Ab wann sind wir eigentlich erwachsen? - Phillip
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<strong>Ab</strong> <strong>wann</strong> <strong>sind</strong> <strong>wir</strong> <strong>eigentlich</strong> <strong>erwachsen</strong>?<br />
Nur wer <strong>erwachsen</strong> <strong>wir</strong>d und Kind bleibt, ist ein Mensch. –Erich Kästner<br />
Bin ich <strong>erwachsen</strong>, wenn ich ganz alleine nach Südafrika gehe, meinen Traum lebe?<br />
Alleine wohne, koche, Trampe, meine eigene Wäsche wasche, Freundschaften schließe, mich<br />
um 300 Kinder kümmere?<br />
Oder bin ich ein Träumer?<br />
Eines steht fest: Das Kind in mir ist noch längst nicht tot.<br />
Das Kind in mir dreht sich morgens müde um und murmelt „noch fünf Minuten“.<br />
Das Kind in mir möchte manchmal am liebsten schnell auf Mamas Schoß hopsen, sich<br />
einmummeln und gar keine Verantwortung übernehmen.<br />
Das Kind in mir.<br />
Mein Herz jubelt, wenn ich mit den Kindern in der Schule ein Spiel spielen möchte, nach<br />
anfänglichem Zögern fast 30 Kinder in einem Kreis sitzen und gespannt auf meine<br />
Anweisungen warten.<br />
Und wenn dann plötzlich dieser magische Moment kommt, an dem es egal <strong>wir</strong>d, wer <strong>wir</strong> <strong>sind</strong>,<br />
woher <strong>wir</strong> kommen und was <strong>wir</strong> noch vor uns haben. Wenn jemand anderes die Regie<br />
übernimmt, Dir ein Spiel auf Zulu zeigt und Du verzweifelt versuchst, die fremden Regeln<br />
und Bewegungen zu verstehen. Du dich nicht darum kümmerst, wie Du wohl gerade aussehen<br />
magst. Dass Du gerade Dein <strong>Ab</strong>itur bestanden hast und <strong>eigentlich</strong> fürchterlich reif sein<br />
müsstest. Dass der Rest der Schule nun sein Studium beginnt, 90 Prozent der ehemaligen<br />
Mitschüler ziemlich genaue Vorstellungen davon haben, was sie mit seinem Leben noch so<br />
anfangen möchte und zielgerichtet ihren Weg gehen.<br />
Denn hier ist mein Weg.<br />
Als Kind. Als Mensch. Als Laura.<br />
Oft denke ich an meine Lieben zu Hause, frage mich, wie mein Leben wohl jetzt in<br />
Deutschland aussehen würde.<br />
Frage Kinder nach ihrem Alter und muss plötzlich wehmütig an meine kleinen<br />
Stiefgeschwister denken.
Vierzehn. Wie fühlt es sich an, 14 zu sein?<br />
14 in einer deutschen Schule, in einer beschaulichen Kleinstadt im Münsterland.<br />
14 und in Südafrika. Kaum fähig, sich alleine anzuziehen und doch mitten drin im<br />
Erwachsenwerden. Im Eingliedern in die Welt der Großen. Seinen Platz suchen, seine Rolle<br />
aushandeln.<br />
Erwachsenwerden.<br />
Bist Du <strong>erwachsen</strong>? Träumst Du? Lebst Du?<br />
verschenkt….<br />
Fahrrad fahren kann er schon ewig.<br />
Ich darf vorstellen: Wa.<br />
Wa ist 16 Jahre alt und hat keine Beine<br />
mehr. Hört man ein lautes Klacken auf<br />
dem Boden, weiß man, dass er im<br />
Anmarsch ist. Auf seinen Holzpflöcken<br />
und freudig grinsend.<br />
Nimmt man Wa auf seinen Schoß und<br />
spielt „hoppe-hoppe-Reiter“, dann<br />
quietscht er freudig vergnügt. So wie<br />
jedes Kind. So wie <strong>wir</strong> auch.<br />
Wir <strong>sind</strong> Kinder.<br />
Wa interessiert sich für AIDS, hält Sex<br />
für „shit“ und hat von Kondomen noch<br />
nie etwas gehört.<br />
Er möchte Fahrrad fahren lernen, so<br />
wie die Kleinen montags nachmittags<br />
in der Cycling Group. Darf er aber<br />
nicht. Ist schon zu groß.<br />
Als mein Stiefbruder 16 wurde haben<br />
<strong>wir</strong> ihm Kondome geschenkt, eine<br />
Flasche Bier und zwei Kinogutscheine,<br />
wie man es typischerweise in<br />
Deutschland an sechzehnjährige<br />
Mitgefühl. Kein Mitleid. Wozu denn auch?<br />
Habe ich jemals die jüngeren Schüler in meiner Schule so ausgelassen spielen gesehen?<br />
So freudig über jede Gelegenheit, zu lachen?<br />
Ferien<br />
Ich kann mich noch gut an das Gefühl erinnern, wenn ein Quartal in der Schule vorbei war<br />
und <strong>wir</strong> alle nach Hause durften. Endlich! Ausschlafen, einen Joghurt packen und ab zu<br />
Mama ins Bett.<br />
Was machen <strong>wir</strong> heute? Auf zum See, Freizeit genießen.
