Flächen durch<br />

Beweidung entschieden haben, den Erhalt der Artenvielfalt an. Weitere wichtige Gründe sind<br />

Forschungszwecke – insbesondere die Erprobung neuer Beweidungsansätze auf größerer Fläche,<br />

Umweltbildung (da sich dem Praktiker BT 4 zufolge das Verständnis für Natürlichkeit in der<br />

Bevölkerung fortwährend verschlechtert), Naherholung, ökonomische Rentabilität <strong>und</strong> der<br />

Erlebniswert – sowohl Natur- als auch Tiererlebnis. Vier Befragungsteilnehmer rechtfertigen die<br />

Entscheidung mit der Regionalentwicklung. Das Wildgehege leistet einen Beitrag zur touristischen<br />

Infrastruktur des Naturparks Nuthe-Nieplitz. Die gesetzten Ziele wurden weitgehend erreicht, <strong>und</strong><br />

es existieren keine alternativen Nutzungen mit ähnlich positiven Wirkungen in Bezug auf<br />

Naturschutz <strong>und</strong> Regionalentwicklung, meint der Mitarbeiter BT 8. Das Gehege ist demnach eine<br />

hervorragende Möglichkeit zur Offenhaltung der Fläche, schreibt der Wettbewerbsteilnehmer BT<br />

10. Drei der Befragten nennen den ästhetischen Wert als Gr<strong>und</strong>. Niemand von den Akteuren<br />

begründet die Entscheidung für das Wildgehege mit der Wiedergutmachung an Natur.<br />

Der Befragungsteilnehmer BT 8 bemerkt zum Schluss, dass er das Wildgehege für keine typische<br />

Renaturierung erachtet, da Arten erhalten werden sollen, die sich durch eine nicht natürliche<br />

Nutzung – den militärischen Betrieb – entwickelt haben. Allerdings muss eine Landschaft, so wie<br />

es beim Wildgehege der Fall ist, selbst nach ihrer Renaturierung nicht unbedingt menschlichen<br />

Einfluss ausschließen.


Tab. 3. Zusammenstellung der quantitativen Ergebnisse der zehn Fragebögen.<br />

Akteur<br />

Frage 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

1.<br />

a. x x x x x x x x<br />

b. x x<br />

2.<br />

a. x x x<br />

b. x x<br />

c. x x x x x x x x x x<br />

d. x x<br />

3.<br />

a. 3 2 1 2 2 3 1 1 3 1<br />

b. 1 1 2 4 1 2 2 2 1 4<br />

c. 2 3 3 3 4 1 3 3 2 3<br />

d. 4 4 4 1 3 4 4 4 4 2<br />

4.<br />

a. x x x x 1 x x<br />

b. x x x x 2 x x x<br />

c. 4 x<br />

d. 3 x<br />

e.<br />

5.<br />

a. x x x x x x<br />

b. x x x x<br />

6. - - - - -<br />

a. x<br />

b. x x x x<br />

7. - - - - -<br />

a.<br />

b. x x<br />

c. x<br />

d. x x<br />

8.<br />

a. x x x x x<br />

b. x x x x<br />

c. x<br />

9.<br />

a. x x x<br />

b. x x x x x x x<br />

10. B<br />

a. x x x x<br />

b. x x x<br />

c. x x<br />

11.<br />

a. x x<br />

b. x<br />

c. x x x x x x x<br />

d. x x x x<br />

e. x x x x<br />

12. B<br />

a. x x x x<br />

b. x x x x x<br />

13.<br />

a. x x x<br />

b. x x x x x x x<br />

71


72<br />

Ergebnisse<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

14.<br />

a.<br />

b.<br />

c.<br />

x x x<br />

d. x x x<br />

e. x x<br />

f. x<br />

g. x<br />

15.<br />

a.<br />

b.<br />

c.<br />

d. x x x x x x<br />

e. x x x x<br />

f. x<br />

16. x x - x x x x x x x<br />

17. - - - - - - - -<br />

a.<br />

b.<br />

x<br />

c. x<br />

18. -<br />

a. x x x x x x x x<br />

b. x x x x x x x x<br />

c. x x x (x)<br />

d. x x x x<br />

e. x<br />

f. x x<br />

g. x<br />

19.<br />

a.<br />

- B<br />

b. x x x x x x x x<br />

20. B<br />

a. x x x x x x x<br />

21.<br />

b. x x<br />

22.<br />

a.<br />

b.<br />

x x x x x x x x x x<br />

a.<br />

b.<br />

x x x x x x x x x x<br />

c. x x x x x x<br />

d. x x x x<br />

e. x x x x x x x<br />

f. x x x x x x x x<br />

g. x x x x x x<br />

h. x x x x x x<br />

i. x x x<br />

23.<br />

j. x<br />

a. x x<br />

b. x x x x x x x<br />

c. x<br />

Legende: x, (x) Ankreuzungen<br />

- nicht beantwortet<br />

1…4 Abstufungen<br />

B Bemerkung


6. Diskussion der Ergebnisse<br />

Im Folgenden werden die im vorangegangenen Kapitel präsentierten Ergebnisse auf die drei<br />

gestellten Leitfragen bezogen <strong>und</strong> in einer zusammenfassenden sowie interpretierenden Weise<br />

dargelegt. Die Diskussion des Verständnisses von Ökosystemrenaturierung wird unter<br />

Berücksichtigung der Ergebnisse der Leitfrage 1, die Diskussion der umweltethischen Motive wird<br />

unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Leitfrage 2 <strong>und</strong> die Diskussion des<br />

Renaturierungsprojektes Wildgehege Glauer Tal unter Berücksichtigung der Ergebnisse der<br />

Leitfrage 3 erfolgen. Dabei werden die eigenen Ergebnisse mit den Positionen der Umweltethiker<br />

<strong>und</strong> anderen Studienresultaten verglichen.<br />

6.1 Verständnis von Ökosystemrenaturierung<br />

Die erste Leitfrage zielte ab auf das Verständnis von Ökosystemrenaturierung allgemein <strong>und</strong> in<br />

Konfrontation mit umweltethischen <strong>Begründungen</strong> unter den Mitgliedern der befragten<br />

Personengruppe.<br />

Die befragten Akteure der Renaturierungspraxis machen erwartungsgemäß deutlich, dass der<br />

Mensch zur Natur gehört <strong>und</strong> im Einklang mit ihr leben soll. Ökosystemrenaturierung heißt nicht,<br />

alles „durchzuplanen“, denn die Natur ist nicht planbar. Wenn der Mensch einen Teil von ihr<br />

darstellt, kann er genauso wenig alles im Voraus einkalkulieren. Bei guter Planung besteht keine<br />

Willkür <strong>und</strong> technische Lösungen dienen lediglich dazu, Prozesse anzuregen. Es erscheint<br />

umweltsoziologisch nicht sinnvoll, technische Dinge von Naturdingen zu trennen (u.a. Durkheim in<br />

Groß 2001: 237f.). Es gibt keine Definition von Gesellschaft ohne materielle Dinge. Beziehungen<br />

zwischen Menschen spielen sich über Dinge ab <strong>und</strong> Beziehungen zu den Dingen spielen sich über<br />

Menschen ab.<br />

Der Befragungsteilnehmer BT 10 ist hingegen der Meinung, dass der Mensch oft die Natur nach<br />

seinem Ansinnen willkürlich gestaltet sowie technisch herstellt <strong>und</strong> unterstützt in der Hinsicht als<br />

einziger das Herrschaftsargument von Eric Katz. Wie im Kapitel 3.5 dargelegt wurde, kann dessen<br />

Position, die im Wesentlichen auf der Unterstellung eines „technological fix“ in der<br />

Ökosystemrenaturierung beruht, für gescheitert erklärt werden.<br />

Um Fehler der Vergangenheit durch Ökosystemrenaturierung zu bereinigen geht der Akteur BT 4<br />

wiederum davon aus, dass „es wichtig ist, überhaupt etwas zu tun.“ Die „do something“-<br />

Gr<strong>und</strong>haltung war die treibende Kraft in den Anfängen der Renaturierungspraxis (Gross 2002: 24).<br />

Die sich anschließende Einbindung von Fachwissen wurde vorrangig dadurch realisiert, weil sich<br />

die Praktiker mit neuen Problemen konfrontiert sahen <strong>und</strong> weniger infolge der Veröffentlichung<br />

von Ergebnissen in wissenschaftlichen Zeitschriften oder auf Konferenzen.<br />

73


74<br />

Diskussion der Ergebnisse<br />

Zumeist begründen die Befragten eine Renaturierung wertbezogen <strong>und</strong> unterstützen somit eher<br />

„schwache“ Gründe als den „starken“ Gr<strong>und</strong> moralischer Verpflichtungen. Rechtfertigungsgründe<br />

sind kategorial verschieden gewichtig je nachdem, ob sie kulturelle Werte oder moralische<br />

Verpflichtungen fokussieren (Ott 2008: Kap. 15.4.4). „Schwach“ sind Gründe, die ein<br />

Renaturierungsvorhaben landschaftsästhetisch, kulturhistorisch, ökologisch-funktionell, d.h. im<br />

Gr<strong>und</strong>e wertbezogen (axiologisch) begründen. „Stark“ sind Gründe, mit denen geltend gemacht<br />

wird, dass eine moralische Verpflichtung besteht, den Ist-Zustand zu verändern. Der Ist-Zustand<br />

wäre dann moralisch unannehmbar <strong>und</strong> nicht nur unschön, verarmt oder karg etc. Diese kategoriale<br />

Unterscheidung sagt nichts über die Überzeugungskraft einzelner Rechtfertigungen in Debatten zu<br />

bestimmten Renaturierungsvorhaben aus, weshalb <strong>Begründungen</strong> vorgebracht werden können, die<br />

eventuell kategorial stark, jedoch inhaltlich wenig überzeugend sind.<br />

Zwar mögen bei der Durchführung einzelner Renaturierungsprojekte pragmatische Fragen wie<br />

technische oder finanzielle Fragen im Vordergr<strong>und</strong> des Interesses stehen, so dass die Wertbezüge<br />

für die Beteiligten in den Hintergr<strong>und</strong> treten oder als selbstverständlich betrachtet werden (Ott<br />

