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Die KÖlNer rathaus- propheteN - Museen in Köln

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MuseuM schnütgen<br />

Im Fokus<br />

<strong>Die</strong> <strong>KÖlNer</strong><br />

<strong>rathaus</strong>-<br />

<strong>propheteN</strong><br />

Skulptur um 1400 für<br />

BürgerSchaft und kirche<br />

19. sEP. 2012 – 7. APr. 2013


um 1400 wandelten sich die politischen machtverhältnisse<br />

<strong>in</strong> köln grundlegend. das mittelalterliche<br />

handelszentrum am rhe<strong>in</strong> wurde<br />

endgültig zur Bürgerstadt. Bereits 1288 hatte<br />

der kölner erzbischof nach der Schlacht von<br />

Worr<strong>in</strong>gen se<strong>in</strong>e weltlichen herrschaftsansprüche<br />

auf das Stadtgebiet aufgeben<br />

müssen. rund hundert Jahre später erhoben<br />

sich die kaufleute und handwerker nun gegen<br />

die Obrigkeit der patrizier, der familien des<br />

Stadtadels. 1396 gab sich die kölner Bürgerschaft<br />

e<strong>in</strong>e demokratische Stadtverfassung,<br />

die über 400 Jahre lang geltung behalten sollte.<br />

<strong>in</strong> dieser urkunde, dem Verbundbrief, war die<br />

neue Zusammensetzung des Stadt rates geregelt.<br />

die wahlberechtigten Bürger der Stadt<br />

waren nun <strong>in</strong> 22 gaffeln – Zusammenschlüssen<br />

von kaufleuten und Zünften – organisiert. mit<br />

ihren Siegeln unter dem Verbundbrief verbürgten<br />

sich die gaffeln für die e<strong>in</strong>haltung der hier<br />

fest geschriebenen grundsätze.<br />

die propheten aus dem kölner <strong>rathaus</strong> hielten<br />

den Bürgervertretern ihre Verant wortung<br />

gegenüber Stadt und Bürgern anschaulich vor


augen. ihre Schriftbänder zitieren grundsätze<br />

politischer moral, die sich zum teil wortgetreu<br />

an den Verbundbrief anlehnen. diese stadtgeschichtlich<br />

bedeutsame gruppe gotischer<br />

kölner Skulptur wird nun als leihgabe des<br />

historischen <strong>rathaus</strong>es dauerhaft im museum<br />

Schnütgen ausgestellt.<br />

die <strong>rathaus</strong>propheten s<strong>in</strong>d zudem ausdruck<br />

e<strong>in</strong>er sich wandelnden auftraggeberschaft<br />

im spätmittelalterlichen köln. als<br />

Sitz der bürger lichen Stadtregierung sollte e<strong>in</strong><br />

repräsentatives <strong>rathaus</strong> das neue Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />

der Bürger weith<strong>in</strong> sichtbar machen.<br />

1406 beschloss der kölner Stadtrat den<br />

neubau des <strong>rathaus</strong>turms mit neuem ratssaal.<br />

die prophetenfiguren entstanden um 1414<br />

<strong>in</strong> Zusammenhang mit dem gerade fertiggestellten<br />

ratsturm. die »weisen ratgeber«<br />

waren <strong>in</strong> der sog. prophetenkammer aufgestellt,<br />

die die Bürgervertreter auf dem Weg<br />

<strong>in</strong> den ratssaal passierten.<br />

Wie <strong>in</strong> den anderen kunstgattungen gab<br />

es <strong>in</strong> der Skulptur um 1400 e<strong>in</strong>e breite Vielfalt<br />

an unterschiedlichen Stilen und Werkstätten.<br />

die ger<strong>in</strong>ge Zahl an überlieferten Bildwerken<br />

und die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen<br />

gattungen und regionen erschweren<br />

oftmals e<strong>in</strong>e Zuschreibung an bestimmte<br />

künstler. die bedeutsamsten künstlerischen<br />

e<strong>in</strong>flüsse für die Skulptur dieser Zeit g<strong>in</strong>gen<br />

jedoch von den parlern aus. diese Baumeister­<br />

und Ste<strong>in</strong>metzfamilie war an e<strong>in</strong>er reihe von<br />

