Die KÖlNer rathaus- propheteN - Museen in Köln
Die KÖlNer rathaus- propheteN - Museen in Köln
Die KÖlNer rathaus- propheteN - Museen in Köln
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MuseuM schnütgen<br />
Im Fokus<br />
<strong>Die</strong> <strong>KÖlNer</strong><br />
<strong>rathaus</strong>-<br />
<strong>propheteN</strong><br />
Skulptur um 1400 für<br />
BürgerSchaft und kirche<br />
19. sEP. 2012 – 7. APr. 2013
um 1400 wandelten sich die politischen machtverhältnisse<br />
<strong>in</strong> köln grundlegend. das mittelalterliche<br />
handelszentrum am rhe<strong>in</strong> wurde<br />
endgültig zur Bürgerstadt. Bereits 1288 hatte<br />
der kölner erzbischof nach der Schlacht von<br />
Worr<strong>in</strong>gen se<strong>in</strong>e weltlichen herrschaftsansprüche<br />
auf das Stadtgebiet aufgeben<br />
müssen. rund hundert Jahre später erhoben<br />
sich die kaufleute und handwerker nun gegen<br />
die Obrigkeit der patrizier, der familien des<br />
Stadtadels. 1396 gab sich die kölner Bürgerschaft<br />
e<strong>in</strong>e demokratische Stadtverfassung,<br />
die über 400 Jahre lang geltung behalten sollte.<br />
<strong>in</strong> dieser urkunde, dem Verbundbrief, war die<br />
neue Zusammensetzung des Stadt rates geregelt.<br />
die wahlberechtigten Bürger der Stadt<br />
waren nun <strong>in</strong> 22 gaffeln – Zusammenschlüssen<br />
von kaufleuten und Zünften – organisiert. mit<br />
ihren Siegeln unter dem Verbundbrief verbürgten<br />
sich die gaffeln für die e<strong>in</strong>haltung der hier<br />
fest geschriebenen grundsätze.<br />
die propheten aus dem kölner <strong>rathaus</strong> hielten<br />
den Bürgervertretern ihre Verant wortung<br />
gegenüber Stadt und Bürgern anschaulich vor
augen. ihre Schriftbänder zitieren grundsätze<br />
politischer moral, die sich zum teil wortgetreu<br />
an den Verbundbrief anlehnen. diese stadtgeschichtlich<br />
bedeutsame gruppe gotischer<br />
kölner Skulptur wird nun als leihgabe des<br />
historischen <strong>rathaus</strong>es dauerhaft im museum<br />
Schnütgen ausgestellt.<br />
die <strong>rathaus</strong>propheten s<strong>in</strong>d zudem ausdruck<br />
e<strong>in</strong>er sich wandelnden auftraggeberschaft<br />
im spätmittelalterlichen köln. als<br />
Sitz der bürger lichen Stadtregierung sollte e<strong>in</strong><br />
repräsentatives <strong>rathaus</strong> das neue Selbstbewusstse<strong>in</strong><br />
der Bürger weith<strong>in</strong> sichtbar machen.<br />
1406 beschloss der kölner Stadtrat den<br />
neubau des <strong>rathaus</strong>turms mit neuem ratssaal.<br />
die prophetenfiguren entstanden um 1414<br />
<strong>in</strong> Zusammenhang mit dem gerade fertiggestellten<br />
ratsturm. die »weisen ratgeber«<br />
waren <strong>in</strong> der sog. prophetenkammer aufgestellt,<br />
die die Bürgervertreter auf dem Weg<br />
<strong>in</strong> den ratssaal passierten.<br />
Wie <strong>in</strong> den anderen kunstgattungen gab<br />
es <strong>in</strong> der Skulptur um 1400 e<strong>in</strong>e breite Vielfalt<br />
an unterschiedlichen Stilen und Werkstätten.<br />
die ger<strong>in</strong>ge Zahl an überlieferten Bildwerken<br />
und die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen<br />
gattungen und regionen erschweren<br />
oftmals e<strong>in</strong>e Zuschreibung an bestimmte<br />
künstler. die bedeutsamsten künstlerischen<br />
e<strong>in</strong>flüsse für die Skulptur dieser Zeit g<strong>in</strong>gen<br />
jedoch von den parlern aus. diese Baumeister<br />
und Ste<strong>in</strong>metzfamilie war an e<strong>in</strong>er reihe von<br />