2008: Kap. 15.2). Die Existenz dieses wertbesetzten Hintergr<strong>und</strong>es wird jedoch weithin<br />

angenommen. Durch die Befragung konnte bestätigt werden, dass technische <strong>und</strong> finanzielle<br />

Fragen für die Mehrzahl der Befragungsteilnehmer vorrangig sind. Hinter sie treten<br />

organisatorische sowie moralische Fragen zurück. Auffallend ist, dass einmalig durch den<br />

Befragungsteilnehmer BT 4 moralische Fragen als prioritär angesehen wurden.<br />

Neben ich-, gesellschafts- <strong>und</strong> naturbezogenen Argumenten bestimmen u.a. Verpflichtungen die<br />

Teilnahme an einem konkreten Renaturierungsprojekt (Wiegleb & Lüderitz 2008: Kap. 17.2.3).<br />

Etliche Behörden sind zu einer Beteiligung aufgr<strong>und</strong> einschlägiger Gesetze <strong>und</strong> Planungsrichtlinien<br />

des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder verpflichtet (vgl. Kap. 2.1.1). Da die Gesetzgebung auf die<br />

Umweltvorsorge sowie den Ausgleich <strong>und</strong> die Reduzierung von Schädigungen ausgerichtet ist,<br />

besteht die Aufgabe der Behörden wiederum in der pflichtgemäßen Umsetzung von Rechtsnormen.<br />

Insofern argumentieren zwei Befragungsteilnehmer, dass bestimmte Renaturierungsmaßnahmen<br />

auf Gr<strong>und</strong> dieser Regelungen nicht vorrangig um ihrer selbst willen verwirklicht werden.<br />

Allerdings schlussfolgern sie unterschiedlich. Der Akteur BT 9 meint, dass deshalb<br />

naturzerstörende Praktiken unabhängig von Renaturierung fortgeführt werden, während der<br />

Befragungsteilnehmer BT 10 aussagt, dass genau aus diesem Gr<strong>und</strong> entsprechende ausgleichende<br />

Maßnahmen von vornherein dem „Wiedergutmachen“ naturverbrauchender Eingriffe dienen.<br />

Durch sie können schließlich größere Projekte ausgeglichen werden, was auch der<br />

Vereinsmitarbeiter BT 5 annimmt. Durch andere Praktiker wird eingeräumt, dass die Fortsetzung<br />

naturzerstörender Praktiken in Einzelfällen (unbeabsichtigt) passieren kann. Allerdings führt<br />

Renaturierung in der Regel nicht zu weiteren Naturzerstörungen.<br />

Daran ist ersichtlich, dass die Akteure BT 9 <strong>und</strong> BT 10 auf den Falltyp B in der Renaturierung<br />

anspielen, bei dem gegenwärtig entschieden werden muss, ob ein beabsichtigter Eingriff in die


Natur durchgeführt werden soll, durch den sich der Hemerobiegrad gegenüber dem Ist-Zustand<br />

erhöht (Ott 2008: Kap. 15.4.5). Befürworter dieses Eingriffs verweisen zumeist auf die<br />

ökonomischen Vorzüge, während Naturschützer an die damit verb<strong>und</strong>enen naturschutzfachlichen<br />

Einbußen erinnern. Die Beteiligten müssen nun Pro <strong>und</strong> Kontra gegeneinander „abwägen“. Im<br />

Rahmen derartiger Debatten können die Möglichkeiten geltend gemacht werden, dass der<br />

beabsichtigte Eingriff durch Renaturierungsmaßnahmen an gleicher Stelle rückgängig gemacht<br />

oder an anderer Stelle ausgeglichen werden kann. Diese Optionen werden oft mit einem „qualifier“<br />

ergänzt: „größtenteils“, „weitgehend“, „im Wesentlichen“, „überwiegend“ etc. Die Möglichkeit der<br />

Renaturierung erscheint demnach auf der Pro-Seite der Kontroverse. Die Rolle der<br />

Ökosystemrenaturierung wird nachgewiesenermaßen für Naturschützer wie BT 9 <strong>und</strong> BT 5, die<br />

solchen Eingriff missbilligen, dadurch ambivalent.<br />

Zwischen dem ursprünglichen Zustand <strong>und</strong> demjenigen, den man durch Renaturierung anstrebt,<br />

lässt sich keine Identität herstellen (Ott 2008: Kap. 15.4.1). Zwischen beiden Zuständen kann stets<br />

lediglich das Verhältnis einer Ähnlichkeit bzw. Entsprechung bestehen. Dies können funktionale<br />

Entsprechungen, Entsprechungen bezüglich des Artenspektrums <strong>und</strong> auch<br />

Entsprechungsverhältnisse ästhetischer oder kultureller Art sein. Ähnlichkeiten herzustellen kann<br />

immer dann erschwert <strong>und</strong> möglicherweise nicht zweckmäßig sein, wenn sich die<br />

Standortvoraussetzungen geändert haben bspw. durch Klimawandel, Bodenerosion, Neobiota oder<br />

massive menschliche Eingriffe zu Zwecken der Landwirtschaft, Ökonomie oder Industrie (Aronson<br />

& van Andel 2006: 229). Landschaftliche Entwicklungen sind meist einmalig <strong>und</strong> nicht reversibel<br />

(Brux et al. 2001: 14). Fast alle Ökosysteme, die als Referenz für Renaturierung dienen, sind<br />

schädlichen menschlichen Einwirkungen ausgesetzt, die nicht nachgebildet werden sollten (SER<br />

2004: 8). In solchen Fällen darf man einen anderen „naturnäheren“ Zustand bevorzugen, wofür<br />

Interpretation erforderlich ist (Ott 2008: Kap. 15.4.1). Für die meisten Befragten sind<br />

Entsprechungen in Artenvielfalt <strong>und</strong> funktionale Entsprechungen wesentlich für den Erfolg einer<br />

Renaturierung. Weniger bedeutsam sind für sie Entsprechungen ästhetischer <strong>und</strong> kultureller Art.<br />

Die Hälfte der Befragten geht nicht von der (annähernden) Gleichwertigkeit einer vom Menschen<br />

weitgehend unbeeinflussten Landschaft im Vergleich zu einer renaturierten Landschaft aus,<br />

während vier Akteure dies allerdings für gegeben halten <strong>und</strong> demnach für die Renaturierungsthese<br />

sind. Von diesen nimmt der Mitarbeiter BT 5 die „Herstellung alter Zustände durch Renaturierung“<br />

an. Der ehemalige Mitarbeiter BT 1 bleibt realistisch <strong>und</strong> konstatiert, dass es diese weitgehend<br />

unbeeinflusste Landschaft in Deutschland bzw. Mitteleuropa nicht gibt. Von einer Wertsteigerung<br />

durch eine spezifische Renaturierungsmaßnahme kann gesprochen werden, sobald dadurch<br />

naturschutzfachlich wertvollere Ökosysteme bzw. Landschaftselemente erhalten werden können.<br />

Im Gegensatz zu dieser Stellungnahme wird aber durch viele US-amerikanische Autoren Natur mit<br />

Wildnis gleichgesetzt (Ott 2008: Kap. 15.5.3), um so den menschlichen Eingriff in die unberührte<br />

(ressourcenhaltige, heilige, göttliche, intrinsisch wertvolle) Natur abzulehnen <strong>und</strong> insofern eine<br />

75


76<br />

Diskussion der Ergebnisse<br />

Wertminderung anzumahnen (Groß 2001: 236.). Die Debatte darüber führte so weit, dass die Kritik<br />

am menschlichen Wirken auf Natur ins Leere lief, da einerseits das unumkehrbare „Ende der<br />

Natur“ (McKibben 1989 in ebd.) propagiert wurde <strong>und</strong> andererseits Natürlichkeit durch<br />

Naturschutzmaßnahmen eingefordert wurde. Wenn nicht klar ist, worum man noch kämpft – da die<br />

unberührte Natur nicht mehr existiert – dann wäre die Verfolgung vom Schutz der Natur sinnlos,<br />

weil fraglich ist, was geschützt werden soll. Der Begriff der Nachhaltigkeit umschließt aber diese<br />

konservatorische Perspektive. Der Schutz der Natur an sich in ihrem intrinsischen Wert kann daher<br />

gar nicht mehr Ziel sein, sondern viel eher, die ökologische Nische des Menschen in der Natur<br />

bewohnbar zu halten. Ein anderer Befragungsteilnehmer zieht dagegen die Möglichkeit einer<br />

unbeeinflussten Landschaft in Erwägung <strong>und</strong> sagt aus, dass diese in der Regel wesentlich höhere<br />

Qualitäten in Bezug auf Artenausstattung <strong>und</strong> Naturnähe vorweisen kann. Für den Akteur BT 10<br />

liegt die Schwierigkeit in der Messung des Erfolges eines Renaturierungsprojektes: Da die<br />

Meinungen über den Erfolg aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Interessen u.a. derjenigen, in das<br />

Projekt Eingeb<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> denjenigen, von dem Projekt Betroffenen verschieden ausfallen<br />

werden, ist es schwer, im Vergleich mit einem renaturierten Gebiet die (annähernde)<br />

Gleichwertigkeit einer unbeeinflussten Landschaft zu bestätigen. Ungeklärt seien u.a. geltende<br />

Maßstäbe. Zumindest rein ökologisch betrachtet, liegen jedoch gültige Maßstäbe für eine<br />

erfolgreiche Renaturierung durch den SER vor (s. Kap. 2.1.5), an denen sich die Personen, welche<br />

in ein Renaturierungsprojekt eingeb<strong>und</strong>en sind, orientieren können. Insgesamt kann zu der<br />

Problematik gesagt werden, dass die Durchsetzbarkeit von ökologisch begründeten Zielen desto<br />

leichter erscheint, je mehr diese sich mit anderen gesellschaftlich akzeptierten Zielen wie bspw.<br />

Gefahrenabwehr, ökonomisches Interesse oder Erhöhung der Lebensqualität decken (Zerbe et al.<br />

