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Fach: Pädagogik Fellner: Die Psychoanalyse Sigmund Freuds GK ...

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<strong>Fach</strong>: <strong>Pädagogik</strong> <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> <strong>Sigmund</strong> <strong>Freuds</strong> <strong>GK</strong> 12<br />

lichkeit ist, um verdrängte Schuldgefühle zu kompensieren, sondern<br />

825 auch um verdrängte Aggressionen auszuleben. So steckt wohl in jeder<br />

sexuell masochistischen Handlung verdrängter Sadismus.<br />

In der christlichen Mystik hat die Autoaggression – in der Form der Kasteiung<br />

und der Selbstgeißelung – eine aus tiefenpsychologischer Sicht<br />

eher zwiespältige Tradition. Ins gleiche Kapitel gehört die Geißler-<br />

830 Bewegung des ausgehenden Mittelalters, wo ganze Züge ‘frommer’<br />

Menschen das Land durchquerten, dabei offen ihre Sündhaftigkeit bekannten<br />

und sich selbst und ihre Bussgenossinnen und –genossen blutig<br />

peitschten. Dass damit ‘Schuld getilgt’ werden sollte, war lediglich die<br />

offizielle Begründung für ein wohl schlicht Schuldgefühle abwehrendes,<br />

835 womöglich sogar masochistisches Verhalten.<br />

5.11. Substitution<br />

Eine Substitution liegt vor, wenn ein ursprüngliches Triebobjekt durch<br />

ein Ersatzobjekt ersetzt wird. Insofern ist die Autoaggression eine spezielle<br />

Form der Substitution, denn bei ihr wird ja nach der obigen Erklä-<br />

840 rung ein Mitmensch als Objekt einer aggressiven Triebregung durch die<br />

eigene Person ersetzt.<br />

Eine verbreitete Form der Substitution ist der Fetischismus, etwa der<br />

sexuelle Umgang mit Unterwäsche von Personen des anderen Geschlechts,<br />

Stiefeln oder Füßen. Aber auch Ess- oder Trunk-Sucht, die<br />

845 sich gelegentlich einstellen, wenn die sexuellen Bedürfnisse unbefriedigt<br />

bleiben müssen, können als Substitution betrachtet werden. Eine Substitution<br />

liegt auch vor, wenn ein vom unerfreulichen Umgang mit der Ehefrau<br />

her frustrierter Lehrer seine aufgestauten Aggressionen an seinen<br />

Schülern ausagiert. <strong>Die</strong> in unserer Kultur häufig anzutreffenden Süchte<br />

850 vereinsamter Menschen, etwa der, ganze Scharen von Katzen oder<br />

Hunden zu verhätscheln, dürfte ebenfalls in diese Kategorie fallen.<br />

5.12. Realitätsleugnung / Verleugnung<br />

Realitätsleugnung liegt vor, wenn bestimmte bedeutsame Tatbestände<br />

vom Ich ignoriert bzw. nicht wahrgenommen werden, weil die bewusste<br />

855 Auseinandersetzung mit ihnen als zu belastend erlebt wird. So kommt<br />

es beispielsweise immer wieder vor, dass ein Mensch die Seitensprünge<br />

seines Partners Mannes nicht wahrnimmt, obwohl sonst jedermann davon<br />

weiß und ausreichende Anzeichen dafür vorliegen. Andere, typische<br />

Beispiele sind der Kindesmißbrauch oder sonstige Gewaltformen im<br />

860 Familienverband, diverse Formen von Eßstörungen, oder aber auch,<br />

wenn jemand die Anzeichen einer Krankheit übersieht und den Arzt erst<br />

aufsucht, wenn es dafür eigentlich bereits zu spät ist.<br />

Realitätsleugnungen sind meist überall dort festzustellen, wo ein Weltbild<br />

oder vorgefaßte Meinungen ins Wanken kommen könnten. Hierzu<br />

865 gehört etwa auch die Brutalität der Nazis im Dritten Reich oder die<br />

Kriegsverbrechen der Amerikaner (Einsatz von Uranwaffen im Kosovo-<br />

Krieg, Entzug der Menschenrechte an teils schuldlos Inhaftierten in Guatanamo-Bay<br />

im Zuge des Irankriegs 2002, Agent-Orange-Einsatz im Vietnam<br />

etc.). <strong>Die</strong> Vorstellung und Folgen einer Mitschuld der als „Gute“<br />

