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Entlehnungen als Ergebnis von Migration. Eine Dokumentation ...

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Ulrike Kramer<br />

9606914<br />

<strong>Entlehnungen</strong> <strong>als</strong><br />

<strong>Ergebnis</strong> <strong>von</strong> <strong>Migration</strong><br />

<strong>Eine</strong> <strong>Dokumentation</strong> kulinarischer<br />

<strong>Entlehnungen</strong><br />

im Österreichischen Wörterbuch<br />

SE <strong>Migration</strong> und Sprache<br />

Prof. Rudolf de Cillia<br />

WS 2002/2003


Inhaltsverzeichnis<br />

1<br />

1. Einleitung 2<br />

2. Das Phänomen <strong>Migration</strong> und seine Auswirkungen auf die Sprache 2<br />

3. <strong>Entlehnungen</strong>, Lehnwörter und Fremdwörter 4<br />

4. Ursachen, Formen und Arten <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong> 7<br />

4.1. Ursachen 7<br />

4.2. Formen 8<br />

4.3. Arten und Wege 9<br />

5. Assimilation <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong> 10<br />

6. Kennzeichen kulinarischer <strong>Entlehnungen</strong> im Österreichischen Wörterbuch<br />

7. Kulinarische <strong>Entlehnungen</strong> im Österreichischen Wörterbuch – Versuch<br />

12<br />

einer kritischen Bestandaufnahme 14<br />

7.1. Kulinarische <strong>Entlehnungen</strong> nach Auflagen 15<br />

7.2. Zur Gruppierung kulinarischer <strong>Entlehnungen</strong> nach ihrer Herkunft 17<br />

7.3. Gruppen <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong> im ÖWB 2001 18<br />

7.3.1. Osteuropa (Ungarische und slawische <strong>Entlehnungen</strong>)<br />

7.3.2. Südöstlicher Mittelmeerbereich (Griechische und türkische<br />

18<br />

<strong>Entlehnungen</strong>) 20<br />

7.3.3. Italien 21<br />

7.3.4. Spanien und TexMex-Küche 22<br />

7.3.5. Französischsprachige Länder 24<br />

7.3.6. Angloamerikanischer Bereich 26<br />

7.3.7. Südostasien 28<br />

7.3.8. Sonstige 30<br />

8. Zusammenfassung 30<br />

Bibliographie 31


1. Einleitung<br />

2<br />

„Der Mensch ist, was er ißt“ – diese Aussage <strong>von</strong> Paracelsus (Peltzer/Normann 1994:<br />

149) gibt unverkennbar den Stellenwert wieder, der dem Essen im allgemeinen<br />

zugeschrieben wird. Zumeist geht essen weit über die bloße Nahrungsaufnahme<br />

hinaus; es wird mit Genuß verbunden und zählt zu den zentralen Bestandteilen der<br />

Kultur eines Landes. Durch die zunehmende Mobilität der menschlichen<br />

Gesellschaft kommen auch die diversen Kulturkreise verstärkt miteinander in<br />

Berührung, was nicht ohne Auswirkungen auf die verschiedenen<br />

Nahrungsgewohnheiten bleibt.<br />

Der Einfluß unterschiedlicher Kulturen hat das Nahrungsangebot in Österreich durch<br />

die vergangenen Jahre und Jahrzehnte hindurch verändert und reicher gemacht.<br />

Gemeinsam mit den betreffenden Nahrungsmitteln wurden meistens auch gleich die<br />

dazugehörigen Bezeichnungen entlehnt, sodaß auch der österreichische Wortschatz<br />

einige Neuzugänge erhielt. Viele dieser Wörter fanden in Folge Aufnahme in das<br />

Österreichische Wörterbuch (ÖWB), besonders in den letzten beiden Auflagen, <strong>als</strong><br />

das ÖWB stark überarbeitet wurde.<br />

Diese Arbeit befaßt sich mit solchen kulinarischen <strong>Entlehnungen</strong>, die den Sprung ins<br />

ÖWB geschafft haben. Sie soll der Versuch einer kritischen Bestandaufnahme sein<br />

und dokumentieren, auf welche Weise <strong>Entlehnungen</strong> aus dem kulinarischen Bereich<br />

im ÖWB erfaßt werden. Unter anderem soll die Frage erörtert werden, ob die<br />

Herkunft dieser Wörter in irgendeiner Art und Weise im Wörterbuch aufscheint, und<br />

wenn ja, nach welchem System.<br />

2. Das Phänomen <strong>Migration</strong> und seine Auswirkungen auf die<br />

Sprache<br />

<strong>Migration</strong>, <strong>als</strong>o die Wanderung <strong>von</strong> Menschen, dürfte vermutlich annähernd so alt<br />

sein wie die Menschheit selbst; zumindest sind Bewegungen menschlicher Gruppen<br />

aus der Geschichte seit langem bekannt. Als Auslöser für eine derartige<br />

Handlungsweise kommen verschiedene Faktoren in Frage; die Suche nach neuen,<br />

zumeist besseren Lebensumständen kann <strong>als</strong> wichtiges Kriterium gelten, aber auch<br />

andere Umstände wie der menschliche Wissensdrang spielen dafür eine große Rolle.


3<br />

In den meisten Fällen hatten derartige Bewegungen <strong>von</strong> Menschen auch<br />

Auswirkungen auf die Sprache, seien es nun tiefgreifende Konsequenzen wie die<br />

Herausbildung ganzer neuer Sprachen und Sprachzweige aus einer Sprache, wie sich<br />

im Falle der Indogermanischen Ursprache nachweisen läßt, oder sei es lediglich die<br />

gegenseitige phonologische, grammatikalische und vor allem lexikalische<br />

Beeinflussung <strong>von</strong> Sprachen, die miteinander in Kontakt treten. Der Grad der<br />

Sprachverwandtschaft spielt für diesen Einfluß nur eine untergeordnete Rolle, wie<br />

der Begriff des „Sprachbundes“ deutlich macht, bei dem zwischen nicht verwandten<br />

Sprachen eine Angleichung stattfindet (König 2001: 37).<br />

Häufig wird <strong>Migration</strong> <strong>als</strong> Wanderung in einem engen Sinn verstanden und im<br />

weiteren in die Begriffe Emigration und Immigration unterteilt, wobei Emigration<br />

die Auswanderung aus einem Land bezeichnet und Immigration die Einwanderung in<br />

ein anderes Land. In Österreich werden solche Bevölkerungsbewegungen jedes Jahr<br />

<strong>von</strong> der Statistik Austria (Jahrbuch 2003, Kapitel 2.45) erfaßt. Demnach kamen im<br />

Jahr 2001 innerhalb Europas größere Einwanderungsströme aus Ländern der<br />

Europäischen Union (Deutschland, Italien, Vereinigtes Königreich), aus<br />

Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (Kroatien, Bosnien, Republik<br />

Jugoslawien), aus der Türkei sowie aus Polen, Ungarn und Rumänien. Außerhalb<br />

Europas gab es Migrantengruppen aus Asien (Afghanistan, Iran, Indien, China),<br />

Afrika (unter anderem Nigeria und Ägypten) und <strong>von</strong> Ländern des amerikanischen<br />

Kontinents.<br />

Ein Blick in den Wiener Lokalführer beweist, daß sich <strong>Migration</strong> zumeist auch auf<br />

den kulinarischen Bereich auswirkt; hier werden in der Kategorie „Ausländische<br />

Restaurants“ allein 34 Subkategorien aufgelistet. Häufig wird allerdings nicht<br />

berücksichtigt, daß auch (Massen-)Tourismus eine Form <strong>von</strong> <strong>Migration</strong> darstellt, die<br />

für die Verbreitung fremder Speisen oft größeres Gewicht hat <strong>als</strong> der Einfluß <strong>von</strong><br />

Immigranten. So manche eßbaren Produkte sind <strong>von</strong> Österreichern und Deutschen<br />

aus dem Urlaub mitgebracht worden bzw. wurden zu Hause nachgekocht, so daß<br />

vieles inzwischen nicht nur in Spezialitätenrestaurants zu bekommen ist, sondern<br />

auch in diversen anderen Lokalen oder gar <strong>als</strong> Fertiggerichte in den Supermärkten<br />

angeboten wird. Ebenso tragen auch der Handel und die verstärkte Mobilität vieler<br />

Bürger dazu bei, daß viele Speisen in (internationalen) Umlauf kommen. Im weiten<br />

Sinn fallen <strong>als</strong>o unter <strong>Migration</strong> viele Arten <strong>von</strong> menschlicher Bewegung, die zu<br />

einem kulturellen und somit auch sprachlichen Austausch führen.


3. Über <strong>Entlehnungen</strong>, Lehnwörter und Fremdwörter<br />

4<br />

<strong>Entlehnungen</strong> sind, ganz allgemein erklärt, Wörter, die „ausgeliehen“ wurden, die<br />

<strong>als</strong>o ursprünglich kein Bestandteil der Sprache waren, in der sie sich zum<br />

gegenwärtigen Zeitpunkt befinden. Somit sind sie sachlich dem Fachgebiet der<br />

Lexikologie zuzuordnen, das sich mit dem Aufbau des Wortschatzes beschäftigt. In<br />

diesem Rahmen umfaßt der Bereich der <strong>Entlehnungen</strong> natürlich auch mehrere<br />

Fachbegriffe, die vorneweg unterschieden werden sollten; dazu zählen die Termini<br />

Entlehnung, Lehnwort sowie Fremdwort.<br />

Unter dem Begriff <strong>Entlehnungen</strong> versteht man Wörter und Wendungen, die aus einer<br />

anderen Sprache in die eigene übernommen werden. Zustande kommt diese<br />

Entwicklung durch den mehr oder weniger intensiven Kontakt zweier (oder<br />

mehrerer) Sprachen und der damit verbundenen Kulturen. Zumeist beeinflussen sich<br />

beide Sprachen gegenseitig, wobei jedoch die Annahme allgemein dorthin geht, daß<br />

die prestigehöhere Sprache auf die prestigeniedrigere größere Einwirkungen hat.<br />

Diese Annahme wird im großen und ganzen wohl auch zutreffen, <strong>als</strong><br />

vorherrschender Faktor für die Richtung, in die entlehnt wird, dürfte jedoch die<br />

Ursache der <strong>Entlehnungen</strong> gelten.<br />

Bußmann definiert den Eintrag Entlehnung in ihrem Lexikon der Sprachwissenschaft<br />

(1990: 213) wie folgt:<br />

Vorgang und <strong>Ergebnis</strong> der Übernahme eines sprachlichen Ausdrucks aus einer<br />

Fremdsprache in die Muttersprache, meist in solchen Fällen, in denen es in der<br />

eigenen Sprache keine Bezeichnung für neu entstandene Sachen bzw.<br />

Sachverhalte gibt.<br />

Bußmann führt im Anschluß an diese Erklärung die Entwicklung politischer,<br />

kultureller, gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Verhältnisse <strong>als</strong> Gründe für das<br />

Phänomen Entlehnung an. In jedem Fall kann aber das Fehlen einer Bezeichnung für<br />

neue Gegenstände oder Konzepte <strong>als</strong> eines der prominentesten Motive für<br />

<strong>Entlehnungen</strong> gelten.<br />

<strong>Entlehnungen</strong> werden manchmal auch <strong>als</strong> Lehnwörter im weiten Sinne bezeichnet,<br />

vgl. hierzu wiederum Bußmann (1990: 444):<br />

Lehnwort.<br />

(2) L. im weiteren Sinn: Oberbegriff für → Fremdwort und L. im Sinn <strong>von</strong> (1)


Unter (1) findet sich dann die Erläuterung <strong>von</strong> Lehnwort im engeren Sinn, nämlich:<br />

5<br />

[I]m Unterschied zum → Fremdwort solche → <strong>Entlehnungen</strong> einer Sprache A<br />

aus einer Sprache B, die sich in Lautung, Schriftbild und Flexion vollständig an<br />

die Sprache A angeglichen haben.<br />

Als Beispiele für solche Lehnwörter führt Bußmann die Wörter Fenster, Wein und<br />

choucroute („Sauerkraut) an, die auf die Wörter fenestra, vinum (beide lateinischer<br />

