PRO ETHIK - Humanistischer Verband Deutschlands
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hung möglich, ohne die friedensstiftende<br />
Trennung von Staat und Religion zu unterlaufen?<br />
Wie kann in einer Einwanderungsgesellschaft<br />
die Religionsfreiheit auch<br />
für Menschen nichtchristlicher Religionen<br />
sichergestellt werden, ohne die Sorgen zu<br />
ignorieren, fundamentalistischen Richtungen<br />
z.B. im Islam Freiräume zu gewähren,<br />
in denen nicht die Grundwerte des Zusammenlebens,<br />
sondern die Verachtung Andersdenkender<br />
befördert werden?<br />
Die Behauptung allerdings, dass Pro Reli<br />
und die Kirchenführungen diese Diskussion<br />
produktiv initiiert hätten, ist lächerlich.<br />
„Mich ärgert“, schreibt der bekannte<br />
Schriftsteller und Rechtsprofessor Bernhard<br />
Schlink, „was Pro Reli macht, weniger als Juristen,<br />
denn als Christen. Mich ärgert, dass<br />
meine Kirche politischen Kampf auf diese<br />
Art und Weise führt. Ich erwarte von ihr<br />
etwas anderes. Ich hatte gehofft, die Kirchen<br />
würden für ihr politisches Engagement eine<br />
wahrhaftigere Sprache finden.“<br />
Von Selbstkritik keine Spur<br />
Auch nach dem Abstimmungsergebnis ist<br />
von der Kirchenführung keinerlei Selbstkritik<br />
zu hören. Großspurig fordern sie<br />
mehr Einfluss auf die religionskundlichen<br />
Inhalte des Ethikunterrichts. Zwar war von<br />
Anfang an im Curriculum die Empfehlung<br />
zur Kooperation mit Religionen und Weltanschauungen<br />
enthalten; das ist aber etwas<br />
ganz anderes als die Behauptung der Kirchenführungen,<br />
dass über ihre Religion nur<br />
jemand den Schülern etwas erzählen könne<br />
und dürfe, der selbst gläubig ist.<br />
Unser Berliner <strong>Verband</strong> war mit seinem<br />
Fach „Humanistische Lebenskunde“ in alle<br />
Auseinandersetzungen involviert; Lebenskunde<br />
ist nach evangelischem Religionsunterricht<br />
das zweitgrößte freiwillige Angebot<br />
an den Berliner Schulen. Humanistische<br />
Lebenskunde ist nach ihrem Selbstverständnis<br />
nichts, was sich erübrigt, wenn es<br />
staatlichen Ethikunterricht gibt, und zieht<br />
seine Existenzberechtigung auch nicht aus<br />
der An- oder Abwesenheit von Religionsunterricht.<br />
Der HVD hat sich in den Auseinandersetzungen<br />
der letzten Monate mit<br />
einer eigenständigen Position profiliert:<br />
n Dass Humanistische Lebenskunde<br />
schulrechtlich ein Bekenntnisfach ist, heißt<br />
nicht, dass wir mit den anderen Bekenntnisfächern<br />
gemeinsame Sache machen, wenn<br />
unsere eigenen Überzeugungen dagegen<br />
stehen. Die klare Unterscheidung zwischen<br />
Schulpflicht und freiwilligen Angeboten<br />
muss für Schüler und Eltern immer deutlich<br />
sein; darüber hinaus sind wir der Überzeugung,<br />
dass die Eigenheiten eines „ordentlichen<br />
Unterrichtsfachs“ wie z.B. Noten,<br />
Versetzungsrelevanz, verbindliche Stoffpläne<br />
usw. für die Behandlung von Sinn- und<br />
Moralfragen nicht förderlich sind. Darum<br />
muss ein freiwilliges Angebot nicht weniger<br />
professionell sein. Die Rahmenlehrpläne<br />
aus Berlin und Brandenburg sind ein Indiz<br />
dafür.<br />
n Der HVD hat als engagierter Bündnispartner<br />
viel Ansehen gewonnen als eine gesellschaftliche<br />
Gruppe, die einerseits klare<br />
gemeinsame Überzeugungen hat, sich aber<br />
zugleich den Aufgaben, das Zusammenleben<br />
von Menschen mit unterschiedlichen<br />
Überzeugungen zu fördern, stellt. Lebenskundelehrer,<br />
die den größten Teil der Aktivitäten<br />
des HVD getragen haben, haben<br />
gezeigt, dass ihnen nicht nur das Wohl des<br />
eigenen Fachs am Herzen liegt, sondern<br />
dass sie über den bildungspolitischen Tellerrand<br />
gucken – allen Klischees zum Trotz,<br />
dass Lehrer nur an Fragen des Gehalts und<br />
der Ferienregelung interessiert seien.<br />
Die Erfahrungen, die wir in dieser Auseinandersetzung<br />
gemacht haben, sind ermutigend.<br />
Das Potenzial sollten wir nicht verspielen,<br />
indem wir Gläubige zu „folgsamen<br />
Schafen“ und Atheisten zu „den Guten“<br />
erklären. l<br />
Peter Adloff ist Bildungsreferent bei HVD Berlin.<br />
2/2009 15