870 dargestellten Machthaber war offenbar zu belastend, weshalb es einfacher<br />

war, sie auszublenden und von der erwiesenen Realität keine<br />

Kenntnis zu nehmen. <strong>Die</strong>s kann soweit gehen, daß selbst objektive Realitäten<br />

ausgeblendet werden (etwa, als die Photos von Folterungen<br />

durch US-Soldaten im Irakkrieg von einigen interviewten US-Bürgern als<br />

875 'Spaßphotos unserer Jungs' umgedeutet wurden). Wieder andere Menschen<br />

wollen nichts von der Bedrohung der Menschheit durch den<br />

Raubbau in den Regenwäldern, durch die Übernutzung der Meere,<br />

durch die Vergiftung der Böden mittels Kunstdünger oder durch unsichere<br />

Kernkraftwerke hören. Kassandra war schon den Griechen vor Troja<br />

880 lästig. Häufig hat man jene, die wirkliche Gefahren voraussahen und<br />

warnten, mit dem Satz "Du malst den Teufel an die Wand" heimgeschickt.<br />

Niemand lässt sich gerne in seinen vorgefaßten Meinungen<br />

durch Realitäten, die seinen eigenen Bildern widersprechen, behelligen.<br />

Mit Realitätsverleugnung lebt es sich gewissermaßen einfacher – jeden-<br />

885 falls eine gewisse Zeit lang.<br />

5.13. Sublimierung<br />

Bei der Sublimierung handelt es sich um die Fähigkeit, für den Verzicht<br />

auf verpönte (abgelehnte) Triebe bzw. Wünsche eine ausgleichende<br />

Entschädigung hervorbringen zu können. So kann z.B. eine zölibatär le-<br />

890 bende Pianistin ihre Libido gewissermaßen verwandeln und sie ganz in<br />

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den <strong>Die</strong>nst ihrer musikalischen Gestaltung stellen. Oder jemand kann<br />

durch persönliche Frustrationen sehr aggressiv gestimmt sein - statt<br />

dass er seine Wut aber an irgend jemandem ausagiert, stürzt er sich in<br />

die Arbeit und stellt dann nach ein paar Stunden fest, dass er in kurzer<br />

Zeit etwas geschaffen hat, wozu er sich zuvor kaum in der Lage fühlte.<br />

Mit anderen Worten: bei der Sublimierung wird die psychosexuelle Energie<br />

(Libido) neutralisiert und für differenziertere soziale oder kulturelle<br />

Leistungen eingesetzt.<br />

Ob es sich bei der Sublimierung um ein Reifekriterium oder einen Abwehrmechanismus<br />

handelt, darüber existieren unterschiedliche Meinungen.<br />

Jedenfalls haftet ihr – im Gegensatz zu den anderen Abwehrmechanismen<br />

– kein negativer Anstrich an. Auch von einer Selbsttäuschung<br />

kann nicht gesprochen werden, denn wenn sich die Libido, die<br />

ursprünglich z.B. einer sexuellen Befriedigung dienstbar sein könnte,<br />

tatsächlich ‘verwandelt’, so zeigt dies eben, dass es zum Wesen des<br />

Menschen gehört, auf der Basis der psychischen Energie sozial und kulturell<br />

differenziertere Leistungen hervorbringen zu können.<br />

Mit Blick auf die Möglichkeit der Sublimierung wird somit die oft gehörte<br />

Behauptung, sexuelle Enthaltsamkeit sei grundsätzlich schädlich und<br />

mache einen Menschen ‘verklemmt’, durch die <strong>Psychoanalyse</strong> zumindest<br />

