Kurse 2012 - Freier Pädagogischer Arbeitskreis
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«Unsere Anwesenheit soll ordnend, aufrichtend und<br />
rückenstärkend wirken»<br />
Aus einem Interview mit Henning Köhler zu seinem Buch<br />
«War Michel aus Lönneberga aufmerksamkeitsgestört?»<br />
(Aus «bildung und wissenschaft», Juli/August 2004)<br />
b&w: Herr Köhler, aus Studien geht hervor, dass sich das spätere Suchtrisiko verringert, wenn<br />
ADS-Kinder rechtzeitig mit Ritalin behandelt werden.<br />
Köhler: Ja, das ging durch die Presse. Man sollte allerdings solchen Studien nicht allzu viel<br />
Wert beimessen, zumal dann nicht, wenn die Geldgeber an bestimmten Ergebnissen interessiert<br />
sind. In einem Buch von Reinhard Voss lesen wir: «Neueren Ergebnissen (zufolge) scheinen<br />
im höheren Alter vermehrt Suchtprobleme bei Ritalin-Kindern als bei nicht behandelten<br />
Kindern aufzutreten.»…<br />
Ich sage Ihnen aus einem Vierteljahrhundert therapeutischer Erfahrung: Es gibt andere Wege,<br />
schwierigen Kindern ein Gefühl von sozialer Akzeptanz zu vermitteln, als sie per Medikament<br />
zum Funktionieren zu bringen. In meinen Augen ist Ritalin in den allermeisten Fällen überflüssig,<br />
ja mehr noch kontraindiziert. Die Behauptung, durch Ritalin könne das Sucht- und Kriminalitätsrisiko<br />
verringert werden, ist überaus fragwürdig. Es bestehen schwerwiegende<br />
Verdachtsmomente für die genau umgekehrte Annahme. Ritalin-Kids verinnerlichen die<br />
Botschaft: «Psychopillen sind deine Freunde und Helfer. Sie machen dich zu einem angenehmeren,<br />
erfolgreicheren Menschen. Sie helfen dir, Schwierigkeiten zu meistern. Du bist ohne<br />
sie nur halb so viel wert.» Es ist stark anzunehmen, dass dies auch später ihre Einstellung zu<br />
Drogen bestimmen wird. Hier sollte man sich keinen Illusionen hingeben…<br />
b&w: Sie lehnen den Einsatz von Ritalin rigoros ab.<br />
Köhler: Man soll aus keiner Überzeugung ein Dogma machen. Aber im Prinzip bin ich gegen<br />
Ritalin, ja. Ich stufe es als harte Droge ein. Es enthält den Wirkstoff Methylphenidat, der unter<br />
das Betäubungsmittelgesetz fällt. Dieser Wirkstoff ist eng verwandt mit Amphetamin<br />
(«Speed»). Die Liste der möglichen unerwünschten Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel<br />
liest sich wie ein Gruselstück.<br />
b&w: Aber viele Eltern wissen sich einfach nicht mehr anders zu helfen als durch die medikamentöse<br />
Unterstützung – und viele haben kein gutes Gefühl dabei.<br />
Köhler: Eltern, die keine andere Möglichkeit sahen, als vorübergehend zu der Ritalin-Scheinlösung<br />
Zuflucht zu nehmen, brauchen sich deshalb nicht mit Schuldgefühlen zu quälen. Wenn<br />
man Ritalin nur ganz selten und zeitlich begrenzt einsetzen würde, hätten wir ja auch gar kein<br />
Problem. Aber die Verschreibungshäufigkeit verdoppelt sich eben hierzulande Jahr für Jahr.<br />
Und 90 Prozent der Fachleute plädieren dafür, verhaltensauffälligen Kindern die Droge über<br />
Jahre hin, ja lebenslang zu verabreichen.<br />
Wir brauchen eine gewisse Unerschütterlichkeit<br />
b&w: Herr Köhler, viele Eltern, Erzieherinnen und Lehrer/innen leiden unbestritten unter dem<br />
Verhalten von ADS-Kindern und wollen wissen, welche gangbaren Wege es gibt, um adäquat<br />
mit diesen Kindern umzugehen.<br />
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