herausragenden Bauprojekten <strong>in</strong> ganz mitteleuropa<br />

beteiligt. Besonders ihre arbeiten am<br />

Veitsdom <strong>in</strong> prag unter peter parler wurden


zum Vorbild für die zeitgenössische Baukunst<br />

und Skulptur. ihr bildhauerisches Werk zeichnet<br />

sich durch e<strong>in</strong>e große naturnähe im detail<br />

aus: So lassen sich Blattranken <strong>in</strong> der Bau­ oder<br />

figurenzier oft botanisch genau bestimmen.<br />

auch führten die parler das <strong>in</strong>dividuelle porträt<br />

<strong>in</strong> der Skulptur e<strong>in</strong>. ihre figuren zeigen darüber<br />

h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> ihrer weichen Bewegtheit und der<br />

plastischen durchbildung der gewänder e<strong>in</strong>en<br />

Stil, der um 1400 charakteristisch wird.<br />

mit dem Bau des gotischen doms betrieben<br />

die kölner erzbischöfe ab 1248 die bedeutendste<br />

Baustelle <strong>in</strong> der mittel alterlichen<br />

Stadt. das anspruchsvolle großprojekt e<strong>in</strong>es<br />

kathedralbaus am rhe<strong>in</strong> strahlte auf die<br />

gesamte kunst produktion der Stadt aus. auch<br />

zwischen der prager parlerwerkstatt und der<br />

dombauhütte <strong>in</strong> köln bestanden vielfältige<br />

künstlerische und familiäre Beziehungen. <strong>in</strong><br />

der sog. parlerbüste aus der Sammlung des<br />

museum Schnütgen und den archivoltenfiguren<br />

vom petersportal des doms h<strong>in</strong>terließen<br />

die parler ihre typische figurengestaltung<br />

und maßwerkornamentik.


kölner <strong>rathaus</strong><br />

camera prophetarum


acht propheten aus dem <strong>Köln</strong>er <strong>rathaus</strong><br />

<strong>Köln</strong>, um 1414<br />

Eiche, farbig gefasst<br />

Museum Schnütgen, Leihgabe aus<br />

dem Historischen Rathaus, <strong>Köln</strong><br />

e<strong>in</strong>e camera prophetarum, e<strong>in</strong>e prophetenkammer,<br />