2008: Kap. 1.7). Da die Ökologie kein „gut“ oder „schlecht“ kennt, ist eine Bewertung in der<br />

Renaturierungsökologie nach einem reproduzierbaren Bewertungssystem umso notwendiger (z.B.<br />

Winterhalder et al. 2004 in ebd.). In der Hinsicht muss es einen andauernden gesellschaftlichen<br />

Diskurs darüber geben, wie die Natur gestaltet wird <strong>und</strong> in welcher es sich am besten leben lässt,<br />

denn sie ist, genauso wie die Gesellschaft, in ständiger Bewegung (Groß 2001: 238, zur Bewegung<br />

als Gr<strong>und</strong>phänomen der Natur vgl. auch Korff et al. 1998: 713).<br />

6.2 <strong>Umweltethische</strong> Motive<br />

Anhand der Leitfrage 2 soll überprüft werden, ob sich bei den im Rahmen dieser Arbeit befragten<br />

Akteuren umweltethische Motive für ihr Tun auffinden lassen.<br />

Aus den Angaben der Befragten wird ersichtlich, dass der Umweltethik für die<br />

Renaturierungspraxis mehrheitlich keine große Bedeutung eingeräumt wird. Mehr als die Hälfte<br />

der Praktiker wissen, was der Begriff „Umweltethik“ ausdrückt, während nur ein Akteur mit


umweltethischen <strong>Begründungen</strong> in der Ökosystemrenaturierung vertraut ist. Lediglich ein<br />

Teilnehmer erachtet den Beitrag der Umweltethik zur Ökosystemrenaturierung als beträchtlich.<br />

Als Gr<strong>und</strong>motiv der Renaturierung wird oft die „restitutive Kompensation“ (Taylor 1981 in<br />

Wiegleb & Lüderitz 2008: Kap. 17.2.3) bzw. das schlechte Gewissen gegenüber „der Natur“<br />

angenommen (Wiegleb & Lüderitz 2008: Kap. 17.2.3). Renaturierung als Wiedergutmachung der<br />

Sünden der Vergangenheit wird in Form der Wiederherstellung der „Funktionsfähigkeit des<br />

Naturhaushalts“, von „Ökosystemleistungen <strong>und</strong> -funktionen“ oder des „Naturkapitals“<br />

vernunftmäßig begründet. Diese Vermutung ist jedoch bisher empirisch wenig belegt.<br />

Renaturierungsökologie unterstellt die Vermutung, dass im Verlauf voranschreitender<br />

Naturbeherrschung auch Fehler gemacht wurden, die es nun gilt, richtig zu stellen (Ott 2008: Kap.<br />

15.4.4). Es dürfte auf der Hand liegen <strong>und</strong> aus meiner bisherigen Arbeit hervorgegangen sein, dass<br />

die Praxis der Naturnutzung fehleranfällig <strong>und</strong> korrekturbedürftig ist. Korrekturen vergangener<br />

Fehler tauchen als Ergebnisse von Lernprozessen auf, wobei die Ökosystemrenaturierung durch die<br />

Renaturierungsökologie als ein wissenschaftlich angeleitetes „Fehlerkorrekturprogramm“ <strong>und</strong> eine<br />

„Verlustkompensationsstrategie“ bezeichnet werden kann (Cowell 1993: 31 in ebd.). Da aus<br />

Fehlern gelernt werden kann <strong>und</strong> auch soll <strong>und</strong> sie außerdem nicht wiederholt werden sollten, gilt<br />

es in der Renaturierungsökologie bzw. Ökosystemrenaturierung zu entscheiden, ob es geraten ist,<br />

heute bestimmte Eingriffe in Natur <strong>und</strong> Landschaft durchzuführen oder zu unterlassen (ebd.).<br />

Wenn ein früherer Eingriff in die Natur aktuell als ein Fehler betrachtet wird, den es richtig zu<br />

stellen gilt, so spricht dies prima facie gegen heutige Eingriffe ähnlicher Art.<br />

Das Motiv einer Strategie im Rahmen starker Nachhaltigkeit in der Renaturierungspraxis <strong>und</strong> -<br />

wissenschaft stellt, wie auch die Korrektur von Fehlern, eine schwache Bestimmung dar (Ott 2008:<br />

Kap. 15.6.3). Beide Beweggründe liefern eine ökologisch, naturschutzfachlich <strong>und</strong> ebenso ethisch<br />

solide Legitimationsgr<strong>und</strong>lage. Das bedeutet nicht, dass die Positionen in der komplexer<br />

werdenden Abfolge der „focal practice“ 14 (die Zusammenarbeit von Ökologen, Naturschützern <strong>und</strong><br />

Laien u.a., welche die Renaturierungspraxis um ihrer selbst willen betreiben), der transformativen<br />

Praxis (die Veränderung unseres Wertesystems auf eine moralisch begrüßenswerte Weise, wobei<br />

der Mensch als Teil der Natur angesehen wird) <strong>und</strong> der Wiedergutmachung vergangenen Unrechts<br />

überflüssig wären. Sie werden vermutlich nur vorschnell unberücksichtigt gelassen, da sich bereits<br />

auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ geeinigt wurde. In Auseinandersetzung mit der zweiten<br />

Leitfrage kann diese Annahme durch die Erhebung in der Hinsicht bestätigt werden, da sich die<br />

Akteure mehrheitlich für die Sicherung <strong>und</strong> Neugewinnung von Naturkapitalien im Rahmen starker<br />

Nachhaltigkeit ausgesprochen haben <strong>und</strong> die Wiedergutmachung vergangenen Unrechts für sie<br />

14 Das lateinische Wort „focus“ bedeutet Herd bzw. Feuerstelle (Borgmann 1984: 196). Das Zentrum von<br />

Wärme, Licht <strong>und</strong> alltäglichen Arbeiten galt manchen Völkern als heilig <strong>und</strong> war ein Ort vieler Rituale.<br />

77


78<br />

Diskussion der Ergebnisse<br />

kaum entscheidend ist. Allerdings wird von fast der Hälfte der Akteure als zwei weitere<br />

Beweggründe sowohl „focal practice“ als auch die transformative Praxis angegeben. Die Korrektur<br />

von Fehlern als Motiv für Ökosystemrenaturierung erachten die Befragten dagegen als weniger<br />

bedeutsam.<br />

Das eingangs vermutete „schlechte Gewissen gegenüber ´der Natur´“ kann mit den Ergebnissen<br />

dieser Arbeit überwiegend nicht bestätigt werden. Die Mehrheit der Befragten hat kein solches, da<br />

sie sich weder bewusst ist, ein Unrecht an der Natur begangen zu haben noch denkt, bereits<br />

begangene Fehler korrigieren zu können. Sie fühlt sich moralisch nicht verpflichtet, etwas an der<br />

Natur wieder gut zu machen. Abgelehnt wird die Personifizierung von Natur durch den Akteur BT<br />

1. Wenn Menschen „der“ Natur selbst eine Wiedergutmachung schuldig wären, so fiele die<br />

Renaturierungspraxis in die Dimension der wiedergutmachenden (kompensatorischen)<br />

Gerechtigkeit, deren Empfänger die Natur selbst wäre (Ott 2008: Kap. 15.4.4). Ob Menschen zur<br />

Natur in der Beziehung einer kompensatorischen Gerechtigkeit stehen, kann jedoch nicht<br />

vorausgesetzt werden. Selbst wenn manche Naturschützer eine entsprechende Eingebung<br />

empfänden, so steht deren Überführung in ein Argument noch aus. Ein solches Argument müsste<br />

zeigen, dass der Mensch, genauso wie er ethischen Verpflichtungen gegenüber seinesgleichen<br />

nachkommen muss, ethische Verpflichtungen gegenüber der natürlichen Welt hat, obwohl sie ihre<br />

Ansprüche nicht selbst geltend machen kann. Natur müsste als eine Art von Subjekt angenommen<br />

werden, wie es Eric Katz anhand des Titels seiner Essaysammlung „Nature as subject“ (1997b: xvi)<br />

ausdrückt. Einem Subjekt wäre man eine Wiedergutmachung schuldig; die Natur ist aber kein<br />

bestimmtes. Treffender als unter Rückgriff auf „die“ Natur kann man dafür argumentieren, dass<br />

empfindungsfähige Mitgeschöpfe gerechtigkeitsrelevante Ansprüche in Ansehung ihrer natürlichen<br />

Lebensräume haben (Ott 2003: 147 in Ott 2008: Kap. 15.4.4). Damit kann<br />

Ökosystemrenaturierung, die zu Habitatverbesserungen führt, begründet werden.<br />

Das „schlechte Gewissen gegenüber ´der Natur´“ kann möglicherweise für die drei Befragten<br />

bestätigt werden, die sich moralisch verpflichtet fühlen, etwas an ihr wieder gut zu machen. Im<br />

Unterschied dazu gibt allerdings nur ein Akteur die Wiedergutmachung vergangenen Unrechts als<br />

Motiv für Renaturierungsökologie bzw. Ökosystemrenaturierung an. Zu vermuten ist, dass Begriffe<br />

wie „Sünde“, „Unrecht“ oder „tätige Reue“ (Begriff in Ott 2008: Kap. 15.6.2) in diesem<br />

Zusammenhang zu kraftvoll sind <strong>und</strong> ein Term wie „Fehler“ eher akzeptiert wird. Allerdings macht<br />

es einen ethischen Unterschied, ob Renaturierungsökologie einen Beitrag dazu leistet, Fehler zu<br />

korrigieren oder vergangenes Unrecht wieder gut zu machen (Ott 2008: Kap. 15.4.4). Vergangenes<br />

Unrecht verpflichtet moralisch stärker als vergangene Fehler. Die Wiedergutmachung vergangenen<br />

Unrechts hat den moralischen Status, dass sie nicht versäumt werden darf. Sie führt aber in die<br />