in dieser verallgemeinernden Formulierung widerlegt. <strong>Die</strong> von<br />

christlichen, buddhistischen, hinduistischen und vielen anderen Religionen<br />

empfohlene sexuelle Enthaltsamkeit (mit dem Ziel, alle Energien für<br />

die spirituelle Entwicklung zur Verfügung zu haben) findet in der Möglichkeit<br />

der Sublimierung sogar ihre tiefenpsychologische Legitimation.<br />

5.14. Verschiebung<br />

Unter Verschiebung wird die Lösung der Verknüpfung von Affekt und<br />

Vorstellung verstanden, nach der der Affekt an eine vom Über-Ich weniger<br />

bedrohte Vorstellung gekoppelt wird.<br />

Als typisches Beispiel mag ein weiteres Mal sexueller Mißbrauch dienen.<br />

Frauen, die in ihrer Kindheit sexuell mißbraucht wurden, empfinden häufig<br />

Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Oftmals wird viele Jahre lang<br />

eine Verschiebung vorgenommen, in dem solche Frauen sich etwa ihre<br />

Schmerzen so erklären, daß diese eben "bei mir ja immer schon da waren"<br />

oder durch "höhere Empfindlichkeit" verursacht wären. Auf diese<br />

Weise kann es vermieden werden, sich mit der furchtbaren Vorstellung,<br />

von einem nahestehenden Familienmitglied bis ins Innerste verletzt<br />

worden zu sein, konfrontieren zu müssen.<br />

5.15. Ungeschehen machen<br />

Darunter wird der Versuch der Kompensation einer abgelehnten Handlung<br />

durch eine darauffolgende mit entgegengesetztem Inhalt verstanden.<br />

Auch dieser Abwehrmechanismus wird zu den unreifen (auf einem niedrigen<br />

Niveau der Ich-Organisation ansetzenden) Abwehrformen gezählt.<br />

Jedem von uns ist wohl ein Erlebnis mit einem Kind bekannt, das sich<br />

plötzlich ohne erkennbaren Grund "besonders brav" verhielt. Meist stellte<br />

sich danach heraus, daß es kurz davor etwas besonders "Schlimmes"<br />

angestellt hatte... Wobei in diesem speziellen Fall das "Ungeschehen<br />

machen" einerseits vorbewusst den Betroffenen gegenüber erhofft wird,<br />

und der eigentliche Abwehrmechanismus unbewusst greift – und zum<br />

Ziel hat, die Handlung dem eigenen Über-Ich gegenüber zu "neutralisieren".<br />

5.16. Flucht in die Gesundheit<br />

Hierbei ist die Angst vor der Psychotherapie größer als ein etwaiger sekundärer<br />

Krankheitsgewinn durch Aufrechterhaltung der Symptomatik.<br />

<strong>Die</strong> Symtomatik verschwindet plötzlich völlig, allerdings zumeist nur für<br />

eine sehr kurze Zeitspanne, da die eigentlichen Ursachen allein natürlich<br />

nur mit enormem Energieaufwand kompensiert werden konnten und das<br />

nicht dauerhaft möglich ist.<br />

6. <strong>Die</strong> psychosexuelle Entwicklung<br />

Nachdem Freud den Sexualtrieb als die Basis des Seelenlebens postuliert<br />

und die psychische Energie als Libido gefasst hatte, war es eigentlich<br />

nur logisch, die Entwicklung des Menschen vom Säugling bis ins<br />

Erwachsenenalter vorwiegend im Hinblick auf die Entwicklung des Sexualtriebs<br />

und des sexuellen Erlebens zu betrachten. <strong>Die</strong> Ergebnisse<br />

der Entwicklungspsychologie, die von zahllosen Psychologen erarbeitet<br />

Freud-<strong>Fellner</strong>.doc <strong>Fellner</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Psychoanalyse</strong> <strong>Sigmund</strong> <strong>Freuds</strong> Seite 8 von 19

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