ist im kölner <strong>rathaus</strong> bereits für das<br />

Jahr 1448 belegt. hier waren die holz skulpturen<br />

nachweislich um 1600 aufgestellt. ursprünglich<br />

könnten sie auch für den neuen ratssaal entstanden<br />

se<strong>in</strong>. trotz der <strong>in</strong>dividu ellen und<br />

lebensnahen ausführung der gesichter überwiegen<br />

die geme<strong>in</strong>samkeiten der acht figuren:<br />

gestreckte leiber mit schmalen Schultern,<br />

lebhafte Bewegtheit bei geschlossener körperhaltung,<br />

üppige lange Bärte – mit ausnahme<br />

des e<strong>in</strong>en jungen propheten – und wiederkehrende<br />

faltenwürfe der volumi nösen gewänder<br />

charakterisieren sie als zusammen gehörige<br />

gruppe.<br />

die Botschaften der propheten an die<br />

ratsherren s<strong>in</strong>d zum teil noch heute aktuell.<br />

Zwar wurden die late<strong>in</strong>ischen Sprüche auf<br />

den Schriftbändern mehrfach übermalt<br />

1


und vertauscht, doch s<strong>in</strong>d sie durch frühere<br />

abschriften überliefert:<br />

»Zuerst suchet das Reich Gottes und se<strong>in</strong>e<br />

Gerechtigkeit«<br />

»Das geme<strong>in</strong>e Beste ist dem persönlichen<br />

immer vorzuziehen«<br />

(ursprünglich: »<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn<br />

ist der Anfang der Weisheit«)<br />

»Nimm langsam Rat, dann eil’ zur Tat«<br />

»Das geme<strong>in</strong>e Beste ist dem persönlichen<br />

immer vorzuziehen«<br />

»<strong>Die</strong> Unversehrtheit der Vernunft<br />

überw<strong>in</strong>det diejenigen, die (das Gesetz)<br />

abzuschaffen wünschen«<br />

»Es ist billig, dass e<strong>in</strong> Meister des<br />

Totschlags durch se<strong>in</strong> eigenes Handwerk<br />

umkomme«<br />

»Es soll ke<strong>in</strong>er aus dem Rat schwatzen«<br />

»Wer für die Geme<strong>in</strong>schaft stirbt,<br />

soll ewig leben«


Mittelteil des palanter altars<br />

<strong>Köln</strong>, zwischen 1419 und 1425<br />

Nussbaum, farbig gefasst<br />

KOLUMBA – Kunstmuseum des Erzbistums<br />

<strong>Köln</strong>, Inv.-Nr. 1996/497<br />

das relief bildete ursprünglich den mittelteil<br />

e<strong>in</strong>es altarretabels, das die familie palant für<br />

die pfarrkirche <strong>in</strong> l<strong>in</strong>nich stiftete. tafelgemälde<br />

bildeten die flügel des altarbildes.<br />

Verschiedene rollen mariens werden hier<br />

mite<strong>in</strong>ander verschmolzen: die gottes mutter<br />

präsentiert ihr k<strong>in</strong>d, während zwei der engel<br />

sie zur himmelskönig<strong>in</strong> krönen. Weitere engel<br />

heben sie wie zur himmel fahrt empor und<br />

öffnen dabei ihren umhang. dieses motiv<br />

hat man als anspielung auf das thema der<br />

Schutzmantel madonna <strong>in</strong>terpretiert, die den<br />

gläubigen unter ihrem mantel Schutz vor<br />

Strafe bietet.<br />

Stilistisch steht dieses relief den rat hauspropheten<br />

besonders nahe, möglicher weise<br />

stammt es sogar aus derselben Werkstatt.<br />

2


Madonna mit K<strong>in</strong>d (Kartäuser Madonna)<br />

<strong>Köln</strong>, um 1420<br />

Kalkste<strong>in</strong><br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. K 159<br />

die madonna mit k<strong>in</strong>d stammt aus der marien ­<br />

kapelle der kölner kartäuserkirche St. Barbara.<br />

dort wurde sie 1923 bei der frei legung e<strong>in</strong>es<br />

klosterfensters wieder entdeckt: man hatte<br />

sie im 19. Jahrhundert als füll material verbaut.<br />

Obwohl nur fragmen tarisch erhalten, zählt<br />

die figur zur qualitativ herausragenden kölner<br />

Ste<strong>in</strong> skulptur ihrer Zeit. <strong>in</strong> ihrer lebendigen<br />

körperdrehung er<strong>in</strong>nert sie an die figurenauffassung<br />

der <strong>rathaus</strong>propheten. ursprünglich<br />

vollendete der leicht nach rechts, dem k<strong>in</strong>d<br />

zugeneigte marienkopf dieses Bewegungsmotiv<br />

der madonna.<br />

ebenfalls aus der kartäuserkirche stammt<br />

e<strong>in</strong>e engelskonsole (<strong>in</strong>v.­nr. k 160) im museum<br />

Schnütgen, die möglicherweise als Basis der<br />

marienfigur diente.<br />

3


Konsolbüste mit dem parlerwappen<br />

<strong>Köln</strong>er Werkstatt der Parler, um 1390<br />

Kalkste<strong>in</strong>, farbige Fassung teilweise ergänzt<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. K 127<br />

die von lebendiger Spannung erfüllte Büste<br />

e<strong>in</strong>er jungen frau trägt e<strong>in</strong>e mächtige krone<br />

aus vollplastisch gearbeitetem laubwerk. es<br />

handelt sich um Beifuß, der zu den im mittelalter<br />

symbolisch auf maria bezogenen pflanzen<br />

gehört. ursprüng lich trug die konsole wohl<br />

e<strong>in</strong>e Statue der maria, der »neuen eva«.<br />

So kann die Büste als dar stellung der alttestamentlichen<br />

eva gedeutet werden. ihre Brust<br />

ziert das familien wappen der parler, e<strong>in</strong><br />

W<strong>in</strong>kelhaken auf zweifarbigem Schild. derart<br />

prom<strong>in</strong>ent platziert, ist es vielleicht nicht nur<br />

als künstlersignatur, sondern auch als Stifterzeichen<br />

für die verlorene marienfigur zu<br />

ver stehen. auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Büste verarbeitetes<br />

porträt e<strong>in</strong>er parler<strong>in</strong> ist nicht aus zuschließen.<br />

