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Firmenparty im Rotlicht Bericht: Thomas Datt, Arndt Ginzel ... - MDR

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<strong>Firmenparty</strong> <strong>im</strong> <strong>Rotlicht</strong><br />

<strong>Bericht</strong>: <strong>Thomas</strong> <strong>Datt</strong>, <strong>Arndt</strong> <strong>Ginzel</strong>, Annett Glatz, Adrian-Basil Mueller<br />

<strong>Firmenparty</strong> <strong>im</strong> <strong>Rotlicht</strong> | Manuskript<br />

Leipziger Nächte sind lang. Die Messestadt ist seit jeher ein Ort des rotlichtigen Vergnügens.<br />

Im Metropolis, einem angesagten Nachtlokal, tanzen die Damen besonders gerne für das<br />

betuchte Publikum. Geschäftsleute machen hier 90 Prozent der Kundschaft aus. Der<br />

Dienstplan orientiert sich an Messen und Kongressen. Aber auch Firmenfeiern finden<br />

regelmäßig in der Tabledancebar statt.<br />

O-Ton: Nora, Tänzerin<br />

"Ja, natürlich. Also wenn die Weihnachten feiern, große Firmen oder Konzerne, die kommen<br />

alle zu uns rein. Warum denn nicht. Das ist doch lustig, schöne Frauen <strong>im</strong>mer dabei.<br />

Besonders Weihnachtsfeier, da kommen alle großen Firmen der Stadt Leipzig zu uns."<br />

Über die Aufregung um die Sexparty einer deutschen Versicherung in Ungarn kann man sich<br />

hier nur wundern.<br />

O-Ton: Kevin Kral, Metropolis Leipzig<br />

"Zehn Personen für heute Abend 23 Uhr."<br />

Frage: "Was war das?"<br />

"Das war eine Hotelreservierung, die eine Lounge bestellt haben für heute Abend."<br />

Frage: "Das sind dann auch Geschäftsleute?"<br />

"Das kann ich jetzt nicht sagen, aber ich vermute mal. Hotelreservierungen sind meistens<br />

Businessgäste. Ich vermute, dass das mit dem aktuellen Kongress zu tun hat. Wir sind heute<br />

Abend fast ausgebucht. Während des Kongresses merkst du das besonders, dass hier die<br />

Sitzgruppen und die Lounges vorreserviert sind – das Metropolis …"<br />

Für Businesskunden hat man hier einen Spezialbereich geschaffen. Und der wird fleißig<br />

frequentiert.<br />

O-Ton: Kevin Kral, Metropolis Leipzig<br />

"Hier haben wir unsere VIP-Lounge. Die steht natürlich für Geschäftsgäste zur Verfügung.<br />

Wir arbeiten natürlich viel mit Hotels zusammen, aber es kommt auch vor, dass die<br />

Sekretärin anruft und sagt: Mein Chef ist auf Dienstreise mit seinen Geschäftsfreunden und<br />

reserviert bei uns – das ist ganz normaler Standard."<br />

Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers<br />

verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zust<strong>im</strong>mung des Urheberberechtigten ist unzulässig.<br />

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<strong>Firmenparty</strong> <strong>im</strong> <strong>Rotlicht</strong> | Manuskript<br />

Und wenn der Chef seinen Partnern noch mehr bieten will, dann geht's direkt in ein Bordell.<br />

Davon gibt es in Leipzig mehr als 20 – für jeden Geldbeutel. Für Taxifahrer Roger Göpner sind<br />

gerade die Firmenfahrten lukrativ. Die Fahrer bekommen Provision von den Clubs.<br />

O-Ton: Roger Göpner, Taxifahrer<br />

"Ich bin natürlich dankbar, wenn ich große Firmenfeiern in die Richtung abtransportieren<br />

darf. Weil ich ja dann auch ein kleines Trinkgeld davon habe."<br />

"Das ist nichts Ungewöhnliches?"<br />

"Nein, das ist nicht ungewöhnlich. Ich sage, umso mehr Kongresse in der Stadt sind, desto<br />

mehr solche Männergruppen haste, die dann gemeinsam den Abend irgendwo ausklingen<br />

lassen wollen. Ich gebe natürlich meine Empfehlung, weil ich dann auch <strong>im</strong>mer diverses<br />

Material <strong>im</strong> Sitz habe – wo die dann hingehen können."<br />

Betriebsvergnügen auf Firmenkosten. Im jüngsten Skandal wurden die Sexorgien von<br />

Versicherungsvertretern <strong>im</strong> Budapester Gellertbad sogar be<strong>im</strong> Finanzamt eingereicht.<br />

Tatsächlich ist es bislang in Deutschland möglich, solche "Firmenveranstaltungen" mit ein<br />

bisschen Kreativität von der Steuer abzusetzen. Hans-Joach<strong>im</strong> Selenz, ehemaliger<br />

Topmanager, prangert seit Jahren den Werteverfall in deutschen Führungsetagen an, dem<br />

man scheinbar mit Paragrafen nicht beikommt.<br />

O-Ton: Hans-Joach<strong>im</strong> Selenz<br />

"Wir sollten auch, gerade was den Gesetzgeber angeht, dort viel härtere Maßnahmen<br />

anlegen. Das derartige Dinge auch noch vom Steuerzahler bezahlt werden, dass hat mit<br />