herausragenden Bauprojekten <strong>in</strong> ganz mitteleuropa<br />
beteiligt. Besonders ihre arbeiten am<br />
Veitsdom <strong>in</strong> prag unter peter parler wurden
zum Vorbild für die zeitgenössische Baukunst<br />
und Skulptur. ihr bildhauerisches Werk zeichnet<br />
sich durch e<strong>in</strong>e große naturnähe im detail<br />
aus: So lassen sich Blattranken <strong>in</strong> der Bau oder<br />
figurenzier oft botanisch genau bestimmen.<br />
auch führten die parler das <strong>in</strong>dividuelle porträt<br />
<strong>in</strong> der Skulptur e<strong>in</strong>. ihre figuren zeigen darüber<br />
h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> ihrer weichen Bewegtheit und der<br />
plastischen durchbildung der gewänder e<strong>in</strong>en<br />
Stil, der um 1400 charakteristisch wird.<br />
mit dem Bau des gotischen doms betrieben<br />
die kölner erzbischöfe ab 1248 die bedeutendste<br />
Baustelle <strong>in</strong> der mittel alterlichen<br />
Stadt. das anspruchsvolle großprojekt e<strong>in</strong>es<br />
kathedralbaus am rhe<strong>in</strong> strahlte auf die<br />
gesamte kunst produktion der Stadt aus. auch<br />
zwischen der prager parlerwerkstatt und der<br />
dombauhütte <strong>in</strong> köln bestanden vielfältige<br />
künstlerische und familiäre Beziehungen. <strong>in</strong><br />
der sog. parlerbüste aus der Sammlung des<br />
museum Schnütgen und den archivoltenfiguren<br />
vom petersportal des doms h<strong>in</strong>terließen<br />
die parler ihre typische figurengestaltung<br />
und maßwerkornamentik.
kölner <strong>rathaus</strong><br />
camera prophetarum
acht propheten aus dem <strong>Köln</strong>er <strong>rathaus</strong><br />
<strong>Köln</strong>, um 1414<br />
Eiche, farbig gefasst<br />
Museum Schnütgen, Leihgabe aus<br />
dem Historischen Rathaus, <strong>Köln</strong><br />
e<strong>in</strong>e camera prophetarum, e<strong>in</strong>e prophetenkammer,<br />
ist im kölner <strong>rathaus</strong> bereits für das<br />
Jahr 1448 belegt. hier waren die holz skulpturen<br />
nachweislich um 1600 aufgestellt. ursprünglich<br />
könnten sie auch für den neuen ratssaal entstanden<br />
se<strong>in</strong>. trotz der <strong>in</strong>dividu ellen und<br />
lebensnahen ausführung der gesichter überwiegen<br />
die geme<strong>in</strong>samkeiten der acht figuren:<br />
gestreckte leiber mit schmalen Schultern,<br />
lebhafte Bewegtheit bei geschlossener körperhaltung,<br />
üppige lange Bärte – mit ausnahme<br />
des e<strong>in</strong>en jungen propheten – und wiederkehrende<br />
faltenwürfe der volumi nösen gewänder<br />
charakterisieren sie als zusammen gehörige<br />
gruppe.<br />
die Botschaften der propheten an die<br />
ratsherren s<strong>in</strong>d zum teil noch heute aktuell.<br />
Zwar wurden die late<strong>in</strong>ischen Sprüche auf<br />
den Schriftbändern mehrfach übermalt<br />
1
und vertauscht, doch s<strong>in</strong>d sie durch frühere<br />
abschriften überliefert:<br />
»Zuerst suchet das Reich Gottes und se<strong>in</strong>e<br />
Gerechtigkeit«<br />
»Das geme<strong>in</strong>e Beste ist dem persönlichen<br />
immer vorzuziehen«<br />
(ursprünglich: »<strong>Die</strong> Furcht vor dem Herrn<br />
ist der Anfang der Weisheit«)<br />
»Nimm langsam Rat, dann eil’ zur Tat«<br />
»Das geme<strong>in</strong>e Beste ist dem persönlichen<br />
immer vorzuziehen«<br />
»<strong>Die</strong> Unversehrtheit der Vernunft<br />
überw<strong>in</strong>det diejenigen, die (das Gesetz)<br />
abzuschaffen wünschen«<br />