Als hier die ersten Schulferien begonnen haben, gab es eine große <strong>Ab</strong>schiedsfeier mit essen,<br />
Musik und Präsentationen der Schüler. Viele der Kids waren aufgeregt und freuten sich auf zu<br />
Hause, genauso gab es aber auch einige, die lieber in Ethembeni geblieben wären.<br />
Wir waren noch zwei Tage länger in der Schule, als die Kinder <strong>eigentlich</strong> schon alle abgeholt<br />
worden sein müssten. <strong>Ab</strong>er es waren immer noch ungefähr 40 Kids da, die nach Hause<br />
wollten. Viele von ihnen wurden schließlich mit einem Bus abgeholt, der sie in ihre Stadt<br />
bringen sollte. <strong>Phillip</strong> und ich standen auf dem Parkplatz und haben ihnen nachgewunken,<br />
geschaut, wie sie sich um die guten Fensterplätze gerauft haben und ich fühlte mich ein<br />
bisschen an meine Mama erinnert, wenn <strong>wir</strong> früher ins Sommerferienlager gefahren <strong>sind</strong>.<br />
Ein kleiner Junge wurde gar nicht abgeholt.<br />
Er heißt Siyabonga und seine Oma war zu krank, um ihn abzuholen. Wir haben einen ganzen<br />
Nachmittag mit ihm gespielt und uns gefragt, wie es wohl mit ihm weitergehen würde.<br />
Wie die Geschichte dann weiterging wissen <strong>wir</strong> gar nicht, jedenfalls hat er nicht die ganzen<br />
Ferien in Ethembeni verbracht und sah nach Ferienende putzmunter und glücklich aus, als er<br />
mit einem Tag Verspätung zurückkehrte.<br />
Während der Ferien sollten <strong>wir</strong> in anderen Projekten<br />
arbeiten, weil <strong>wir</strong> weniger Urlaubstage haben, als es<br />
Ferientage in Südafrika gibt.<br />
So kamen am folgenden Wochenende Franzi und Nelo,<br />
zwei Freiwillige aus Harding, einem ähnlichem Projekt, das<br />
ebenfalls Ferien hatte.<br />
Zu viert verbrachten <strong>wir</strong> ein lustiges Wochenende in<br />
unserem geliebten Cottage , machten ein bisschen Durban<br />
und Pinetown unsicher und tauschten unserer ersten<br />
Erfahrungen aus, bis schließlich am Sonntag die Jungs zur<br />
Horizon Farm (siehe Erfahrungsbericht eins) aufbrachen,<br />
wo sie die Ferien verbringen wollten.<br />
Franzi und ich hingegen hatten uns entschieden, das<br />
Hillcrest AIDS- Center zu unserem Zweitprojekt zu<br />
machen.<br />
Das Hillcrest- AIDS- Center ist ein sehr erfolgreiches, im<br />
Vergleich zu Ethembeni unglaublich gut organisiertes<br />
Projekt in Hillcrest.<br />
Das AIDS- Center verfolgt weniger Aufklärungszwecke,<br />
als dass es viel mehr Menschen, die HIV- infiziert <strong>sind</strong>,<br />
oder Familien, in denen ein Mitglied (häufig ein Elternteil,<br />
somit die Haupternährer) krank <strong>sind</strong>. Sie verfügen über<br />
einen kleinen Shop, in dem Handgefertigte Sachen der<br />
Frauen verkauft werden, einen Secondhandshop, in dem Sie sich günstig Spielzeug,<br />
Anziehsachen etc. kaufen können, eine Gärtnerei, eine Werkstatt, eine Näherei und eine<br />
Station für die <strong>wir</strong>klich kranken, in deren Küche ebenfalls HIV- Patienten arbeiten. Wer in die<br />
AIDSstation geht, liegt dort nicht zum Sterben. Leben. Lebenswille.<br />
Für uns war die Woche im Projekt sehr aufregend, <strong>wir</strong> konnten an unterschiedlichen Stellen<br />
mithelfen, lernen, mitarbeiten.<br />
Am Ende der Woche haben <strong>wir</strong> einen Tag mit den afrikanischen Frauen in einer Halle<br />
gearbeitet, in der eine riesen Bestellung fertig gestellt <strong>wir</strong>d. Zur WM für die Präsidentensuite<br />
in Durban wurde eine 4*3 Meter große Afrikakarte gebaut, die nun über und über mit Perlen
