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STRATEGIC DESIGN - innovation for leadership

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Berührungsängste im Design<br />

Es muss nicht verwundern, dass eine solche stark ökonomisch geprägte Sichtweise des Design mit<br />

enormen Widerständen zu rechnen hat. Wie stark die Berührungsängste des Design gegenüber der<br />

Ökonomie immer noch sind, belegt beispielhaft eine studentische Vertreterin des Fachbereichsrats<br />

„Produktdesign“ der HfG Offenbach, die in einer Diskussion über die mögliche Einführung eines<br />

Masterabschlusses im Bereich „Innovations­ und Design Management“ die Frage <strong>for</strong>mulierte: „Wollen<br />

Sie etwa Designer zu Managern machen?“ 17 Man mag solche Kommentare vorschnell belächeln,<br />

schließlich dokumentieren sie in gewissem Sinne eine durchaus archaische Angst gegenüber dem Anderen,<br />

dem Fremden. Ken Friedman, ehemaliger Fluxus­Künstler und heutiger Vordenker an der<br />

Schnittstelle von Management und Design, hat derartige Aussagen einmal treffend als „Argument ad<br />

hominem“, als Argument gegen den Menschen bezeichnet: „Don’t listen to him, he is not a designer!“<br />

18 Meines Erachtens sollte man die hinter diesen Aussagen verborgene Kritik jedoch ernst nehmen.<br />

Sie sind nicht nur ein Beleg für die enormen Kommunikationsschwierigkeiten, die beide Disziplinen<br />

– die Ökonomie und das Design – immer noch miteinander haben. Vielmehr offenbart sich hierin<br />

eine durchaus berechtigte und im Prinzip jahrhundertealte Skepsis ästhetischer Professionen gegenüber<br />

der Ökonomie und ihren Interessen. Schon die antiken Baumeister oder die Künstler der Renaissance<br />

waren zwischen künstlerischer Freiheit auf der einen Seite und wirtschaftlicher Abhängigkeit<br />

auf der anderen Seite hin und her gerissen. Ihren intellektuellen Höhepunkt fand der ästhetischökonomische<br />

Skeptizismus allerdings erst in der Moderne und Postmoderne. Von Guy Debords „Société<br />

du Spectacle“ über Wolfgang­Fritz Haugs „Kritik der Warenästhetik“, Jean Beaudrillards „Amerika“<br />

und „Cool Killer“, das „First things first“ Manifesto des amerikanischen Kommunikationsdesigners<br />

Ken Garland bis hin zu den stark ästhetisch geprägten Argumentationslinien von No logo, Attac<br />

und Adbusters: Die Moderne wie die Postmoderne sind voll von Schriften, die auf die Grenzen, Probleme<br />

und Risiken einer Überästhetisierung des Alltagslebens auf der Grundlage eines rein ökonomischen<br />

Kalküls verweisen. 19<br />

Der ästhetische Analphabetismus der Ökonomie<br />

Dieser kritische Blick des Design auf die Wirtschaft trifft auf Seiten der Ökonomie auf eine zwar praktisch<br />

selbstbewusste, aber dennoch theoretisch reichlich verunsicherte Markt­ und Managementlehre.<br />

Zwar werden die alten Paradigmen von funktionierenden Märkten, rational handelnden Marktteilnehmern,<br />

mathematisch berechenbaren Wachstumskuren, an klaren Kosten­ und Effizienzgesichtspunkten<br />

ausgerichteten Unternehmensstrukturen und auf Alleinstellungsmerkmale ausgerichteten Unternehmens­<br />

und Markenstrategien nach wie vor gelehrt. Innovativere Ansätze wie die verhaltensorientierte<br />

Ökonomie, die Transaktionskosten­ und die Institutionenlehre, die pragmatische Organisationswissenschaft,<br />

die Überlegungen zum „Real Business Cycle“ oder auch die postmoderne Management­ und<br />

Marketingkritik haben inzwischen zu einem zunehmenden New School Denken in der Ökonomie geführt.<br />

Konzepte wie das des „multi­optionalen“ oder gar „unmanageable consumer“, des Unternehmens<br />

als „Mülleimer“ oder auch der Ökonomie als Ort von „Chaos“ und „Komplexität“ gehören daher<br />

heute fast schon zum guten Ton in den Wirtschaftswissenschaften. 20 Eine derart „aufgeklärte“ Ökonomie<br />

enthält also durchaus Ansätze, die selbst kritischen Maßstäben standhalten, nur sind diese leider<br />

nur viel zu wenig bekannt. Ein wichtiger Grund dafür, dass man als Designerin oder Designer der<br />

Ökonomie dennoch kritisch begegnen sollte, ist meines Erachtens die Tatsache, dass dort das Design –<br />

trotz des wachsenden Interesses an diesem – immer noch ein Schattendasein fristet. Vergleicht man<br />

etwa die Zahl der Publikationen, die man dort zu Designthemen findet, mit denen, die zu anderen<br />

„Key Issues“ wie zum Beispiel dem Customer Relationship Management veröffentlicht werden, so ist<br />

es durchaus berechtigt, in der Ökonomie von einem „ästhetischen Analphabetismus“ zu sprechen. Dies<br />

manifestiert sich nicht zuletzt auch in der Tatsache, wie oberflächlich in der unternehmerischen Praxis<br />

immer noch mit dem Designphänomen umgegangen wird. So äußerte jüngst der Vorsitzende eines<br />

weltweit führenden Markt<strong>for</strong>schungsunternehmens in einem Interview die Frage: „Design, ist dass<br />

nicht eigentlich nur für Marken wie Bang & Olufsen relevant?“ 21 Ganz ähnlich der neue deutsche<br />

Marketingchef einer Schweizer Bank, der – kurz nachdem das Unternehmen mehrere Millionen für<br />

17 Zitiert nach HERRMANN u. MOELLER 2004d.<br />

18 FRIEDMAN 2004 (ohne Seitenangaben).<br />

19 Vgl. BAUDRILLARD 1987, 1983, 1982 u. 1977, DEBORD 1992, GARLAND 1964, HAUG 1980 u. 1971, KLEIN 2000.<br />

20 Siehe hierzu bspw. GROTH u. NICOLAI 20002, BUERGIN 1999, GABRIEL u. LANG 1995, BAECKER 1994, FRAUNHOFER o. Jg.<br />

21 Zitiert nach HERRMANN u. MOELLER 2004d.<br />

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