die konsole stammt aus e<strong>in</strong>er abgebrochenen<br />

kirche <strong>in</strong> der nähe des kölner domes.<br />

Restauriert mit freundlicher Unter stützung<br />

von Dr. Herta Lepie, Aachen<br />

4


Wilder Mann<br />

<strong>Köln</strong>, 1390–1400<br />

Eiche<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 47<br />

<strong>in</strong> der Vorstellungswelt des späten mittel alters<br />

lebten die »Wilden leute« außerhalb der<br />

Zivilisation <strong>in</strong> der wilden natur. Sie s<strong>in</strong>d von<br />

mensch licher gestalt, aber von fell bedeckt.<br />

als trieb hafte naturwesen ähneln sie den<br />

Satyrn der römischen antike. manchmal tragen<br />

sie keulen, rauben den rittern ihre frauen oder<br />

geben sich dem rausch h<strong>in</strong>. der Wilde mann<br />

von der abschlusswange e<strong>in</strong>es chorgestühls<br />

ist jedoch von anderer art: mit den armen<br />

schützt er se<strong>in</strong>en kopf vor e<strong>in</strong>em dämo nischen<br />

angreifer, von dem heute nur noch e<strong>in</strong>e<br />

klaue erhalten ist. Se<strong>in</strong>e gesichtszüge s<strong>in</strong>d<br />

voll trauer und angst. dar<strong>in</strong> spiegeln sich das<br />

leiden und die todesver fallenheit der<br />

gott losen, aber auch die Sehnsucht nach<br />

erlösung. Stilistisch ist die kle<strong>in</strong>e Skulptur e<strong>in</strong><br />

meisterwerk aus dem umkreis der kölner<br />

parlerwerkstatt.<br />

5


Vier archivoltenfiguren vom petersportal<br />

des <strong>Köln</strong>er Domes: engel mit tragbarer orgel<br />

(portativ), hl. Quir<strong>in</strong>us, prophet, hl. Barbara<br />

<strong>Köln</strong>er Werkstatt der Parler, um 1380<br />

Kalkste<strong>in</strong><br />

Hohe Domkirche zu <strong>Köln</strong><br />

Inv.-Nr. B 849, B 842, B 825, B 843<br />

die thronenden figuren schmückten ursprünglich<br />

mit weiteren Skulpturen die Bogenläufe<br />

(archivolten) des e<strong>in</strong>zigen kölner domportals,<br />

das bereits im mittel alter fertiggestellt wurde.<br />

das kirchengebäude als ganzes galt im<br />

mittelalter als Symbol des <strong>in</strong> der apokalypse<br />

des Johannes beschriebenen himmlischen<br />

Jerusalem, der Stadt des paradieses. deshalb<br />

wurden auch die portale der kirchen, besonders<br />

seit der romanik, für die darstellung<br />

heilsgeschichtlicher Vor stellungen bedeutsam.<br />

e<strong>in</strong> frühes Beispiel dafür im museum<br />

Schnütgen ist das tympanon der cäcilienkirche<br />

(<strong>in</strong>v.­nr. k 275).<br />

dem petersportal des domes geben<br />

Szenen aus dem leben des apostels petrus<br />

im tympanon, dem Bogenfeld über dem<br />

6


e<strong>in</strong>gang, se<strong>in</strong>en namen. Zu beiden Seiten des<br />

tympanons sitzen je drei propheten <strong>in</strong> der<br />

<strong>in</strong>neren der <strong>in</strong>sgesamt vier steil zulaufenden<br />

archivolten. im nächsten Bogenlauf folgen<br />

die vier evangelisten und vier kirchenväter.<br />

die dritte archivolte ist mit männlichen<br />

und weiblichen heiligen‚ wie Barbara und<br />

Quir<strong>in</strong>us bestückt, während <strong>in</strong> der äußeren<br />

musi zierende engel und erzväter ersche<strong>in</strong>en.<br />

raumgreifende körperlichkeit und<br />

leb hafte gesten sowie die maßwerkformen<br />

an den thronwangen charakterisieren die<br />

Skulpturen als Werke der parler. auffallend<br />

ist die gesichts ähnlichkeit der hl. Barbara zur<br />

konsolbüste mit dem parlerwappen.