Herkunft) bzw. auf das deutsche Sauerkraut zurückzuführen sind.<br />

Es ist offensichtlich, daß die Ambiguität des Begriffes Lehnwort nicht ganz<br />

unproblematisch ist, zumal die beiden Termini in ihrer Bedeutung auch noch eine<br />

erhebliche Ähnlichkeit miteinander aufweisen. Die Verwendungsweise <strong>von</strong><br />

Lehnwort <strong>als</strong> Synonym zu Entlehnung ist <strong>von</strong> dieser Warte her eher unglücklich<br />

gewählt, weil ein terminologisches Durcheinander hier geradezu vorherbestimmt ist<br />

und sich die Zusätze „im engen Sinne“ und „im weiten Sinne“ in der Realität auch<br />

nicht <strong>als</strong> sonderlich praktisch erweisen.<br />

Wenn man die <strong>von</strong> Bußmann genannten Beispielwörter betrachtet, mag die<br />

Bezeichnung Lehnwort allerdings generell eher zweifelhaft erscheinen. Fenster und<br />

Wein, die zum grundlegenden Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache<br />

gehören, sollen auch noch nach heutigem Ermessen Lehnwörter sein? Dieser<br />

Gedanke kommt einem dann doch ein wenig merkwürdig vor. Nehmen wir zum<br />

Vergleich Bußmanns Definition <strong>von</strong> Fremdwort unter die Lupe (1990:253):<br />

[A]us einer fremden Sprache in die Muttersprache übernommener sprachlicher<br />

Ausdruck (meist zugleich mit der durch ihn bezeichneten Sache), der im<br />

Unterschied zum → Lehnwort sich nach Lautung, Orthographie und Flexion<br />

(noch) nicht in das graphemische bzw. morphophonemische System der<br />

Sprache eingepaßt hat [.]<br />

Als Beispiele für Fremdwörter nennt Bußmann Pneumonie, Revolution und<br />

Spaghetti, und anhand dieser 3 Wörter wird das Dilemma der Fremdwort-Definition<br />

bereits augenscheinlich. Kann ein medizinisches Fachwort wie Pneumonie<br />

(„Lungenentzündung“), das dem überwiegendem Teil der Nichtmediziner entweder<br />

völlig unbekannt oder bestenfalls passiv bekannt ist, denn buchstäblich in einen Topf<br />

geworfen werden mit Spaghetti, die heute in fast jedem österreichischen Haushalt<br />

gekocht werden? Bußmann räumt zwar ein, daß der Übergang <strong>von</strong> Fremdwort zu


6<br />

Lehnwort oft fließend ist, das ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß ihre<br />

Definitionen lediglich für die diachrone Sprachwissenschaft gelten können. Für die<br />

synchrone Sprachwissenschaft sind sie generell ungeeignet, denn de facto werden<br />

<strong>Entlehnungen</strong> heutzutage weder so assimiliert, wie dies mit Fenster, Wein und<br />

choucroute geschehen ist, noch gibt es <strong>Entlehnungen</strong>, die in keiner Weise an ihre<br />

Zielsprache angepaßt wurden. Jedes Fremdwort, das Eingang in die deutsche<br />

Sprache findet, wird auch mehr oder weniger an die deutsche bzw. österreichische<br />

Phonetik angeglichen (schon allein aus dem Grund, weil Sprecher des Deutschen gar<br />

nicht alle fremden Laute aussprechen können). Ebenso wird es auch in das<br />

Flexionssystem eingegliedert, das heißt, Nomen erhalten z.B. ein grammatikalisches<br />

Geschlecht und Verben Konjugationsendungen (mehr dazu in Kap. 5). Überdies<br />

ergibt sich aus Bußmanns Erklärungen noch ein Kuriosum: demnach sind nämlich<br />

bloße Veränderungen in der Rechtschreibung ausreichend, um aus Fremdwörtern<br />

Lehnwörter zu machen (vgl. Telephon vs. Telefon, Spaghetti vs. Spagetti).<br />

Bei Stedje (2001: 23) fallen die Definitionen <strong>von</strong> Fremdwort und Lehnwort weniger<br />

eng gefaßt aus <strong>als</strong> bei Bußmann. Fremdwort wird erklärt <strong>als</strong> „ein aus einer anderen<br />

Sprache in den allgemeinen Wortschatz übernommenes (= lexikalisiertes) Wort“ und<br />

ein Lehnwort ist „ein mehr oder weniger assimiliertes Fremdwort“. In ähnlicher<br />

Weise schreibt auch Schippan (1992: 263): „<strong>Eine</strong> terminologische Abgrenzung <strong>von</strong><br />

Fremd- und Lehnwort richtet sich nach dem Grad der Eindeutschung.“ <strong>Eine</strong> wirklich<br />

befriedigende Begriffsbestimmung für die synchrone Sprachwissenschaft liefern<br />

diese Erklärungen jedoch auch nicht. Peter Braun stellt prinzipiell fest, daß<br />

Lehnwörter im Deutschen keinen sehr hohen Status haben und traditionell schon<br />

lange durch Fremdwörterbücher tradiert werden, eine Art Wörterbücher, die in den<br />

meisten europäischen Sprachen gar nicht existieren, und er beklagt, daß sich in<br />

diesen Wörterbüchern völlig unzutreffende Einträge „<strong>von</strong> höchstem Gebrauchswert“<br />

(1990b: 30) finden wie Balkon, Ball (Tanzfest), Banane, Fabrik, Familie, Fanfare,<br />

Fasan und Ferien (ebd.). Da die Fremdheit eines Wortes vor allem auch stark aus<br />

seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Fachwortschatz resultiert, schlägt er vor,<br />

daß man sich in der Fremdwortfrage stärker auf den Gebrauch <strong>von</strong> Wörtern denn auf<br />

ihre geschichtliche Herkunft konzentrieren sollte.


4. Ursachen, Formen und Arten <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong><br />

7<br />

Abgesehen <strong>von</strong> der Diskussion um die Begriffe Fremdwort und Lehnwort gibt es<br />

noch einige weitere Aspekte, die für die sprachwissenschaftliche Untersuchung <strong>von</strong><br />

<strong>Entlehnungen</strong> <strong>von</strong> Belang sind. Zu diesen Aspekten gehören die Ursachen, die<br />

Formen sowie die verschiedenen Arten <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong>.<br />

4.1. Ursachen<br />

An erster Stelle steht die Frage nach den Ursachen. Warum hat es eine Sprache<br />

überhaupt nötig, fremdes Wortgut aufzunehmen?<br />

Ein wichtiges Motiv ist hier nach wie vor die Entlehnung eines Wortes mit der Sache<br />

(für kulinarische Begriffe kann dies <strong>als</strong> die vorherrschende Ursache gelten). Weitere<br />

Gründe liegen im Status, der einem bestimmten Sachbereich und der damit<br />

verbundenen Sprache zugeordnet wird. So war der Stellenwert der Kirche <strong>als</strong><br />

kulturelles Vorbild ein maßgeblicher Punkt für viele <strong>Entlehnungen</strong> aus dem<br />

Lateinischen und Griechischen. Auch waren diese beiden Sprachen lange Zeit die<br />

Wissenschaftssprachen schlechthin, und genossen somit ebenso wie die Wissenschaft<br />

hohes Ansehen. Inzwischen hat eher das Englische die Funktion der<br />

Wissenschaftssprache übernommen, dem Image <strong>von</strong> Latein und Griechisch <strong>als</strong><br />

Bildungssprachen hat dies jedoch keinen Abbruch getan. Ähnlich wirkt sich auch der<br />

wirtschaftliche und politische Einfluß gewisser Länder auf deren Sprachen aus. So<br />

hat insbesondere der Rang der USA <strong>als</strong> Supermacht der englischen Sprache zu einer<br />

ungeheuren Bedeutung und Beliebtheit verholfen, das Englische ist seit dem 2.<br />

Weltkrieg gleichsam zur Modesprache geworden. Dazu spielt noch die gruppen- und<br />

schichtenspezifische Übernahme <strong>von</strong> Wörtern <strong>als</strong> Motiv eine Rolle. Entlehnten vom<br />

16. bis ins 19. Jahrhundert Adel und Bildungsbürgertum Wörter aus dem<br />

Französischen, um sich damit vom gewöhnlichen Volk zu distanzieren, so versuchen<br />

sich heute vornehmlich junge Leute mit der Übernahme englischer Wörter den<br />

Anstrich zu geben, daß sie im Gegensatz zu ihrer Elterngeneration cool, hip, in und<br />

trendy sind. Auch hat die internationale Zusammenarbeit die Entstehung <strong>von</strong><br />

Internationalismen gefördert, die heute ebenfalls oft aus dem Englischen stammen.<br />

Bei <strong>Entlehnungen</strong> aus ein und derselben Sprache kommen <strong>als</strong>o oft mehrere Faktoren<br />

zusammen. Für weitere Ursachen siehe Schippan (1992: 261-262, Kap. 10.4.1.).


4.2. Formen<br />

8<br />

Was Formen <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong> angeht, so wurden die ebenso klassischen wie<br />

umstrittenen Begriffe Fremdwort und Lehnwort bereits genannt. Daneben gibt es<br />

noch weitere Klassifizierungen, nämlich Lehnbedeutung, Lehnübersetzung,<br />

Lehnübertragung, Lehnschöpfung sowie Internationalismus.<br />

Im Falle einer Lehnbedeutung wird nur die Bedeutung entlehnt, nicht das Wort. Ein<br />

Beispiel dafür ist die englische Wendung to cut a person, die ins Deutsche in der<br />

Form jmdn. schneiden übernommen wurde. Bei einer Lehnübersetzung werden alle<br />

Bestandteile eines fremdsprachlichen Ausdrucks wörtlich übersetzt; auf diese Weise<br />

wurde z.B. aus dem englischen pocket-book das deutsche Taschenbuch. Im<br />

Gegensatz dazu ist eine Lehnübertragung eine freiere Übersetzung, die nicht 1:1 mit<br />

dem Original übereinstimmt. Dies ist beispielsweise der Fall beim englischen Wort<br />

sky-scraper und seiner deutschen Entsprechung Wolkenkratzer. <strong>Eine</strong> Lehnschöpfung<br />

wiederum ist eine Neubildung, die mit ihrem Vorbild formal nichts mehr gemein hat;<br />

dies kann z.B. bei geschützten Markennamen notwendig sein. So wurde das deutsche<br />

Erzeugnis, das dem französischen Cognac entspricht, kurzerhand Weinbrand getauft.<br />

Lehnübersetzungen, Lehnübertragungen und Lehnschöpfungen werden auch mit dem<br />

Begriff Lehnbildungen zusammengefaßt (Stedje 2001: 23-25)<br />

Unter einem Internationalismus versteht man schließlich, wie Ulrich Winfried 1972<br />

in seinem Wörterbuch Linguistische Grundbegriffe definiert (siehe Braun 1993:<br />

194), ein „Wort, das in vielen Nation<strong>als</strong>prachen, international gebräuchlich, ohne<br />

Übersetzung verständlich ist“. Klassische Internationalismen sind viele Wörter<br />

griechischer oder lateinischer Herkunft wie Theater, Biologie, Kommunikation und<br />

Virus bzw. lateinisch-griechische Mischformen (sogenannte Hybridbildungen) wie<br />

Diskothek und television, aber es finden in zunehmenden Maß auch englische Wörter<br />

in mehreren Nation<strong>als</strong>prachen Verbreitung (z.B. Fan, Flirt, Interview und Boykott).<br />

Außerdem gibt es noch Internationalismen aus außereuropäischen Sprachen (z.B.<br />

Tiernamen), worin Braun (1990b: 23) folgenden Grund erkennt:<br />

In der Lexik der europäischen Sprachen erscheinen solche Bezeichnungen <strong>als</strong><br />

Internationalismen, deren Referenzen ursprünglich auf Gegenstände der<br />

außereuropäischen Welt gerichtet waren und die durch die Praktiken des<br />

Kolonialismus in Europa allgemein bekannt wurden.


