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Schwelle von Farbigkeit zur Buntheit? Farbe im Stadtbild

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<strong>Schwelle</strong> <strong>von</strong> <strong>Farbigkeit</strong><br />

<strong>zur</strong> <strong>Buntheit</strong>?<br />

88 · DER MALER UND LACKIERERMEISTER 3/ 2010<br />

<strong>Farbe</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtbild</strong><br />

Die Formulierung „<strong>Farbe</strong> <strong>im</strong> <strong>Stadtbild</strong>“ bezieht sich in der Regel selbstverständlich<br />

auf das gesamte Kolorit des Stadtraumes bis hin zu Grünanlagen oder Wasserstraßen.<br />

Nachfolgender Beitrag bezieht sich berufsbezogen auf die farbgebende Tätigkeit<br />

des Malers an den Fassaden und ist zeitlich und thematisch gegliedert.<br />

<strong>Farbigkeit</strong><br />

mittelalterlicher Städte<br />

Über die Farbgebung <strong>im</strong> Straßenbild<br />

aus dieser frühen Zeit sind wir leider<br />

schlecht unterrichtet. Alte Gemälde<br />

und Putzproben vermitteln jedoch<br />

nach Einzeluntersuchungen, dass<br />

neben der Steinsichtigkeit die weiße<br />

Kalkputzfarbe mit schwachen Farbabtönungen<br />

vorgeherrscht haben<br />

mag. Diese Putztönungen wurden<br />

durch unterschiedliche Zugaben <strong>im</strong><br />

Kalkmörtel je nach Sandfarbe, Ziegel -<br />

mehl oder Russanteil erreicht. Die<br />

Fassaden variierten deshalb zwischen<br />

helleren und dunkleren, wärmeren<br />

und kälteren Grautönen.<br />

An besonderen Gebäuden wurden<br />

vom Maler best<strong>im</strong>mte Architekturteile<br />

wie Eckquader, Ges<strong>im</strong>se oder Steineinfassungen<br />

an Türen und Fenstern<br />

teilweise oder ganz farbig gestaltet.<br />

Auch Holzwerk konnte gestrichen<br />

und in <strong>Farbe</strong> gesetzt sein. Dagegen<br />

finden wir nur wenige far bige Häuser.<br />

Die Fassaden dieser Häuser waren<br />

a b c d e<br />

Putzreste und Fugenmörtel am historischen Bauwerk mit Kalk und grobkörnigem Tuffsand [Kalksinter] (a), aus rotem (b)<br />

und gelbem Lehm (c) sowie lieblose Ausbesserungen mit den Maschinenputzen aus Trasskalk (d) und Zement (e).


