Fach: Pädagogik Fellner: Die Psychoanalyse Sigmund Freuds GK ...
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<strong>Fach</strong>: <strong>Pädagogik</strong> <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> <strong>Sigmund</strong> <strong>Freuds</strong> <strong>GK</strong> 12<br />
2155 Wann also ist das Ende einer Analyse (abgesehen von Gründen des<br />
Geldmangels oder irgendwelchen Ausbildungsvorschriften für künftige<br />
Analytiker) gekommen?. Sinnvoll scheint eine Beendigung dann, wenn<br />
sich die positive und negative Übertragung in eine sachliche, durch objektive<br />
Wahrnehmung geprägte zwischenmenschliche Beziehung umge-<br />
2160 bildet hat, der Leidensdruck gewichen ist und die schwerwiegendsten<br />
neurotischen Symptome verschwunden sind (9). Wer sich ernsthaft einer<br />
Analyse ausgesetzt hat, wird auch feststellen, dass er im Alltag<br />
selbstbewusster, gelassener und sachlicher geworden ist und sich bei<br />
der Bewältigung seiner Lebensaufgaben weder über- noch unterfordert<br />
2165 fühlt.<br />
"Wo Es war, soll Ich werden"<br />
<strong>Die</strong>ses Zitat <strong>Freuds</strong> (10) drückt ein Behandlungsziel aus, das über eine<br />
Symptombeseitigung weit hinausgeht. Laut Freud kann das Ziel der<br />
Psychotherapie nicht allein die Symptombeseitigung sein, vor allem<br />
2170 auch deshalb, da Konflikte nicht immer zu einer für den Patienten befriedigenden<br />
Lösung geführt werden können. Vielmehr soll es dem Patienten<br />
ermöglicht werden, sich zwischen einer tragfähigen Anzahl an<br />
Reaktionsmöglichkeiten frei entscheiden zu können. Lt. Kutter (14) ist<br />
das am weitesten reichende Ziel der Psychotherapie die Sinnfindung<br />
2175 oder Wahrheitsfindung.<br />
Auch die Beendigung einer <strong>Psychoanalyse</strong> selbst ist eine ‘Unternehmung’,<br />
die sich (schon angesichts der meist mehrjährigen Dauer) nicht<br />
so leichthin bewerkstelligen lässt und darum selbst zum Thema der Analyse<br />
gemacht werden muss. Der Prozess der Ablösung vom Therapeu-<br />
2180 ten hat insofern in sich eine therapeutische Wirkung, als der Analysand<br />
lernen muss, etwas loszulassen, das längerhin nicht mehr sehr sinnvoll<br />
ist, somit also realitätsbezogener zu werden.<br />
All die angeführten Ziele weisen über die Krankenbehandlung weit hinaus<br />
und erfordern eine hohe Motivation des Analysanden. Verfügt er<br />
2185 über diese besondere Motivation, wird die kontinuierlich sich entwickelnde<br />
Identifikation mit der Funktion des Analytikers außerdem die Fähigkeit<br />
zur Selbstanalyse bewirken, was quasi der Fortführung des dann<br />
verinnerlichten Dialogs entspricht.<br />
10. Methodenvergleich mit der Systemischen Therapie<br />
2190 Obwohl nur die wenigsten der in dieser Arbeit erläuterten psychoanalytischen<br />
Grundbegriffe in der täglichen Praxis der Systemischen Therapie<br />
eine Bedeutung haben – eine implizite Rolle spielen sie bemerkenswerterweise<br />
doch. Jedem Systemischen Therapeuten sind Phänomene wie<br />
z.B. "Widerstand", "Übertragung" und "Unbewusstes" vertraut, man be-<br />
2195 fasst sich mit "Traumdeutung" und anderen Techniken, die ihre Wurzeln<br />
in der <strong>Psychoanalyse</strong> haben - als Begrifflichkeiten oder gar im theoretischen<br />
Grundgebäude der Methode jedoch spielen sie so gut wie keine<br />
Rolle. <strong>Die</strong>s liegt vor allem darin begründet, daß der systemische Ansatz<br />