Problematik, Natur als eine Art Subjekt zu konzipieren. Trotzdem dürfen Geltungsansprüche<br />

hinsichtlich der Wiedergutmachung, sollten sie von Personen erhoben werden, nicht von<br />

vornherein ausgeschlossen werden (Ott 2008: Kap. 15.6.2). Die Ergebnisse zukünftiger Diskurse


können nicht vorweggenommen werden, denn wie diese Geltungsansprüche argumentativ<br />

abgestützt <strong>und</strong> ob sie diskursiv anerkannt werden, lässt sich nicht prophezeien. Selbst wenn die<br />

Idee einer Wiedergutmachung an „der“ Natur moralphilosophisch abgewendet wird, ist es möglich,<br />

dass Personen im Zuge ihrer Konzeption von existenzieller Selbstachtung empfinden, der Natur<br />

etwas schuldig zu sein. Neben den Befürwortern dieser Idee wird vom Befragungsteilnehmer BT<br />

10 in erster Linie eine moralische Verpflichtung im Erhalt <strong>und</strong> Schutz des derzeitigen Zustandes<br />

von Natur gesehen. Er erklärt sich allerdings bereit, etwas für die Natur zu tun, was einer<br />

„Wiedergutmachung“ entspricht bzw. nahe kommt.<br />

In der Erhebung wird von einer Person deutlich gemacht, dass der Mensch stets eigene Interessen<br />

<strong>und</strong> Ziele verfolgt, auch Naturschützer handeln aus keinerlei altruistischer Motivation heraus.<br />

Losgelöst von einem bestimmten Selbstzweck sei der Mensch nicht fähig zu handeln, da er<br />

ausschließlich die anthropozentrische Sichtweise einnehmen kann, wird durch einen anderen<br />

Befragungsteilnehmer geäußert. Diese Aussage ist fehlerhaft, weil durch uns auch nicht-<br />

menschliche Wesen in den Kreis der moral community aufgenommen <strong>und</strong> demnach bestimmte<br />

Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten geschützt werden können. Zu vermuten ist, dass dieser Akteur etwas<br />

anderes mit dem Begriff „anthropozentrisch“ assoziiert hat <strong>und</strong> deshalb zu solchem Schluss gelangt<br />

ist.<br />

Eric Higgs´ Konzept der „focal practice“ einer guten Renaturierungsökologie (2003) führt bei der<br />

Bestimmung von zwei Aspekten weiter, die über ein zweckrationales Verständnis hinausgehen (Ott<br />

2008: Kap. 15.6.2). Als der darin enthaltene partizipative Aspekt kann die gemeinsame<br />

Durchführung von Renaturierungsprojekten bestimmt werden, die das gegenseitige Verständnis<br />

von Ökologen, Naturschützern, Landnutzern <strong>und</strong> der lokalen Einwohnerschaft befördern. Die<br />

Meinungen über den Sinn <strong>und</strong> Zweck der Praxis von Ökosystemrenaturierung dürfen zwischen<br />

Experten <strong>und</strong> der breiten Bevölkerung nicht auseinander driften, weil es sonst zu<br />

Akzeptanzproblemen kommt. Darin liegt ein Gr<strong>und</strong> für eine aktive Einbeziehung der betroffenen<br />

Bevölkerung in Renaturierungsprojekte.<br />

Für den zweiten, intrinsisch wertvollen Aspekt dieses Konzeptes ist es notwendig, auf Higgs´<br />

Bezug auf Albert Borgmanns Technikphilosophie zu verweisen (ebd.). Durch die technologische<br />

Umwelt wird die Verbreitung von „focal practices“ eher gefördert, als dass sie unterdrückt werden<br />

(Borgmann 1984: 196). Für Borgmann sind „focal practices“ solche Praktiken, die auch um ihrer<br />

selbst willen betrieben werden <strong>und</strong> die menschliches Dasein orientieren, weil <strong>und</strong> indem sie von<br />

sich aus fordern, dass ihnen eingehende Aufmerksamkeit zugewandt wird (Ott 2008: Kap. 15.6.2).<br />

Dazu gehören z.B. gemeinschaftlich eingenommene Mahlzeiten, die Pflege von Fre<strong>und</strong>schaften,<br />

Gartenarbeit, das Singen oder Musizieren (Borgmann 1984: 197). So sagt ein Beteiligter eines<br />

Renaturierungsprojektes in einem Interview im Jahr 2000 aus: „Sometimes I just can´t wait to see<br />

what nature has to present to us after a certain waiting period. That´s the fun” (zit. Gross 2003:<br />

174). Durch gemeinsames Handeln können Wertegemeinschaften entstehen (Ott 2008: Kap.<br />

79


80<br />

Diskussion der Ergebnisse<br />

15.6.2): Renaturierungsökologie „links engagement in nature with respect for nature“ (Spencer<br />

2007: 422 in ebd.).<br />

Wenn in der Ökosystemrenaturierung sowohl der partizipative als auch der intrinsisch wertvolle<br />

Aspekt zusammentreffen, verändert diese Praxis wahrscheinlich neben der äußeren Natur auch die<br />

Wertvorstellungen <strong>und</strong> Anschauungen der beteiligten Personen (ebd.). Als „focal practice“ wäre<br />

Renaturierungsökologie wahrscheinlich sogar transformativ. Bryan Norton (1987 in ebd.) hat die<br />

Kategorie transformativer Werte in die naturethische Werttheorie eingebracht. Die Erfahrung<br />

transformativer Werte verändert das gesamte übrige Wertesystem von Personen oder Gruppen auf<br />

eine moralisch begrüßenswerte Weise. Dieses Verständnis von Renaturierungsökologie ist auf<br />

keinen Fall unwissenschaftlich, da die ökologische Wissensbasis durch die transformative<br />

Gr<strong>und</strong>haltung nicht abgewandelt wird.<br />

Ob die Wertvorstellungen <strong>und</strong> Einstellungen der befragten Akteure durch ihr Handeln transformiert<br />

wurden, konnte im Rahmen dieser Erhebung nicht untersucht werden <strong>und</strong> bildet den<br />

Ausgangspunkt für weitere Studien. Zwar kann gesagt werden, dass das Renaturierungsprojekt<br />

Wildgehege Glauer Tal auch durch ehrenamtliche Arbeit – derjenigen der Vereinsmitglieder –<br />

eingerichtet wurde <strong>und</strong> die Mehrheit der Befragten sich derzeit ehrenamtlich engagiert. Weiterhin<br />

sind bis auf ein Ausscheiden die Mitarbeitenden des Fördervereins noch dieselben wie am Anfang<br />

(Roswitha Schmidt, LFV, mdl. 19.11.2007). Jedoch kann nicht bestätigt werden, dass ihre Tätigkeit<br />

(positiven) Einfluss auf ihren Charakter hatte.<br />

Drei Akteure halten es für sinnvoll, wie u.a. von Robert Elliot vorgeschlagen wird (1995: 80f.),<br />

Parallelen zwischen Renaturierungspraxis <strong>und</strong> Kunstprodukten zu ziehen, um sich somit in die<br />

umweltethische Debatte einzuschalten. Dadurch könne eine höhere Sicherheit für die praktischen<br />

Maßnahmen gewonnen werden, meint der Vereinsmitbegründer BT 6. Elliot setzt Renaturierung<br />

mit einer Kunstfälschung gleich. Eric Katz stimmt ihm zu: Renaturierungen seien der Versuch „to<br />

fake nature“ (1996: 223). Allerdings sollte ein Ökosystem nicht mit einem statischen Kunstwerk<br />

wie einem Gemälde oder einer Zeichnung, sondern mit einem dynamischen Kunstwerk bspw.<br />

einem Musik- oder Tanzstück verglichen werden. Schließlich sind Ökosysteme in einem ständigen<br />

Wandel begriffen. Der Befürworter von Renaturierung Donald Scherer pflichtet ihm bei (1995:<br />

364f.). Allerdings sind bspw. Opernarien für ihn nicht weniger authentisch, wenn sie von einem<br />

Sänger aus einem anderen Kulturkreis <strong>und</strong> einem anderen Land vorgetragen werden im Gegensatz<br />

zu Katz, für den die historische Kontinuität somit nicht mehr gewahrt wäre. Alastair Gunn macht<br />

hingegen deutlich, dass der entscheidende Unterschied zwischen Natur <strong>und</strong> Kunst ist, dass einem<br />

Kunstprodukt ein Plan <strong>und</strong> Design vorangestellt sind, während dies für Natur nicht zutrifft (1991:<br />

302). Yeuk-Sze Lo <strong>und</strong> Robert Chapman lehnen den von Renaturierungsgegnern vorgebrachten<br />

Vorwurf ab, renaturierte natürliche Entitäten seien Artefakte (Lo 1999: 256-259 <strong>und</strong> Chapman<br />

2006: 464). Artefakte würden entworfen, was im Unterschied zu Kopien, die sich streng an eine<br />

bestimmte Vorlage halten, Neuartigkeit erfordert. Renaturierte natürliche Entitäten sollen sich aber


nach Möglichkeit nicht vom Original unterscheiden. Daher ähneln renaturierte Ökosysteme – ob<br />

sie perfekt renaturiert sind oder nicht – eher einer Kopie als einem Artefakt.<br />

Die Debatte über derartige Vergleiche ist für Praktiker <strong>und</strong> Wissenschaftler eher verwirrend, da sie<br />

Sachverhalte aufwirft, die selbst in der Kunstphilosophie nicht hinreichend geklärt sind (Ott 2008:<br />

Kap. 15.5.1). Es ist bedenklich, welchen Beitrag insbesondere Elliots Analogie zu Kunstprodukten<br />

zum ethischen Selbstverständnis von Renaturierungsökologie liefern kann. Da Analogien<br />

insgesamt brauchbar zur Beschreibung eines bestimmten Gegenstandes sind, scheint im<br />

vorliegenden Fall jedoch die Analogie zur Medizin geeigneter zu sein, denn die<br />

Renaturierungspraxis ist eher eine „heilende“ als eine „kopierende“ Handlung (ebd.). Es erscheint<br />

wichtiger, die Funktionen eines Ökosystems wiederherzustellen, die Degradationen an ihm<br />

zurückzunehmen <strong>und</strong> es insofern einem naturnäheren Zustand zuzuführen, unabhängig von der<br />