Friesentormadonna<br />

<strong>Köln</strong>, um 1360–80<br />

Nussbaum, farbig gefasst<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 40<br />

die muttergottes mit k<strong>in</strong>d ist <strong>in</strong> ihren schlanken<br />

proportionen und <strong>in</strong> ihrem geschlossenen<br />

umriss mit Bauskulptur zu Seiten von<br />

kirchenportalen vergleichbar. Stilistisch<br />

besteht e<strong>in</strong>e besondere Verwandtschaft zu<br />

den gewände figuren der parler werkstatt am<br />

petersportal des kölner doms. typisch für<br />

diese Zeit ist die halbnackte darstellung des<br />

christk<strong>in</strong>des – bei älteren madonnen wurde<br />

es <strong>in</strong> der regel bekleidet, kurze Zeit später<br />

h<strong>in</strong>gegen völlig nackt dargestellt.<br />

Restauriert mit freundlicher<br />

Unterstützung von<br />

Pro Arte Medii Aevi, <strong>Köln</strong><br />

7


Muttergottes <strong>in</strong> der sonne<br />

<strong>Köln</strong>, um 1370–90<br />

Nussbaum, farbig gefasst<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 895<br />

die kle<strong>in</strong>e mutter­k<strong>in</strong>d­gruppe mit der sehr<br />

mädchenhaften maria stammt wohl aus e<strong>in</strong>em<br />

andachtsaltärchen. ungewöhnlich ist die<br />

dar stellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em flammenkranz. die<br />

flammen versetzen maria <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e himmlische<br />

Sphäre. Vielleicht s<strong>in</strong>d sie auch als Bezug<br />

auf das apoka lyptische Weib aus der Vision<br />

des evangelisten Johannes zu verstehen.<br />

<strong>in</strong> der apokalypse wird die von e<strong>in</strong>em drachen<br />

bedrohte schwangere frau als ersche<strong>in</strong>ung<br />

im himmel geschildert. Sie steht auf dem<br />

mond und ist »mit der Sonne bekleidet«.<br />

Später hat sich daraus das motiv<br />

der mondsichel madonna entwickelt.<br />

Erworben mit freundlicher Unter stützung<br />

von Pro Arte Medii Aevi, <strong>Köln</strong><br />

Restauriert mit freundlicher Unter stützung<br />

von Marly Soltek, <strong>Köln</strong><br />

8


statuette e<strong>in</strong>er heiligen<br />

<strong>Köln</strong>, um 1370–90<br />

Nussbaum, farbig gefasst<br />

Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 1067<br />

mit ihrem unter dem mantel eng anliegenden<br />

kleid und dem lang herabfließenden, fe<strong>in</strong><br />

struktu rierten haar steht die weibliche heilige<br />

der muttergottes <strong>in</strong> der Sonne sehr nahe. auch<br />

die gesichter gleichen sich auffällig. der ausgeprägte<br />

S­Schwung der Statuette verleiht ihr<br />

besondere eleganz. gleichzeitig schuf der<br />

künstler damit den raum für e<strong>in</strong> – nicht erhaltenes<br />

– attribut als erkennungsmerkmal der<br />

heiligen: es könnte sich um e<strong>in</strong>e hl. kathar<strong>in</strong>a<br />

handeln, die ihre rechte hand ehemals auf e<strong>in</strong><br />

Schwert stützte.<br />

Erworben mit freundlicher Unterstützung<br />

von Pro Arte Medii Aevi, <strong>Köln</strong><br />

9


textdokumente aus dem<br />

historischen archiv der stadt <strong>Köln</strong><br />

Schriftliche überlieferungen haben e<strong>in</strong>e große<br />

Bedeutung für das Verständnis von kunstwerken.<br />

über wenige Bildwerke aus dem mittelalter<br />

s<strong>in</strong>d wir so gut über auftraggeber, entstehungszeit<br />

und funktion <strong>in</strong>formiert, wie im falle<br />

der kölner <strong>rathaus</strong>propheten. mit regelmäßig<br />

ausgetausch ten urkunden und Schriftstücken<br />

präsentiert das historische archiv der Stadt<br />

köln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schaufenster <strong>in</strong>nerhalb der<br />