und Mustern bestickt <strong>wir</strong>d. Als <strong>wir</strong> dort waren, war die Wand schon fast fertig. Sie sieht<br />
unglaublich schön und beeindruckend aus und die Arbeit, die dahinter steckt ist unglaublich.<br />
An unserem zweiten Tag im Projekt entschlossen <strong>wir</strong> uns außerdem, einen HIV- Schnelltest<br />
zu machen. Eigentlich weiß man ja, dass man nicht krank ist. <strong>Ab</strong>er was wenn doch?<br />
Franzi und ich saßen also zusammen im AIDS- Center, hatten eine lange Befragung hinter uns<br />
und starrten nun ängstlich auf unsere Teststreifen. Bis <strong>wir</strong> schließlich einen kleinen Zettel in<br />
den Händen hielten, der uns ein HIV- negativ bescheinigte. Und das freundliche Lächeln des<br />
Testers „thank you for making the right choice“ .<br />
Wie mag man sich wohl fühlen, wenn man sich noch weniger sicher sein kann über seinen<br />
Status? Wenn man vergewaltigt wurde und nichts über seinen Peiniger weiß? Wenn die Hälfte<br />
des sozialen Umfeldes an AIDS leidet?<br />
„Dein Leben hört mit HIV nicht auf. Du kannst leben, du kannst Freude haben. Du musst<br />
Dich nur an Regeln halten und aufpassen“ erklärte uns der Tester.<br />
HIV/ AIDS: auch in Europa ein Thema. Do you know your status?<br />
Schulbeginn<br />
Nach Ferienende waren <strong>wir</strong> ziemlich aufgeregt, wieder in die Schule zu kommen.<br />
Ehrlich gesagt hat mir das Kinderlachen, der Trubel um meine Haare und die ein<br />
oder andere blöde Frage nach Auto, Handy und Kino sowie Dating ziemlich<br />
gefehlt.<br />
So machten <strong>wir</strong> uns Montag früh auf den Weg nach Ethembeni.<br />
Erste Lektion: Nach den Ferien kommt circa Jeder zu spät. Die Assembly fällt<br />
aus und die Lehrerinnen <strong>sind</strong> aufgeregter als die Kids.<br />
Zweite Lektion: Wenn Du Dir vor den Ferien einen superdetaillierten<br />
Stundenplan ausgearbeitet hast, um ab der ersten Woche genau zu wissen, <strong>wann</strong><br />
Du was machen kannst: Die erste Woche kannst Du vergessen.<br />
Dritte Lektion: „Sometimes“ heißt „Now“. Und „Now“ heißt irgend<strong>wann</strong>.<br />
So standen <strong>wir</strong> also höchst motiviert und ohne Plan mitten in der Schule und wussten nicht<br />
wohin.<br />
Wo <strong>sind</strong> <strong>eigentlich</strong> die ganzen Kinder? Es ist SCHULBEGINN!<br />
Und warum zur Hölle sitzt der ganze Staff in irgendwelchen Klassenräumen und tauscht sich<br />
bei Käffchen und Tee über die Ferien aus?<br />
Und plötzlich läuft alles wie von selbst. Wir werden um Hilfe gebeten, sitzen in den Klassen<br />
und verfolgen den Unterricht. Ich war begeistert von einer VI Grade 3 Class, in der die<br />
Lehrerin erstklassigen Unterricht machte, sich für jeden Zeit nahm und uns ständig in den<br />
Unterricht mit einband. Wie war das noch mal mit den Uhrzeiten? Englisch lässt grüßen.<br />
In Grade R lernten die kleinen den Unterschied zwischen „full“ und „empty“ und sangen „old<br />
MacDonald has a Farm“… welche Tiere kennen <strong>wir</strong>?<br />
Die Vormittage verfliegen und für den Nachmittag beschlossen <strong>wir</strong>, in die Hostels zu gehen.<br />
Wenn die Kleinen keinen Unterricht haben, müssen Ihnen die Schuluniformen aus- und die<br />
Freizeitkleidung angezogen werden. Eine Aufgabe, bei der es kaum genug Hilfe geben kann.<br />
Und die echt an die Grenzen bringt. Ich bin oft froh, dass <strong>Phillip</strong> dabei ist, der die größeren<br />
Jungs aus ihren Rollstühlen rausheben kann, um ihnen neue Hosen anzuziehen.
