Fach: Pädagogik Fellner: Die Psychoanalyse Sigmund Freuds GK ...
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<strong>Fach</strong>: <strong>Pädagogik</strong> <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> <strong>Sigmund</strong> <strong>Freuds</strong> <strong>GK</strong> 12<br />
1. Einleitung<br />
45 1.1. Wurzeln und Entwicklung der <strong>Psychoanalyse</strong><br />
<strong>Die</strong> Genese der Psychoanalytischen Methode kann nur im historischen<br />
Kontext verstanden werden. So werden für Ellenberger(1) bereits bei<br />
den Griechen erste Ansätze einer "Forschung nach dem Unbewussten"<br />
erkennbar, aber auch schamanistische Techniken sowie gewisse Prakti-<br />
50 ken des katholischen Exorzismus oder Mesmer’s Magnetismus werden<br />
als wichtige methodische Vorläufer der Tiefenpsychologie erachtet.<br />
<strong>Sigmund</strong> Freud wurde am 6. Mai 1856 als Sohn jüdischer Eltern in Freiberg<br />
(Mähren) geboren, in dem sein Vater als Geschäftsmann tätig war.<br />
<strong>Die</strong> Familie übersiedelte 1860 nach Wien, wo Freud bis zur Besetzung<br />
55 Österreichs durch Hitler im Jahre 1938 lebte und wirkte. Er besuchte<br />
hier das Gymnasium, studierte Medizin und arbeitete von 1876 – 1882<br />
als Assistent im physiologischen Laboratorium von Prof. Ernst Brücke,<br />
wo er sich vor allem mit dem Nervensystem niederer Fischarten beschäftigte.<br />
60 Freud setzte seine Arbeit später als Arzt im Allgemeinen Krankenhaus<br />
fort, begleitet von seinen Forschungen, insbesondere über das Zentralnervensystem<br />
des Menschen. Bald galt er in Wien als führender Neurologe<br />
(Nervenarzt). 1885 fuhr er nach Paris, um sich bei Professor Charcot,<br />
der damals führenden Kapazität auf dem Gebiete der Neurologie,<br />
65 weiterzubilden. Bei ihm lernte Freud die Hypnose kennen, die damals<br />
von den meisten Psychiatern als Schwindel betrachtet wurde, und in<br />
diesem Zusammenhang auch eine damals als Hysterie bezeichnete<br />
Krankheitsform, welche man in Paris mittels der Hypnose mit einigem<br />
Erfolg behandelte. Freud setzte die Hypnose zunächst gemeinsam mit<br />
70 Breuer primär zur Befreiung "verklemmter" Affekte ein, verzichtete aber<br />
im Laufe seiner Arbeit zunehmend auf diese suggestive Technik (Gründe<br />
hiefür waren u.a. gegen die Hypnose resistente Symptome, die Tatsache,<br />
daß nicht alle Klienten ausreichend suggestibel sind, Widerstände<br />
nur umgangen werden und einige mehr).<br />
75 Er kehrte 1886 nach Wien zurück und entwickelte als Inhaber einer eigenen<br />
Arztpraxis in einer mehrjährigen, anstrengenden Forscherarbeit<br />
die <strong>Psychoanalyse</strong>. <strong>Die</strong> Hypnose ersetzte er dabei zunächst durch die<br />
Techniken<br />
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• der freien Assoziation,<br />
• der Widerstandsanalyse sowie<br />
• der "Couch-Technik" (zwecks Erleichterung der Übertragung<br />
od. Regression)<br />
als wesentlichste Verfahren. 1896 wurde erstmals von ihm der Begriff<br />
"<strong>Psychoanalyse</strong>" verwendet - in dieser Zeit wird auch die Geburt der<br />
modernen Psychotherapie angesetzt. Über Jahrzehnte hinweg verdiente<br />
er den Unterhalt für seine achtköpfige Familie mit <strong>Psychoanalyse</strong>n und<br />
schrieb abends an seinen theoretischen Abhandlungen.<br />
In Wien scharte Freud einen Kreis interessierter Ärzte um sich und<br />
gründete mit ihnen (zu Beginn auch mit Adler) und in Zusammenarbeit<br />
mit Bleuler und C.G. Jung in Zürich die so genannte "Psychoanalytische<br />
Vereinigung". Er musste lange um deren wissenschaftliche Anerkennung<br />
kämpfen und entwickelte dabei teils auch autoritäre und regelrecht<br />
fanatische Züge. Seine Schriften indes zeichnen sich durch distanzierte<br />
wissenschaftliche Sachlichkeit und eine klassische Sprache aus.<br />
Nach der Besetzung Österreichs durch Hitler, bereits schwer gezeichnet<br />
durch Gaumenkrebs (vermutlich eine Folge des jahrzehntelangen Kettenrauchens<br />
von Zigarren) emigrierte Freud nach London, wo er 1939<br />
starb.<br />
<strong>Die</strong> folgende Übersicht über die Methoden und Ansätze der <strong>Psychoanalyse</strong><br />
kann natürlich nur einen Abriß über die wichtigsten Aspekte bieten.<br />
Sein mittlerweile schon über 100 Jahre alter Ansatz wurde von Freud<br />
selbst im Laufe der Jahrzehnte mehrmals überarbeitet und auch seit<br />
seinem Tod erfuhr die <strong>Psychoanalyse</strong> eine Weiterentwicklung, Aspekte<br />
und Ansätze, die im letzten Teil dieser Arbeit aufgezeigt werden sollen.<br />
Der Ansatz der <strong>Psychoanalyse</strong> war damals völlig neu und revolutionär.<br />