»Es ist billig, dass e<strong>in</strong> Meister des<br />
Totschlags durch se<strong>in</strong> eigenes Handwerk<br />
umkomme«<br />
»Es soll ke<strong>in</strong>er aus dem Rat schwatzen«<br />
»Wer für die Geme<strong>in</strong>schaft stirbt,<br />
soll ewig leben«
Mittelteil des palanter altars<br />
<strong>Köln</strong>, zwischen 1419 und 1425<br />
Nussbaum, farbig gefasst<br />
KOLUMBA – Kunstmuseum des Erzbistums<br />
<strong>Köln</strong>, Inv.-Nr. 1996/497<br />
das relief bildete ursprünglich den mittelteil<br />
e<strong>in</strong>es altarretabels, das die familie palant für<br />
die pfarrkirche <strong>in</strong> l<strong>in</strong>nich stiftete. tafelgemälde<br />
bildeten die flügel des altarbildes.<br />
Verschiedene rollen mariens werden hier<br />
mite<strong>in</strong>ander verschmolzen: die gottes mutter<br />
präsentiert ihr k<strong>in</strong>d, während zwei der engel<br />
sie zur himmelskönig<strong>in</strong> krönen. Weitere engel<br />
heben sie wie zur himmel fahrt empor und<br />
öffnen dabei ihren umhang. dieses motiv<br />
hat man als anspielung auf das thema der<br />
Schutzmantel madonna <strong>in</strong>terpretiert, die den<br />
gläubigen unter ihrem mantel Schutz vor<br />
Strafe bietet.<br />
Stilistisch steht dieses relief den rat hauspropheten<br />
besonders nahe, möglicher weise<br />
stammt es sogar aus derselben Werkstatt.<br />
2
Madonna mit K<strong>in</strong>d (Kartäuser Madonna)<br />
<strong>Köln</strong>, um 1420<br />
Kalkste<strong>in</strong><br />
Museum Schnütgen, Inv.-Nr. K 159<br />
die madonna mit k<strong>in</strong>d stammt aus der marien <br />
kapelle der kölner kartäuserkirche St. Barbara.<br />
dort wurde sie 1923 bei der frei legung e<strong>in</strong>es<br />
klosterfensters wieder entdeckt: man hatte<br />
sie im 19. Jahrhundert als füll material verbaut.<br />
Obwohl nur fragmen tarisch erhalten, zählt<br />
die figur zur qualitativ herausragenden kölner<br />
Ste<strong>in</strong> skulptur ihrer Zeit. <strong>in</strong> ihrer lebendigen<br />
körperdrehung er<strong>in</strong>nert sie an die figurenauffassung<br />
der <strong>rathaus</strong>propheten. ursprünglich<br />
vollendete der leicht nach rechts, dem k<strong>in</strong>d<br />
zugeneigte marienkopf dieses Bewegungsmotiv<br />
der madonna.<br />
ebenfalls aus der kartäuserkirche stammt<br />
e<strong>in</strong>e engelskonsole (<strong>in</strong>v.nr. k 160) im museum<br />
Schnütgen, die möglicherweise als Basis der<br />
marienfigur diente.<br />
3
Konsolbüste mit dem parlerwappen<br />
<strong>Köln</strong>er Werkstatt der Parler, um 1390<br />
Kalkste<strong>in</strong>, farbige Fassung teilweise ergänzt<br />
Museum Schnütgen, Inv.-Nr. K 127<br />
die von lebendiger Spannung erfüllte Büste<br />
e<strong>in</strong>er jungen frau trägt e<strong>in</strong>e mächtige krone<br />
aus vollplastisch gearbeitetem laubwerk. es<br />
handelt sich um Beifuß, der zu den im mittelalter<br />
symbolisch auf maria bezogenen pflanzen<br />
gehört. ursprüng lich trug die konsole wohl<br />
e<strong>in</strong>e Statue der maria, der »neuen eva«.<br />
So kann die Büste als dar stellung der alttestamentlichen<br />
eva gedeutet werden. ihre Brust<br />
ziert das familien wappen der parler, e<strong>in</strong><br />
W<strong>in</strong>kelhaken auf zweifarbigem Schild. derart<br />
prom<strong>in</strong>ent platziert, ist es vielleicht nicht nur<br />
als künstlersignatur, sondern auch als Stifterzeichen<br />
für die verlorene marienfigur zu<br />
ver stehen. auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Büste verarbeitetes<br />
