Die Marktgröße - Bürgernetz Weihenstephan eV
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.....................BPjS-Aktuell 1/2001<br />
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die exakt und deckungsgleich als allgemein<br />
anerkannte Fähigkeiten sowohl für wirtschaftliches<br />
als auch soziales Handeln<br />
verlangt werden. Mit anderen Worten: der<br />
Spieler kann hier im geschützten Raum und<br />
damit auch gefahrlos trainieren, den Anforderungen<br />
möglicher zukünftiger komplexer<br />
Probleme auf spielerische Art und Weise zu<br />
begegnen. Ob die hierdurch vermittelten<br />
Problemlösungstechniken dann auch tatsächlich<br />
erlernt und aus dem Spiel in das<br />
eigene Verhaltensrepertoire übernommen<br />
werden und damit den Sprung aus dem<br />
Spiel in die Realität schaffen und unter welchen<br />
Bedingungen dies geschieht, ist meines<br />
Wissens noch nicht hinreichend untersucht.<br />
Selbst von einigen Spielen, die Gewaltausübung<br />
beinhalten, geht nicht unbedingt<br />
und ausschließlich Gefährdungspotential<br />
aus. Nehmen wir etwa die besagten Jumpand-run-Spiele.<br />
Es ist z.B. die Aufgabe des<br />
Spielers, die „Bösen“ zu beseitigen, indem<br />
man lange genug auf sie feuert, draufspringt<br />
oder ähnliches tut. Gewalt zu verüben<br />
ist häufig illegal und gesellschaftlich<br />
negativ bewertet, obwohl wir differenzierten<br />
Formen der Gewalt in fast allen Lebensbezügen<br />
begegnen. Gerade für Menschen,<br />
die in ihrem realen Leben in untergeordneten<br />
Positionen sind - wie etwa Kinder und<br />
Jugendliche - die zudem noch häufig Opfer<br />
der unterschiedlichen Formen psychischer<br />
und/oder physischer Gewalt werden können,<br />
übt die Vermittlung von Machtgefühlen,<br />
von Herrschaft und die sanktionsfreie<br />
Ausübung von Gewalt eine besondere<br />
Attraktivität und Faszination aus. Der Spieler<br />
kann sich für real erfahrene Demütigungen<br />
oder andere Formen der Gewalt im<br />
Spiel rächen, er kann es seinen Spielgegnern<br />
anstelle seiner realen Gegner<br />
heimzahlen. Er kann mit Macht und Herrschaft<br />
spielen, er kann andere in die Knie<br />
zwingen, sie in die Flucht schlagen oder<br />
ganz einfach vernichten. Damit können ihm<br />
solche Spiele auch eine Projektionsfläche<br />
sein, um real erlebte Frustrationen und Aggressionen<br />
in spielerischer Form zu bearbeiten.<br />
Ich meine damit jedoch nicht diejenigen<br />
Spiele, in denen Gewalt als alleiniger Spielzweck<br />
angeboten und Gewalt als<br />
Konfliktlösungsmittel propagiert wird und<br />
damit sehr bedenkliche Inhalte vermittelt<br />
werden. Es gibt eine ganze Reihe von Spielen,<br />
in denen Gewalt - neben anderen -<br />
Spielinhalten angeboten wird, wie beispielsweise<br />
in zahlreichen Abenteuerspielen.<br />
Solche Spiele bieten durchaus die Möglichkeit,<br />
Gewalt als Problemlösungsversuch<br />
auszuprobieren, und sie vermitteln Kindern<br />
und Jugendlichen darüber hinaus das Vergnügen,<br />
ihre Machtposition spielerisch<br />
auszukosten und möglicherweise eigene<br />
Versagens- und Ohnmachtsgefühle zu<br />
kompensieren. Fraglich wird eine solche<br />
eher positiv einzuschätzende Wirkung bei<br />
solchen Spielen allerdings immer dann,<br />
wenn sie häufig oder ausschließlich gespielt<br />
werden. In diesen Fällen wird vermutlich<br />
davon auszugehen sein, dass im Sinne<br />
der Lerntheorie neue aggressive Verhaltensweise<br />
gelernt werden. Allerdings will<br />
ich auch an dieser Stelle noch einmal darauf<br />
hinweisen, dass die Spieler sehr wohl<br />
wissen, dass es sich um ein Spiel handelt,<br />
so dass hier eine noch größere Distanz<br />
zwischen Spieler und Handlung besteht als<br />
es beispielsweise zwischen Zuschauer und<br />
Film ist, dass damit auch Transferprozesse<br />
beziehungsweise die Wechselwirkung zwischen<br />
Spieler und Spielhandlung noch<br />
schwieriger zu beurteilen ist.<br />
Ich habe soeben bereits den Bereich<br />
der Abenteuerspiele angesprochen, und<br />
auch hier meine ich, dass es in erster Linie<br />
positive Aspekte sind, die diese Spiele beinhalten.<br />
Sie kennen alle den berühmten<br />
Ausspruch von Bruno Bettelheim, dass<br />
Kinder Märchen brauchen und wofür sie sie<br />
brauchen. Ich denke, dass die Abenteuerspiele<br />
zu einem gewissen Teil diese Funktion<br />
übernehmen können. Sie bieten Kindern<br />
- und nicht nur ihnen - eine Fluchtmöglichkeit,<br />
hinaus aus dem Alltag und<br />
hinein in eine Welt voller Abenteuer und<br />
Mystik, voller Rätsel und Gefahren. Wenn<br />
Sie Kinder einmal dabei beobachten, wie<br />
sie sich in diese „neue Welt“ hineinversetzen,<br />
wie sie sich in ihr bewegen und in ihr<br />
agieren, werden Sie sehen, dass Kinder<br />
Raum und Zeit vergessen - und daher<br />
kommt auch ein guter Teil der weiter oben<br />
bereits angesprochenen Diskussionen über<br />
die Begrenzung der Spielzeit. Auch hier<br />
bietet sich wieder die Möglichkeit, gefahrlos<br />
Abenteuer zu bestehen, „Held“ zu sein und<br />
die ihm auferlegten Aufgaben und Missionen<br />
zu erfüllen. Natürlich gibt es hierbei<br />
auch Rückschläge und Frustrationen; wenn<br />
aber ein Spiellevel geschafft, ein Hauptgegner<br />
besiegt oder eine andere knifflige Aufgabe<br />
gelöst worden ist, stellt sich das zufrieden<br />
stellende Gefühl der Kompetenz<br />
ein, von dem im Zitat von Jürgen Fritz vorhin<br />
die Rede war. Im Übrigen will ich der<br />
Ergänzung halber noch darauf hinweisen,<br />
dass die jüngsten Erfolge von Harry Potter<br />
eben genau darauf zurückzuführen sind,<br />
dass den Kindern eine gefahrlose Reise in<br />
eine aufregende und spannende Welt geboten<br />
wird, in der Harry Potter stellvertretend<br />
für sie gefährliche Abenteuer zu bestehen<br />
hat.<br />
Und möglicherweise bietet dies für<br />
Kinder viel mehr als nur einen oberflächlich<br />
verstandenen Spielspaß. Ich habe davon<br />
gehört, dass Kindertherapeuten bereits die<br />
Bücher von Harry Potter ganz bewusst bei<br />
Kindern einsetzen, weil sie sich davon einen<br />
therapeutischen Effekt versprechen.<br />
Der Unterschied zwischen dem Buch und<br />
dem Computerspiel besteht für mich in<br />
dieser Hinsicht lediglich darin, dass im<br />
Computerspiel alles visualisiert ist, während