Orientierung an bestimmten Zuständen seiner Vergangenheit. Da sich Standortbedingungen<br />

fortwährend ändern, ist der Vergleich mit einer Kopie also nicht sinnvoll. Jedoch ist die Analogie<br />

zur Kunst allgemein genauso wenig treffend, da es bei Renaturierung nicht um Innovativität oder<br />

Kreativität geht. Eher geht es in Analogie zur Medizin um die „Vorbeugung, Erkennung <strong>und</strong><br />

Behandlung von ´Krankheiten´ <strong>und</strong> ´Verletzungen´“ – zwar nicht von Menschen <strong>und</strong> Tieren,<br />

sondern von Ökosystemen <strong>und</strong> Landschaftselementen mit dem Ziel der „Wiederherstellung der<br />

bestmöglichen Ges<strong>und</strong>heit“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Medizin 23.3.2008). Vergleichbar zur<br />

Medizin, welche „die Beschaffenheit <strong>und</strong> Funktion des menschlichen <strong>und</strong> tierischen Körpers in<br />

ges<strong>und</strong>em <strong>und</strong> krankem Zustand“ dafür erforscht, untersucht der Zusammenschluss aus<br />

Renaturierungsökologie sowie Ökosystemrenaturierung mit ähnlicher Intention Ökosysteme <strong>und</strong><br />

Landschaftselemente.<br />

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei den untersuchten Akteuren eine umweltethische<br />

Motivation für ihr Handeln in der Ökosystemrenaturierung herausgestellt werden kann, obgleich<br />

die meisten von ihnen angeben, wenig ergänzende Aspekte durch Einbindung von Umweltethik in<br />

die Renaturierungspraxis zu sehen. Durch einen Befragungsteilnehmer wurde immerhin expliziert,<br />

dass Naturschutz einer ethischen Anschauung entspringt. Insofern kann angenommen werden, dass<br />

sich die Befragungsteilnehmer gar nicht bewusst sind, bereits sehr viel eines umweltethischen<br />

Gedankengutes in ihren Stellungnahmen zu verweben. Wertbezüge werden demnach eher als<br />

gegeben hingenommen, wobei jedoch das Vorhandensein eines wertbesetzten Hintergr<strong>und</strong>es<br />

durchweg von den Praktikern akzeptiert wird (vgl. Ott 2008: Kap. 15.2). Die Besonderheit der<br />

Renaturierungsökologie im Unterschied zu anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen wie z.B.<br />

der Ökologie ist schließlich ihre transdisziplinäre Arbeitsweise (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.7). Sie<br />

arbeitet daher nicht nur mit anderen Disziplinen wie bspw. der Umweltethik zusammen, sondern<br />

durchdringt diese bei der Beantwortung identischer Fragen <strong>und</strong> dem gemeinsamen Lösen von<br />

Problemen der Ökosystemrenaturierung.<br />

81


82<br />

6.3 Das Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal<br />

Diskussion der Ergebnisse<br />

Die dritte Leitfrage will klären, inwieweit bestimmte Merkmale einer Renaturierung auf das<br />

untersuchte Projekt Wildgehege Glauer Tal zutreffen.<br />

Renaturierung ist die geplante Veränderung der Umwelt in Richtung auf einen von den Akteuren<br />

als „naturnäher“ empf<strong>und</strong>enen Zustand (Wiegleb & Lüderitz 2008: Kap. 17.1). Betroffen davon ist<br />

nicht nur die Umwelt der Akteure, sondern auch die Umwelt anderer Personen. Daraus erwachsen<br />

sowohl aktive wie passive Bezüge zur Renaturierung. Aktive <strong>und</strong> passive Rollen sind je nach<br />

Ausdehnung, Zeithorizont <strong>und</strong> Trägerschaft nicht immer differenzierbar, sodass die<br />

Unterscheidung in Akteure <strong>und</strong> Betroffene nur eingeschränkt Gültigkeit hat. Diese<br />

Rollenverteilung ist dort nicht klar festgelegt, wo sich ein Renaturierungsbedarf oder eine<br />

Renaturierungsmöglichkeit durch plötzliche Nutzungsänderungen aufgr<strong>und</strong> politischer<br />

Rahmenbedingungen ergibt wie es z.B. bei Truppenübungsplätzen in Ostdeutschland der Fall ist<br />

(ebd.: Kap. 17.2.2). Hier besteht für diverse Interessengruppen eher die Gelegenheit, sich selbst<br />

zum Akteur zu ernennen <strong>und</strong> seine Interessen von Anfang an geltend zu machen. Beim<br />

untersuchten Renaturierungsprojekt ist das der Fall, denn einige Akteure sind selbst betroffen, da<br />

sie in angrenzenden Orten wohnen. Sie sind Mitglieder des Landschafts-Fördervereins, der Träger<br />

werden konnte, denn der ehemalige Truppenübungsplatz hat mit seinen r<strong>und</strong> 160 ha eine<br />

überschaubare Größe. Das Konzept lag im Jahr 1996 vor, während mit der Einrichtung drei Jahre<br />

später begonnen werden konnte, nachdem die Eigentumsverhältnisse mit der Brandenburgischen<br />

Boden GmbH geklärt waren <strong>und</strong> entsprechende Flächen erworben wurden.<br />

Die konkreten Ziele von Renaturierungsprojekten können mannigfaltig sein (Wiegleb & Lüderitz<br />

2008: Kap. 17.2.2). Die Gesamtheit der Befragten geben als Gr<strong>und</strong> dafür, weshalb die Akteure sich<br />

für das Wildgehege <strong>und</strong> somit für die Offenhaltung der Flächen durch Beweidung entschieden<br />

haben, den Erhalt der Artenvielfalt an. Weitere wichtige Gründe sind Forschungszwecke,<br />

Umweltbildung, Naherholung, ökonomische Rentabilität <strong>und</strong> der Erlebniswert. Das Projekt soll<br />

sich in Zukunft weiter hin zu Umweltbildung entwickeln (Schmidt, LFV, mdl. 19.11.2007). Es<br />

wird also darauf gesetzt, die Natur dem Menschen näher zu bringen, indem man sie gestaltet <strong>und</strong><br />

erlebbar macht. Vier Befragungsteilnehmer rechtfertigen die Entscheidung mit der<br />

Regionalentwicklung, während drei der Befragten den ästhetischen Wert als Gr<strong>und</strong> anführen.<br />

Ästhetische Gründe sind bedeutsame naturethische Gründe, die auch in der Renaturierung nicht<br />

gescheut zu werden brauchen (Seel 1991 <strong>und</strong> Ott 1998 in Ott 2008: Kap. 15.4.3). Niemand von den<br />

Akteuren begründet die Entscheidung für das Wildgehege mit der Wiedergutmachung an Natur.<br />

Möglicherweise hätten in dem Fall die Flächen vollständig entmunitioniert werden müssen.<br />

Der Akt des Entmunitionierens stellte die eigentliche Renaturierungsmaßnahme (spezifischer eine<br />

Rekonstruktion, s. Kap. 2.3.1) dar, während alle sich daran anschließenden <strong>und</strong> bis heute<br />

durchgeführten Unternehmungen zu Zwecken der Offenhaltung des Gebietes (Wildtierbeweidung,


Entbuschungen) als Biotopmanagementmaßnahmen zu bezeichnen sind (Stefan Zerbe, mdl.<br />

19.2.2008).<br />

Die Transdisziplinarität des Projektes, welche für die Renaturierung kennzeichnend <strong>und</strong> notwendig<br />

ist (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.9), lässt sich anhand derjenigen Personen nachweisen, deren<br />

Vorschläge in die Planung des Renaturierungsprojektes integriert wurden. Dazu zählen Ökologen,<br />

Landschaftsplaner, Ökonomen bzw. ökonomisch versierte Personen, gegebenenfalls Soziologen<br />

<strong>und</strong> am Naturschutz engagierte Laien aus der lokalen Bevölkerung. Weiterhin sind Anregungen<br />

von Mitarbeitenden aus Steuerbüros, von Tourismusplanern, Bürgern <strong>und</strong> Gemeindevertretern<br />

übernommen worden. Das weitgehend fertige Konzept, das naturschutzfachliche Ziele mit<br />

sozioökonomischen Ansprüchen verbindet, war offenbar so gut, dass die Politiker ihm zugestimmt<br />

haben, ohne sie direkt zu beteiligen.<br />

Die Mehrzahl der Befragten findet es zweckmäßig, die betroffenen Einwohner aktiv in die<br />

Entscheidungen zum Projekt einzubinden. Dazu wird allerdings in naher Zukunft kein Bedarf<br />

bestehen, da die größten Pläne mit der Einweihung des Besucherzentrums im letzten Jahr<br />

abgeschlossen sind. Von den Befürwortern geben die meisten als Gr<strong>und</strong> steigende Akzeptanz <strong>und</strong><br />

zunehmendes Interesse an einer Beteiligung innerhalb der Bevölkerung an. Da für alle Menschen<br />

nur eine Landschaft vorhanden ist, sollte sich jeder einbringen dürfen. Weiterhin können gute Ideen<br />

von den Einwohnern kommen, denn deren Beobachtungen sind vermutlich wichtig. Sie bemerken<br />

durch ihre Ortsansässigkeit Dinge, die Wissenschaftlern bzw. Akteuren von<br />

Ökosystemrenaturierung möglicherweise durch ein begrenztes Budget <strong>und</strong> infolge dessen<br />

eingeschränkter Zeit am Standort nicht auffallen (Gross 2002: 24 <strong>und</strong> Gross 2003: 144). Eine<br />

gelungene Renaturierungspraxis ist insofern verb<strong>und</strong>en mit einer „ethics of place“ – der tief<br />

empf<strong>und</strong>enen Zugehörigkeit zum Ort, an dem man lebt (vgl. Spencer 2007: 431).<br />

Inwieweit Personen wiederum bereit sind, sich in „offene“ Vorhaben einzubringen <strong>und</strong> damit die<br />