porträt e<strong>in</strong>er parler<strong>in</strong> ist nicht aus zuschließen.<br />
die konsole stammt aus e<strong>in</strong>er abgebrochenen<br />
kirche <strong>in</strong> der nähe des kölner domes.<br />
Restauriert mit freundlicher Unter stützung<br />
von Dr. Herta Lepie, Aachen<br />
4
Wilder Mann<br />
<strong>Köln</strong>, 1390–1400<br />
Eiche<br />
Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 47<br />
<strong>in</strong> der Vorstellungswelt des späten mittel alters<br />
lebten die »Wilden leute« außerhalb der<br />
Zivilisation <strong>in</strong> der wilden natur. Sie s<strong>in</strong>d von<br />
mensch licher gestalt, aber von fell bedeckt.<br />
als trieb hafte naturwesen ähneln sie den<br />
Satyrn der römischen antike. manchmal tragen<br />
sie keulen, rauben den rittern ihre frauen oder<br />
geben sich dem rausch h<strong>in</strong>. der Wilde mann<br />
von der abschlusswange e<strong>in</strong>es chorgestühls<br />
ist jedoch von anderer art: mit den armen<br />
schützt er se<strong>in</strong>en kopf vor e<strong>in</strong>em dämo nischen<br />
angreifer, von dem heute nur noch e<strong>in</strong>e<br />
klaue erhalten ist. Se<strong>in</strong>e gesichtszüge s<strong>in</strong>d<br />
voll trauer und angst. dar<strong>in</strong> spiegeln sich das<br />
leiden und die todesver fallenheit der<br />
gott losen, aber auch die Sehnsucht nach<br />
erlösung. Stilistisch ist die kle<strong>in</strong>e Skulptur e<strong>in</strong><br />
meisterwerk aus dem umkreis der kölner<br />
parlerwerkstatt.<br />
5
Vier archivoltenfiguren vom petersportal<br />
des <strong>Köln</strong>er Domes: engel mit tragbarer orgel<br />
(portativ), hl. Quir<strong>in</strong>us, prophet, hl. Barbara<br />
<strong>Köln</strong>er Werkstatt der Parler, um 1380<br />
Kalkste<strong>in</strong><br />
Hohe Domkirche zu <strong>Köln</strong><br />
Inv.-Nr. B 849, B 842, B 825, B 843<br />
die thronenden figuren schmückten ursprünglich<br />
mit weiteren Skulpturen die Bogenläufe<br />
(archivolten) des e<strong>in</strong>zigen kölner domportals,<br />
das bereits im mittel alter fertiggestellt wurde.<br />
das kirchengebäude als ganzes galt im<br />
mittelalter als Symbol des <strong>in</strong> der apokalypse<br />
des Johannes beschriebenen himmlischen<br />
Jerusalem, der Stadt des paradieses. deshalb<br />
wurden auch die portale der kirchen, besonders<br />
seit der romanik, für die darstellung<br />
heilsgeschichtlicher Vor stellungen bedeutsam.<br />
e<strong>in</strong> frühes Beispiel dafür im museum<br />
Schnütgen ist das tympanon der cäcilienkirche<br />
(<strong>in</strong>v.nr. k 275).<br />
dem petersportal des domes geben<br />
Szenen aus dem leben des apostels petrus<br />
im tympanon, dem Bogenfeld über dem<br />
6
e<strong>in</strong>gang, se<strong>in</strong>en namen. Zu beiden Seiten des<br />
tympanons sitzen je drei propheten <strong>in</strong> der<br />
<strong>in</strong>neren der <strong>in</strong>sgesamt vier steil zulaufenden<br />
archivolten. im nächsten Bogenlauf folgen<br />
die vier evangelisten und vier kirchenväter.<br />
die dritte archivolte ist mit männlichen<br />
und weiblichen heiligen‚ wie Barbara und<br />
Quir<strong>in</strong>us bestückt, während <strong>in</strong> der äußeren<br />
musi zierende engel und erzväter ersche<strong>in</strong>en.<br />
raumgreifende körperlichkeit und<br />
leb hafte gesten sowie die maßwerkformen<br />
an den thronwangen charakterisieren die<br />
Skulpturen als Werke der parler. auffallend<br />
ist die gesichts ähnlichkeit der hl. Barbara zur<br />
konsolbüste mit dem parlerwappen.