Mein Respekt vor der Arbeit der Hausmütter und das Verständnis<br />
dafür, dass sie oft einfach in ihrer Stube sitzen und sich Pausen<br />
nehmen, obwohl Kinder in den Gängen Hilfe brauchen, wurde<br />
immer größer.<br />
Bis ich dann bemerkte, dass einige Kinder in ihren dreckigen<br />
Windeln sitzen. Kinder, die gerade erst umgezogen wurden.<br />
Die es nicht wagen zu sagen, dass sie eine neue Windel bräuchten.<br />
Die mich dann mit großen Augen anschauen und nicken, ganz<br />
glücklich darüber, dass man sich für SIE Zeit nimmt.<br />
Als ich dann das erste Mal gesehen habe, wie wund sie <strong>sind</strong>, weil<br />
keine Creme und nicht genügend Reinigungstücher da <strong>sind</strong>, fühlte<br />
ich mich so machtlos. In Deutschland werden den Kindern nach<br />
jedem Mal Wickeln die Hintern gepudert und eingecremt und hier<br />
sitzt der kleine Lihle 24 Stunden in derselben Windel in seinem<br />
Rollstuhl mit wundem Po und es <strong>wir</strong>d schlimmer und schlimmer.<br />
Und alles was die Krankenschwester der Schule dazu sagt ist „Die<br />
Kinder müssen zu uns kommen“.<br />
Lihle kann aber nicht alleine Rollstuhl fahren. Sprechen auch nicht.<br />
Und er ist nicht so wund, dass er eine riesen Behandlung bräuchte.<br />
<strong>Ab</strong>er wenn man jetzt was dagegen unternimmt, <strong>wir</strong>d es doch gar nicht erst so schlimm. Fürs<br />
erste behelfe ich mich also mit Gesichtscreme. Und nächste Woche <strong>wir</strong>d Penaten gekauft.<br />
We are the World- we are the children.<br />
Herzenswärme.<br />
Indigo skate camp<br />
Letztens sonntags war es wieder mal soweit: ein Anruf von Steve und Alex und auf nach<br />
Isithumba, dem Township unterhalb von Monteseel.<br />
Die Schuhcompany „Toms“ hat ein Angebot: für jedes Paar Schuhe, was man bei ihnen kauft,<br />
spenden sie ein Paar an Kinder ohne Schuhe.
An diesem Wochenende waren also die Kids aus Dallas Skate Camp an der Reihe. Eine<br />
Gruppe Amerikaner war da, um die Schuhe zu verteilen. Musik, Skateprofis, ein<br />
„traditioneller“ Tanz<br />
auf der Half- pipe als Dankeschön und weitere Arbeit am Garten: Dünger musste verteilt<br />
werden und die ersten Tomaten wurden gepflanzt.<br />
Wie immer haben <strong>wir</strong> die Zeit im Skate Camp sehr genossen.<br />
Einige der Jungs waren schon mal in Deutschland und sprechen ein paar Fetzen („Hast Du<br />
mal ne Zigarette“ – „Ich kaufe diesen Puff“) und Münster kennt Dank Titus natürlich jeder.<br />
(Foto geklaut von Jelena)<br />
Isithumba<br />
<strong>Ab</strong>ends <strong>sind</strong> Steve, Alex und Paul dann noch auf ein Bierchen mit zu uns gekommen.<br />
…Und plötzlich fühlt man sich dann ganz <strong>erwachsen</strong> „Willkommen in meinem Haus.“<br />
Für den 24. Oktober wurden <strong>wir</strong> nun nach Durban eingeladen zu einem climate change event<br />
am Strand. Die Studenten in Durban hoffen mit einer Demoaktion die Presse auf sich<br />
aufmerksam zu machen um so Präsident Zuma dazu zu bewegen, an der nächsten<br />
internationalen Klimakonferenz teilzunehmen.<br />
Wir <strong>sind</strong> beide begeistert von dieser Idee und ich bin schon sehr aufgeregt, dass <strong>wir</strong> die<br />
Möglichkeit haben werden, daran teilzunehmen.<br />
Glauben an Gott<br />
Das Christentum hat in Südafrika einen großen Stellenwert. Jeder, dem <strong>wir</strong> begegnen, ist<br />
gläubig. Ich bin oft fasziniert, wenn ich sehe, wie Glauben hier praktiziert <strong>wir</strong>d: Eine Messe<br />
ist keine stille, andächtige Zeremonie. Es <strong>wir</strong>d gefeiert. Gefeiert, dass es Gott und Jesus gibt.<br />
Gefeiert, dass man den einen Glauben hat. Dass er Hoffnung und Trost gibt. Gefeiert, dass<br />
man nicht allein ist.
