Orientierung durch Philosophieren - Fachverband Philosophie e.V.
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Der <strong>Fachverband</strong> Ethik gratuliert<br />
Fünfzig Jahre im Leben eines Menschen bedeuten reiche Lebenserfahrung verbunden<br />
mit einer großen Schaffenskraft in geistigen Arbeitsfeldern. Ein Erwachsener<br />
blickt bei diesem runden Geburtstag mit kritischer Würdigung auf seine<br />
Wurzeln und seinen Lebensweg. So ist es angemessen, auf die Wurzeln dieses<br />
denkwürdigen Jubiläums zurückzuschauen.<br />
Werden die 50 Jahre im Blick zurück mit sich selbst multipliziert, dann gelangen<br />
wir in die Zeit um 500 v. u. Z. und damit in die Zeit der Vorsokratiker. Damit befinden wir uns an der Wiege der<br />
europäischen <strong>Philosophie</strong>, als sich der Logos vom Mythos emanzipierte. Namen wie Pythagoras und Archimedes stehen<br />
für das mathematisch-technische Eigeninteresse zur Welterkenntnis und Weltdeutung. Demokrit ist mit seiner<br />
These von unteilbaren kleinsten Teilchen der Urvater moderner Atomtheorien. Andere Philosophen wie Epikur und<br />
Seneca widmeten sich unabhängig von mythisch begründeten Tabus und Moralen insbesondere der Lebenskunst. Aristoteles<br />
fasste dann das gesamte Weltwissen seiner griechischen Zeit von der Logik und Kosmologie bis zur Ästhetik<br />
zusammen. Die antike Aufklärung war somit die Initialzündung zum Start in die Emanzipation des menschlichen<br />
Denkens und Forschens.<br />
Als 381 Kaiser Theodosius I. das Christentum zur Staatsreligion erklärte, verbot er zuerst die konkurrierenden antiken<br />
Mythen und belegte den Besuch ihrer Tempel und Kulte mit der Todesstrafe. Dann wurden die Olympischen<br />
Spiele verboten und im Jahr 529 die letzte antike Philosophenschule geschlossen. Logik und Logos hatten nun lediglich<br />
im Dienst des christlichen Mythos eine Existenzberechtigung. Die <strong>Philosophie</strong> wurde zur ancilla theologiae, zu einer<br />
Magd der Theologie.<br />
Bewahrer der Traditionen der antiken <strong>Philosophie</strong> waren in Zeiten ihres Niedergangs in Europa die arabischen<br />
Philosophen und Wissenschaftler. Von der halben Million antiker Handschriften allein in der großen Bibliothek von<br />
Alexandria z.B. erreichte uns über die Übersetzerschulen von Toledo so wenigstens ein Teil.<br />
Aus der dienenden Rolle hat sich das von Mythen unabhängige Denken und Forschen im Abendland erst mit der<br />
Renaissance und der Europäischen Aufklärung befreien können. Drei Bewegungen förderten diesen Prozess der<br />
Befreiung in der Neuzeit: die Kunst mit ihrem Rückblick auf ihre Blüte in der „heidnischen“ Antike, der selbständige<br />
und forschende Blick der Naturwissenschaften auf die Welt und die moralische Selbstentwertung der christlichen<br />
Absolutheitsansprüche im 30-jährigen Konfessionskrieg. Empirismus, Rationalismus und Aufklärung sind die Marksteine<br />
der zweiten Emanzipationsphase der <strong>Philosophie</strong> in Europa.<br />
In diese Emanzipationsbewegung menschlichen Geistes gehört auch die Einführung des Faches <strong>Philosophie</strong> in der<br />
Sekundarstufe II an deutschen Schulen. Die Gründung eines <strong>Fachverband</strong>es der <strong>Philosophie</strong>lehrkräfte hat der Profilierung<br />
des Faches gedient und einen wichtigen Beitrag zur Vertretung der Fachlehrerschaft in der Bildungspolitik<br />
geleistet. Der <strong>Fachverband</strong> Ethik gratuliert dem <strong>Fachverband</strong> <strong>Philosophie</strong> zu seinem 50-jährigen Bestehen und<br />
wünscht ihm weiterhin Erfolge im Dienste der Aufklärung und Emanzipation der jungen Generation in unserer hochkomplexen,<br />
multikulturellen und globalisierten Gesellschaft und Welt.<br />
Für Ihr zukünftiges Wirken möchten wir drei Bitten äußern. Betonen Sie bitte auf allen Ebenen Ihres Wirkens in<br />
Schule und Öffentlichkeit die Bedeutung der Aufklärung und des philosophischen Humanismus für die kulturelle Identität<br />
Europas. Es geht um die Deutungshoheit über unsere Kultur und Gesellschaft in der deutschen und<br />
europäischen Leitkulturdebatte.<br />
Öffnen Sie in Lehrerbildung und Unterricht den Blick für außereuropäische philosophische Traditionen wie z.B. bei<br />
Konfuzius und Buddha und ihre ethischen Implikationen für unsere gegenwärtigen Probleme.<br />
Verstärken Sie weiterhin die Fokussierung auf Menschenrechte und ethische Fragen des konkreten Zusammenlebens<br />
vom Klassenzimmer bis zur globalisierten Politik. Am Ende soll ein Dank stehen. Der <strong>Fachverband</strong> Ethik bedankt<br />
sich für die fruchtbare und gleichberechtigte partnerschaftliche Zusammenarbeit. Im Jubiläumsjahr zeigt sie sich besonders<br />
in der effizienten und kollegialen Atmosphäre im Arbeitskreis Ethik/<strong>Philosophie</strong> unter der kundigen Leitung<br />
von Dr. Bernd Rolf. Dieser Arbeitskreis vereint die Ethik- und <strong>Philosophie</strong>fächer sowie die Humanistische Lebenskunde<br />
und arbeitet an gemeinsamen Bildungsstandards für unsere Fächer. Ohne den Anstoß des <strong>Fachverband</strong>es<br />
<strong>Philosophie</strong> wäre es wohl nicht zu dieser wirkungsvollen Kooperation gekommen.<br />
Mit guten Wünschen für alle Ihre Mitglieder und Ihre Arbeit in Gegenwart und Zukunft.<br />
Peter Kriesel / Werner Fuß (Vorstand)<br />
MITTEILUNGEN 46/2006