aus stellung e<strong>in</strong>e auswahl der Quellen,<br />

die licht auf die entstehungs­ und nutzungszusammenhänge<br />

der figuren werfen. alle<br />

exponate waren von der katastrophe des<br />

e<strong>in</strong>sturzes im Jahr 2009 betroffen.<br />

10


19.9.2012–15.10.2012<br />

Verbundbrief von 1396<br />

Pergament, Wachssiegel an Seidenschnüren<br />

Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 1<br />

(Haupturkundenarchiv) U K/5788/3<br />

im Jahr 1396 setzten die <strong>in</strong> gaffeln organisierten<br />

kölner handwerker und kaufleute der patrizierherrschaft<br />

e<strong>in</strong> ende. die neue politische<br />

Ordnung wurde mit dem Verbund brief bestätigt,<br />

der bis zum ende des 18. Jahrhunderts die<br />

Stadt ver fassung prägte. diese neuerungen <strong>in</strong><br />

der Stadt verfassung führten letztlich zur<br />

repräsentativen erweite rung und ausstattung<br />

des <strong>rathaus</strong>es im beg<strong>in</strong>nenden 15. Jahrhundert,<br />

sodass ihnen auch die prophetenfiguren ihre<br />

entstehung verdanken.


15.10.2012–12.11.2012<br />

erstes eidbuch des Zunftrats,<br />

ca. 1398–1400, fol. 2v<br />

Handschrift auf Pergament <strong>in</strong> Ledere<strong>in</strong>band<br />

Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 30<br />

(Verfassung und Verwaltung) V 8<br />

nach e<strong>in</strong>führung der Zunftverfassung im Jahr<br />

1396 wurde es notwendig, die durch städtische<br />

amtsträger zu beschwörenden eide zu aktualisieren<br />

und an die neuen Verhältnisse anzupassen.<br />

daher wurde dieses neue eidbuch erstellt,<br />

dessen aufwändige künstlerische ausgestaltung<br />

wie die prophetenfiguren auch der<br />

repräsen ta tiven Selbstdarstellung der neu<br />

gebildeten politischen führungsschicht diente.<br />

Zu sehen ist die kreuzigung Jesu. im rahmen<br />

f<strong>in</strong>den sich die evangelistensymbole sowie das<br />

kölner Wappen.<br />

12.11.2012–10.12.2012<br />

Drittes eidbuch von ca. 1450, fol. 45<br />

Handschrift auf Pergament <strong>in</strong><br />

Kunstledere<strong>in</strong>band (späterer Zeit)<br />

Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 30<br />

(Verfassung und Verwaltung) V 10<br />

das eidbuch enthält auch den eid der türwärter<br />

im <strong>rathaus</strong>. demnach gehörte es zu ihren<br />

pflichten, den Zugang zur prophetenkammer<br />

zu kontrollieren, damit niemand zu ihr e<strong>in</strong>gang<br />

erhalten konnte, der nicht dazu befugt war. <strong>in</strong><br />

den vertraulichen Schutz bereich des rates war<br />

somit auch die prophetenkammer e<strong>in</strong> bezogen,<br />

die auf diese Weise dem rat für Verhandlungen<br />

und geschäfte außerhalb des eigentlichen<br />

Sitzungsraumes zur Verfügung stand.


10.12.2012–7.1.2013<br />

urfehde des Johann von erberfelde,<br />

21. Mai 1482<br />

Papier<br />

Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 1<br />

(Haupturkundenarchiv) U 1/13759<br />

im W<strong>in</strong>ter 1481/82 kam es <strong>in</strong> köln zu unruhen<br />

gegen Bürgermeister und rat, die Steuererhöhungen<br />

verfügt hatten. die anführer des<br />

aufstands wurden mit dem tode bestraft,<br />

während e<strong>in</strong> weiterer kreis von Beteiligten mit<br />

milderen Strafen davon kam. die urkunde zeigt<br />

das Verbrechen des mit Verbannung belegten<br />

Johann von erberfelde: er war mit anderen <strong>in</strong><br />

die prophetenkammer e<strong>in</strong>gedrungen. die<br />

prophetenkammer wurde also als rechtlich<br />

besonders geschützter Bereich angesehen.<br />

7.1.2013–4.2.2013<br />

ratsmemorial 2, fol. 114v, 1. april 1468<br />

Handschrift auf Papier, moderner<br />

Pergamente<strong>in</strong>band<br />

Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 10A<br />

(Ratsmemoriale) 2<br />

im ratsprotokoll vom 1. april 1468 wird e<strong>in</strong> Streit<br />

<strong>in</strong>nerhalb des rates geschildert, <strong>in</strong> dessen<br />