Mich beeindruckt diese Art des Glaubens hier oft sehr und ich weiß, dass es auch und<br />
besonders für die Kinder in unserer Schule sehr wichtig ist, sich an diesem Glauben<br />
festzuhalten.<br />
Zweimal im Jahr fahren die Kinder der älteren Klassen in ein Camp, organisiert von „Auntie<br />
Hella“ mit dem Ziel, sie über das Christentum zu unterrichten und ihren Glauben zu festigen.<br />
<strong>Phillip</strong> und ich wurden gebeten, zu diesem Wochenende mitzufahren und dort bei der Arbeit<br />
mit den Kindern zu helfen.<br />
Gespannt und gleichzeitig sehr skeptisch fuhren <strong>wir</strong> freitags mit den beiden Schulbussen und<br />
einem Haufen Halb<strong>erwachsen</strong>er los in das Camp.<br />
Unsere Skepsis rührte von dem, was <strong>wir</strong> von unseren Vorgängern über dieses Camp gehört<br />
hatten: Im letzten Jahr hatte man dort versucht, einem Jungen, der im Rollstuhl sitzt, durch<br />
Gebete aus von seiner Behinderung zu heilen. Auch nach der eindrucksvollen Zeremonie<br />
konnte er nicht laufen, mit dem Ergebnis eines enttäuschten, hoffnungslosen Kindes.<br />
Die Kinder waren alle sehr aufgeregt und freuten sich auf das Camp, viele von ihnen waren<br />
im Vorjahr bereits einmal dort gewesen.<br />
Die Campgruppe: Kids aus den oberen Klassen, Lehrer, Campleitung und Betreuer<br />
Als <strong>wir</strong> dann im Camp ankamen wurde uns auch schnell klar, warum: Sie werden verwöhnt.<br />
Die Campleitung bietet ihnen mehr Luxus als sie in der Schule und wahrscheinlich auch zu<br />
Hause jemals haben könnten.<br />
Das Camp ist wunderschön, mit weichen Betten, warmen Duschen und Betreuern, die sich<br />
gemeinsam mit uns um alles kümmern.<br />
Zunächst zu dem, was außerhalb des Bibelunterrichtes und der Predigen lief: jede Menge<br />
Spaß.<br />
Eine Gruppe von Animateuren sorgte die Ganze Zeit für lockere, lustige Stimmung (mit<br />
Energizern a la Wi.e.V.) und es <strong>sind</strong> viele allzeit freundliche Menschen vor Ort, die viel Zeit<br />
und Liebe für jeden haben. Sowieso erinnere man sich an Klassenfahrten mit 12- 17 Jahren:<br />
aufregend!<br />
Ich habe mich sehr für die Kinder gefreut, einmal aus dem Schulalltag herauszukommen und<br />
etwas Besonderes zu erleben!