Möglichkeit der Partizipation an einem bestimmten Renaturierungsprojekt annehmen, hängt von<br />

unterschiedlichen Faktoren ab (Wiegleb & Lüderitz 2008: Kap. 17.2.3). Konkrete Interessen von<br />

Betroffenen bestimmen u.a. die Teilhabe. Betroffene engagieren sich für die Verbesserung der<br />

eigenen Lebensumwelt, streben soziale Kontakte an, haben Freude an der Natur <strong>und</strong> Kontakten mit<br />

ihr. Außerdem können sie vom Verantwortungs-, Mitwelt- <strong>und</strong> Stewardshipgedanken geprägt sein<br />

oder in der Teilhabe die Erfüllung eines Lebenswerkes sehen (Anders & Fischer 2007b in ebd.).<br />

Weitere Motive, die besonders für die spätere Akzeptanz der Maßnahme bedeutsam sind, können<br />

sein:<br />

1. ein persönliches Verhältnis zur Landschaft, speziell zur Landschaft vor einem Eingriff<br />

(Serbser 2000 <strong>und</strong> Anders & Fischer 2007a, b in ebd.);<br />

2. die Möglichkeit des Betretens der sich neu etablierenden Landschaften (Anders & Fischer<br />

2007b in ebd.);<br />

83


84<br />

Diskussion der Ergebnisse<br />

3. der persönliche Austausch mit Bekannten, außerdem Mitwirkungs- <strong>und</strong><br />

Informationsmöglichkeiten über das Projekt (Segert & Zierke 2004: 89f., Stierand 2000 <strong>und</strong><br />

Gailing et al. 2007 in ebd.);<br />

4. Präferenzen <strong>und</strong> Werthaltungen hinsichtlich der Natur oder bestimmter Ökosystemtypen<br />

(McIsaac & Brün 1999 <strong>und</strong> Swart et al. 2001 in ebd.);<br />

5. erwartete Nutzenstiftung des sich neu Entwickelnden (Arbogast et al. 2000 <strong>und</strong> Walker et al.<br />

2007 in ebd.).<br />

Für das Wildgehege Glauer Tal können Punkt 1 durch die bereits vor den 1930er Jahren<br />

ortsansässigen Personen, die also mit dem Gelände vor seiner Umwandlung in einen<br />

Truppenübungsplatz vertraut sind, sowie Punkt 2 <strong>und</strong> 3 ohne Weiteres angenommen werden. Die<br />

Möglichkeit des Betretens des ehemaligen Truppenübungsplatzes Glau konnte mit der<br />

Entmunitionierung auf den Wanderwegen des Wildgeheges geschaffen werden.<br />

Mitwirkungsmöglichkeiten ergaben sich wiederum u.a. bei der Einrichtung des Geheges, bei der<br />

durch die Vereinsmitglieder Müll gesammelt <strong>und</strong> das Gelände von Kiefernaufwuchs sowie<br />

militärischen Hinterlassenschaften befreit wurde. Das neu entstandene Besucherzentrum bietet<br />

auch für andere, nicht mitwirkende Personen ausreichend Informationsmöglichkeit sowohl über das<br />

Renaturierungsprojekt als auch zum Naturpark insgesamt. Der Punkt 5 der erwarteten<br />

Nutzenstiftungen ist durch den direkten Nutzenwert einer ästhetischen Befriedigung <strong>und</strong> eines<br />

Tiererlebnisses gegeben, aber ebenso durch den indirekten Nutzenwert einer höheren<br />

Gr<strong>und</strong>wasserneubildungsrate im Vergleich zu einem sukzessiv belassenen Truppenübungsplatz.<br />

Der Befragungsteilnehmer BT 8 erachtet das Wildgehege für keine typische Renaturierung, da<br />

Arten erhalten werden sollen, die sich durch eine nicht natürliche (militärische) Nutzung entwickelt<br />

haben. Allerdings muss eine Landschaft seiner Auffassung nach selbst nach ihrer Renaturierung<br />

nicht unbedingt menschlichen Einfluss ausschließen. Karl Decruppe, der das Konzept für das<br />

Gehege entwickelte, meint, dass eine Renaturierung auch beinhalten kann, einen Zustand zu<br />

bewahren (LFV, mdl. 24.1.2008).<br />

Ein Problem ergibt sich daraus, dass im deutschen Sprachgebrauch „Renaturierung“ oft direkt mit<br />

„Naturnähe“ in Verbindung gebracht wird (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.3). Im Unterschied dazu ist<br />

aber ein aufwändiges Management für die Renaturierung von Offenland, welches mit<br />

entsprechenden Maßnahmen wald- bzw. gehölzfrei gehalten wird, in Mitteleuropa generell<br />

notwendig. Der ehemalige Truppenübungsplatz Glau wurde vor seiner Einrichtung für den<br />

militärischen Betrieb land- <strong>und</strong> forstwirtschaftlich genutzt. Das Gebiet stellt demnach einen<br />

Bestandteil der Kulturlandschaft dar, deren Wiederherstellung Ziel des Projektes ist. Diese kann<br />

durch die Wiedereinführung historischer Nutzungsarten bzw. die Simulation derselben erreicht<br />

werden (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.4). Das naturschutzfachliche Ziel des untersuchten Projektes der


Erhaltung <strong>und</strong> Neuetablierung gehölzfreier Biotope wurde nun mit dem entsprechenden<br />

zielgerichteten Management erreicht (Decruppe, LFV, mdl. 24.1.2008).<br />

Das Gleichgewicht bei Nicht-Eingreifen wäre in der vorliegenden Fallstudie artenarm. Es entstünde<br />

ein Kiefernvorwald, der naturschutzfachlich weit weniger wertvoll ist. Insofern kann von einer<br />

Wertsteigerung durch Renaturierung gesprochen werden. Wie bereits im Kapitel 2.3.4 der<br />

Gegenüberstellung zweier abzuwägender Szenarien ausgeführt wurde, ist das Gelände außerdem zu<br />

kleinflächig, um durch Sukzession genügend eigene Strukturen zu generieren (Hinrichsen et al.<br />

2004: 225). Es gewinnt durch das zu erwartende Landschaftsbild eines Krüppelwaldes an Eigenart<br />

<strong>und</strong> weicht von herkömmlichen Waldbildern ab. Der Erhalt der Biodiversität, der landschaftlichen<br />

Eigenart <strong>und</strong> Schönheit stellen Komplexziele (Gr<strong>und</strong>motive) im Naturschutz dar, mit denen in<br />

jedem Fall auf den Einzelfall bezogen verfahren werden muss (Zerbe et al. 2008: Kap. 1.5). Im<br />

vorliegenden Fall hat man sich bekanntlich für Wildtierbeweidung entschieden, die allerdings keine<br />

Patentlösung für Offenhaltung darstellt, da nicht alle erhaltenswerten Flächen zu Wildgehegen<br />

entwickelt werden können (Tschöpe et al. 2004: 134).<br />

Mehrheitlich wird also durch die Befragungsteilnehmer davon ausgegangen, dass der Ansatz des<br />

Offenlandmanagements neben dem der Sukzession seine Berechtigung in der<br />

Ökosystemrenaturierung hat. Offenbiotope sind ein Teil der biologischen Vielfalt unseres<br />

Naturhaushaltes <strong>und</strong> Naturkapitals (Schlauderer & Prochnow 2004: 82). Um zu klären, welcher<br />

Bewirtschaftungsumfang <strong>und</strong> Mitteleinsatz gesellschaftlich sinnvoll ist, muss der von der<br />

Gesellschaft den Offenbiotopen zugemessene Wert bestimmt werden. Hierbei werden<br />

nutzungsabhängige Werte (direkter Nutzenwert, indirekter Nutzenwert, Optionswert) <strong>und</strong><br />

nutzungsunabhängige Werte (Existenzwert, Vermächtniswert u.a.) betrachtet (WBGU 1999, Pearce<br />

& Moran 1998, Meyerhoff 1997 <strong>und</strong> Klauer 2001 in ebd.).<br />

Insgesamt in Bezug auf die dritte Leitfrage kann hervorgehoben werden, dass, wenn die Kriterien<br />

Artendiversität, Anteil standortspezifischer, stenöker Arten, biotische Dynamik, Strukturdiversität<br />

<strong>und</strong> Anteil von Offenland herangezogen werden, das Glauer Tal einer der ehemaligen<br />

Truppenübungsplätze Ostdeutschlands als für den Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz besonders wertvoll<br />

einzuschätzen ist (vgl. Konold et al. 2004: 311). Im Verb<strong>und</strong> mit anderen ehemaligen <strong>und</strong> in<br />

Nutzung befindlichen Truppenübungsplätzen Deutschlands kommt ihm eine Schlüsselfunktion für<br />

den Erhalt der biologischen Vielfalt in Mitteleuropa zu, auch als Beitrag Deutschlands zur<br />

Erfüllung der Deklaration von Rio de Janeiro (N.N. 1993: 12).<br />

85


86<br />

7. Schlussfolgerungen<br />

Schlussfolgerungen<br />

Ökosystemrenaturierung kann als ein wichtiges Zielsystem im Konzept starker Nachhaltigkeit<br />

angenommen werden, auf welches Konzept es verständlich ist, sie zu beziehen. Das Konzept<br />

starker Nachhaltigkeit verpflichtet dazu, aus Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen<br />

Naturkapitalien dauerhaft zu erhalten <strong>und</strong> nach Möglichkeit in sie zu investieren. Derart betrachtet,<br />

könnten ein Großteil der erhobenen Vorwürfe gegen die Renaturierungspraxis abgewendet werden<br />

(Ott 2008: Kap. 15.6.1). Im Zuge der Eingriffsregelung würden verstärkt Projekte durchgeführt, die<br />

dem allgemeinen Richtungssinn von Ökosystemrenaturierung <strong>und</strong> dem Abbau von Naturkapital<br />

nicht entgegenstehen.<br />

In Anbetracht des sich mächtig vergrößernden menschlichen Fußabdrucks der Landoberfläche stellt<br />

der entwickelnde Naturschutz, <strong>und</strong> damit die Ökosystemrenaturierung, in Zukunft eine notwendige<br />