damals so bemerkenswert, dass sie<br />

sogar nach ihrer <strong>Farbe</strong> eigene Hausnamen<br />

hatten wie zum Beispiel „Grünes<br />

Eck“ oder „Rot haus“.<br />

Best<strong>im</strong>mt Baustil<br />

die <strong>Farbe</strong> der Fassade?<br />

In der Gotik und Renaissance war<br />

der großflächige, farbige Anstrich<br />

zwar noch selten, doch finden wir ihn<br />

bereits an besonderen Bauwerken.<br />

Dazu zählen Schlösser, Rathäuser,<br />

Kirchen oder Gebäude <strong>von</strong> Patri ziern.<br />

Sie konnten in <strong>Farbe</strong> gesetzt sein<br />

nach den Vorlieben der je weiligen<br />

Stilepoche. Besondere Schmuck -<br />

for men, wie in der Renaissance<br />

graue Eckbossierungen oder <strong>im</strong> Barock<br />

rot abgefasste Lisenen, erfreuten<br />

sich zunehmender Beliebtheit.<br />

Sie unterstrichen die Architektur des<br />

Baustils.<br />

Doch die regionale Vielfalt der Be -<br />

funde sowie unterschiedliche Farb -<br />

auffassungen <strong>im</strong> Norden oder Süden<br />

Deutschlands lassen es nicht zu,<br />

allgemeingültige Gestaltungsregeln<br />

aufzustellen. Während <strong>im</strong> süddeutschen<br />

Barock eine <strong>Farbe</strong>nfreude <strong>zur</strong><br />

Zeit der Gegenreformation einsetzte,<br />

war man in pietistisch geprägten<br />

Landesteilen eher <strong>zur</strong>ückhaltend. Erst<br />

<strong>im</strong> Klassizismus setzte sich eine einheitliche<br />

Richtung durch, welche in<br />

eine helle, kühle und wenig differenzierte<br />

Farbskala mündete.<br />

Am klassizistischen Bau des Brandenburger<br />

Tors in Berlin (1788) erfahren<br />

wir eindrucksvoll den Wandel farbiger<br />

Beschichtung und stilistischer<br />

Auffassung: Auf die weiße Erstfassung<br />

in Marmor<strong>im</strong>itation folgten nach -<br />

einander ein bräunlicher Ölfarben -<br />

anstrich (bereits 1804), dann ein<br />

sandsteinfarbener Anstrich (1816),<br />

Jahre später ein dunkles, dann ein<br />

helles Grau.<br />

Kurz nach einer Fassung in Bronzefarben<br />

erfolgte die Vergoldung des<br />

Monumentes, um zu Beginn des<br />

20. Jahrhunderts wieder <strong>von</strong> einem<br />

Franz Geßler<br />

Dipl.-Wirt.-Ing. (FH),<br />

Oberstudienrat,<br />

Horb am Neckar.<br />

Unterrichtete an<br />

der Kerschensteinerschule<br />

Reutlingen<br />

unter anderem<br />

die Fächer Werkstoff<br />

kunde, Anwendungstechnik,<br />

farbiges Gestalten, Gestaltungslehre.<br />

(a) (b) (c)<br />

(d) (e)<br />

Putzproben <strong>im</strong> Laborversuch mit gebranntem Sumpfkalk<br />

und gewaschenem Flusssand (b), unter Zugabe <strong>von</strong> Ruß (a),<br />

fettem Grabsand (c), feinem Tuffsand (d) und Ziegelmehl (e).<br />

sand steinfarbenen Anstrich abgelöst<br />

zu werden. Damit hatte das<br />

Brandenburger Tor bis 1927 acht verschiedene<br />

Farbfassungen erhalten,<br />

bevor bei der letzten Renovierung<br />

die Ent fernung der alten Anstriche<br />

erfolgte. Sie zeigt uns bis heute das<br />

materialsichtige Bild der Sand -<br />

steinteile. An diesem Beispiel wird<br />

deutlich, wie bei Naturstein über die<br />

Epochen bis heute die Materialsichtigkeit<br />

<strong>im</strong> Gegensatz <strong>zur</strong> farbigen Beschichtung<br />

steht und wie außerdem<br />

<strong>Farbe</strong> am Bauwerk irritierend wirken<br />

kann.<br />

Der Stuckateur best<strong>im</strong>mte<br />

die <strong>Farbe</strong> der Fassade durch<br />

Anbringen ge tönter Putze<br />

oder Tünchen. Das <strong>Stadtbild</strong><br />

war vorwiegend geprägt<br />

vom Rot der Ziegeldächer<br />

und der weißen Kalkfarbe.<br />

<strong>Farbe</strong> wird <strong>im</strong> Stadt bild hauptsächlich<br />

erlebt durch die Fassadengestaltungen<br />

des Malers oder die Verwendung<br />

bunter Baustoffe. Ein Beispiel dazu<br />

sehen wir bei dem Blick vom Tübinger<br />

Holzmarkt zum Pflegehof, dessen<br />

warme Wandfarbe wie ein Riegel<br />

den Platz nach hinten begrenzt.<br />

Graue, steinsichtige Häuser eines Dorfes <strong>im</strong> Maggiatal des Tessins. Während <strong>im</strong><br />

städtischen Lebensraum <strong>Farbe</strong> Freude bereitet, erfahren wir das Tessiner Dorf<br />

geduckt in einer gewaltigen Bergwelt. Beide Ansichten auf dieser Seite haben<br />

in ihrem Kontrast jedoch einen besonderen Reiz und unterstreichen die Bedeutung<br />

verschiedener Kulturlandschaften.<br />

DER MALER UND LACKIERERMEISTER 3/ 2010 · 89


90 · DER MALER UND LACKIERERMEISTER 3/ 2010<br />

(4) Heute<br />

(3) um 1970<br />

(2) ab 1927<br />

(1) 1826<br />

Das <strong>im</strong> Barock erbaute Horber Rathaus hatte <strong>im</strong> 19. Jahrhundert eine Kalktünche<br />

mit klassizistischen Schmuckelementen (1). Im Jahr 1927 mutierte die Fassade<br />

zum sogenannten „Horber Bilderbuch“, einer mit Mineralfarben in einem gelben<br />

Anstrich (2) eingebetteten Historienmalerei. Bei späteren Restaurierungen folgten<br />

Anstriche in Rosa und schwachtonigem Gelb (3 und 4) unter Beibehaltung<br />

der Historienmalerei.<br />

An den gemalten<br />

Fenstereinfassungen<br />

ist der<br />

Baustil abzulesen:<br />

Beide Schmuck -<br />

rahmen, die<br />

ältere Rot fassung<br />

wie die spätere<br />

Weißumrandung,<br />

stammen aus<br />

der Renaissance.<br />

(Ort: Eckturm am<br />

Wasserschloss in<br />

Glatt bei Sulz a.N.)<br />

Die Abbildung zeigt nach dem Befund durchgeführte Konturenritzungen<br />

in mit Ziegelmehl gefärbtem Kalkputz, deren Innenflächen mit Weiß gehöht<br />

wurden. (Ort: Innenhof, Wasserschloss in Glatt bei Sulz a. N.)<br />

Der Farbbefund –<br />

ein echter Nachweis<br />

Bei Denkmalen und Altbauten mit<br />

hervorragender Architektur ist es unerlässlich,<br />

die Fassadenfarben früherer<br />

Anstriche aufzudecken. Dazu wird<br />

die oberste Farbschicht der Außenhaut<br />

mit einem Skalpell in der Form<br />

eines langen Rechtecks abgeschabt.<br />

Freilegung <strong>von</strong> dick zugestrichenen<br />

Putzoberflächen und deren<br />

Altbeschichtungen durch<br />

das Skalpell des Restaurators.<br />

Entdeckt man darunter einen älteren<br />

Anstrich oder sind möglicherweise<br />

noch weitere Farbschichten zu erwarten,<br />

wird die Freilegung fort gesetzt.<br />

Da die tieferliegende Farbschicht<br />

<strong>im</strong>mer verkürz abgetragen<br />

wird, erhalten wir eine sogenannte<br />

Farbstaffelung, den Farbbefund der<br />

Stilepochen.<br />

Am besten eignen sich für die<br />

Befundfeststellung wettergeschützte<br />

Flächen der Fassade. Dazu zählen in<br />

jedem Fall Stellen unter dem Dachvorsprung<br />

oder unter Ges<strong>im</strong>sen.<br />

Aber auch an Ges<strong>im</strong>sen selbst und<br />

überall dort, wo wegen anderer Farbgestaltung<br />

weitere Befunde erhofft<br />

werden können, lohnt sich eine Freilegung.<br />

Die passende Fassadenfarbe<br />

unterstützt zwar die epochale<br />

Zuordnung <strong>von</strong> Bauwerken,<br />

doch sind es eher malerische<br />

Zierelemente, die <strong>zur</strong> Er kennung<br />

des Baustils beitragen.


Reutlinger Altstadtfarbplan, 1976 herausgegeben <strong>von</strong> einem Planungsstab der Stadt und ortsansässigen Malern und Gipsern.<br />

Nachdem die Farbstaffelung auf diese<br />

Weise bekannt ist, wird entschieden.<br />

Dabei muss keinesfalls die <strong>Farbe</strong> der<br />

ältesten oder untersten Schicht für<br />

die Neubeschichtung genommen we rden.<br />

Andere Faktoren best<strong>im</strong>men die<br />

Auswahl: spätere bauliche oder stilis -<br />

tische Veränderungen am Bau körper<br />

selbst, die Qualität des Farbtons oder<br />

das Kolorit der Umgebung. Es sollte<br />

eben alles zusammenpassen. Nicht<br />

auszuschließen ist dabei der gestalterische<br />

Widerspruch his torischer<br />

Farbbefunde <strong>zur</strong> modernen Farbleitplanung.<br />

Hier spricht in der Regel der<br />

Denkmalpfleger das letzte Wort.<br />

Unsere Zeit<br />

der Farbleitpläne<br />

In den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts<br />

wollte man die Innenstädte<br />

wieder attraktiver machen. <strong>Farbe</strong> war<br />

<strong>zur</strong> Durchführung dieser Idee das<br />

preisgünstigste Mittel. Doch der anfänglichen<br />

Euphorie folgte bald die<br />

Ernüchterung <strong>von</strong> Städteplanern und<br />

Denkmalpflegern. Sie mahnten <strong>zur</strong><br />

Zurückhaltung, da an vielen Bei -<br />

spielen ein Ausufern der Farbgebung<br />

erkennbar wurde. Hier konnte nur<br />

eine zusammenhängende Konzep tion<br />

Einhalt gebieten: die Farb planung<br />

ganzer Straßenzüge oder Stadtviertel.<br />

Das nach dem Baubefund des 16. Jahrhunderts best<strong>im</strong>mte Grau des Fachwerks<br />

löste bei der Renovierung den um 1910 gestrichenen Umbraton ab. Die ockerfarbenen<br />

Putzfelder wurden wieder weiß gestrichen und erhielten schwarze<br />

Begleitstriche zum Fachwerk. Lediglich die Gefache mit den Malereien wurden<br />

<strong>zur</strong> Erinnerung an die alte Farbgestaltung erhalten. (Stubensches Schlösschen,<br />

Neckarstraße in Horb a. N.)<br />

Die darauf erfolgten „Farbleitpläne“<br />

wurden zusammen mit Altstadtsatzungen<br />

zum gestalterischen Schutz<br />

historischer Gebäudesubstanz entwickelt.<br />

Initiatoren waren Bau behörden<br />

oder kommunale Gremien, wel-<br />

che mit Denkmalpflegern, Malern<br />

und Restauratoren zusammenarbeiteten.<br />

Das Ergebnis mündete oft in<br />

Veröffentlichungen <strong>zur</strong> Orientierung<br />

<strong>von</strong> Hausbesitzern und Entscheidungsgremien.


Alemannisch verblatteter<br />

Eckpfosten mit der typischen<br />

historischen Rotfarbe.<br />

(Rathaus Tübingen)<br />

Die <strong>Schwelle</strong> <strong>von</strong> <strong>Farbigkeit</strong><br />

<strong>zur</strong> <strong>Buntheit</strong> darf nicht überschritten<br />

werden. Nur <strong>im</strong><br />

Zusammenwirken gut in <strong>Farbe</strong><br />

gesetzter Fassaden verbessert<br />

sich das Bild der Altstadt.<br />

92 · DER MALER UND LACKIERERMEISTER 3/ 2010<br />

In Ocker bemaltes Fachwerk,<br />

wobei dieses teure Pigment<br />

ursprünglich aus der Oberpfalz kam.<br />

(Pflegehof in Tübingen)<br />

Solche Farbleitplanungen sind Richtlinien<br />

<strong>zur</strong> Farbgebung <strong>von</strong> Fassaden.<br />

Sie sollten regionalen Eigenheiten<br />

Rechnung tragen wie auch allgemeine<br />

Gestaltungsregeln berücksichtigen.<br />

Dabei beinhalten diese Farbvorschläge<br />

nicht nur Putzflächen, sondern<br />

ebenso die Gestaltung <strong>von</strong> Holz-<br />

Gegensätzliche Auffassung der Fassadengestaltung zeigen die beiden Bilder<br />

aus Ascona (links) und dem „Epple-Haus“ in Tübingen (rechts). Während in dem<br />

oberen Blindfenster der historischen Wand ein frühes Bewohnerpaar des Hauses<br />

aufgemalt wurde und somit dauerhaft präsent ist, erkennen wir rechts anhand<br />

der Graffiti-Technik und der Transparente sofort ein Haus der Jugend. Beide<br />

Bilder zeigen deutlich den Unterschied zwischen dem Einklang <strong>von</strong> Baukörper<br />

und Fassadengestaltung und bewusstem Widerspruch. (Fotos: Autor)<br />

werk, Ges<strong>im</strong>sen oder Sockeln. Denn<br />

bei aller Freude am individu ellen Anstrich<br />

zerstören bereits willkürlich in<br />

<strong>Farbe</strong> gesetzte Fenstersprossen oder<br />

Läden das sonst einheitliche Stra ße nbild.<br />

Ein einziges Haus, das grob die<br />

„falsche <strong>Farbe</strong>“ wählt, stört den Zusammenklang<br />

vieler opt<strong>im</strong>al gestalteter<br />

Einzel gebäude.<br />

Der Umbraton der jüngsten<br />

Vergangenheit an fränkischem<br />

Fachwerkbau mit der<br />

passenden rostroten Ladenfarbe.<br />

(Fachwerkpfad in Herrenberg)<br />

Farbvorlieben<br />

am Fachwerkbau<br />

Das kostengünstigere Fachwerkhaus<br />

dominierte in früherer Zeit über den<br />

Steinbau. Aufgrund einer flächendeckenden<br />

Untersuchung histo rischer<br />

Fachwerkgebäude <strong>im</strong> süddeutschen<br />

Raum stellte man fest, dass seit etwa<br />

1500 Fachwerk farbig gestaltet<br />

wurde. Die Farbtöne reduzierten sich<br />

auf Ockergelb, Rot und Grau. Man<br />

verwendete für die Gelb- und Rot -<br />

töne die in den he<strong>im</strong>ischen Erdbrü -<br />

chen gewonnenen Tonerden, welche<br />

je nach den Eisenoxid ein schlüssen<br />

ihren eigenen Buntton hatten. Die<br />

grauen <strong>Farbe</strong>n bestanden aus einem<br />

Gemisch <strong>von</strong> Kalk, Ruß oder Holzkohle.


Die Freilegung <strong>von</strong> Farb -<br />

befunden an historischen<br />

Fassaden gibt uns Aufschluss<br />

über frühere Farbabsichten<br />

und letztlich auch über<br />

das regionale Stadtkolorit.<br />

Die Fachwerkbemalung diente nicht<br />

nur der farbigen Fassung, sondern<br />

auch dem Ausgleich <strong>von</strong> zu dünnen<br />

oder ungleichen Balken. Natur -<br />

gekrümmte Hölzer wurden in freier<br />

Manier etwas begradigt sowie fehlendes<br />

Fachwerkgefüge ergänzt.<br />

Vor 1800 waren die Gefachflächen<br />

<strong>im</strong>mer weiß gehalten und niemals<br />

farbig. Allerdings verwendete man für<br />

Begleitstriche und Bänder in den<br />

Gefachen neben Gelb, Rot und Grau<br />

auch teurere Pigmente wie Smalte,<br />

Spangrün oder Ble<strong>im</strong>ennige. Bei nicht<br />

bemaltem Fachwerk, das höchstens<br />

mit Leinöl eingelassen war, wurde auf<br />

die schmückenden Begleitstriche<br />

verzichtet. Auf dem Lande waren<br />

ohnehin nur die Gebäude der Herrschaft<br />

und die Pfarrhäuser farbig<br />

gestaltet.<br />

Nachdem in der Renaissance die<br />

farbige Fassung der Fachwerkhäuser<br />

begonnen hatte, wurde die Balkenfarbe<br />

Gelb <strong>im</strong> 18. Jahrhundert und<br />

später Grau <strong>im</strong>mer seltener. An ihre<br />

Stelle traten nur noch Rottöne. Erst<br />

seit der Erfindung der Industriepigmente<br />

um die Mitte des 19. Jahr hunderts<br />

war es möglich, Fachwerk auch<br />

Grün oder andersfarbig zu gestalten.<br />

Vielfach eingesetzt wurden jetzt Umbratöne<br />

bis hin zu Schwarz, wobei<br />

Rot <strong>im</strong> 20. Jahrhundert <strong>zur</strong> beliebtes -<br />

ten Fachwerkfarbe wurde. Dieses<br />

Rot wurde als „Ochsenblut-Rot“ bezeichnet,<br />

was dann irrigerweise <strong>zur</strong><br />

Annahme des Anstrichs mit Ochsenblut<br />

führte. Dabei ist Ochsenblut, wie<br />

der Fachmann weiß, <strong>zur</strong> Beschichtung<br />

völlig ungeeignet.<br />

Mit der Erfindung der künstlichen<br />

Farbstoffe wurde auch die weiße<br />

Gefachfarbe <strong>von</strong> kostengünstig in<br />

<strong>Farbe</strong> gesetzten Putzflächen verdrängt.<br />

Der historische Fachwerkbau<br />

sollte in zeitgenössischen<br />

<strong>Farbe</strong>n gestaltet werden.<br />

An neuerem Fachwerk besteht<br />

wegen der Pigmentevielfalt<br />

die Gefahr der Überfärbung.<br />

Unverkennbar<br />

ist die Absicht<br />

des Hausbesitzers,<br />

dem Stadtbesucher<br />

über diese Fassadenmalerei<br />

das<br />

Geschehen der<br />

Luzerner Fasnet<br />

nahe zu bringen.<br />

(Ort: Gerbergasse<br />

in Luzern)<br />

DER MALER UND LACKIERERMEISTER 3/ 2010 · 93


Historienmalerei einmal ohne Schlachtenszene: Ackerbürger und Handwerker<br />

des Gemeinwesens wurden über einen Wappenfries schreitend vom Künstler<br />

W. Klink 1927 dem späteren Besucher der Stadt vorgestellt.<br />

(Ort: Rathausfassade, Horb a. N.)<br />

Fassadenmalerei<br />

<strong>zur</strong> Repräsentation<br />

Bereits nach 1500 findet man groß -<br />

flächige Dekorationsmalereien <strong>zur</strong><br />

Ausschmückung <strong>von</strong> Gebäuden in<br />

unseren Städten. Die Anregungen<br />

dazu brachten süddeutsche Kauf leute<br />

aus Italien mit. Ganze Bilder zyklen<br />

aus der griechischen Mytho logie<br />

wurden während der Renaissance<br />

als Graumalerei (Grisaille) oder in<br />

Putzkratztechnik (Sgraffiti) an die<br />

94 · DER MALER UND LACKIERERMEISTER 3/ 2010<br />

Wände gebracht. Oft waren diese<br />

Darstellungen in Architekturmalerei<br />

eingebettet, wobei die Bauformen<br />

völlig in den Hintergrund traten.<br />

Große Künstler wie Albrecht Dürer<br />

oder Hans Holbein beschäftigten<br />

sich mit Fassadenentwürfen und<br />

führten die Malereien teilweise auch<br />

selbst aus.<br />

Auf dem Land waren besonders in<br />

der Barockzeit oder <strong>im</strong> Rokoko religiöse<br />