Friesentormadonna<br />
<strong>Köln</strong>, um 1360–80<br />
Nussbaum, farbig gefasst<br />
Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 40<br />
die muttergottes mit k<strong>in</strong>d ist <strong>in</strong> ihren schlanken<br />
proportionen und <strong>in</strong> ihrem geschlossenen<br />
umriss mit Bauskulptur zu Seiten von<br />
kirchenportalen vergleichbar. Stilistisch<br />
besteht e<strong>in</strong>e besondere Verwandtschaft zu<br />
den gewände figuren der parler werkstatt am<br />
petersportal des kölner doms. typisch für<br />
diese Zeit ist die halbnackte darstellung des<br />
christk<strong>in</strong>des – bei älteren madonnen wurde<br />
es <strong>in</strong> der regel bekleidet, kurze Zeit später<br />
h<strong>in</strong>gegen völlig nackt dargestellt.<br />
Restauriert mit freundlicher<br />
Unterstützung von<br />
Pro Arte Medii Aevi, <strong>Köln</strong><br />
7
Muttergottes <strong>in</strong> der sonne<br />
<strong>Köln</strong>, um 1370–90<br />
Nussbaum, farbig gefasst<br />
Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 895<br />
die kle<strong>in</strong>e mutterk<strong>in</strong>dgruppe mit der sehr<br />
mädchenhaften maria stammt wohl aus e<strong>in</strong>em<br />
andachtsaltärchen. ungewöhnlich ist die<br />
dar stellung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em flammenkranz. die<br />
flammen versetzen maria <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e himmlische<br />
Sphäre. Vielleicht s<strong>in</strong>d sie auch als Bezug<br />
auf das apoka lyptische Weib aus der Vision<br />
des evangelisten Johannes zu verstehen.<br />
<strong>in</strong> der apokalypse wird die von e<strong>in</strong>em drachen<br />
bedrohte schwangere frau als ersche<strong>in</strong>ung<br />
im himmel geschildert. Sie steht auf dem<br />
mond und ist »mit der Sonne bekleidet«.<br />
Später hat sich daraus das motiv<br />
der mondsichel madonna entwickelt.<br />
Erworben mit freundlicher Unter stützung<br />
von Pro Arte Medii Aevi, <strong>Köln</strong><br />
Restauriert mit freundlicher Unter stützung<br />
von Marly Soltek, <strong>Köln</strong><br />
8
statuette e<strong>in</strong>er heiligen<br />
<strong>Köln</strong>, um 1370–90<br />
Nussbaum, farbig gefasst<br />
Museum Schnütgen, Inv.-Nr. A 1067<br />
mit ihrem unter dem mantel eng anliegenden<br />
kleid und dem lang herabfließenden, fe<strong>in</strong><br />
struktu rierten haar steht die weibliche heilige<br />
der muttergottes <strong>in</strong> der Sonne sehr nahe. auch<br />
die gesichter gleichen sich auffällig. der ausgeprägte<br />
SSchwung der Statuette verleiht ihr<br />
besondere eleganz. gleichzeitig schuf der<br />
künstler damit den raum für e<strong>in</strong> – nicht erhaltenes<br />
– attribut als erkennungsmerkmal der<br />
heiligen: es könnte sich um e<strong>in</strong>e hl. kathar<strong>in</strong>a<br />
handeln, die ihre rechte hand ehemals auf e<strong>in</strong><br />
Schwert stützte.<br />
Erworben mit freundlicher Unterstützung<br />
von Pro Arte Medii Aevi, <strong>Köln</strong><br />
9
textdokumente aus dem<br />
historischen archiv der stadt <strong>Köln</strong><br />
Schriftliche überlieferungen haben e<strong>in</strong>e große<br />
Bedeutung für das Verständnis von kunstwerken.<br />