9<br />

In ähnlicher Weise haben sich heute durch den Tourismus auch Bezeichnungen <strong>von</strong><br />

Speisen (z.B. Pizza und Sushi) zu Internationalismen entwickelt, wobei das<br />

Englische bei der Verbreitung solcher Internationalismen zumeist eine wichtige<br />

Rolle spielt.<br />

4.3. Arten und Wege<br />

Zuletzt stellt sich noch die Frage, wie <strong>Entlehnungen</strong> in eine bestimmte Sprache<br />

transportiert werden. Man unterscheidet hier zwischen sprachlichem Substrat,<br />

direkten <strong>Entlehnungen</strong>, indirekten <strong>Entlehnungen</strong> und Rückentlehnungen.<br />

Sprachliches Substrat macht dabei allerdings keine wirklich bedeutende Gruppe aus.<br />

Es handelt sich dabei um Reste einer dominierten Sprache, die in der dominierenden<br />

Sprache erhalten bleiben; dies ist zumeist der Fall, wenn eine Sprache<br />

zurückgedrängt wird bzw. ausstirbt. Ins Germanische gelangten so einige wenige<br />

Wörter aus dem Keltischen wie z.B. welsch, Eisen, Amt und Reich sowie manche<br />

Ortsnamen (siehe Stedje 2001: 25).<br />

Von einer direkten Entlehnung spricht man, wenn ein Wort <strong>von</strong> einer Sprache<br />

geradewegs in eine andere übernommen wird, ohne Umwege über eine andere<br />

Sprache. Dies ist oft bei Sachentlehnungen der Fall, allerdings nicht zwangsläufig.<br />

Beispiele für direkte <strong>Entlehnungen</strong> sind Wein (lateinischer Herkunft), Champagner<br />

(französischer Herkunft) und Comics (englischer Herkunft).<br />

Komplizierter ist der Fall bei indirekten <strong>Entlehnungen</strong>. Diese gelangen nicht aus<br />

ihrem eigentlichen Herkunftsland in eine bestimmte Sprache wie das Deutsche,<br />

sondern durchqueren vorher noch ein oder mehrere Länder und die damit<br />

verbundenen Sprachen. Als Beispiel sei das deutsche Wort Spinat genannt, das<br />

ursprünglich aus dem Persischen stammt und <strong>von</strong> dort über das Arabische ins<br />

Spanische vermittelt wurde, aus dem es schließlich ins Deutsche gelangte (Kluge<br />

1999: 779, siehe auch Gutknecht 2002: 221f.). <strong>Eine</strong> solcher Entlehnweg ist speziell<br />

für kulinarische Begriffe nicht unüblich, und es stellt sich unweigerlich die Frage,<br />

welche Sprache in so einem Fall diejenige ist, aus der das betreffende Wort stammt.<br />

Tatsächlich läßt sich diese Frage kaum beantworten, da für die meisten solcher<br />

Begriffe die gesamte Kulturgeschichte mitberücksichtigt werden müßte, was den<br />

Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Manche Autoren wie Gutknecht haben sich


10<br />

aber solcher „Wortgeschichten“ angenommen und scheinen mit derartigen<br />

Publikationen wohl auch auf ein recht reges Interesse zu stoßen.<br />

Zuletzt seien noch Rückentlehnungen genannt; hierunter versteht man <strong>Entlehnungen</strong>,<br />

die aus einer Sprache in eine andere entlehnt wurden und aus ebendieser wieder in<br />

die Ausgangssprache zurückkehren. Dies ist z.B. bei den ins Deutsche entlehnten<br />

Wörtern Salon und Balkon der Fall, die ihrerseits aus Vorformen der deutschen<br />

Wörter Saal und Balken ins Französische entlehnt wurden.<br />

5. Assimilation <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong><br />

Damit das entlehnte Wortgut seine Funktion in der deutschen Sprache erfüllen kann,<br />

muß es in das deutsche Sprachsystem entsprechend eingegliedert werden. Diese<br />

Eingliederung erfolgt auf Basis nachstehender Kriterien: nach der Phonologie, nach<br />

der Grammatik, nach der lexikalischen Semantik und nach der Orthographie.<br />

Die phonologische Eingliederung beruht gewöhnlich auf dem Prinzip der<br />

Lautsubstitution, <strong>als</strong>o auf dem Ersetzen fremder Phoneme durch bekannte. Hierbei<br />

gibt es zwei Möglichkeiten: zum einen das Ersetzen des fremden Phonems durch<br />

eines, das im Deutschen vorkommt und ähnlich klingt (z.B. engl. [æ] durch dt. [ε] in<br />

einem Wort wie chatten oder engl. [θ] durch dt. [s] wie in Thriller), und zum anderen<br />

das Ersetzen des fremden Phonems nach dem Schriftbild (<strong>als</strong>o engl. [θ] durch dt. [t],<br />

da [θ] <strong>als</strong> geschrieben wird).<br />

Das nächste ist die grammatikalische Eingliederung des entlehnten Wortes. Im<br />

Deutschen muß jedes Substantiv ein grammatisches Geschlecht haben, und es muß<br />

deklinierbar sein; man muß es <strong>als</strong>o gemäß den 4 Fällen des Deutschen mit den<br />

entsprechenden Flexionsendungen ausstatten und gegebenenfalls in den Plural setzen<br />

können. Für Adjektive gilt dasselbe Abwandlungsprinzip. In ähnlicher Weise müssen<br />

auch Verben ins System eingefügt werden, sie müssen sich konjugieren lassen. Ein<br />

Verb der deutschen Sprache muß einen Infinitiv auf -(e)n haben, und es muß über die<br />

im Deutschen üblichen Personen, Zeiten und Aktionsmodi (Indikativ, Konjunktiv,<br />

Aktiv, Passiv) verfügen. So wird aus dem englischen Verb to chat im Deutschen<br />

chatten mit den Stammformen chatte, chattete, gechattet, und das im englischen<br />

genusfreie thriller erhält im Deutschen den männlichen Artikel (der Thriller) und<br />

anstelle des englischen s-Plur<strong>als</strong> einen Plural mit Nullmarkierung (die Thriller).


11<br />

Die Anpassung des Artikels erfolgt entweder nach dem Affix (-er = maskulin), nach<br />

dem natürlichen Geschlecht (die Diva) oder aufgrund <strong>von</strong> Analogie zu semantisch<br />

benachbarten Wörtern (das Girl – das Mädchen).<br />

Auch auf der lexikalisch-semantischen Ebene muß das neue Wortgut ins Deutsche<br />

eingefügt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Wort in nur einer<br />

lexikalisch-semantischen Variante entlehnt wird. Ein Beispiel hierfür ist das bereits<br />

genannte Verb to chat, das die allgemeine Bedeutung „plaudern, schwatzen“ hat und<br />

so seit der Erfindung des Internet Relay Chats auch auf diese besondere Form der<br />

computervermittelten Kommunikation angewandt wird. In seiner deutschen<br />

Entsprechung chatten ist die allgemeine Bedeutung des Verbs auf die spezielle<br />

restringiert, das Verb chatten bedeutet <strong>als</strong>o, anders <strong>als</strong> sein englisches Pendant, nur<br />

„im Internet plaudern“ (ÖWB 2001). Zudem werden <strong>Entlehnungen</strong> auch an das<br />

morphologische System des Deutschen angepaßt; typisch deutsche Wortbildungen<br />

wie etwas bechatten oder Chatterin sind <strong>als</strong>o möglich.<br />

Abschließend sei noch die orthographische Assimilation genannt, deren Bedeutung<br />

häufig nicht berücksichtigt wird. Die deutsche Rechtschreibung verfügt über eine<br />

Besonderheit in Form der Substantiv-Großschreibung; folglich müssen alle<br />

entlehnten Substantiva einen Großbuchstaben erhalten. Zudem können <strong>Entlehnungen</strong><br />

diakritische Zeichen aufweisen oder bestimmten Rechtschreibkonventionen folgen,<br />

die der deutschen Orthographie fremd sind, was daher unter Umständen abgeändert<br />

wird (vgl. die Eintragungen Csardas vs. Csárdás, Frisör vs. Friseur, Bukett vs.<br />

Bouquet, Dekolletee vs. Dekolleté sowie Publicrelations vs. Public Relations im<br />

ÖWB 2001). Auch Eindeutschungen im Rahmen <strong>von</strong> Rechtschreibreformen fallen in<br />

diesen Bereich (Geographie vs. Geografie). Die tiefgreifendsten und somit auch<br />

schwierigsten orthographischen Angleichungen sind jedoch notwendig, wenn<br />

<strong>Entlehnungen</strong> aus Sprachen wie dem Russischen, Arabischen, Japanischen oder<br />

Chinesischen zu uns gelangen, da in solch einem Fall überhaupt erst eine Anpassung<br />

an das lateinische Alphabet erfolgen muß, die die Aussprache einigermaßen<br />

originalgetreu wiedergibt.


12<br />

6. Kennzeichen kulinarischer <strong>Entlehnungen</strong> im Österreichischen<br />

Wörterbuch<br />

Wie werden kulinarische <strong>Entlehnungen</strong> im Österreichischen Wörterbuch<br />

gekennzeichnet? Um es gleich vorwegzunehmen: gar nicht. Es gibt in der Theorie<br />

der Wörterbuchgestaltung zwar die Kategorie der diaintegrativen Angaben 1 , <strong>als</strong>o die<br />

Kennzeichnung nach Fremdwort, Lehnwort und Internationalismus. Wie häufig diese<br />

Art der Markierung jedoch tatsächlich in der Praxis angewendet wird, ist fraglich. Im<br />

ÖWB wird sie nicht durchgeführt. Trotzdem sind <strong>Entlehnungen</strong> dort oftm<strong>als</strong><br />

aufgrund bestimmter Merkmale <strong>als</strong> solche zu identifizieren. Die in der Schreibung<br />

vorhandene fremde Lautstruktur, eine eventuelle Ausspracheangabe oder eine<br />

nationale Angabe in der Bedeutungserklärung lassen die fremde Herkunft erkennen,<br />

wenngleich diese Angaben eher unregelmäßig ausfallen (die folgenden<br />

Ausführungen beziehen sich alle auf das ÖWB 2001).<br />

Ein Beispiel für eine fremde Lautstruktur findet sich im Wort Tsatsiki, dem<br />

Ausdruck für „eine griechische Joghurtspeise“, das sich für Menschen mit deutscher<br />

Muttersprache eindeutig <strong>als</strong> Entlehnung identifizieren läßt, da der<br />

Konsonantencluster /ts/ im Deutschen entweder <strong>als</strong> oder <strong>als</strong> geschrieben<br />

wird, wobei am Wortanfang ausnahmslos nur stehen darf. Auch die Existenz<br />

bestimmter diakritischer Zeichen, wie sie bei é oder č vorkommen, kennzeichnet<br />

Wörter, die ganz offensichtlich nicht deutscher Herkunft sind.<br />

In ähnlicher Weise ist eine Ausspracheangabe wie ['hæmֽbз:gə] beim Wort<br />

Hamburger 2 ein untrügliches Zeichen für eine Entlehnung. Anders <strong>als</strong> bei<br />

Hamburger 1 , das einen Einwohner der Stadt Hamburg bezeichnet und nicht etwa ein<br />

„Fleischlaibchen in aufgeschnittenem Weißgebäck“, gibt die Lautschrift bei<br />

Hamburger 2 an, daß für das Wort nicht die gewohnte deutsche Aussprache gilt. Auch<br />

die Bedeutungserklärung des Wortes Maki, „eine japanische Speise“, liefert einen<br />

Hinweis darauf, aus welcher Sprache dieses Wort ursprünglich stammt. Solche<br />

Herkunftsangaben sind freilich eher selten und treten zudem nicht in einheitlicher<br />

Form auf; mal stehen sie <strong>als</strong> gleichsam obligatorisches Attribut vor dem Nomen, mal<br />

sind sie an derselben Stelle in Klammer gesetzt und erscheinen so lediglich <strong>als</strong><br />

fakultative Information. In einzelnen Fällen stehen Angaben zur Herkunft auch in<br />

