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AUFSÄTZE - Ja-Aktuell

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AUFSATZ<br />

AUFSATZ ÖFFENTLICHES RECHT · DIE POLIZEILICHE WOHNUNGSVERWEISUNG<br />

Anhörung geheilt werden, indem z.B. dem Betroffenen am<br />

nächsten Tag Gelegenheit zur Äußerung gegeben und diese<br />

von der zuständigen Stelle in ihre Überlegungen hinsichtlich<br />

der Aufrechterhaltung der Verfügung einbezogen wird. Problematisch<br />

ist, ob die Behörden auch dann noch eine Heilung<br />

herbeiführen können, wenn sich die Wohnungsverweisung<br />

infolge Zeitablaufs längst erledigt hat, der Betroffene mithin<br />

erst nach einem Monat zur bereits „ausgelaufenen“ Wohnungsverweisung<br />

angehört wird. Wohl im Hinblick darauf,<br />

dass nach § 45 II VwVfG Verfahrenshandlungen bis zum<br />

Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen<br />

Verfahrens nachgeholt werden dürfen, befürwortete<br />

das VG Aachen eine Heilung des Anhörungsmangels.<br />

41 Dem ist jedoch zu widersprechen. Unter Berücksichtigung<br />

des Sinn und Zweck der Verfahrensvorschriften zeichnet<br />

sich eine Heilung dadurch aus, dass für den Betroffenen materiell<br />

gesehen ein vergleichbarer Zustand wie bei einer korrekten<br />

Verfahrensgestaltung hergestellt wird. 42 Dies setzt allerdings<br />

voraus, dass die Behörde neuen Erkenntnissen, die sich<br />

im Zuge der nachträglichen Anhörung ergeben, ggf. durch<br />

eine Korrektur des Verwaltungsakts Rechnung tragen kann. 43<br />

Ist aber eine polizeiliche Maßnahme infolge Zeitablaufs unwirksam<br />

geworden, kann sie nicht mehr geändert werden.<br />

Deshalb ist dem VG Köln zu folgen, das eine Heilung durch<br />

eine Anhörung des Betroffenen nach Erledigung der Wohnungsverweisung<br />

für ausgeschlossen gehalten hat. 44<br />

2. Unbeachtlichkeit des Fehlers (§ 46 VwVfG)<br />

Hinter § 46 VwVfG steht der Gedanke, dass es verfahrensökonomisch<br />

wenig sinnvoll ist, wenn die Gerichte wegen<br />

eines formellen Fehlers einen Verwaltungsakt aufheben müssten,<br />

den die Verwaltung gleich wieder so erlassen könnte. 45<br />

Aus diesem Grund wird die Aufhebung eines Verwaltungsakts<br />

wegen der Verletzung bestimmter formeller Vorschriften,<br />

etwa des § 28 I VwVfG, ausgeschlossen, wenn offensichtlich<br />

ist, dass der Verfahrensverstoß die Entscheidung in der Sache<br />

nicht beeinflusst hat. Das BVerwG ließ bisher offen, ob § 46<br />

VwVfG auf erledigte Verwaltungsakte Anwendung findet. 46<br />

Im Schrifttum wird dies zum Teil befürwortet. Es hänge<br />

häufig vom Zufall ab, wann sich ein Verwaltungsakt erledige,<br />

und es sei nicht einzusehen, warum der Einzelne zwar bei<br />

einem Verfahrensfehler bei einem wirksamen Verwaltungsakt<br />

keine gerichtliche Aufhebung erstreiten, bei erledigten Verwaltungsakten<br />

dagegen eine gerichtliche Feststellung ihrer<br />

Rechtswidrigkeit erreichen können soll. 47 Stellt man dagegen<br />

auf den Wortlaut des § 46 VwVfG ab, ist diese Norm nicht<br />

einschlägig. Denn ein erledigter Verwaltungsakt ist unwirksam<br />

und kann nicht mehr „aufgehoben“ werden. 48 § 46 VwVfG<br />

soll verhindern, dass die Gerichte einen wirksamen und sachlich<br />

richtigen Verwaltungsakt wegen eines Verfahrensfehlers<br />

aufheben müssen. Diese Norm dient der „Bestandserhaltung“<br />

eines Verwaltungsakts. Diese hinter § 46 VwVfG stehende<br />

Erwägung wird hinfällig, wenn sich ein Verwaltungsakt erledigt<br />

hat und infolgedessen nicht mehr wirksam ist.<br />

Ein Streitentscheid erübrigt sich, wenn die Voraussetzungen<br />

des § 46 VwVfG ohnehin fehlen. Für eine Unbeachtlichkeit<br />

des Verfahrensfehlers muss offensichtlich sein, dass sich<br />

dieser nicht auf die Sachentscheidung ausgewirkt hat. Es ist<br />

also zu prüfen, ob bei Einhaltung des Anhörungserfordernisses<br />

die Möglichkeit bestanden hätte, dass die Entscheidung<br />

aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen anders ausgefallen<br />

wäre. Wenn ja, ist eine Unbeachtlichkeit zu verneinen. Nur<br />

wenn „offensichtlich“, d.h. jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen<br />

ist, dass die Behörde bei Vermeidung des Fehlers<br />

4<br />

1/2011<br />

zur selben Entscheidung in der Sache gelangt wäre, erweist<br />

sich dieser als unbeachtlich. 49 Letzteres ist regelmäßig bei<br />

gebundenen Entscheidungen sowie bei Ermessensreduzierungen<br />

auf Null der Fall. 50 Da der Erlass einer Wohnungsverweisung<br />

– wie noch zu zeigen sein wird – im Ermessen der<br />

Polizei steht und bei dieser Maßnahme den tatsächlichen Umständen<br />

eine erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere<br />

was die Einschätzung angeht, wer Täter und wer Opfer ist,<br />

und die Aussagen des Betroffenen für die Bestimmung der<br />

Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, respektive die Dauer der<br />