über wenige Bildwerke aus dem mittelalter<br />
s<strong>in</strong>d wir so gut über auftraggeber, entstehungszeit<br />
und funktion <strong>in</strong>formiert, wie im falle<br />
der kölner <strong>rathaus</strong>propheten. mit regelmäßig<br />
ausgetausch ten urkunden und Schriftstücken<br />
präsentiert das historische archiv der Stadt<br />
köln <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schaufenster <strong>in</strong>nerhalb der<br />
aus stellung e<strong>in</strong>e auswahl der Quellen,<br />
die licht auf die entstehungs und nutzungszusammenhänge<br />
der figuren werfen. alle<br />
exponate waren von der katastrophe des<br />
e<strong>in</strong>sturzes im Jahr 2009 betroffen.<br />
10
19.9.2012–15.10.2012<br />
Verbundbrief von 1396<br />
Pergament, Wachssiegel an Seidenschnüren<br />
Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 1<br />
(Haupturkundenarchiv) U K/5788/3<br />
im Jahr 1396 setzten die <strong>in</strong> gaffeln organisierten<br />
kölner handwerker und kaufleute der patrizierherrschaft<br />
e<strong>in</strong> ende. die neue politische<br />
Ordnung wurde mit dem Verbund brief bestätigt,<br />
der bis zum ende des 18. Jahrhunderts die<br />
Stadt ver fassung prägte. diese neuerungen <strong>in</strong><br />
der Stadt verfassung führten letztlich zur<br />
repräsentativen erweite rung und ausstattung<br />
des <strong>rathaus</strong>es im beg<strong>in</strong>nenden 15. Jahrhundert,<br />
sodass ihnen auch die prophetenfiguren ihre<br />
entstehung verdanken.
15.10.2012–12.11.2012<br />
erstes eidbuch des Zunftrats,<br />
ca. 1398–1400, fol. 2v<br />
Handschrift auf Pergament <strong>in</strong> Ledere<strong>in</strong>band<br />
Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 30<br />
(Verfassung und Verwaltung) V 8<br />
nach e<strong>in</strong>führung der Zunftverfassung im Jahr<br />
1396 wurde es notwendig, die durch städtische<br />
amtsträger zu beschwörenden eide zu aktualisieren<br />
und an die neuen Verhältnisse anzupassen.<br />
daher wurde dieses neue eidbuch erstellt,<br />
dessen aufwändige künstlerische ausgestaltung<br />
wie die prophetenfiguren auch der<br />
repräsen ta tiven Selbstdarstellung der neu<br />
gebildeten politischen führungsschicht diente.<br />
Zu sehen ist die kreuzigung Jesu. im rahmen<br />
f<strong>in</strong>den sich die evangelistensymbole sowie das<br />
kölner Wappen.<br />
12.11.2012–10.12.2012<br />
Drittes eidbuch von ca. 1450, fol. 45<br />
Handschrift auf Pergament <strong>in</strong><br />
Kunstledere<strong>in</strong>band (späterer Zeit)<br />
Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 30<br />
(Verfassung und Verwaltung) V 10<br />
das eidbuch enthält auch den eid der türwärter<br />
im <strong>rathaus</strong>. demnach gehörte es zu ihren<br />
pflichten, den Zugang zur prophetenkammer<br />
zu kontrollieren, damit niemand zu ihr e<strong>in</strong>gang<br />
erhalten konnte, der nicht dazu befugt war. <strong>in</strong><br />
den vertraulichen Schutz bereich des rates war<br />
somit auch die prophetenkammer e<strong>in</strong> bezogen,<br />
die auf diese Weise dem rat für Verhandlungen<br />
und geschäfte außerhalb des eigentlichen<br />
Sitzungsraumes zur Verfügung stand.