von völlig unterschiedlichen Prämissen und Hypothesen bezüglich psy-<br />
2200 chischer Problemzusammenhänge ausgeht als die <strong>Psychoanalyse</strong>, was<br />
sich zwangsläufig auch stark auf Setting, Verlauf und Inhalt der Therapie<br />
auswirkt.<br />
Den Analytiker könnte man als 'Experten für innerpsychische Verarbeitungsmuster<br />
und das Bewusst-machen des Unbewussten' bezeichnen;<br />
2205 den Systemischen Therapeuten als 'Experte für Kommunikationsmuster<br />
und Denkfallen'. <strong>Die</strong> Aufmerksamkeit richtet sich in der <strong>Psychoanalyse</strong><br />
daher primär auf das Innerpsychische - der Monolog des Analysanden<br />
sowie die Übertragungsbeziehung zum Analytiker sind jene Instrumente,<br />
die zum Therapieerfolg führen. <strong>Die</strong> Systemische Therapie hat demge-<br />
2210 genüber einen deutlich weiteren Focus – Probleme werden stets im<br />
Kontext betrachtet, in dem sie stattfinden, und für den Systemischen<br />
Therapeuten ist ein Übertragungsphänomen vor allem als Reflexionsbild<br />
für das interessant, was im "restlichen Leben" des Klienten, also dem<br />
Leben außerhalb der Therapie, geschieht. "Verdrängte Gefühle" etwa<br />
2215 führen nach Auffassung der Systemischen Therapie zu Kommunikationsblockaden<br />
und sollten im Laufe des therapeutischen Prozesses verbalisierungsfähig<br />
gemacht werden, um die Blockaden zu beseitigen.<br />
<strong>Die</strong>s führt zu einem weiteren, ganz wesentlichen Unterschied beider<br />
Therapieformen: statt auf das Leiden und das Problem, so wie dies in<br />
2220 der klassischen <strong>Psychoanalyse</strong> stattfindet, richtet die Systemische Therapie<br />
den Focus nach vorn, auf die Lösung. Und zu diesem Zweck steht<br />
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weniger die Frage, warum ein Problem existiert, im Mittelpunkt, sondern<br />
vielmehr die, was eine Lösung des Problems verhindert. Wesentlich beeinflusst<br />
durch Kommunikationsforschung, Kybernetik und Konstruktivismus<br />
betrachtet da der systemische Ansatz ein Problem nicht als etwas,<br />
das (z.B.) aufgrund der persönlichen Geschichte sein "muss" und<br />
zu dem mühsam, in einem mitunter mehrjährigen Prozess ein Alternativweg<br />
erarbeitet werden muss, sondern sie fragt: "warum bist Du noch<br />
nicht da?", "was brauchst Du (noch), um den nötigen Schritt zur Lösung<br />
tun zu können?" <strong>Die</strong> auf dieser Betrachtungsweise aufsetzenden kurzzeittherapeutischen<br />
Methoden der Systemischen Familientherapie weisen<br />
im therapeutischen Alltag laufend nach, daß eine Problembeseitigung<br />
– ausreichend austherapiert durchaus auch langfristig – mit ihnen<br />
schon nach vergleichsweise kurzer Zeit erreichbar ist.<br />
Das Menschenbild der Systemischen Therapie ist also eines, das den<br />
Klienten grundsätzlich als selbstkompetent und (wenn auch in seinem<br />
Problemkosmos) selbst-erfahren betrachtet, als Experten also für diese<br />
ihm eigene Lebenswelt, mit dem gemeinsam geforscht wird, welche Alternativwege,<br />
welche neuen Sichtweisen ihm dabei helfen könnte, ein<br />
angestrebtes Ziel zu erreichen, ohne dass es länger seines Symptoms,<br />
Lebensunglücks oder seiner "Störung" bedarf.<br />
Im Endergebnis führt dies dazu, dass Systemische Therapieansätze<br />
häufig mit dem Zusatz "lösungsorientiert" attributiert werden. Ihre Ansätze<br />
sind jedoch nicht so mechanistisch und funktionsorientiert wie etwa<br />