Wohnungsverweisung, wichtig sein können, wird sich vielfach<br />

nicht mit der für § 46 VwVfG notwendigen Offensichtlichkeit<br />

feststellen lassen, dass man bei einer korrekten Verfahrensweise<br />

genauso entschieden hätte.<br />

III. Form der Anordnung<br />

Angesichts der besonderen Umstände werden Wohnungsverweisung<br />

und Rückkehrverbot meistens mündlich erlassen (s.<br />

§ 37 II 1 VwVfG). Deshalb wird auch nicht die Begründungspflicht<br />

des § 39 I 1 VwVfG ausgelöst. Ein mündlicher Verwaltungsakt<br />

wird mit seiner Bekanntgabe wirksam, d.h. wenn<br />

der Erklärende vernünftigerweise davon ausgehen darf, dass<br />

der Empfänger die Erklärung verstanden hat. 51 Wenn der<br />

Betroffene dies unverzüglich verlangt und wenn er, was wegen<br />

der Grundrechtsrelevanz sowie der andauernden Wirkung der<br />

Maßnahme in aller Regel zu bejahen ist, ein berechtigtes Interesse<br />

hat, ist dieser mündliche Verwaltungsakt schriftlich oder<br />

elektronisch zu bestätigen (§ 37 II 2 VwVfG) und dann auch<br />

mit einer Begründung zu versehen (§ 39 I 1 VwVfG). Die<br />

Bestätigung enthält aber grundsätzlich mangels Regelungsgehalt<br />

keinen eigenständigen, sondern nur einen Hinweis auf<br />

den ursprünglichen Verwaltungsakt. 52<br />

E. MATERIELLE RECHTMÄßIGKEIT<br />

Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit sind die Tatbestandsvoraussetzungen<br />

der Befugnisnorm, der Adressat der<br />

Maßnahme sowie die daran anknüpfende(n) Rechtsfolge(n) zu<br />

prüfen.<br />

I. Rechtsgut<br />

Nach den meisten Befugnisnormen kann die Wohnungsverweisung<br />

nur bei einer Gefahr für bestimmte, näher umschriebene<br />

Rechtsgüter verfügt werden. Zu den geschützten Gütern<br />

gehören regelmäßig Leib, Leben und Freiheit, 53 vereinzelt<br />

41 VG Aachen, Urt. v. 23.08.2006 – 6 K 3852/04.<br />

42 Wolff/Decker Studienkommentar VwGO/VwVfG, 2. Aufl. 2007, § 45 VwVfG<br />

Rn. 8; s. auch Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs (Fn. 39) § 45 VwVfG Rn. 76, 84 f., 87.<br />

43 VG Köln, Urt. v. 24.01.2008 – 20 K 2146/06.<br />

44 VG Köln, Urt. v. 25.09.2008 – 20 K 4987/07; Kopp/Ramsauer (Fn. 36) § 45 Rn. 13;<br />

ebenso zu einer nachträglichen Begründung bei Erledigung VGH Mannheim<br />

ESVGH 56, 169 (176).<br />

45 Martini Verwaltungsprozessrecht, 4. Aufl. 2008, S. 107; Schenke Verwaltungsprozessrecht,<br />

12. Aufl. 2009, Rn. 327.<br />

46 BVerwGE 68, 267 (276).<br />

47 Wolff/Decker (Fn. 42) § 46 VwVfG Rn. 17.<br />

48 Hufen Verwaltungsprozessrecht, 7. Aufl. 2008, § 11 Rn. 16; Stelkens/Bonk/Sachs/<br />

Sachs (Fn. 39) § 46 Rn. 11; Schenke DÖV 1986, 305 (308).<br />

49 VG Köln, Urt. v. 25.09.2008 – 20 K 4987/07.<br />

50 Sodan/Ziekow Grundkurs Öffentliches Recht, 4. Aufl. 2010, § 81 Rn. 17; Wolff/<br />

Decker (Fn. 42) § 46 VwVfG Rn. 13.<br />

51 Ernst Die Verwaltungserklärung, 2008, S. 53; s. zur Bekanntgabe gegenüber einer<br />

alkoholisierten Person OVG Münster NWVBl. 2010, 108.<br />

52 Kopp/Ramsauer (Fn. 36) § 37 Rn. 22; Ziekow VwVfG, 2006, § 37 Rn. 12.<br />

53 § 16 a I 1 BbgPolG; § 14 a I 1 BremPolG; § 34 a I 1 PolG NRW; § 201 a LVwG S-H;<br />

Schutz der Gesundheit statt des Leibs § 29 a I 1 ASOG Bln; § 18 II 1 ThürPAG.

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