Klammern direkt hinter dem Stichwort, <strong>als</strong>o in der Form Pasta Asciutta (ital.).<br />

1 siehe hierzu Schaeder 1987: 104


13<br />

Abgesehen <strong>von</strong> derartigen Auskünften finden sich im Wörterbuch aber keinerlei<br />

Vermerke auf den etymologischen Ursprung dieser <strong>Entlehnungen</strong>. Es liegt auch nicht<br />

gerade im Aufgabenbereich eines synchronen Wörterbuchs, die Herkunft und<br />

ursprüngliche Bedeutung eines Wortes zu klären; zudem würde es den Rahmen<br />

sprengen, sollte ein Wörterbuch wie das ÖWB zu allen verzeichneten Wörtern, die<br />

jem<strong>als</strong> entlehnt wurden, Angaben zur Herkunft liefern. Zu diesem Zweck wurden<br />

schließlich eigene etymologische Wörterbücher kreiert. Dennoch soll nicht<br />

verschwiegen werden, daß Etymologie und kulturgeschichtlicher Hintergrund<br />

besonders dann, wenn es um kulinarische Begriffe geht, viele Wörterbuchbenutzer<br />

interessieren.<br />

Was den speziellen Wortschatz der Kulinarik angeht, so findet sich bei einigen<br />

<strong>Entlehnungen</strong> das Markierungsprädikat „Gast.“ für „Gastronomie und Gastgewerbe“.<br />

Allerdings ist diese Kennzeichnung keineswegs nur auf <strong>Entlehnungen</strong> beschränkt,<br />

und außerdem ist sie nicht übermäßig konsequent durchgeführt. Nach Auskunft des<br />

ÖWB-Mitarbeiters Herbert Fussy hat dies einen äußerst simplen Grund: die<br />

Wörterbuchgestalter versuchen auf diesem Wege Platz zu sparen, und so wurde bei<br />

allen Ausdrücken, die aufgrund ihrer Paraphrase (z.B. „Speise“) bereits <strong>als</strong><br />

kulinarische Begriffe ausgewiesen sind, auf die redundante Markierung „Gast.“<br />

verzichtet. Generell ist es so, daß die Markierung „Gast.“ eher dem Fachvokabular<br />

vorbehalten ist. Neben dem Etikett „Gast.“ gibt es außerdem noch die Markierung<br />

„Küchenspr.“ ( „Küchensprache“), die allerdings in der Realität im Wörtervereichnis<br />

noch seltener Anwendung findet <strong>als</strong> „Gast.“ und auch nirgendwo weiter kommentiert<br />

wird, und zu guter Letzt werden gewisse Ausdrücke noch mit „Wz.“ <strong>als</strong><br />

„Warenzeichen, registrierte Schutzmarke („Marke“)“ 2 gekennzeichnet.<br />

Im Österreichen Wörterbuch gibt es zu jedem Lemma Angaben zu Aussprache und<br />

Betonung. Das System dieser Angaben wird im Vorwort erklärt (ÖWB 2001: 14-17).<br />

Hervorzuheben sind hier vor allem die lautschriftlichen Hinweise. Wurde bis zur 38.<br />

Auflage noch eine vereinfachte Lautschrift verwendet, so ist das ÖWB 2001 zur<br />

internationalen Lautschrift der IPA (International Phonetics Association)<br />

übergegangen. In diesem System werden nun Wörter englischer Herkunft fast<br />

durchgehend in original englischer Aussprache angegeben. Das Österreichische<br />

Wörterbuch bezieht sich dabei auf die britische Standardaussprache, die sogenannte<br />

2 siehe Abkürzungsverzeichnis des ÖWB 2001 auf den hinteren Innenseiten des Einbandes


14<br />

Received Pronunciation, die besser unter ihrer Abkürzung RP bekannt ist 3 . Im<br />

Kapitel „Zum Gebrauch des Wörterbuches“ (ÖWB 2001: 17) gibt es deshalb<br />

Anmerkungen dazu, wie die englischen Laute an das österreichische Deutsch<br />

assimiliert werden. Demnach ist bei einem Wort wie Hamburger die Aussprache<br />

zwar mit ['hæmֽbз:gə] angegeben, die österreichische Aussprache entspricht aber<br />

['hεmֽbœəgə]. Allerdings gibt es auch bei diesem System vereinzelt Abweichungen;<br />

so wurde beispielsweise die Aussprache des Wortes Beefsteak auf folgende 2 Arten<br />

angegeben: [bi:fste:k, engl: -steIk].<br />

Schlußendlich sei noch erwähnt, daß Wörter, die <strong>von</strong> der neuen Rechtschreibung<br />

betroffen sind, ab der 38. Auflage mit einem eingekreisten N (vgl. das Zeichen für<br />

Copyright ©) gekennzeichnet sind (siehe auch ÖWB 2001: 18).<br />

7. Kulinarische <strong>Entlehnungen</strong> im Österreichischen Wörterbuch –<br />

Versuch einer kritischen Bestandaufnahme<br />

Die nachstehende Erfassung kulinarischer <strong>Entlehnungen</strong> im Österreichischen<br />

Wörterbuch basiert auf der 2001 erschienenen 39. Auflage unter Berücksichtigung<br />

der 3 vorhergehenden: der 36., die 1985 herausgekommen ist, der 37., die 1990<br />

erschienen ist, sowie der 38., die <strong>von</strong> 1997 stammt. Es handelt sich um den Versuch<br />

einer Bestandaufnahme, daher kann diese Wortliste nicht <strong>als</strong> vollständig angesehen<br />

werden, auch wenn ich mich bemüht habe, so viele Wörter wie möglich aufzulisten.<br />

Da eine umfassende Beschreibung aller im weiteren angeführten <strong>Entlehnungen</strong> zu<br />

weit führen würde, habe ich mich darauf beschränkt, die verzeichneten Lexeme nach<br />

ihrer Aufnahme in das Österreichische Wörterbuch aufzulisten, sie, soweit es<br />

möglich ist, nach ihrer Herkunft zu sortieren und sie im Weiteren exemplarisch zu<br />

behandeln. Ich habe mich dabei fast ausschließlich auf Lexeme bezogen, denen ihre<br />

fremde Herkunft vor allem in der Schriftsprache immer noch anzumerken ist, und<br />

unter diesen die neueren <strong>Entlehnungen</strong>, <strong>als</strong>o solche, die seit Beginn der 90er Jahre im<br />

Österreichischen Deutsch aufgetaucht sind, gesondert berücksichtigt.<br />

Es sei vorab außerdem noch gesagt, daß ein Wörterbuch natürlich niem<strong>als</strong> den<br />

gesamten Wortschatz einer Sprache erfassen kann, und so sind auch im<br />

3<br />

Dieser Hinweis ist nicht im Wörterbuch zu finden; ich ziehe diesen Schluß aus den lautschriftlichen<br />

Angaben.


15<br />

Österreichischen Wörterbuch nicht alle <strong>Entlehnungen</strong> verzeichnet, die Bestandteile<br />

des Österreichischen Deutsch sind. Auch bedeutet die Verzeichnung eines Lexems in<br />

einem Wörterbuch nicht, daß das betreffende Wort zu diesem Zeitpunkt in die<br />

jeweilige Sprache Eingang gefunden hat, sondern nur, daß es für wert befunden<br />

wurde, <strong>als</strong> Teil des Wortschatzes dokumentiert zu werden. Ein sehr wichtiger Aspekt<br />

ist aber in jedem Fall, daß ein Wörterbucheintrag nicht unwesentlich zur<br />

Stabilisierung und Verbreitung eines Wortes beiträgt.<br />

7.1. Kulinarische <strong>Entlehnungen</strong> nach Auflagen<br />

Folgende <strong>Entlehnungen</strong> scheinen bereits in der 36. Auflage auf:<br />

Beefsteak, Bosniak, Camembert, Ćevapčići, Champagner, Champignon,<br />

Cocktail, Cognac, Cornedbeef, Creme, Curry, Fondue, Frappé, Gin,<br />

Gorgonzola, Grapefruit, Gulyas, Ham and Eggs, Ketchup, Letscho, Mango,<br />

Mayonnaise, Melanzani, Minestra, Minestrone, Nougat, Parasol, Pasta, Pasta<br />

Asciutta, Pizza, Polenta, Pommes frites, Ragout, Risipisi, Risotto, Rumpsteak,<br />

Sandwich, Sauce, Sherry, Soufflé, Slibowitz, Soja, Spaghetti, Steak, Toast,<br />

Wodka, Whisky, Yoghurt, Zucchini<br />

Für die Wörter Cognac, Creme, Gulyas, Sauce und Yoghurt gibt es zudem die<br />

eingedeutschten Formen Kognak, Krem, Gulasch, Soß(e) und Joghurt.<br />

Die 37. Auflage weist insgesamt keinen erheblich größeren Lemmabestand auf <strong>als</strong><br />

die 36., und so ist auch nur eine kleine Zahl <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong> dazugekommen. Zu<br />

diesen wenigen Wörtern zählen:<br />

Aubergine, Brandy, Broccoli, Cidre, Hamburger, Kiwi, Lasagne, Makkaroni,<br />

Szegediner Gulasch, Vermouth<br />

Zum Lexem Vermouth gibt es außerdem eine eingedeutschte Variante Wermut.<br />

Ein deutlicher Sprung in der Entwicklung des Österreichischen Wörterbuchs läßt<br />

sich in der 38. Auflage feststellen. Erstens wurde die Anzahl der Stichwörter spürbar<br />

angehoben und zweitens wirkten sich Änderungen bestimmter Sachverhalte auch auf<br />

das Wörterbuch aus. Zu einen wurde 1998 die Rechtschreibreform wirksam, und<br />

somit wurde das ÖWB ab der 38. Auflage in der neuen Rechtschreibung verfaßt, und<br />

zum anderen führten politische Änderungen dazu, daß gewisse Wörterbuchartikel<br />

umgeschrieben werden mußten; beispielsweise wird das Wort Ćevapčići in der 38.<br />

Auflage nicht mehr mit „jugoslawische Fleischspeise“ angegeben, sondern mit


16<br />

„südslawische Fleischspeise“ (was 2001 wiederum zu „serbische Fleischspeise“<br />

geändert wurde). Neu verzeichnet sind in der 38. Auflage:<br />

Avocado, Baguette, Bamigoreng, Barbecue, Béchamel, Borschtsch, Burger,<br />

Cannelloni, Cappuccino, Cayennepfeffer, Chili, Chili con carne, Chop Suey,<br />

Chutney, Cornflakes, Creme fraiche, Crêpe, Croissant, Dönerkebab, Fastfood,<br />

Frizzante, Ginseng, Gnocchi, Grappa, Gratin, Gyros, Hotdog, Kaki, Kebab,<br />

Kefir, Kumquat, Limette, Longdrink, Lychee, Mozzarella, Mousse, Mussaka,<br />

Nasigoreng, Paella, Papaya, Parfait, Profiterole, Quiche, Raclette,<br />

Ratatouille, Ravioli, Remoulade, Sangria, Scampi, Shake, Sorbet, Somloer<br />

Nockerl, T-Bone-Steak, Tabasco, Tequila, Tiramisu, Tofu, Tortellini, Tortilla,<br />

Tramezzino, Tsatsiki bzw. Zaziki, Vinaigrette, Worcestersauce<br />

Außerdem ist mit Sliwowitz noch eine zusätzliche Variante des Wortes Slibowitz<br />

eingetragen, und die saloppe Form Pommes für Pommes frites ist registriert.<br />

Interessant ist auch, daß in dieser Auflage erstm<strong>als</strong> die Wörter Gratin, und Shake<br />

auftauchen, obwohl gratinieren und Shaker bereits 1985 verzeichnet sind.<br />

<strong>Eine</strong> stärkere Eindeutschung, die mehrheitlich auf die Rechtschreibreform<br />

zurückzuführen ist, ist bei den folgenden Wörtern bemerkbar:<br />

Cevapcici, Frappee, Jogurt, Ketschup, Krepp, Majonäse, Nugat, Soufflee,<br />

Spagetti<br />

<strong>Eine</strong> Kennzeichnung mit N für „Neuschreibung“ liegt jedoch nur bei Cevapcici,<br />