Was dann während der Bibelstunden geschah, hat mich oft geschockt.<br />
Durch das ganze Zusammenspiel an guter Laune und Verwöhnprogramm wurde ihnen der<br />
Glauben quasi aufgezwungen. Alle Kinder saßen auf Stühlen, während Auntie Hella vorne<br />
predigte. Sie fragte Bibelverse und Glaubensfragen ab, wer die richtige Antwort wusste<br />
bekam eine Süßigkeit zugeworfen. Wie Tiere, die dressiert werden.<br />
Mir hat die Art, wie dort mit ihnen umgegangen wurde, überhaupt nicht gefallen. Das Ganze<br />
erschien mir aufgesetzt und unecht. Es ging weniger darum, den Kindern eine Freude zu<br />
bereiten, als mehr darum, sie gläubig zu machen.<br />
In einer Predigt zum Beispiel hieß es: „Wir alle haben fünf Finger, so wie das Wort Jesus<br />
Buchstaben hat. Damit zeigt er uns, dass er uns liebt und <strong>wir</strong> zu ihm gehören.“ Rechts neben<br />
mir saß ein Junge, der nur zwei Finger hat.<br />
Generell ist die „Behinderung“ der Kinder nur ein<br />
Zeichen dafür, dass sie nicht genug an Gott glauben.<br />
Sie sollten einfach aufstehen!<br />
Alles klar!<br />
In einigen Momenten des Camps habe ich mich so<br />
fehl am Platz gefühlt und wäre am liebsten<br />
davongelaufen.<br />
Was sagt man dann zu einem Jungen der einen fragt,<br />
ob man denn auch an Gott glaube? Dem gerade erst<br />
erzählt wurde, dass jeder andere dem Teufel gehört,<br />
dass <strong>wir</strong> in die Hölle kommen, wenn <strong>wir</strong> nicht darauf<br />
hören?<br />
Sehr einprägend war dazu die Geschichte von Sissi<br />
(dargestellt von einer Barbiepuppe), die sich in<br />
ihrem Leben nicht richtig verhalten hat und<br />
daraufhin von Hella ins Feuer geworfen würde. Was<br />
aber nichts im Vergleich zu der echten Hölle sei.<br />
Woraufhin Hella in „Tränen“ ausbrach, wild<br />
beteuernd, dass sie die Kinder alle liebe und sie<br />
unbedingt im Himmel wieder treffen wolle.<br />
Oder das Theaterstück: Hella vor dem jüngsten<br />
Gericht. Der Teufel klagt sie an, Harry Potter<br />
geschaut und jemandem ein Stück Kuchen geklaut<br />
zu haben. Woraufhin die Kinder einzeln nach vorn<br />
kommen und erklären mussten, was Hella in ihrem<br />
Leben getan habe, wie sie sie zu Gott geführt hat. Und Gottes Urteil: Auntie Hella darf in den<br />
Himmel. Laut jubelnd <strong>wir</strong>ft sich diese zu Gottes Füßen nieder und küsst sie.<br />
Glauben aufzwingen.<br />
Ihr müsst.<br />
Einziger Weg.<br />
Zum Glück kamen noch drei Zulus aus einer Bilbelschule, von denen einer mit den Kindern<br />
wunderschöne, kraftvolle oder auch lustige, peppige Lieder zu Jesus Ehren sang.<br />
Und ein anderer starke, Hoffnung schenkende und beeindruckende Predigten hielt. In diesen<br />
Momenten war ich sehr beeindruckt und dankbar, dass ich dabei sein durfte, wenn sie alle<br />
ihren gemeinsamen Glauben feierten.
Das Wochenende hat mich viel beschäftigt. Die Frage nach Glauben hängt mir noch immer<br />
nach.<br />
Ich respektiere das Christentum, ich freue mich, dass den Kindern Glauben gegeben und ein<br />
Ort geboten <strong>wir</strong>d, an dem sie diesen leben können.<br />
<strong>Ab</strong>er Meiner Meinung nach sollte niemandem ein Glauben aufgezwungen werden.<br />
Glauben sollte man nicht aus Angst, sondern weil er einem hilft. Weil er seinem Leben Sinn<br />
gibt und es lebenswert macht.<br />
Weil man glaubt.<br />
Mit den Leuten aus der Bibelschule haben <strong>wir</strong> uns gut verstanden, hatten viel Spaß und tolle<br />
Gespräche, <strong>wir</strong> haben uns verabredet und angefreundet. Die Meiste Zeit haben <strong>wir</strong> alle, ob<br />
unbewusst oder bewusst das Thema Gott gemieden.<br />
Die drei <strong>sind</strong> sehr gläubig und richten ihr ganzes Leben nach ihrem Glauben aus.<br />
Als <strong>wir</strong> schließlich doch auf dieses Thema kamen und klar wurde, dass der Glaube in unserem<br />
Leben eine nicht so große Rolle spielt, war das für alle Beteiligten sehr schwer. War man sich<br />
doch abgesehen davon so sympathisch und gab es dann gleichzeitig doch so viel<br />
Unverständnis und Befremdendes.<br />
Im Prinzip machen <strong>wir</strong> das Gleiche. