14.01.2013 Aufrufe

50 Jahre Viennale - Film and Music Austria

50 Jahre Viennale - Film and Music Austria

50 Jahre Viennale - Film and Music Austria

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

filmbiz<br />

Am Anfang ist das Buch<br />

Einst selbst Student ist Götz Spielmann seit einem Jahr Drehbuch-Professor an der <strong>Film</strong>akademie.<br />

Wie er diese Tätigkeit mit seiner Arbeit als <strong>Film</strong>emacher in Einklang bringt und warum man den<br />

künstlerischen <strong>Film</strong> zu achten hat, erläutert der präzise Formulierer im Interview.<br />

© Lukas Beck<br />

Götz Spielmann<br />

Götz Spielmann, geb 1961, seit<br />

1989 freiberuflich Autor und<br />

Regisseur, zahlreiche internationale<br />

Preise, Oscar-Nominierung<br />

für „Revanche“, seit 1.9 .2011<br />

o. Professor für Drehbuch und<br />

Dramaturgie, Oscar-Nominierung<br />

für „Revanche“. Dreht gerade<br />

an seinem neuen <strong>Film</strong> „Oktober,<br />

November“<br />

28 | <strong>Film</strong> Sound & Media<br />

Im Oktober startet Ihr zweites Jahr als Professor<br />

für Drehbuch an der FIlmuniversität Wien. Ist<br />

Ihre Lehrtätigkeit bisher so verlaufen, wie Sie es<br />

sich vorgestellt hatten?<br />

SPIELMANN: Es ist eine sehr fordernde, spannende<br />

Aufgabe, für die ich viel Nachdenken aufwende und<br />

die mir außerordentlich gut gefällt. Aber ein Urteil<br />

über den Erfolg meiner Arbeit dort kann ich nach<br />

einem Jahr noch nicht abgeben. Schreiben ist ein<br />

lang <strong>and</strong>auernder Prozess, da wird man erst in ein<br />

paar <strong>Jahre</strong>n meine H<strong>and</strong>schrift als Lehrender spüren<br />

können, hoffentlich. Ich betrachte es als meine<br />

wichtigste Aufgabe, Mut und Lust zu machen an<br />

der Arbeit und auch daran, an Schwierigkeiten zu<br />

wachsen. Schreiben ist ja eine geistig und psychisch<br />

sehr fordernde, sehr ganzheitliche Tätigkeit. Es gibt<br />

keinen Tag, an dem mir nicht ein Gedanke zum Unterrichten<br />

kommt, es ist ein Raum mehr, der im Bewusstsein<br />

ist.<br />

Waren Sie sich dieses Aufw<strong>and</strong>s bewusst?<br />

SPIELMANN: Ja, freilich. Ich war ja selbst einmal<br />

Student an der <strong>Film</strong>akademie, kenne den Betrieb<br />

daher von der <strong>and</strong>eren Seite, auch wenn sich viel<br />

verändert hat, meist zum Besseren. Aber eines ist<br />

geblieben: Ich glaube eine der wichtigsten Aufgaben<br />

jeder Kunstuniversität besteht darin, sich selbst<br />

als System immer wieder in Frage zu stellen. Man<br />

bemüht sich die begabtesten Menschen aufzunehmen,<br />

aber eine Schule ist immer auch die Gefahr,<br />

zu egalisieren statt zu individualisieren, zu verunsichern<br />

statt zu ermutigen. Man muss als Lehrer eine<br />

große Wachheit dafür haben, das Talent individuell<br />

zu erkennen und zu begleiten.<br />

Wie arbeiten Sie ganz pragmatisch?<br />

SPIELMANN: Unser Unterricht ist sehr komplex<br />

und vielschichtig, er geschieht auf mehreren Ebenen.<br />

Theoretische Vorlesungen, Analysen von den<br />

Wirkungsmechanismen des Erzählens, Übungen zur<br />

Kreativität, und dann natürlich vor allem die Begleitung<br />

der Studierenden in ihren Schreiben, und die<br />

Reflexion über deren Arbeiten. Diskussion in Gruppen,<br />

Einzelgespräche. Natürlich mache ich das nicht<br />

allein, mit S<strong>and</strong>ra Bohle, Kathrin Resetarits und Alex<strong>and</strong>er<br />

Mahler sind wir ein sehr gutes Team.<br />

Kann man in den Arbeiten der Studierenden<br />

eine allgemeine Tendenz erkennen wie zB.<br />

gesellschaftspolitische Fragen oder Familienaufstellungen<br />

o.ä.?<br />

SPIELMANN: Tendenzen hätte ich noch nicht bemerkt,<br />

die Studierenden sind, Gottseidank, sehr<br />

verschieden. Ich glaube sowieso, dass die fundamentalen<br />

Themen und Fragen des Lebens zeitlos<br />

sind. Existentielle Fragen ändern sich nicht. Es geht<br />

darum, mit Geschichten auf das zu antworten, was<br />

uns bewegt, betrifft, stört. Diese grundlegende Arbeit<br />

für alles Weitere fällt dem Autor zu. Sie fügt sich<br />

aus Fantasie und Erleben, aus Erinnerung, Erfahrung<br />

und Vorbildern. Auch die präzise Beobachtung von<br />

Menschen ist wichtige Voraussetzung.<br />

Sie selbst sind Oscarnominierter <strong>Film</strong>emacher,<br />

was gefällt Ihnen besser: Drehbuch oder Regie?<br />

SPIELMANN: Als <strong>Film</strong>emacher ist mir beides unverzichtbar.<br />

Ich glaube, dass das Schreiben von Drehbüchern<br />

noch schwieriger ist als das Inszenieren. Vor<br />

allem schwieriger zu lernen. Ein <strong>Film</strong>emacher muss<br />

in beidem eine hohe auch h<strong>and</strong>werkliche Qualität<br />

haben. Das Drehbuch legt den Grundstein, das Fundament.<br />

Das Merkwürdige am Drehbuch ist, dass es<br />

geschrieben wird, um zu verschwinden: es löst sich<br />

auf in den Szenen, in den Bildern, im Rhythmus, im<br />

<strong>Film</strong>. Weshalb seine Bedeutung dem fertigen <strong>Film</strong><br />

nicht mehr anzusehen ist. Es wird sehr unterschätzt,<br />

dabei ist es das einzige genuin Schöpferische beim<br />

<strong>Film</strong>emachen.<br />

Warum brauchen die Menschen Geschichten?<br />

SPIELMANN: Vor allem vergrößern Geschichten<br />

den geistigen Raum. Das verändert die Perspektive,<br />

es präzisiert und vertieft das Bewusstsein über<br />

das eigene Leben, über dessen Fragen, Konflikte,

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!