Frappee, Jogurt, Ketschup, Soufflee und Spagetti vor. Zudem ist bei allen diesen<br />

Wörtern parallel zur neuen Schreibung auch immer die ursprüngliche Form<br />

angeführt.<br />

Hierzu sei noch angemerkt, daß der Entschluß, <strong>Entlehnungen</strong> einzudeutschen, recht<br />

inkonsistent ausfällt (was natürlich nicht dem ÖWB anzulasten ist). So wurde z.B.<br />

nur beim Wort Nougat auf vereinfacht, nicht aber bei Ragout und Soufflé.<br />

Ebenso wurde das in Ketchup zugunsten der deutschen Schreibung <br />

geändert, beim Wort Sandwich geschah dies jedoch nicht; dies dürfte daran liegen,<br />

daß es sich bei Sandwich etymologisch gesehen um einen Eigennamen handelt, den<br />

man nicht zu verändern wagte. Im Gegensatz zum wurde das in Ketschup<br />

beibehalten, da die ostdeutsche Aussprache des Wortes kein [a] beinhaltet, sondern<br />

ein [Υ] 4 . Somit ist das Wort für das restliche deutsche Sprachgebiet jedoch<br />

orthographisch nicht vollständig eingedeutscht. Es stellt sich allerdings die Frage,<br />

4 Auskunft <strong>von</strong> ÖWB-Mitarbeiter Herbert Fussy


17<br />

wie sehr das Bedürfnis nach Eindeutschungen tatsächlich vorhanden ist. Ein Blick in<br />

den Supermarkt verrät jedenfalls, daß die neue Schreibung Ketschup <strong>von</strong> keiner der<br />

Herstellerfirmen bisher angenommen wurde.<br />

Die 39. Auflage des ÖWB erfuhr ihre größte Veränderung in der Übernahme des<br />

IPA-Alphabets für die Aussprachenangaben. Dazu wurden folgende <strong>Entlehnungen</strong><br />

neu aufgenommen:<br />

Agar-Agar, Bagel, Bosna, Croûton, Curaçao, Donut, Harissa, Junkfood,<br />

Lollorosso, Metaxa, Maki, Muffin, Ouzo, Pesto, Prosecco, Rucola, Sasaka,<br />

Sashimi, Satsuma, Scotch, Sushi<br />

Ebenfalls neu ist das mit „landschaftlich“ angegebene Bosniakerl, wobei es sich<br />

dabei allerdings nicht um ein neu entlehntes Wort handelt, sondern um ein<br />

Diminuativ zum bereits früher registrierten Bosniak. Zudem hat die Wortform<br />

Moussaka einen eigenen Eintrag erhalten, der auf die parallele Variante Mussaka<br />

verweist. (Noch) nicht verzeichnet sind folgende Ausdrücke:<br />

Acht Schätze, Basmati, Becherovka, Barack Palinka, Börek, Caipirinha,<br />

Calamare, Calvados, Campari, Cheeseburger, Ciabatta, Couscous,<br />

Kombucha, Langos, Miso-Suppe, Macchiato, Prosciutto, Romanesco, Sake,<br />

S<strong>als</strong>a, Slowfood, Soljanka, Spumante, Taco, Tempura, Topinambur, Wasabi<br />

Die Liste dieser Wörter ließe sich noch beliebig fortführen, beispielsweise mit den<br />

Namen etlicher Cocktails; allerdings muß dabei eingeräumt werden, daß gewisse<br />

Begriffe doch eher <strong>als</strong> Fachwörter anzusehen sind denn <strong>als</strong> Wörter des täglichen<br />

Gebrauchs.<br />

7.2. Zur Gruppierung kulinarischer <strong>Entlehnungen</strong> nach ihrer Herkunft<br />

Wie sind kulinarische <strong>Entlehnungen</strong> nun im ÖWB 2001 eingetragen?<br />

Was die Herkunft betrifft, so ist eine Zuordnung nicht immer ganz einfach. Die<br />

Sprache läßt häufig keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Abstammung zu, zum<br />

einen deshalb, weil manche Sprachen (wie englisch und französisch) in sehr<br />

zahlreichen Ländern gesprochen werden, zum anderen dadurch, daß <strong>Entlehnungen</strong><br />

aus ihrer Ursprungssprache nicht immer den direkten Weg ins Deutsche genommen<br />

haben, sondern, wie bereits in Kapitel 4.3. erwähnt, in vielen Fällen über andere<br />

Sprachen zu uns gekommen sind.


18<br />

Außerdem ist es auch ein bißchen Ansichtssache des jeweiligen Erstellers eines<br />

Wörterbuchartikels, ob er/sie die Herkunft angibt. Dazu kommt im weiteren noch der<br />

Umstand, daß kulinarische <strong>Entlehnungen</strong> dem Empfinden nach in unterschiedliche<br />

Kategorien fallen, was sich auch im ÖWB bemerkbar macht.<br />

Es lassen sich demnach mehrere Arten <strong>von</strong> kulinarischen <strong>Entlehnungen</strong><br />

unterscheiden, wobei die Bandbreite <strong>von</strong> den Speisen und Lebensmitteln, die nach<br />

wie vor <strong>als</strong> Spezialitäten aus einer fremden Küche angesehen werden (auch wenn sie<br />

inzwischen bei uns nachgekocht werden), bis zu jenen Speisen und Lebensmitteln<br />

reicht, die zumeist gar nicht (mehr) <strong>als</strong> fremde Wörter und Produkte wahrgenommen<br />

werden und längst Eingang in die österreichischen Kochgewohnheiten gefunden<br />

haben. Zwischen diesen beiden Extremen liegt klarerweise ein Übergangsbereich,<br />

aber diese zwei Kategorien können einen Ansatzpunkt dafür bilden, ob bei einem<br />

Wörterbucheintrag die Herkunft genannt wird oder nicht. Zudem scheint hier auch<br />

eine Rolle zu spielen, ob man es lediglich mit Zutaten (z.B. verschiedenen<br />

Gemüsearten oder Früchten) zu tun hat oder aber mit fertigen Speisen und<br />

Produkten.<br />

Aus praktischen Gründen teile ich das entlehnte Wortgut zunächst grob in folgende<br />

Gruppen ein:<br />

1) Osteuropa<br />

2) Südöstlicher Mittelmeerbereich<br />

3) Italien<br />

4) Spanien und TexMex-Küche<br />

5) Französischsprachige Länder<br />

6) Angloamerikanischer Bereich<br />

7) Südostasien<br />

8) Sonstige<br />

7.3. Gruppen <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong> im ÖWB 2001<br />

7.3.1. Osteuropa (Ungarische und slawische <strong>Entlehnungen</strong>)<br />

Zu den ungarischen <strong>Entlehnungen</strong> zählen nur wenige, nämlich Gulyas (bzw.<br />

Gulasch), Szegediner Gulasch und Somloer Nockerl. Die Schreibung Gulyas findet<br />

heute nur noch selten Verwendung, die übliche Form ist das eingedeutschte Wort<br />

Gulasch, das zu einem fixen Bestandteil der österreichischen Küche geworden ist<br />

(Detail am Rande: das original ungarische gulyás ist mit unserem Gulasch gar nicht


19<br />

identisch, es handelt sich dabei nämlich um eine Suppe). Etwas anders verhält es sich<br />

mit dem Begriff Szegediner Gulasch, der eine Lehnübersetzung aus dem<br />

Ungarischen ist. Hier ist die (vermeintliche) Herkunft, die südungarische Stadt<br />

Szeged, bereits im Speisennamen enthalten 5 , und so beschreibt das ÖWB diese<br />

Speise denn auch <strong>als</strong> „ungarisches Krautfleisch“ und verweist auf Gulasch. Das Wort<br />

verfügt zudem noch über eine lautschriftliche Angabe, ['sε- -], die die übliche<br />

Aussprache des ungarischen sowie die ungarische Erstsilbenbetonung<br />

wiedergibt. In ähnlicher Weise wird auch die Lehnübersetzung Somloer Nockerl<br />

(bzw. Somloer Nockerln) mit „eine (ungarische) Mehlspeise“ paraphrasiert. Dazu<br />

gibt es noch einen Aussprachehinweis, der angibt, daß das am Wortanfang<br />

(ebenfalls der regulären ungarischen Orthographie entsprechend) <strong>als</strong> [∫] zu sprechen<br />

ist.<br />

Slawischer Herkunft sind Bosniak, Bosna, Cevapcici (Ćevapčići), Sasaka,<br />

Borschtsch, Wodka, Kefir und Slibowitz (Sliwowitz). Bei Bosniak und Bosna ist die<br />

bosnische Herkunft anhand des Wortkörpers recht gut zu erkennen, trotzdem werden<br />

beide wohl eher <strong>als</strong> österreichische Lebensmittel angesehen denn <strong>als</strong> bosnische. Bei<br />

Cevapcici ist das anders; hier ist die Zuordnung aufgrund der Paraphrase „eine<br />

serbische Fleischspeise“ eindeutig. Außerdem findet sich noch die<br />

Lautspracheangabe [t∫e'vapt∫it∫i] und der Hinweis darauf, daß es sich bei diesem<br />

Wort um eine Pluralform handelt. Das Wort Sasaka, das mit „Verhackert“ angegeben<br />

wird, ist nicht österreichweit gebräuchlich, sondern wird <strong>als</strong> umgangsprachlicher<br />

Ausdruck gekennzeichnet (ugs.), der in Kärnten üblich ist (Markierung: K). Diese<br />

Angabe läßt den Schluß zu, daß es sich um eine Entlehnung aus dem Slowenischen<br />

handelt (und da mir das Wort durch meine Kärntner Verwandtschaft geläufig ist,<br />

weiß ich, daß diese Schlußfolgerung stimmt).<br />

Borschtsch wird mit „(russische) Suppe“ erklärt. Wodka ist hingegen nur <strong>als</strong> „ein<br />

Branntwein“ angegeben, aber es dürfte wohl hinlänglich <strong>als</strong> Produkt russischer<br />

Herkunft bekannt sein, schon allein durch das Klischee, daß in Rußland nichts<br />

anderes getrunken wird. Daß Kefir, „ein Getränk aus gegorener Milch“, ursprünglich<br />

ebenfalls aus Rußland stammt, wird dagegen weniger Personen bewußt sein; auch<br />

hier verrät lediglich ein Blick in das etymologische Wörterbuch Kluge (1999: 436)<br />

die Herkunft. Ebenso verhält es sich bei dem mit „Zwetschkenschnaps“<br />

5 Tatsächlich soll das Gericht aus Siebenbürgen stammen und es dürfte bei der Speisenbezeichnung<br />

wahrscheinlich eine Volksetymologie vorliegen.