Verlauf der ratsherr emerich van Volmer ehrenrührig<br />

gegen ratsmitglieder redete. dies war<br />

gemäß eidbuch verboten, weshalb emerich die<br />

entsprechenden passagen vorgelesen wurden.<br />

dies geschah <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en kreis <strong>in</strong> der<br />

propheten kammer, die dem rat als e<strong>in</strong> nebenraum<br />

diente, <strong>in</strong> dem man delikate angelegenheiten<br />

regeln konnte, ohne dies vor augen des<br />

gesamten rats oder noch weiterer kreise tun<br />

zu müssen.


4.2.2013–4.3.2013<br />

transfixbrief zum Verbundbrief von 1396,<br />

1513 (<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er späteren abschrift) fol. 182<br />

Handschrift auf Papier <strong>in</strong> Ganzleder e<strong>in</strong>band<br />

Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 30<br />

(Verfassung und Verwaltung) V 49<br />

1513 kam es aufgrund von unzufriedenheit mit<br />

dem ratsregiment zu unruhen. kle<strong>in</strong>e Zirkel<br />

von ratsmitgliedern bildeten <strong>in</strong>formelle gruppen,<br />

die die Beratungen im rat vorwegnahmen<br />

und bee<strong>in</strong>flussten. dagegen richtete sich der<br />

sogenannte transfixbrief, e<strong>in</strong>e urkunde mit<br />

ergänzungen zum Verbund brief. diese erzielten<br />

allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>en durchschlagenden erfolg.<br />

die prophetenkammer begann daher, ihre<br />

funktion als nebenraum des rats e<strong>in</strong>zubüßen –<br />

denn die <strong>in</strong>formellen »kränzchen« bildeten<br />

e<strong>in</strong>e alternative politische kraft, die nicht an<br />

den tagungsort <strong>rathaus</strong> gebunden war.<br />

4.3.2013–7.4.2013<br />

ratsprotokoll vom 10. März 1723<br />

Handschrift auf Papier <strong>in</strong> Pergamente<strong>in</strong>band<br />

Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 10<br />

(Ratsprotokolle) 170, fol. 71r<br />

Seit dem 16. Jahrhundert verlor die prophetenkammer<br />

ihre funktion als nebenraum des rats.<br />

als teil des <strong>rathaus</strong>es blieb sie jedoch erhalten,<br />

und sie wurde – wie der ausgestellte ratsbeschluss<br />

vom 10. märz 1723 belegt – auch baulich<br />

erhalten. allerd<strong>in</strong>gs war ihre ursprüngliche<br />

funktion <strong>in</strong> Vergessenheit geraten. als »so<br />

genannter propheten cammer« sah man <strong>in</strong> ihr<br />

offenbar nur noch e<strong>in</strong> relikt aus der reichsstädtischen<br />

Vergangenheit, ohne zu wissen, welchen<br />

S<strong>in</strong>n sie im Verfassungsgefüge gehabt hatte.


Museum Schnütgen<br />

2012<br />

Kurator<strong>in</strong><br />

Iris Metje<br />

Kurator für das<br />

Historische Archiv<br />

der Stadt <strong>Köln</strong><br />

Max Plassmann<br />

Ausstellungsgestaltung<br />

chezweitz & partner,<br />

Berl<strong>in</strong>, Detlef Weitz<br />

mit Harald Niessner,<br />

Toto B<strong>in</strong>antoro W<strong>in</strong>arni<br />

Abbildungen<br />

Rhe<strong>in</strong>isches<br />

Bildarchiv <strong>Köln</strong>;<br />

Kolumba, <strong>Köln</strong> /<br />

Schenkung Härle;<br />

Dombauarchiv <strong>Köln</strong>,<br />

Matz und Schenk;<br />

Historisches<br />

Archiv der Stadt <strong>Köln</strong>,<br />

Susanne Mehwald


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Empfänger »Stiftung Stadtgedächtnis«<br />

Konto Nr. 3309<br />

BLZ 370 302 00 (Sal. Oppenheim)<br />

Verwendungszweck »Im Fokus«<br />

IBAN DE 66 3703 0200 0000 0033 09<br />

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