die Verhaltenstherapie, sondern der Mensch als fühlendes und mit<br />
(manchmal einer Lösung ja auch aus gutem Grund entgegengerichteten!)<br />
Bedürfnissen ausgestattetes Individuum steht im Mittelpunkt. Der<br />
Blick ist bei alldem überwiegend nach vorne gerichtet und "aufgearbeitet"<br />
wird vorwiegend nur da, wo es für das zukünftige Leben des Klienten<br />
aus seiner und der Sicht des Therapeuten Bedeutung hat .. also<br />
"Sinn" macht. Psychologisch gesehen also 'minimal-invasive Eingriffe',<br />
um im Zuge der Therapie die positiven Resourcen des Klienten möglichst<br />
zu stärken und zu stabilisieren, dabei aber das funktionierende<br />
Gesamtsystem insgesamt möglichst wenig zu beeinflussen. <strong>Die</strong>s steht<br />
im krassen Gegensatz zu dem, was eine <strong>Psychoanalyse</strong> – schon aufgrund<br />
des unterschiedlichen Settings – häufig mit sich bringt.<br />
Im Setting beider Therapieformen nämlich existieren ebenso erhebliche<br />
Unterschiede. <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> richtet, und dies findet auch im Ablauf<br />
der Analysesitzungen seinen Niederschlag, den Blick auf das Individuum.<br />
Damit es dem Analysanden leichter gelingt, den Focus auf sein Inneres<br />
zu richten, liegt er in der klassischen <strong>Psychoanalyse</strong> auf einer<br />
Couch und es besteht kein Blickkontakt zum Analytiker, der sich auch<br />
mit verbalen Rückmeldungen sehr zurück hält. Sonderformen im Setting<br />
gibt es in der Kinderpsychoanalyse und Gruppenpsychoanalyse. Bei der<br />
'großen Analyse' sind wöchentlich 3-4 Sitzungen erforderlich, bei Sonderformen<br />
oder falls die zeitlichen oder insbesondere finanziellen Möglichkeiten<br />
des Analysanden es nicht zulassen, werden mitunter auch<br />
weniger Wochenstunden vereinbart.<br />
In der Systemischen Therapie existieren eine Vielzahl von Settings11,<br />
vom dialogartigen Gespräch (Klient und Therapeut sitzen einander gegenüber)<br />
über Paar- und Familiensitzungen, mitunter unterstützt von<br />
Bilderarbeit, der Anwendung kreativer Medien, Imaginationsübungen,<br />
und spezifischer Techniken wie Timeline, Systemaufstellungen (Familienaufstellungen),<br />
Rollenspielen, der Arbeit mit dem Familienbrett und<br />
einigen mehr. Sitzungen finden je nach Problemstellung meist im Abstand<br />
von 1-3 Wochen statt, bei anhaltender Verbesserung der Problematik<br />
haben sich nach dem eigentlichen Abschluß der Therapie "Kontrollbesuche"<br />
in sehr großen Abständen (mehreren Monaten bis zu Jahren)<br />
bewährt.<br />
Der Nachteil des systemischen Ansatzes ist, daß eine tiefgehende Analyse<br />
der psychischen Zusammenhänge, das Hinabtauchen in die tiefsten<br />
Urgründe der eigenen Seele oder auch mehrjährige Begleitung auf dem<br />
Lebensweg per se nicht möglich ist. Denn der Schwerpunkt einer typischen<br />
systemischen Therapiestunde liegt ja primär auf der Suche nach<br />
passenden Problemlösungen, der einer Analysestunde auf prozeßorientierter<br />
Problemanalyse (die Problemlösung erfolgt da eher begleitend<br />
und oft sind erste Ansätze dazu erst nach vielen Monaten bemerkbar).<br />
Aus praktischer Erfahrung kann ich jedoch sagen, daß manche KlientInnen<br />
auch nach der vordergründigen "Lösung des Hauptproblems" inter-<br />
Freud-<strong>Fellner</strong>.doc <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> <strong>Sigmund</strong> <strong>Freuds</strong> Seite 18 von 19