10.12.2012–7.1.2013<br />
urfehde des Johann von erberfelde,<br />
21. Mai 1482<br />
Papier<br />
Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 1<br />
(Haupturkundenarchiv) U 1/13759<br />
im W<strong>in</strong>ter 1481/82 kam es <strong>in</strong> köln zu unruhen<br />
gegen Bürgermeister und rat, die Steuererhöhungen<br />
verfügt hatten. die anführer des<br />
aufstands wurden mit dem tode bestraft,<br />
während e<strong>in</strong> weiterer kreis von Beteiligten mit<br />
milderen Strafen davon kam. die urkunde zeigt<br />
das Verbrechen des mit Verbannung belegten<br />
Johann von erberfelde: er war mit anderen <strong>in</strong><br />
die prophetenkammer e<strong>in</strong>gedrungen. die<br />
prophetenkammer wurde also als rechtlich<br />
besonders geschützter Bereich angesehen.<br />
7.1.2013–4.2.2013<br />
ratsmemorial 2, fol. 114v, 1. april 1468<br />
Handschrift auf Papier, moderner<br />
Pergamente<strong>in</strong>band<br />
Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 10A<br />
(Ratsmemoriale) 2<br />
im ratsprotokoll vom 1. april 1468 wird e<strong>in</strong> Streit<br />
<strong>in</strong>nerhalb des rates geschildert, <strong>in</strong> dessen<br />
Verlauf der ratsherr emerich van Volmer ehrenrührig<br />
gegen ratsmitglieder redete. dies war<br />
gemäß eidbuch verboten, weshalb emerich die<br />
entsprechenden passagen vorgelesen wurden.<br />
dies geschah <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en kreis <strong>in</strong> der<br />
propheten kammer, die dem rat als e<strong>in</strong> nebenraum<br />
diente, <strong>in</strong> dem man delikate angelegenheiten<br />
regeln konnte, ohne dies vor augen des<br />
gesamten rats oder noch weiterer kreise tun<br />
zu müssen.
4.2.2013–4.3.2013<br />
transfixbrief zum Verbundbrief von 1396,<br />
1513 (<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er späteren abschrift) fol. 182<br />
Handschrift auf Papier <strong>in</strong> Ganzleder e<strong>in</strong>band<br />
Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 30<br />
(Verfassung und Verwaltung) V 49<br />
1513 kam es aufgrund von unzufriedenheit mit<br />
dem ratsregiment zu unruhen. kle<strong>in</strong>e Zirkel<br />
von ratsmitgliedern bildeten <strong>in</strong>formelle gruppen,<br />
die die Beratungen im rat vorwegnahmen<br />
und bee<strong>in</strong>flussten. dagegen richtete sich der<br />
sogenannte transfixbrief, e<strong>in</strong>e urkunde mit<br />
ergänzungen zum Verbund brief. diese erzielten<br />
allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>en durchschlagenden erfolg.<br />
die prophetenkammer begann daher, ihre<br />
funktion als nebenraum des rats e<strong>in</strong>zubüßen –<br />
denn die <strong>in</strong>formellen »kränzchen« bildeten<br />
e<strong>in</strong>e alternative politische kraft, die nicht an<br />
den tagungsort <strong>rathaus</strong> gebunden war.<br />
4.3.2013–7.4.2013<br />
ratsprotokoll vom 10. März 1723<br />
Handschrift auf Papier <strong>in</strong> Pergamente<strong>in</strong>band<br />
Historisches Archiv, <strong>Köln</strong>, Best. 10<br />
(Ratsprotokolle) 170, fol. 71r<br />
Seit dem 16. Jahrhundert verlor die prophetenkammer<br />
ihre funktion als nebenraum des rats.<br />
als teil des <strong>rathaus</strong>es blieb sie jedoch erhalten,<br />
und sie wurde – wie der ausgestellte ratsbeschluss<br />
vom 10. märz 1723 belegt – auch baulich<br />
erhalten. allerd<strong>in</strong>gs war ihre ursprüngliche<br />
funktion <strong>in</strong> Vergessenheit geraten. als »so<br />
genannter propheten cammer« sah man <strong>in</strong> ihr<br />
offenbar nur noch e<strong>in</strong> relikt aus der reichsstädtischen<br />
Vergangenheit, ohne zu wissen, welchen<br />
S<strong>in</strong>n sie im Verfassungsgefüge gehabt hatte.
Museum Schnütgen<br />
2012<br />
Kurator<strong>in</strong><br />
Iris Metje<br />
Kurator für das<br />
Historische Archiv<br />
der Stadt <strong>Köln</strong><br />
Max Plassmann<br />
Ausstellungsgestaltung<br />
chezweitz & partner,<br />
Berl<strong>in</strong>, Detlef Weitz<br />
mit Harald Niessner,<br />
Toto B<strong>in</strong>antoro W<strong>in</strong>arni<br />
Abbildungen<br />
Rhe<strong>in</strong>isches<br />
Bildarchiv <strong>Köln</strong>;<br />
Kolumba, <strong>Köln</strong> /<br />
Schenkung Härle;<br />
Dombauarchiv <strong>Köln</strong>,<br />
Matz und Schenk;<br />
Historisches<br />
Archiv der Stadt <strong>Köln</strong>,<br />
Susanne Mehwald
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