20<br />

paraphrasierten Slibowitz, das Kluge zufolge eine Entlehnung aus dem<br />

Serbokroatischen ist (1999: 767).<br />

7.3.2. Südöstlicher Mittelmeerbereich (Griechische und türkische<br />

<strong>Entlehnungen</strong>)<br />

Für den südöstlichen Mittelmeerbereich lassen sich die folgenden <strong>Entlehnungen</strong><br />

lokalisieren: Yoghurt (Joghurt, Jogurt), Kebab und Dönerkebab (türkischer<br />

Herkunft) sowie Gyros, Mussaka (Moussaka), Tsatsiki (Zaziki), Metaxa und Ouzo<br />

(griechischer Herkunft). Ich habe diese Vokabel bewußt einem gemeinsamen<br />

Bereich zugeordnet, weil sich diese beiden Küchen etwas ähnlich sind und sich<br />

dieser Umstand auch im Wörterbuch bemerkbar macht.<br />

Betrachten wir zunächst das Wort Joghurt. Die Schreibung Yoghurt ist heute äußerst<br />

unüblich geworden und den neueren Schreibungen Joghurt sowie Jogurt gewichen;<br />

obendrein wird dieses Wort schon lange nicht mehr <strong>als</strong> Entlehnung wahrgenommen,<br />

sondern <strong>als</strong> Wort der deutschen Sprache und <strong>als</strong> heimisches Produkt.<br />

Hingegen gilt Kebab noch <strong>als</strong> türkische Spezialität. Den Angaben zufolge ist es ein<br />

„türkischer (Lamm)fleischspieß“ und wird mit dem sächlichen Geschlecht<br />

verwendet, es heißt <strong>als</strong>o das Kebab. Weitere Angaben: das Wort kann auf jeder der<br />

beiden Silben betont werden, und es gibt einen Verweis auf Dönerkebab. Schlägt<br />

man bei diesem Wort nach, wird es allerdings etwas verwirrend: Dönerkebab ist an<br />

erster Stelle mit dem männlichen Artikel angegeben, das sächliche Geschlecht<br />

kommt erst an zweiter Stelle und ist in Klammer gesetzt. Dies ist insofern<br />

erstaunlich, <strong>als</strong> es für die Bildung <strong>von</strong> Komposita im Deutschen prinzipiell die Regel<br />

gibt, daß ein Kompositum und sein Grundwort dasselbe Geschlecht haben müssen.<br />

Es soll aber nicht ausgeschlossen werden, daß sich <strong>Entlehnungen</strong> hier eventuell<br />

abweichend verhalten können. Des weiteren ist Dönerkebab mit „stark gewürzter<br />

Fleischspieß“ kommentiert. Es gibt <strong>als</strong>o anders <strong>als</strong> beim Grundwort Kebab keine<br />

Information zur Herkunft, und es liegt auch kein Verweis auf Kebab vor, was<br />

allerdings schon wünschenswert wäre. Stattdessen stößt der Benutzer auf einen<br />

Verweis auf Gyros, (mit der Ausspracheangabe ['gy-, auch: 'ji-]), das <strong>als</strong> „ein<br />

griechischer Spießbraten“ erläutert wird und wieder zurück zu Dönerkebab verweist.<br />

Dadurch könnte der Eindruck entstehen, daß es sich bei Dönerkebab um eine<br />

griechische Speise handelt, und das Wörterbuch täte gut daran, diese mögliche<br />

Fehlinterpretation zu vermeiden.


21<br />

Der Eintrag Tsatsiki liefert keine Bedeutungserklärung, sondern lediglich eine<br />

Verweis auf Zaziki, unter dem der Wörterbuchbenutzer dann die gewünschte<br />

Information vorfindet, nämlich, daß es sich um „eine griechische Joghurtspeise“<br />

handelt. Ebenso wird auch bei Metaxa und Ouzo die griechische Herkunft erwähnt;<br />

Metaxa ist mit „ein griechischer Weinbrand“ angegeben und ist auch <strong>als</strong><br />

Warenzeichen eingetragen, bei Ouzo findet sich die Erklärung „griechischer<br />

Anisschnaps“ und dazu die Ausspracheangabe ['u:zΟ].<br />

7.3.3. Italien<br />

<strong>Eine</strong> deutlich größere Gruppe <strong>als</strong> die vorangegangenen machen die italienischen<br />

<strong>Entlehnungen</strong> aus. Hierzu zählen:<br />

Broccoli, Cannelloni, Cappuccino, Frizzante, Gnocchi, Gorgonzola, Grappa,<br />

Lasagne, Lollorosso, Makkaroni, Melanzani, Minestra, Minestrone,<br />

Mozzarella, Pasta, Pasta Asciutta, Pesto, Pizza, Polenta, Prosecco, Ravioli,<br />

Risotto, Rucola, Scampi, Spaghetti (Spagetti), Tiramisu, Tortellini, Tramezzino<br />

und Zucchini.<br />

Da bei diversen dieser Wörter ein Hinweis auf die italienische Herkunft vorhanden<br />

ist, ist es vernünftiger, die <strong>Entlehnungen</strong> aufzuzählen, bei denen ebendieser Hinweis<br />

nicht existiert. Zu diesen gehören die folgenden: Broccoli, Frizzante, Gorgonzola,<br />

Lollorosso, Minestra, Pasta, Polenta, Risotto, Rucola, Scampi, Spaghetti (Spagetti)<br />

und Zucchini.<br />

Interessant ist hier vor allem das Wort Minestra, das auf dem selben Wortkörper<br />

basiert wie Minestrone; in der Paraphrase wird Minestra aber „nur“ <strong>als</strong> „eine Suppe“<br />

angeführt, während es sich bei einer Minestrone um eine „Gemüsesuppe nach<br />

italienischer Art“ handelt. In vergleichbarer Weise wird Frizzante (das übrigens <strong>als</strong><br />

Wort der Gastronomie markiert ist) <strong>als</strong> „Wein mit etwas weniger Kohlensäure <strong>als</strong><br />

Sekt“ beschrieben, wohingegen der diesem ähnliche Prosecco (Aussprachehinweis<br />

[-kΟ]) <strong>als</strong> „italienischer Perlwein“ gilt. Auch die italienischen Pasta-Spezialitäten<br />

(Lasagne, Makkaroni, Ravioli, Tortellini, Cannelloni) werden <strong>als</strong> solche angegeben,<br />

obwohl sie bei uns inzwischen schon häufig <strong>als</strong> Fertiggerichte zu kaufen sind (das<br />

gleiche gilt übrigens auch für Pizza). <strong>Eine</strong> Ausnahme ist hier nur das seit langem<br />

entlehnte Spaghetti, das ja auch schon vor etlichen Jahren Aufnahme ins


22<br />

Österreichische Wörterbuch und die österreichischen Kochtöpfe gefunden hat und<br />

mittlerweile sogar stärker eingedeutscht wurde.<br />

Wie bei Spaghetti ist auch beim Oberbegriff Pasta kein Vermerk „italienisch“<br />

vorhanden. Hier ergibt sich nun allerdings das Problem, daß das Wort in nur einer<br />

Bedeutungsvariante erklärt wird, und zwar entsprechend dem deutschen Wort Paste<br />

<strong>als</strong> „breeige, streichbare Masse“. Für die ebenfalls angeführte Zahnpasta trifft diese<br />

Bedeutung fraglos zu, aber im Falle italienischer Nudelgerichte kann sie nicht <strong>als</strong><br />

richtig gelten, es sei denn, die Spaghetti wären <strong>von</strong> äußerst zweifelhafter Konsistenz.<br />

Hier könnte man (analog zu der Bedeutungserklärung <strong>von</strong> dem unter Pasta<br />

eingetragenen Wort Pasta Asciutta „eine Speise aus Teigwaren“) die Bedeutung<br />

„Teigwaren“ hinzufügen.<br />

Erwähnenswert sind auch die Artikel für Pesto und Gnocchi, bei denen die<br />

italienische Herkunft eher indirekt angegeben wird; Pesto wird <strong>als</strong> „Sauce aus<br />

Basilikum, Olivenöl und italienischen Gewürzen“ bezeichnet und Gnocchi <strong>als</strong><br />

„Erdäpfel- oder Grießnockerln nach italienischer Art“. Über Gnocchi (Aussprache<br />

['n∋Οki]) ist außerdem noch zu sagen, daß es <strong>von</strong> allen <strong>Entlehnungen</strong> die einzige ist,<br />

die mit „Küchensprache“ markiert wird. Und zuletzt sei noch Gorgonzola genannt,<br />

der zwar im Gegensatz zu Mozzarella nicht explizit <strong>als</strong> italienischer Käse angeführt<br />

wird, aber immerhin <strong>als</strong> Warenzeichen eingetragen ist und aus dem sich über das<br />

Wort Österzola die Lehnschöpfung Österkron entwickelt hat 6 .<br />

7.3.4. Spanien und TexMex-Küche<br />

Die Gruppe der spanischen <strong>Entlehnungen</strong> ist gegenüber den italienischen deutlich<br />

kleiner; zudem teilt sie sich in Wörter spanischer Herkunft sowie in Wörter<br />

mexikanischer Herkunft. Aus Spanien stammten Paella und Sangria, aus Mexiko<br />

Avocado, Cayennepfeffer, Chili, Chili con carne, Tabasco und Tequila. <strong>Eine</strong><br />

besonderen Fall stellt der Begriff Tortilla dar, weil er gleichermaßen Spanien wie<br />

Mexiko zugeordnet werden kann; allerdings versteht man in den beiden Ländern<br />

darunter etwas Verschiedenes.<br />

Zunächst zu den spanischen <strong>Entlehnungen</strong>. Paella kann im Deutschen <strong>als</strong> [pa'e(l)ja]<br />

ausgesprochen werden, <strong>als</strong>o mit oder ohne [l], und ist paraphrasiert <strong>als</strong> „eine<br />

spanische Speise“. Diese sehr kurze Art der Bedeutungserklärung, bei der keinerlei<br />

6 Auskunft <strong>von</strong> ÖWB-Mitarbeiter Herbert Fussy


23<br />

Details zur Speise genannt werden, kommt im ÖWB öfters vor; ob sie dem<br />

Wörterbuchbenutzer ausreicht, sei dahingestellt. Allerdings ist diese Methode sehr<br />

platzsparend, was bei der Wörterbuchgestaltung ein wesentliches Kriterium ist.<br />

Zudem handelt es sich bei einem Wörterbuch nun mal nicht um eine Enzyklopädie.<br />

Sangria ist „ein spanischer Früchtewein“ und kann interessanterweise sowohl den<br />

männlichen <strong>als</strong> auch den weiblichen Artikel tragen.<br />

Unter den mexikanischen <strong>Entlehnungen</strong> ist <strong>als</strong> erstes Avocado zu nennen, das die<br />

Ausspracheangabe [avok-] aufweist und <strong>als</strong> „eine Frucht“ paraphrasiert ist. Die<br />

Herkunft ist aus dem ÖWB nicht ersichtlich und bei diesem Wort auch keine<br />

notwendige Information; allenfalls aus Kluge (1999: 70) kann man die Auskunft<br />

beziehen, daß es sich dabei eigentlich um eine Volksetymologie aus dem Nahuatl<br />

handelt. Beim Wort Cayennepfeffer liegt die Ausspracheangabe [ka'jεnpf-] vor und<br />

der Begriff wird <strong>als</strong> „ein scharfes Gewürz“ erklärt und mit Chilipfeffer gleichgesetzt.<br />

Es fällt auf, daß die Angabe des Artikels bei diesem Eintrag fehlt, jedoch läßt sich<br />

dieser anhand des Stichwortes Pfeffer schnell eruieren (sofern einem das Wort<br />

Pfeffer überhaupt unbekannt sein sollte). Sieht man sich nun bei genanntem<br />

Chilipfeffer nach, erhält man <strong>als</strong> Erklärung das Wort Cayennepfeffer, man bewegt<br />

sich hier <strong>als</strong>o im Kreis 7 . Das eigentliche Stichwort dieses Wörterbuchartikels,<br />

nämlich Chili, liefert jedoch neben der Erläuterung „ein scharfes Gewürz“ noch die<br />

Information, daß es sich um „eine scharfe Paprikasorte“ handelt. Unter Chili wird<br />

auch der Eintrag Chili con carne angeführt (in der abgekürzten Form <strong>als</strong> C. con<br />

carne). Wie bei den vorangegangenen Wörtern gibt es hier keinen Hinweis auf die<br />

Herkunft, sondern nur die Paraphrase „eine Fleischspeise“. Auch das <strong>als</strong><br />

Warenzeichen eingetragene Wort Tabasco ist nur mit „eine Würzsauce“ angegeben.<br />

Lediglich Tequila ist <strong>als</strong> „ein mexikanischer Schnaps“ verzeichnet.<br />

Beim Wort Tortilla ergibt sich nun die erwähnte Besonderheit, das Wort weist <strong>als</strong>o<br />

zwei Bedeutungsangaben auf: zum einen ist es <strong>als</strong> „eine spanische Speise“<br />

paraphrasiert, zum anderen <strong>als</strong> „ein Maisfladenbrot“. Bei besagtem „Maisfladenbrot“<br />

wird die mexikanische Herkunft jedoch nicht angegeben, und hier wäre sie aus<br />

