Dokument_1.pdf (6513 KB) - OPUS Augsburg
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dergrund (siehe auch Abb. 16). Es sind dies getrennte Bildfelder nicht nur deswegen,<br />
weil sich ein horizontaler Rocaillebogen trennend zwischen sie schiebt, sondern auch<br />
deswegen, weil die Geschehnisse in diesen beiden Bereichen in voneinander unabhängigen<br />
Räumen stattfinden; anders gesagt: Der Raum des unteren Bildfeldes setzt<br />
sich im oberen Bildfeld nicht fort. Fasst man das untere Bildfeld nun näher ins Auge,<br />
so entdeckt man im Hintergrund eine bei einem Haus und einem Brunnen versammelte<br />
Menschengruppe; und wenn man die biblische Erzählung kennt, so wird man<br />
feststellen, dass es sich hier um ein Geschehen handelt, das mit dem im Geschehen<br />
im Vordergrund zwar in einem inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang steht, aber<br />
nichtsdestoweniger eine eigenständige spätere Episode oder Szene darstellt. Dies<br />
heißt, dass der entwerfende Künstler in einem einzigen Bildfeld mehrere chronologisch<br />
aufeinanderfolgende Szenen unterbringen kann und dass es letztlich in seinem<br />
Ermessen steht, ob er solche Szenen lieber innerhalb des räumlichen Kontinuums<br />
eines Bildfeldes zusammenfasst oder ob er für jede Szene ein eigenständiges Bildfeld<br />
anlegt. Theoretisch kann der Künstler auch beliebig viele Szenen einer Ereignissequenz<br />
in einem zusammenhängenden Bildraum unterbringen, diesen Bildraum auf<br />
die ganze zur Verfügung stehende Fläche ausdehnen und auf eine Untergliederung<br />
der Fläche in mehrere Bildfelder ganz verzichten; doch spielen derartige Bildanlagen<br />
(vgl. z. B. Blatt 84, Abb. 26) in der Klauber-Bibel eine eher marginale Rolle. Natürlich<br />
handelt es sich bei diesen Vorgehensweisen (eine Fläche in Bildfelder zerlegen;<br />
mehrere Szenen in einem Bildfeld ansiedeln) um keine Spezifika der Klauber-Bibel<br />
und auch nicht der Graphik des 18. Jahrhunderts, sondern um in den verschiedensten<br />
Epochen und Gattungen angewandte Methoden, um Bilderzählungen zu organisieren:<br />
Nichtsdestoweniger sind die Konzepte ‚Bildfeld’ und ‚Szene’ im eben definierten<br />
Sinn für die Analyse der Bildgefüge auf den Kupferstichen der Klauber-Bibel<br />
besonders hilfreich, wobei zwangsläufig mit Fällen zu rechnen ist, in denen die Konzepte<br />
an Schärfe verlieren oder sich nicht mehr eindeutig trennen lassen.<br />
Was im Zusammenhang mit Blatt 48 zunächst interessiert, sind die Bildfelder. Ihre<br />
unterschiedliche Größe und der Verzicht auf einfache Anordnungsprinzipien wurde<br />
bereits erwähnt, und angedeutet wurde auch schon, welcher Strategie sich der<br />
Künstler bedient, um die Bildfelder einerseits gegeneinander abzugrenzen und sie<br />
andererseits zu einem Bildganzen zusammenzubinden, Kohärenz herzustellen:<br />
Diese Strategie, die auch auf zahlreichen anderen, aber keineswegs allen Blättern<br />
der Serie Anwendung findet, besteht darin, ein elaboriertes ornamentales Rahmensystem<br />
als Gerüst zu verwenden, in das die einzelnen Bildfelder eingebaut werden.<br />
‚Eingebaut’ darf hier freilich nicht so verstanden werden, dass einfach unregelmäßig<br />
konturierte Bildtäfelchen (als ‚Bilder im Bild’ sozusagen) kartuschenartig gerahmt<br />
werden; die genauere Betrachtung wird zeigen, dass der Übergang zwischen dem<br />
Bildraum innerhalb der einzelnen Bildfelder und dem Rahmen an mehreren Stellen<br />
fließend ist, dass es zu verschiedenartigen Interaktionen zwischen dem Rahmen und<br />
den Bildfeldern bzw. den darin angesiedelten biblischen Szenen kommt und dass<br />
komplexe räumliche Gefüge dadurch entstehen, dass die Bildfelder weniger als gerahmte<br />
Bilder sondern vielmehr als Blicke durch den Rahmen in einen Raum dahinter<br />
mit beträchtlicher Tiefendimension erscheinen.<br />
Dem Rahmensystem kommt außerdem ein über seine Funktionalität (Abgrenzung<br />
und Zusammenbindung der Bildfelder) weit hinausgehender Eigenwert zu, indem es<br />
einen nicht unbeträchtlichen Teil der verfügbaren Fläche einnimmt und indem die<br />
extravaganten, im Vergleich mit den Figuren maßstäblich sehr groß dimensionierten<br />
und außerordentlich plastisch ausgearbeiteten Rocailleformationen das Augenmerk<br />
des Betrachters fast ebenso stark auf sich ziehen wie die biblischen Szenen selbst;<br />
man beachte in diesem Zusammenhang insbesondere die ornamentalen Bereiche<br />
seitlich des kartuschenartig gerahmten mittleren Bildfeldes im oberen Bereich des