Firmenkultur gar nicht zu tun."<br />

In Wien gewährt uns ein ausgewiesener Fachmann Einblick in diese normalerweise streng<br />

abgeschottete Welt. Alexander Gerhardinger, Chef von Österreichs größtem Saunaclub,<br />

schrieb ein Buch über die Strukturen des Milieus. Die Damen sind nicht be<strong>im</strong> Chef angestellt,<br />

sondern arbeiten als Selbstständige. Die Kunden zahlen erstmal 80 Euro Eintritt, und die<br />

kassiert dann der Chef.<br />

Erotische Firmenhappenings sind hier ganz normal. Immerhin 60 Damen stehen täglich zur<br />

Verfügung - ein int<strong>im</strong>es Stelldichein gibt's für 60 Euro die halbe Stunde.<br />

O-Ton: Alexander Gerhardinger<br />

"Das sind lauter kleine Z<strong>im</strong>mer. Wir haben 30 Stück."<br />

Frage: "Ohne Türe? Wie oft haben Sie so gebuchte Gruppen?"<br />

"Zwei- bis dre<strong>im</strong>al die Woche."<br />

Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers<br />

verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zust<strong>im</strong>mung des Urheberberechtigten ist unzulässig.<br />

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<strong>Firmenparty</strong> <strong>im</strong> <strong>Rotlicht</strong> | Manuskript<br />

Ganze 30 Prozent der Einnahmen des Saunaclubs werden mit solchen durchorganisierten<br />

Firmenfeiern bestritten. Erst der Deal, dann das Vergnügen. Alexander Gerhardinger kennt<br />

das auch umgekehrt.<br />

O-Ton: Alexander Gerhardinger<br />

"Unter Geschäftsleuten, um das Eis zu brechen. Das heißt, wenn die den ganzen Tag Sitzung<br />

haben oder eine große Generalversammlung und dann später am Abend besucht man dann<br />

so ein Lokal, um das ganze aufzulockern."<br />

Reporterin: "Nun kann man das Ganze ja auch be<strong>im</strong> Glas Wein be<strong>im</strong> Heurigen hier machen."<br />

"Das machen sie sowieso. Aber es geht gewisse Geschäftsbeziehungen zu vertiefen. Und<br />

dieses gemeinsame Gehe<strong>im</strong>nis schweißt auch ein bisschen zusammen."<br />

Um deutlich mehr als ums pure Zusammenschweißen ging's seinerzeit <strong>im</strong> VW-Skandal. Der<br />

Sex auf Firmenkosten diente vor allem dazu, Betriebsräte bei Laune und <strong>im</strong> Zaum zu halten.<br />

2004 flog das Ganze auf. So wurden Arbeitnehmervertretern bei Dienstreisen regelmäßig<br />

Prostituierte zugeführt. Das Unternehmen kam auch für die Geliebte des langjährigen<br />

Betriebsratschefs auf - sie erhielt eine Scheinanstellung, Schmuck und Reisen wurden<br />

bezahlt.<br />

O-Ton: Prof. Hans-Joach<strong>im</strong> Selenz, Autor "Schwarzbuch VW"<br />

"Diese Vorgänge zeigen natürlich, dass in derartigen Unternehmen, die solche Sachen<br />

systematisch betreiben, ganz offensichtlich ein Kl<strong>im</strong>a herrscht, was auf Abhängigkeiten<br />

ausgelegt ist."<br />

Hauptverantwortlich für das dubiose Verwöhnprogramm: Der damalige Personalvorstand<br />

Peter Hartz; später wegen Untreue verurteilt. Dass solche Partys überhaupt öffentlich<br />

werden, ist eher die Ausnahme<br />

Zurück nach Wien: Diskretion ist oberstes Gebot. Während es bis vor ein paar Jahren<br />

durchaus noch üblich war, dass der Clubname auf der Rechnung stand, wird das mittlerweile<br />

geschickt umgangen.<br />

O-Ton: Alexander Gerhardinger<br />

"Da gibt es eine GmbH, die einen Namen von einer Gastwirtschaft hat und hier steht dann<br />

<strong>im</strong> Text – Ausrichtung einer Party oder Champagner oder Livemusik. Da gibt es viele<br />

verschiedene Texte."<br />

Frage: "Bis zu welchen Summen geht das so?"<br />

"Zwischen 15 und 30.000 Euro."<br />

Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers<br />

verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zust<strong>im</strong>mung des Urheberberechtigten ist unzulässig.<br />

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"Und das sind dann Firmenkosten?"<br />

"Das ist anzunehmen – wir stellen das so in Rechnung."<br />

<strong>Firmenparty</strong> <strong>im</strong> <strong>Rotlicht</strong> | Manuskript<br />

Das ist der VIP-Raum. Dass dabei die Männer unter sich bleiben, wird wohl auch weiterhin so<br />

bleiben und dass Managerinnen somit außen vor sind ebenso.<br />

O-Ton: Alexander Gerhardinger<br />

"Ich werde oft gefragt, warum es für Frauen so schwer <strong>im</strong> obersten Management ist. Weil<br />

die nicht dabei sind, wenn's lustig wird."<br />

Ob man diese Form des Geschäftsverkehrs lustig findet, sei dahin gestellt. Klar ist, dass die<br />

Fälle, die bekannt werden, nicht einmal die Spitze des Eisbergs sind.<br />

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