Unterscheidungsgründen zur spanischen Tortilla durchaus relevant. In einem<br />

spanischen Wörterbuch wie dem Diccionario de uso del espanol actual (2000) findet<br />

sich aus diesem Grund neben der ausführlichen Erklärung für (spanische) Tortilla<br />

folgender Eintrag:<br />

7 Zirkuläre Erläuterungen dieser Art sind generell ein Problem der Lexikographie.


24<br />

Alimento de forma circular y plana, que se hace con harina de maíz o de trigo:<br />

"La tortilla es uno de los alimentos básicos para los mejicanos."<br />

Nahrungsmittel, das rund und flach ist und aus Maismehl bzw. Weizenmehl<br />

gemacht wird: "Die Tortilla ist eines der Grundnahrungsmittel für die<br />

Mexikaner." 8<br />

<strong>Eine</strong> so detaillierte Erläuterung ist in einem deutschsprachigen Wörterbuch wie dem<br />

ÖWB natürlich nicht notwendig, die Paraphrase „mexikanisches Maisfladenbrot“<br />

wäre aber eine Möglichkeit, um potentielle Irrtümer zu vermeiden.<br />

7.3.5. Französischsprachige Länder<br />

Die Gruppe der <strong>Entlehnungen</strong>, die aus der französischen Sprache stammen, ist<br />

wiederum verhältnismäßig groß. Zwar sind diese noch verschiedenen Ländern wie<br />

Frankreich, Schweiz und Belgien zuzuordnen, aber die Einteilung der Wörter nach<br />

Ländern ist nicht ganz einfach, und es ist wohl auch wahrscheinlich, daß beim Gros<br />

dieser <strong>Entlehnungen</strong> Frankreich das Herkunftsland ist. Folgende <strong>Entlehnungen</strong> lassen<br />

sich im ÖWB ausmachen:<br />

Aubergine, Baguette, Béchamel, Camembert, Champagner, Champignon,<br />

Cidre, Cognac (Kognak), Creme (Krem), Creme fraiche, Crêpe (Krepp),<br />

Croissant, Crouton, Fondue, Frappé (Frappee), Gratin, Majo (salopp für<br />

Mayonnaise), Mayonnaise (Majonäse), Mousse, Nougat (Nugat), Parasol,<br />

Parfait, Pommes frites, Pommes (salopp für Pommes frites), Profiterole,<br />

Quiche, Quiche Lorraine, Raclette, Ragout, Ratatouille, Remoulade, Sauce<br />

(Soß, Soße), Sorbet, Soufflé (Soufflee), Vermouth (Wermut) und Vinaigrette<br />

Im Gegensatz zu den italienischen <strong>Entlehnungen</strong> findet sich bei den französischen<br />

nur in ganz wenigen Fällen ein Vermerk auf die Herkunft. Die Quiche Lorraine, <strong>als</strong><br />

Q. Lorraine unter Quiche eingetragen, trägt ihre Herkunft zwar im Namen, dies ist<br />

jedoch nur für Leute ersichtlich, die des Französischen mächtig sind und wissen, daß<br />

lorraine „lothringisch“ bedeutet. Ansonsten liegt ein expliziter Hinweis nur bei vier<br />

Wörtern vor: Champagner „(französischer) Schaumwein, Sekt“, Cognac „ein<br />

französischer Weinbrand“, Croissant „ein (kipferlartiges) französisches<br />

Weißgebäck“ und Ratatouille „ein französisches Gemüsegericht“. Champagner und<br />

Cognac sind daneben noch <strong>als</strong> Warenzeichen eingetragen. Auffällig ist in diesem<br />

8 Übersetzung <strong>von</strong> Anike Kerschbaum, Mag. Phil. im Lehramt Spanisch


25<br />

Zusammenhang, daß Baguette im Gegensatz zu Croissant nicht <strong>als</strong> französisches<br />

Gebäck paraphrasiert wird, sondern nur <strong>als</strong> „ein (belegtes und überbackenes)<br />

knuspriges längliches Weißbrot“.<br />

Bei anderen Wörtern wie Camembert, Champignon und Cidre gibt es zwei<br />

Ausspracheangaben, <strong>von</strong> denen die zweite mit „franz.“ („französisch“) angegeben<br />

wird. Allerdings kann zumindest Champignon <strong>als</strong> so weit eingedeutscht gelten, daß<br />

dieser Hinweis in erster Linie pro Forma vorhanden ist und nichts über den Status<br />

des Wortes im Deutschen aussagt. Es fällt grundsätzlich auf, daß sich die<br />

französischen <strong>Entlehnungen</strong> zum Großteil ihre phonetischen Eigenheiten bewahrt<br />

haben und daher auch bei den meisten eine Ausspracheangabe vorliegt. Zu den<br />

wenigen Wörtern, bei denen keine solche Angabe vorliegt, gehört Parasol, das zum<br />

einen der deutschen Lautstruktur <strong>von</strong> Vorneherein verhältnismäßig ähnlich ist und<br />

das zum anderen schon länger <strong>als</strong> Teil des österreichischen Wortschatzes<br />

wahrgenommen wird (die Ausgangsbedeutung des französischen Wortes, nämlich<br />

„Sonnenschirm“, wird dabei zumeist nicht bekannt oder bewußt sein). Auch bei der<br />

zu Pommes frites gehörenden saloppen Form Pommes wird die Aussprache nicht<br />

angegeben, da das Wort, anders <strong>als</strong> sein hochsprachliches Pendant, phonetisch völlig<br />

eingedeutscht ist. Bei Pommes frites, das <strong>als</strong> „in Fett gebackene Erdäpfelstäbchen“<br />

erklärt und mit dem Zusatz „(franz.)“ versehen ist und das sich übrigens mehreren<br />

Quellen zufolge <strong>als</strong> einzige der erwähnten <strong>Entlehnungen</strong> mit sehr großer Sicherheit<br />

Belgien zuordnen läßt, hat sich die Aussprache [pΟm 'frit], wie im ÖWB angegeben<br />

wird, bis heute gehalten. Lautspracheangaben entfallen logischerweise auch bei den<br />

Wortformen Krem, Krepp, Nugat, Soß(e) und Wermut, die der deutschen<br />

Rechtschreibung angepaßt wurden; bei den französischen Varianten sind die<br />

entsprechenden Hinweise dagegen vorhanden. An schweizerischen Vokabeln liegen<br />

nur Fondue und Raclette vor, allerdings sind zu diesen beiden Wörtern keine<br />

derartigen Angaben im ÖWB zu finden.<br />

Allgemein läßt sich bei <strong>Entlehnungen</strong> aus der französischen Sprache noch folgende<br />

Besonderheit feststellen: französische Formen sind häufig auch im Genitiv sowie im<br />

Plural erhalten, aus diesem Grund findet sich bei diesen Flexionsangaben oftm<strong>als</strong><br />

noch eine Ausspracheangabe.


7.3.6. Angloamerikanischer Bereich<br />

26<br />

Wie in vielen Bereichen des Lebens kommt der englischen Sprache auch in puncto<br />

Kulinarik eine bedeutende Rolle zu, was durch den Modestatus des Englischen und<br />

die damit verbundene zunehmende Vertrautheit mit dieser Sprache noch untermauert<br />

wird. Aufgrund dieses Umstandes sind englische <strong>Entlehnungen</strong> wohl auch für die<br />

meisten Menschen leichter zu erkennen <strong>als</strong> andere. <strong>Eine</strong> genaue Einteilung der<br />

Wörter nach ihrem Herkunftsland ist bis auf wenige Ausnahmen unmöglich, aber es<br />

liegt zumindest der Verdacht nahe, daß viele <strong>Entlehnungen</strong> erst über das<br />

amerikanische Englisch zu großer Verbreitung gefunden haben.<br />

Folgende <strong>Entlehnungen</strong> stammen aus dem Englischen:<br />

Bagel, Barbecue, Beefsteak, Brandy, Burger, Chutney, Cocktail, Cornedbeef,<br />

Cornflakes, Donut, Fastfood, Gin, Grapefruit, Ham and Eggs, Hamburger,<br />

Hotdog, Junkfood, Ketchup, Longdrink, Muffin, Rumpsteak, Sandwich, Scotch,<br />

Shake, Sherry, Steak, T-Bone-Steak, Toast, Whisky (Whiskey) und<br />

Worcestersauce<br />

Die wenigsten dieser Wörter weisen irgendwelche Herkunftsangaben auf. Konkrete<br />

Hinweise auf die Herkunft sind nur bei den Einträgen zu Scotch und Muffin<br />

vorhanden. Scotch ist paraphrasiert <strong>als</strong> „schottischer Whisky“ 9 und Muffin <strong>als</strong> „eine<br />

(amerikanische) Mehlspeise“.<br />

Auffällig ist allerdings, daß sich bei der überwiegenden Anzahl dieser <strong>Entlehnungen</strong><br />

ein lautschriftlicher Zusatz findet, da sich das englische System <strong>von</strong> Orthographie<br />

und Aussprache doch sehr deutlich vom deutschen System unterscheidet (sofern man<br />

hier beim Englischen überhaupt <strong>von</strong> einem System sprechen kann, da es oftm<strong>als</strong><br />

überhaupt keinen logischen Zusammenhang zwischen Rechtschreibung und<br />

Aussprache gibt). Keinerlei Ausspracheangabe gibt es nur bei den <strong>Entlehnungen</strong><br />

Hotdog und Longdrink; dort ist sie nicht notwendig, weil die der Schreibung<br />

entsprechende deutsche Aussprache mit der englischen annähernd übereinstimmt.<br />

Hotdog (bzw. Hot Dog), beschrieben <strong>als</strong> „ein Würstel in einem ausgehöhlten<br />

Weckerl“, kann zudem <strong>als</strong> weitgehend eingedeutscht gelten, auch wenn sich hier der<br />

9 Was übrigens die beiden Schreibungen <strong>von</strong> Whisky, nämlich Whisky und Whiskey, angeht, so ist<br />

diese für den Kenner insofern wichtig, <strong>als</strong> sie maßgeblich für die Herkunft ist; Whisky ist die<br />

schottische bzw. kanadische Schreibweise, während es sich bei Whiskey um die irische bzw.<br />

amerikanische Schreibweise handelt (siehe http://www.whiskysociety.com/deutsch/home.asp,<br />

Lexikon unter „w“). Für die meisten Wörterbuchbenutzer ist diese Unterscheidung jedoch<br />

unerheblich, für sie ist es lediglich wichtig zu wissen, daß es beide Schreibweisen gibt.