Motive beliebt. Dabei war allgemein<br />

die strenge Grisaillemalerei<br />

In dem Auf und Ab der Stilepochen,<br />

<strong>von</strong> steinsichtiger<br />

oder schlicht in Weiß gehaltener<br />

Fläche bis hin zu Farbkonzepten,<br />

zeigt die Fassadenmalerei<br />

das Mitteilungsbedürfnis<br />

des Hausbesitzers.<br />

dem farbigen Bild längst gewichen.<br />

Um Wandöffnungen wurden <strong>zur</strong><br />

Aufwertung der Gebäude malerisch<br />

barocke Architekturteile hinzugefügt.<br />

Im alpenländischen Raum ist diese<br />

Art der Fassadengestaltung als „Lüftl<br />

malerei“ in die Geschichte eingegangen.<br />

Seit der Entwicklung der haltbaren<br />

Mineralfarbe <strong>von</strong> A. W. Ke<strong>im</strong> (1876)<br />

erlebte die Fassadenmalerei wieder<br />

neue Höhepunkte. Jetzt waren es His -<br />

torienmalereien <strong>zur</strong> Stadtgeschichte,<br />

welche Stadttore, das Rathaus oder<br />

die Marktplätze schmückten.<br />

In unserer Zeit wird in Einzelfällen die<br />

Bemalung ganzer Fassaden wieder<br />

aufgegriffen. Besonders triste Flächen<br />

werden in „Street Art“, welche perspektivische<br />

Architektur verschiedener<br />

Stilepochen vortäuscht, interessant<br />

gemacht. �<br />

Förderung der energetischen Gebäudesanierung beibehalten<br />

Zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung<br />

erklären der Präsident des Zentralverbands des<br />

Deutschen Handwerks (ZDH), Otto Kentzler, und<br />

der Präsident des Zentralverbands des Deutschen<br />

Baugewerbes (ZDB), Dr.-Ing. Hans-Hartwig Loewe nstein:<br />

„Dank der Zust<strong>im</strong>mung des Haushaltsausschusses<br />

des Deutschen Bundestages zum Überbrückungsvorschlag<br />

<strong>von</strong> Bundesbauminister Peter Ramsauer<br />

können die Fördermittel für energieeffi zientes Bau en<br />

und Sanieren nun wieder ungehindert fließen, obwohl<br />

der Haushalt 2010 noch nicht in Kraft getreten<br />

ist. Das gewährleistet die notwendige Planungs -<br />

siche r heit für die Investoren. Diese schnelle Entschei -<br />

dung begrüßen wir ausdrücklich.<br />

Mit großer Sorge und Unverständnis sehen wir<br />

allerdings, dass nach dem Haushaltsentwurf 2010<br />

die Fördermittel für Maßnahmen <strong>zur</strong> energetischen<br />

Sanierung insgesamt drastisch <strong>zur</strong>ückgefahren wer -<br />

den sollen. Das widerspricht der Ankündigung <strong>im</strong><br />

Koalitionsvertrag, die energetische Sanierung zu<br />

in tensivieren. Statt 2,2 Milliarden Euro wie <strong>im</strong> ver-<br />

gangenen Jahr sollen 2010 nur noch 1,1 Milliarden<br />

Euro <strong>zur</strong> Förderung <strong>zur</strong> Verfügung stehen. Eine solche<br />

Halbierung der Fördermittel würde zwangsläufig die<br />

Sanierungsaktivitäten bremsen und damit den kl<strong>im</strong>apolitischen<br />

Zielsetzungen der Bundesregie rung entgegenstehen.<br />

Der zu erwartende Nach frage rück -<br />

gang gefährdet auch hoch qualifizierte Arbeits- und<br />

Ausbildungsplätze in den Bau- und Ausbauhandwerken.<br />

Das Förderprogramm ist bisher ein großer Erfolg –<br />

auch in der Wirtschafts- und Finanzkrise wurde<br />

in die energetische Sanierung <strong>von</strong> Gebäuden und<br />

Wohnungen investiert. Wir fordern die Bundesregierung<br />

deshalb auf, mindestens das ursprünglich vorgesehene<br />

Fördervolumen <strong>von</strong> 1,5 Milliarden Euro<br />

für das laufende Jahr bereitzustellen. Sie sind gut<br />

angelegt, denn die Förderung <strong>von</strong> energetischen<br />

Sanierungsvorhaben hat in der Regel um ein Viel -<br />

faches höhere private Investitionsausgaben <strong>zur</strong><br />

Folge. Deutschlands Kl<strong>im</strong>aschutz-Ziele werden nur<br />

erreicht, wenn das bisherige Sanierungstempo verstärkt<br />

wird – ein Rückgang der Förderung wäre hier<br />

kontraproduktiv.“

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