Er eröffnete völlig neue Sichtweisen und weiterführende Denkansätze<br />
hinsichtlich der Heilungsmöglichkeiten für den Menschen. Der daraus<br />
folgende, intensive Diskurs innerhalb der psychoanalytischen Vereinigung,<br />
aber auch der Umgang von Freud mit seinen Kritikern führte so-<br />
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dann zu fortlaufenden Abspaltungen vom "Stamm" <strong>Psychoanalyse</strong>, immer<br />
weiteren Neuentwicklungen und Ansätzen. Klassische Beispiele<br />
hierfür sind Alfred Adler (Individualpsychologie), Carl Gustav Jung (Analytische<br />
Psychologie), L. Szondi (Schicksalsanalyse), Ludwig Binswanger<br />
und Medard Boss (Daseinsanalyse), Arthur Janov (Primärtherapie)<br />
sowie alle (teilweise marxistisch ausgerichteten) Richtungen der Neo-<br />
<strong>Psychoanalyse</strong> wie z.B. Erich Fromm und Harald Schultz-Hencke.<br />
<strong>Die</strong> psychoanalytische Theorie ist außerordentlich komplex und in Teilbereichen<br />
selbst für <strong>Fach</strong>leute schwer verstehbar. Selbst C.G. Jung<br />
flehte Freud nach Jahren der Zusammenarbeit in einem Brief an, er möge<br />
ihm doch erklären, was er eigentlich mit ‘Libido’ meine. Eine abrisshafte<br />
Darstellung der <strong>Psychoanalyse</strong> kann daher in jedem Falle nur<br />
stark vereinfachend erfolgen und die Arbeit lediglich den Anspruch erheben,<br />
eine Einführung in das psychoanalytische Denken zu geben.<br />
1.2. Der Begriff "<strong>Psychoanalyse</strong>"<br />
Der Begriff ‘<strong>Psychoanalyse</strong>’ wird heute in drei Bedeutungen verwendet:<br />
• als tiefenpsychologische Forschungsmethode ("Freud gewann<br />
seine psychologischen Erkenntnisse durch Psycho[-<br />
]Analyse.")<br />
• als Inbegriff der <strong>Freuds</strong>chen Lehre ("<strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong><br />
misst der Sexualität eine fundamentale Bedeutung zu.")<br />
• als Heilmethode (Therapie-Form) ("Als Psychotherapie-<br />
Methode wird <strong>Psychoanalyse</strong> empfohlen.")<br />
1.3. Grundhypothesen<br />
Unter einer Hypothese wird eine grundlegende Annahme verstanden,<br />
welche als unbewiesen zu gelten hat, auf welcher aber weitere theoretische<br />
Aussagen aufgebaut sein können.<br />
a) Grundlegend für die <strong>Psychoanalyse</strong> ist die Annahme der ganzen Tiefenpsychologie,<br />
dass es ‘das Unbewusste’ gibt, einen Bereich also, zu<br />
dem das Individuum praktisch kaum einen Zugang hat, der aber dessen<br />
Handlungen stark beeinflusst oder bestimmt (determiniert).<br />
<strong>Die</strong> Annahme eines Unbewussten mit so weit reichenden Wirkungen<br />
versetzt dem Glauben des Rationalismus, dass der Mensch grundsätzlich<br />
vernünftig zu handeln weiß und mittels vernünftigem Handeln auch<br />
eine vernünftige Welt aufbauen kann, einen argen Stoß. Es verwundert<br />
daher nicht, daß Freud damals mit seiner Annahme bei vielen Wissenschaftern<br />
und Theoretikern auf Ablehnung stieß.<br />
b) <strong>Die</strong> zweite grundlegende Hypothese besagt, dass psychisches Geschehen<br />
grundsätzlich kausal determiniert ist, dass also das Psychische<br />
genauso wie das Organische und Mineralische dem Gesetz von Ursache<br />
und Wirkung unterworfen ist. Würde man also sämtliche psychische<br />
Ursachen kennen, könnte man gemäß dieser Grundannahme jedes weitere<br />
Verhalten und psychische Geschehen mit Sicherheit voraussagen.<br />
Freud wurde im materialistischen Geist des 19. Jahrhunderts erzogen<br />
und blieb diesem Denken weitgehend bis an sein Lebensende treu. Er<br />
teilt insofern den typisch materialistischen Reduktionismus, der darin<br />
besteht, dass das Geistige auf das Psychische, das Psychische auf das<br />
Organische und das Organische auf das Mineralische zurückgeführt<br />
wird. Leben, Psychisches und Geistiges sind demnach letztlich insgesamt<br />
Ausflüsse der Materie und können unmöglich unabhängig von dieser<br />
bestehen. Im Rahmen dieses Denkens ist z.B. die Vorstellung eines<br />
individuellen Weiterlebens einer prinzipiell vom Körper lösbaren Seele<br />
nach dem physischen Tode undenkbar. Auch widerspricht diesem Denken<br />
grundsätzlich die Vorstellung, der Mensch könne frei handeln. Wie<br />
uns Freud-Forscher mitteilen, kommt das Wort ‘Freiheit’ in Freud's Werken<br />
insgesamt nur sieben Mal vor – und selbst das nur "en passant". <strong>Die</strong><br />
Vermutung liegt nahe, daß für Freud die Unmöglichkeit wirklich freien<br />
Handelns so selbstverständlich war, dass er nicht einmal auf die Idee<br />
kam, sich darüber theoretisch zu äußern.<br />
Freud-<strong>Fellner</strong>.doc <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> <strong>Sigmund</strong> <strong>Freuds</strong> Seite 2 von 19