27<br />

in Klammer gesetzte Hinweis „engl.“ sowie im Anschluß an die Paraphrase die<br />

Übersetzung „heißer Hund“ finden. Generell scheinen englische <strong>Entlehnungen</strong> im<br />

Verhältnis zu <strong>Entlehnungen</strong> aus anderen Sprachen recht schnell Eingang in den<br />

deutschen Wortschatz zu finden, was sich auf die bereits erwähnte Vertrautheit mit<br />

der Sprache zurückführen läßt. Bei manchen Wörtern ist die Eindeutschung anhand<br />

des Wörterbucheintrages augenscheinlich. So weisen beispielsweise bei Toast die<br />

lautschriftlichen Angaben [to:st, engl.: təΥst] deutlich darauf hin 10 , ebenso verhält es<br />

sich bei Steak [ste:k, engl.: steIk], und auch Whisky hat neben der englischen<br />

Ausspracheangabe eine dem Deutschen angepaßte ['wIski, vi-]. Ketchup wurde<br />

dagegen mit der neuen Schreibung Ketschup orthographisch stärker ans Deutsche<br />

angepaßt. Aber auch jene Wörter, denen die Eindeutschung nicht so offensichtlich<br />

anzumerken ist, haben sich mehr oder weniger stark ans Deutsche assimiliert (siehe<br />

dazu auch Kap. 5).<br />

Beim Wort Ketchup handelt es sich übrigens mitnichten um ein englisches Wort. Das<br />

Wort ist tatsächlich vom chinesischen Wort ketsiap abgeleitet, einer Fischsoße, die<br />

mit Tomaten nichts zu tun hat. Aus diesem Grund kann das Wort Ketchup im<br />

Deutschen auch eher <strong>als</strong> Entlehnung aus dem Englischen angesehen werden denn <strong>als</strong><br />

Entlehnung aus dem Chinesischen, da das Signifié aus dem Englischen übernommen<br />

wurde (Gutknecht 2002: 128; siehe auch Kluge 1999). Dieses Beispiel verdeutlicht,<br />

daß sich die Herkunft einer Entlehnung nicht immer völlig eindeutig bestimmen läßt,<br />

weil oftm<strong>als</strong> eine lange Entlehn- und Kulturgeschichte dahintersteht. Ähnliches gilt<br />

auch für das Wort Curry (siehe Gutknecht 2002: 59f.), aber anders <strong>als</strong> Ketchup wird<br />

dieses bei uns <strong>als</strong> asiatisches Erzeugnis wahrgenommen, weshalb es in dieser Arbeit<br />

bei den <strong>Entlehnungen</strong> des asiatischen Bereiches zu finden ist.<br />

Auch das Wort Bagel, paraphrasiert <strong>als</strong> „ein Gebäck“ und mit der Ausspracheangabe<br />

['beI -] versehen, stammt nicht ursächlich aus dem Englischen; es handelt sich hierbei<br />

um eine Rückentlehnung aus Beugel 11 .<br />

<strong>Eine</strong> besondere Bedeutung des Englischen liegt <strong>als</strong>o im Transport <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong>.<br />

Wörter aus außereuropäischen Sprachen werden zumeist indirekt über das Englische<br />

ins Deutsche entlehnt, wobei bisweilen orthographische Besonderheiten des<br />

Englischen erhalten bleiben (z.B. die Schreibung für den Laut [∫] bei Wörtern<br />

wie Sushi und Sashimi).<br />

10 Innerhalb meiner Familie existiert hier sogar eine Pluralbildung mit Umlaut, <strong>als</strong>o ['tø:stə], die mit<br />

der englischen Morphophonetik klarerweise nichts mehr zu tun hat.<br />

11 Information <strong>von</strong> ÖWB-Mitarbeiter Herbert Fussy


7.3.7. Südostasien<br />

28<br />

Wörter aus dem asiatischen Raum machen wohl die jüngste Gruppe kulinarischer<br />

<strong>Entlehnungen</strong> im ÖWB aus, sie sind mittlerweile aber zu fixen Bestandteilen der<br />

deutschen Sprache geworden. Zu diesem <strong>Entlehnungen</strong> gehören Chop Suey,<br />

Bamigoreng, Nasigoreng, Maki, Sushi, Sashimi, Soja, Tofu, Agar-Agar, Curry,<br />

Ginseng, Kumquat, Kaki, Lychee und Papaya.<br />

Chop Suey ist paraphrasiert <strong>als</strong> „ein chinesisches Gericht aus Fleisch und Gemüse“;<br />

dazu kommen die Ausspracheangabe [t∫op'su:i] sowie die alternative Schreibung<br />

Chop-Suey. Zwar ist Chop-Suey in der Realität keine chinesische Spezialität, wie<br />

man gemeinhin annehmen möchte, sondern setzt sich genaugenommen aus den<br />

Resten vom Vortag zusammen (Gutknecht 2002: 58f.); bei dieser Erkenntnis handelt<br />

es sich allerdings um eine kulturgeschichtliche Feststellung, und die<br />

Bedeutungsangabe des ÖWB entspricht dem Chop-Suey, das in Österreich<br />

üblicherweise serviert wird. Bamigoreng und Nasigoreng sind indonesische<br />

Gerichte, ersteres ein „indonesisches Nudelgericht“, letzteres ein „indonesisches<br />

Reisgericht“. Bei beiden sind Alternativschreibungen mit Bindestrich angegeben<br />

(Bami-Goreng, Nasi-Goreng). Zudem geht <strong>von</strong> jedem der beiden Wörter ein Verweis<br />

zum jeweiligen anderen aus; sie werden im ÖWB <strong>als</strong>o zueinander in Beziehung<br />

gesetzt.<br />

Bei Maki ist durch die Erläuterung „eine japanische Speise“ zwar die Herkunft des<br />

Vokabels geklärt, aber es stellt sich die Frage, ob dem Wörterbuchbenutzer diese<br />

Auskunft ausreicht (dieselbe Problematik habe ich schon beim Lemma Paella<br />

beschrieben, siehe Kap. 7.3.4.). Es findet sich ansonsten noch ein Verweis auf Sushi,<br />

das im Gegensatz zu Maki einen sehr viel ausführlicheren Eintrag aufweist: „eine<br />

japanische Speise aus Reis und zB mariniertem rohen Fisch“. Dazu ist das<br />

Kompositum Sushilokal angeführt sowie die Ausspracheangabe [-∫i]. Kein<br />

Rückverweis auf Maki. Ein weiterer Begriff aus der japanischen Küche ist Sashimi,<br />

„eine japanische Speise aus rohem Fisch“. Hier gibt es ebenso wie bei Sushi eine<br />

Ausspracheangabe, nämlich [-'∫i:-], Verweise existieren allerdings nicht. Das System,<br />

nach dem im ÖWB Verweise gesetzt werden, mag an dieser Stelle etwas inkonsistent<br />

erscheinen, de facto ist jedoch die Entscheidung, welches Wort einen Verweis auf<br />

ein anderes erhält, nicht gerade einfach, zumal Verweise unter Umständen auch


29<br />

irreführend sein können, wie es bei Dönerkebab und Gyros der Fall ist (siehe Kap.<br />

7.3.2), und derartiges ja nach Möglichkeit vermieden werden soll.<br />

Sushi und Sashimi weisen, wie bereits in Kap. 7.3.6. erwähnt, mit der Schreibung<br />

ein Kennzeichen der englischen Orthographie auf.<br />

Soja sowie die längere Form Sojabohne („eine Nutzpflanze; ihre Frucht“) sind schon<br />

länger im ÖWB verzeichnet. Hier springen in der 39. Auflage vor allem die<br />

zahlreichen Komposita Sojalaibchen, Sojamehl, Sojamilch, Sojaöl, Sojasauce (bzw.<br />

-soß, -soße) und Sojasprosse ins Auge. Bis auf Sojalaibchen wurden diese Wörter<br />

alle in der 38. Auflage aufgenommen, so wie auch Tofu („ein Sojaprodukt“). Über<br />

die Herkunft dieser Wörter verrät das ÖWB nichts, und die Produkte dürften<br />

inzwischen auch in so viele Länder Eingang gefunden haben, daß die Zuordnung zu<br />

einer bestimmten Küche nur noch schwer möglich ist. Ursprünglich wurde das Wort<br />

Soja aber Kluge zufolge (1999: 769) <strong>als</strong> shōyu aus dem Chinesischen ins Japanische<br />

entlehnt, und kam <strong>von</strong> dort aus dem Niederländischen zu uns.<br />

Auch Agar-Agar wird, was die Herkunft betrifft, nicht genauer bezeichnet; es wird<br />

nur <strong>als</strong> „getrocknete Masse aus Algenarten (anstelle <strong>von</strong> Gelatine)“ paraphrasiert,<br />

und diese Information ist für den Wörterbuchbenutzer ausreichend. Ähnlich verhält<br />

es sich mit Curry; dieses ist „eine pulverige Gewürzmischung“ und wird ['kΛri] oder<br />

['kз:ri] ausgesprochen. Obwohl hier keine Herkunftsangabe vorliegt, dürfte Curry<br />

wohl meistens richtigerweise mit Indien oder zumindest mit Asien assoziiert werden<br />

(das Wort leitet sich <strong>von</strong> Tamil kari bzw. Canarese karil ab; Gutknecht 2002: 59f.),<br />

wobei diese spezielle Gewürzmischung im Norden Indiens allerdings unbekannt ist<br />

(Gutknecht 1999: 60). Ginseng scheint <strong>als</strong> „eine (chinesische, koreanische)<br />

heilkräftige Wurzel“ im Wörterbuch auf.<br />

Auch beim Wort Kumquat ist in der Paraphrase „(chinesische) Zwergorange“ die<br />

Herkunft angegeben. Kaki wird hingegen nur <strong>als</strong> „tropische Frucht“ geführt, ähnlich<br />

wie Papaya und Lychee, die jeweils <strong>als</strong> „exotische Frucht“ paraphrasiert werden,<br />

wobei es bei beiden Hinweise zur Aussprache gibt: [-ja] bzw. ['li(:)t∫i]. Zu Lychee ist<br />

außerdem noch die eingedeutschte Form Litschi registriert.<br />

Bei den asiatischen <strong>Entlehnungen</strong> entsteht der allgemeine Eindruck, daß fertige<br />

Gerichte oftm<strong>als</strong> das sächliche Geschlecht besitzen, während beispielsweise Früchte<br />

weiblich zu sein scheinen. Allerdings reicht die Anzahl der Wörter nicht aus, um<br />

diese Annahme ernsthaft zu stützen. Der Plural wird üblicherweise mittels<br />

angehängtem –s oder Nullmarkierung gebildet.


7.3.8. Sonstige<br />

30<br />

Weitere <strong>Entlehnungen</strong>, deren Herkunft nicht angegeben ist und die sich keiner der<br />

genannten Gruppen zuordnen lassen, sind Limette, Curaçao und Harissa. Limette, <strong>als</strong><br />

„eine Zitrusfrucht“ paraphrasiert, ist aller Wahrscheinlichkeit nach aus einer<br />

romanischen Sprache ins Deutsche entlehnt worden, allerdings ist für mich anhand<br />

der eingesehenen Wörterbücher und Literatur nicht zu eruieren, aus welcher.<br />

Curaçao, das [kyra'saΥ] ausgesprochen wird, wird erklärt mit „ein Likör (nach der<br />

Insel Curaçao)“. Bei der Insel handelt es sich um einen Teil der niederländischen<br />

Antillen, das Wort selbst ist aber portugiesischer Herkunft („Herz“). Harissa<br />

wiederum, „ein [sic] pikante Paste zum Würzen“, kenne ich <strong>als</strong> Bestandteil der<br />

nordafrikanischen Küche; Genaueres ist mir dazu jedoch nicht bekannt.<br />

8. Zusammenfassung<br />

Resümierend läßt sich feststellen, daß kulinarische <strong>Entlehnungen</strong> im<br />

Österreichischen Wörterbuch sehr umfassend verzeichnet sind. Der Grund dafür läßt<br />

sich im großen Interesse vermuten, das dem Essen ganz allgemein und fremden<br />

Speisen im Besonderen entgegengebracht wird. Das Österreichische Wörterbuch<br />

versucht, diesem Interesse Rechnung zu tragen, indem es möglichst viele dieser<br />

Speisen erfaßt und beschreibt. Allerdings sind die <strong>Entlehnungen</strong> nicht eigens <strong>als</strong><br />

solche gekennzeichnet, sondern nur anhand ihrer Schreibung oder Angaben zu<br />

Aussprache bzw. Herkunft <strong>als</strong> solche zu identifizieren.<br />

Die Herkunft <strong>von</strong> <strong>Entlehnungen</strong> ist aufgrund komplizierterer Entlehnwege nicht<br />

immer eindeutig zu bestimmen. Zudem ist der genaue Entlehnweg meist nur für<br />

Sprachwissenschaftler tatsächlich <strong>von</strong> Interesse; für den durchschnittlichen<br />

Wörterbuchbenutzer hingegen ist solche Information völlig irrelevant. Für detaillierte<br />

Herkunftsangaben sind deshalb etymologische Wörterbücher da. Haben bestimmte<br />

kulinarische Begriffe aber den Status einer landestypischen Spezialität, hat eine<br />

Herkunftsangabe durchaus auch in einem allgemeinen Wörterbuch Relevanz und<br />

wird den Wörterbuchbenutzer im allgemeinen auch interessieren. In diesem Fall<br />

finden sich im Österreichischen Wörterbuch auch zum Großteil Hinweise, die dem<br />

Wörterbuchbenutzer die wesentlichen Informationen übermitteln.


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