Handlungsdimension bereit. Im dicht besiedelten Mitteleuropa mit kaum noch vorhandenen<br />

weitgehend ungestörten Referenzsystemen kann ein rein auf Abwehr <strong>und</strong> Bewahrung<br />

ausgerichteter Naturschutz nicht hinreichend sein. Menschliche Eingriffe, die dazu dienen,<br />

Degradationen durch menschliche Eingriffe der Vergangenheit zurückzunehmen <strong>und</strong> Ökosysteme<br />

schneller einem naturnäheren Zustand zuzuführen, können dazu beitragen, (kritische) ökologische<br />

Schäden <strong>und</strong> Umweltschäden auszubessern bzw. zu bereinigen.<br />

Wenn es sich bei der Mehrzahl von Akteuren der Renaturierung so verhält, dass, wie es durch die<br />

zehn im Rahmen der vorliegenden Arbeit befragten Naturschützer festgestellt wurde, diese Praxis<br />

neben ökologischen „Werten“ genauso verantwortungsethische, soziale <strong>und</strong> kulturelle Werte<br />

hervorbringt, die mit dem gemeinsamen Eingeb<strong>und</strong>ensein in Renaturierungsprojekte verknüpft<br />

sind, ist es wichtig, daraus Schlüsse für geeignete Maßnahmen zu ziehen.<br />

Renaturierungsmaßnahmen haben ihre Berechtigung neben denjenigen, bei welchen Sukzession<br />

angestrebt wird. Der transdisziplinäre Austausch sowohl in der Renaturierungspraxis als auch der -<br />

wissenschaft kann den achtsamen Umgang mit Natur befördern <strong>und</strong> dafür sorgen, dass<br />

entsprechende Projekte Anklang in der Bevölkerung finden. Damit der nachhaltige Erfolg der<br />

Renaturierung gesichert ist, bedarf es letztlich einer weiten <strong>und</strong> langfristig garantierten Mitwirkung<br />

von Akteuren (Wiegleb & Lüderitz 2008: Kap. 17.5).<br />

Kulturlandschaften Mitteleuropas sind ein Bestandteil unseres Naturkapitals. Aus Gründen der<br />

Ungewissheit hinsichtlich zukünftiger Präferenzen, gesellschaftlicher Vorsorgegesichtspunkte <strong>und</strong><br />

unter der Berücksichtigung eudaimonistischer Werte u.a. kann ihr Erhalt gerechtfertigt werden.<br />

Viele ihrer renaturierten Ökosysteme <strong>und</strong> Landschaftselemente sind erlebbar, stiften somit einen<br />

nicht-monetären Nutzen bspw. für Freizeit, Erholung <strong>und</strong> Naturgenuss (vgl. Hampicke 2008: Kap.<br />

16.3.4), womit sie „das gute Leben“ (Eudaimonia) unterstützen. Mit Verweis auf die Tatsache, dass<br />

der großstädtische Ballungsraum <strong>und</strong> damit der versiegelte Bereich in unserem Jahrh<strong>und</strong>ert zum


Lebensort der meisten Menschen wird, ist es außerdem wichtig, Wege zu finden, der drohenden<br />

<strong>und</strong> bereits einsetzenden Entfremdung des Menschen von der Natur Einhalt zu gebieten. Das<br />

untersuchte Renaturierungsprojekt im Berliner Ballungsraum kann somit einerseits einen Beitrag<br />

dazu leisten, in Naturkapital zu investieren <strong>und</strong> andererseits die Natur dem Menschen näher zu<br />

bringen.<br />

87


88<br />

8. Zusammenfassung<br />

Zusammenfassung<br />

Den Hintergr<strong>und</strong> dieser Arbeit bildet die ethische Auseinandersetzung mit<br />

Ökosystemrenaturierung, einer mittlerweile als etabliert geltenden Praxis im Bereich des<br />

entwickelnden Naturschutzes. Von Seiten der Kritiker der Praxis werden Vorwürfe erhoben, die<br />

sich auf eine Minderung im Wert, herrschaftsorientierte Einstellung, willkürliche Planung oder<br />

einen sorglosen Umgang mit Natur durch Renaturierung beziehen. Befürwortende Stimmen, die<br />

den Menschen wie selbstverständlich als Teil der Natur betrachten, stellen den Beitrag von<br />

Ökosystemrenaturierung zur Beseitigung von Schäden der Vergangenheit, zur nachhaltigen<br />

Entwicklung, Schaffung sozialer Netze durch das gemeinsame naturschützerische Handeln <strong>und</strong> zur<br />

positiven Veränderung unseres Wertesystems heraus.<br />

In der vorgelegten Arbeit wird mittels einer empirischen Untersuchung erstmalig die praktische<br />

Relevanz der kontroversen <strong>Begründungen</strong> zur Ökosystemrenaturierung geprüft. Dazu wurde eine<br />

sozialwissenschaftliche Methode angewendet: der quantitativ <strong>und</strong> in Teilen qualitativ ausgerichtete<br />

Fragebogen. Die Befragungsteilnehmer waren zehn Akteure des Renaturierungsprojektes<br />

Wildgehege Glauer Tal im Landkreis Teltow-Fläming in Brandenburg, von denen zwei<br />

Naturschützer aus Gründen, die unabhängig vom Projekt waren, bereits ausgeschieden sind. Bei<br />

der Untersuchung wird insbesondere den Fragen nach den Positionen zu Ökosystemrenaturierung<br />

<strong>und</strong> dem Vorhandensein umweltethischer Motive aufgr<strong>und</strong> der Ausübung der Praxis<br />

nachgegangen. Zudem wird überprüft, welches die Kriterien sind, die das Wildgehege Glauer Tal<br />

als eine Renaturierungsmaßnahme auszeichnet.<br />

Durch die Auswertung der Ergebnisse wird offenbar, dass die Einstellungen der Akteure zur Praxis<br />

der Ökosystemrenaturierung im Wesentlichen erwartungsgemäß sind. Menschliche Willkür <strong>und</strong> ein<br />

technizistisches Naturverständnis bei Eingriffen werden mehrheitlich abgewiesen. Außerdem sehen<br />

die meisten der Befragungsteilnehmer axiologische Gründe als am ehesten in der Praxis<br />

gerechtfertigt, <strong>und</strong> immerhin zwei Akteure finden das Argument eines Alibis durch ausgleichende<br />

Renaturierungsmaßnahmen bedenkenswert. Die Hälfte der Akteure nimmt teils eine<br />

Wertsteigerung durch eine renaturierte Landschaft, teils aber auch einen höheren Wert einer<br />

weitgehend ungestörten Landschaft an.<br />

Die Ergebnisse in Bezug auf eine mögliche umweltethische Motivation zeigen, dass die Mehrheit<br />

der befragten Akteure dem Beitrag der Umweltethik zur Ökosystemrenaturierung skeptisch<br />

gegenübersteht. Sie begründet dies mit der fehlenden zusätzlichen Relevanz <strong>und</strong> der Befürchtung<br />

von zu theoretischen Rechtfertigungen. Einzig ein Teilnehmer der Befragung bescheinigt der<br />

Umweltethik einen wichtigen <strong>und</strong> notwendigen Einfluss auf Ökosystemrenaturierung. Daran<br />

erinnert wird durch ihn, dass sich Naturschutz aus einer ethischen Haltung herleitet. Anhand dieser<br />

Aussage <strong>und</strong> der Tatsache, dass eine umweltethische Motivation für das Handeln der Akteure in


der Renaturierungspraxis herausgestellt werden konnte, kann vermutet werden, dass den Befragten<br />

der wertbesetzte Ursprung nicht mehr auffällt <strong>und</strong> sie ihn stattdessen als selbstverständlich<br />

hinnehmen. Inwieweit sich die Wertvorstellungen <strong>und</strong> Anschauungen der Naturschützer durch die<br />

Renaturierungspraxis änderten <strong>und</strong> das gemeinsame Tätigsein (positiv) auf ihren Charakter<br />

auswirkte, bleibt Bestandteil weiterführender Untersuchungen.<br />

Die Daten der Erhebung machen weiterhin deutlich, dass das Wildgehege in erster Linie zum<br />

Erhalt der Artenvielfalt eingerichtet wurde. Wichtige Gründe daneben sind Forschungszwecke,<br />

Umweltbildung, Naherholung, ökonomische Rentabilität <strong>und</strong> der Erlebniswert. Da im Glauer Tal<br />

Merkmale wie Artendiversität, Anteil standortspezifischer Arten, biotische Dynamik,<br />

Strukturdiversität <strong>und</strong> Anteil von Offenland hoch einzustufen sind, kann es als einer der<br />

ehemaligen Truppenübungsplätze Ostdeutschlands gelten, der für den Arten- <strong>und</strong> Biotopschutz als<br />

ausgesprochen wertvoll einzuschätzen ist (vgl. Konold et al. 2004: 311). Das Wildgehege Glauer<br />

Tal kann somit dazu beitragen, in Naturkapital zu investieren <strong>und</strong> (renaturierte) Natur dem<br />

Menschen nahe zu bringen.<br />

Von Gegnern der Ökosystemrenaturierung geltend gemachte Kritik kann entkräftet werden, wenn<br />

diese Praxis als eine Strategie im Rahmen starker Nachhaltigkeit betrachtet wird, derzufolge eine<br />

Verpflichtung besteht, Naturkapital nicht zu schmälern <strong>und</strong> gegebenenfalls darin zu investieren<br />

(Ott 2008: Kap. 15.6.1).<br />

89


90<br />

Anhang<br />

Dörthe Wilken Fragebogennummer:<br />

Studiengang Landschaftsökologie <strong>und</strong> Naturschutz<br />

Praktisches <strong>Akteursverständnis</strong> in der Renaturierungsökologie<br />

am Beispiel des Projektes Wildgehege Glauer Tal<br />

Die Beantwortung der folgenden Fragen geschieht anonym. Die Daten werden vertraulich<br />

behandelt <strong>und</strong> nur für wissenschaftliche Zwecke verwendet. Beantworten Sie bitte jede<br />

Frage, wenn nichts anderes angegeben ist! Mehrfachnennungen können möglich sein.<br />

Sie benötigen etwa 20-30 Minuten Zeit. Sollten Sie Antwortoptionen vermissen oder<br />

Weiteres mitteilen wollen, nutzen Sie den Raum für Bemerkungen zum Schluss,<br />

gegebenenfalls auch ein Extra-Blatt.<br />

A. Renaturierungsökologie<br />

1. Informieren Sie sich in Fachzeitschriften oder Handbüchern über<br />

Renaturierungsökologie?<br />

a. Ja<br />

b. Nein, weil: _______________________________________________________<br />

2. Welche Gründe rechtfertigen am ehesten eine Renaturierung?<br />

a. landschaftsästhetische<br />

b. kulturhistorische<br />

c. ökologisch-funktionelle<br />

d. moralische Verpflichtungen<br />

3. Welche Priorität verleihen Sie bei der Renaturierung einzelner Projekte folgenden zu<br />

klärenden Fragen? Nummerieren Sie bitte!<br />

a. __ technischen Fragen<br />

b. __ finanziellen Fragen<br />

c. __ organisatorischen Fragen<br />

d. __ moralischen Fragen<br />

4. Nach einer Renaturierung existiert weiterhin ein Unterschied zum historischen<br />

Referenzzustand. Es liegt eine mehr oder weniger große Ähnlichkeit bzw. Entsprechung<br />

vor. Nach der Schaffung von welchen Entsprechungen bezeichnen Sie die Renaturierung<br />

als erfolgreich?<br />

a. funktionalen Entsprechungen<br />

b. Entsprechungen in Artenvielfalt<br />

c. Entsprechungen ästhetischer Art<br />

d. Entsprechungen kultureller Art<br />

e. Anderes: ________________________________________________________


Fragebogen 91<br />

B. Umweltethik<br />

5. Wissen Sie, was der Begriff „Umweltethik“ bedeutet?<br />

a. Ja<br />

b. Nein (Weiter mit 8.)<br />

6. Sind Sie mit umweltethischen <strong>Begründungen</strong> in der Renaturierungsökologie vertraut?<br />

a. Ja<br />

b. Nein<br />

7. Was kann Umweltethik Ihrer Auffassung nach zur Renaturierungsökologie beitragen?<br />

a. Gar nichts, weil: __________________________________________________<br />

b. Wenig, weil: _____________________________________________________<br />

c. Viel, weil: _______________________________________________________<br />

d. Weiß ich nicht<br />

8. Was halten Sie vom Argument, Renaturierungsökologie basiere auf einer<br />

herrschaftsorientierten Einstellung der Menschen, Naturzustände willkürlich planen <strong>und</strong><br />

technisch herstellen zu wollen?<br />

a. Gar nichts, weil: __________________________________________________<br />

b. Wenig, weil: _____________________________________________________<br />

c. Viel, weil: _______________________________________________________<br />

9. Renaturierung wird mit dem Fälschen von Kunstwerken verglichen: Menschliche<br />

Eingriffe bedeuten einen Bruch in der Landschaftsgeschichte, wobei gefälschte Natur<br />

geringeren Wert besitzt. Andererseits existiert ein weniger statischer Vergleich mit<br />

Opernaufführungen, da bei ihnen mehr Improvisation vorausgesetzt wird. – Finden Sie es<br />

für die Debatte zwischen Praktikern <strong>und</strong> Ethikern hilfreich, solche Parallelen zwischen<br />

Renaturierungsökologie <strong>und</strong> Kunstprodukten zu ziehen?<br />

a. Ja, weil: _________________________________________________________<br />

b. Nein, weil: _______________________________________________________<br />

10. Renaturierungsökologie fungiert als Alibi: Durch ihre technischen Möglichkeiten birgt<br />

sie die Gefahr, dass naturzerstörende Praktiken fortgeführt werden. Was halten Sie<br />

davon?<br />

a. Gar nichts, weil: __________________________________________________<br />

b. Wenig, weil: _____________________________________________________<br />

c. Viel, weil: _______________________________________________________<br />

11. Welche Motive unterstützen Sie in der Renaturierungsökologie?<br />

a. die Korrektur von Fehlern<br />

b. die Wiedergutmachung vergangenen Unrechts<br />

c. eine Strategie im Rahmen starker Nachhaltigkeit<br />

d. die Zusammenarbeit von Ökologen, Naturschützern <strong>und</strong> Laien u.a., welche<br />

Renaturierungsökologie um ihrer selbst willen (ohne einen bestimmten Zweck<br />

zu verfolgen) betreiben<br />

e. die Veränderung unseres Wertesystems auf eine moralisch begrüßenswerte<br />

Weise, wobei der Mensch als Teil der Natur angesehen wird


92<br />

Anhang<br />

12. Gehen Sie von der (annähernden) Gleichwertigkeit einer vom Menschen weitgehend<br />

unbeeinflussten Landschaft im Vergleich zu einer renaturierten Landschaft aus?<br />

a. Ja, weil: _________________________________________________________<br />

b. Nein, weil: _______________________________________________________<br />

13. Fühlen Sie sich moralisch verpflichtet, etwas an der Natur wieder gut zu machen?<br />

a. Ja, weil: _________________________________________________________<br />

b. Nein, weil: _______________________________________________________<br />

C. LFV <strong>und</strong> das Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal<br />

14. Wodurch hat Ihr Engagement beim Landschafts-Förderverein Nuthe-Nieplitz-<br />

Niederung e.V. (LFV) begonnen?<br />

a. Arbeitsbeschaffungsmaßnahme/ Strukturanpassungsmaßnahme<br />

b. Ein-Euro-Job<br />

c. Praktikum/ Freiwilliges Ökologisches Jahr/ Zivildienst<br />

d. ehrenamtliche Tätigkeit (freiwilliges Naturschutzengagement)<br />

e. hauptamtliche Tätigkeit<br />

f. Ich habe ihn mitbegründet<br />

g. Anderes:________________________________________________________<br />

15. Was ist gegenwärtig/ Was war bis zu Ihrem Ausscheiden Ihre Motivation, beim LFV<br />

bzw. Renaturierungsprojekt Wildgehege Glauer Tal mitzuarbeiten?<br />

a. Arbeitsbeschaffungsmaßnahme/ Strukturanpassungsmaßnahme<br />

b. Ein-Euro-Job<br />

c. Praktikum/ Freiwilliges Ökologisches Jahr/ Zivildienst<br />

d. ehrenamtliche Tätigkeit (freiwilliges Naturschutzengagement)<br />

e. hauptamtliche Tätigkeit<br />

f. Anderes: ________________________________________________________<br />

16. Was ist/ war Ihr Aufgabengebiet?<br />

__________________________________________________________________<br />

17. Nur beantworten, wenn Sie nicht mehr beim LFV oder Projekt arbeiten: Warum sind<br />

Sie ausgeschieden?<br />

a. aus persönlichen Gründen<br />

b. aus Gründen, die im Zusammenhang mit dem LFV oder Projekt standen,<br />

nämlich: ________________________________________________________<br />

c. Anderes: ________________________________________________________<br />

18. Wessen Vorschläge wurden in die Planung des Renaturierungsprojektes integriert?<br />

a. von Ökologen<br />

b. von Landschaftsplanern<br />

c. von Ökonomen<br />

d. von Politikern<br />

e. von Soziologen<br />

f. von am Naturschutz engagierten Laien aus der lokalen Bevölkerung<br />

g. Andere: _________________________________________________________


Fragebogen 93<br />

19. Hatte dabei das Wissen der lokalen Bevölkerung Vorrang vor dem akademischen<br />

Wissen?<br />

a. Ja, weil: _________________________________________________________<br />

b. Nein, weil: _______________________________________________________<br />

20. Finden Sie es sinnvoll, die betroffenen Einwohner aktiv in die Entscheidungen zum<br />

Projekt einzubeziehen?<br />

a. Ja, weil: _________________________________________________________<br />

b. Nein, weil: _______________________________________________________<br />

21. Stimmen Sie dem Konzept zur Nachnutzung als Wildgehege von 1996 weiterhin zu?<br />

a. Ja, weil: _________________________________________________________<br />

b. Nein, weil: _______________________________________________________<br />

22. Warum entschieden sich die Akteure für das Wildgehege <strong>und</strong> somit für die<br />

Offenhaltung der Flächen (Offenlandmanagement) durch Beweidung?<br />

a. zum Erhalt der Artenvielfalt<br />

b. zur Wiedergutmachung an Natur<br />

c. zur Naherholung<br />

d. zur Regionalentwicklung<br />

e. zur Umweltbildung<br />

f. zu Forschungszwecken<br />

g. ist ökonomisch günstig<br />

h. hat Erlebniswert<br />

i. hat ästhetischen Wert<br />

j. Anderes: ________________________________________________________<br />

23. Was halten Sie vom Argument, dass Offenlandmanagement nur um des Menschen<br />

willen geschieht <strong>und</strong> unnatürlich ist, da sich durch den Schutz durch Nicht-Eingreifen ein<br />

anderes Gleichgewicht einstellen würde?<br />

a. Gar nichts, weil: __________________________________________________<br />

b. Wenig, weil: _____________________________________________________<br />

c. Viel, weil: _______________________________________________________<br />

Bemerkungen:______________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

________________________________________________________<br />

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Geduld bei der Beantwortung meiner Fragen. Sie haben<br />

mir dadurch sehr bei meiner Diplomarbeit geholfen.<br />

Dörthe Wilken


94<br />

Literaturverzeichnis<br />

Literaturverzeichnis<br />

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Ehrenwörtliche Erklärung<br />

Ich versichere, dass ich die vorgelegte Diplomarbeit selbständig verfasst <strong>und</strong> keine anderen<br />

Hilfsmittel als die angegebenen verwendet habe. Die Stellen, die anderen Werken dem Wortlaut<br />

oder dem Sinn nach entnommen sind, habe ich in jedem Fall durch Angaben der Quelle, auch der<br />

Sek<strong>und</strong>ärliteratur, als Entlehnung kenntlich gemacht.<br />

Dörthe Wilken<br />

99

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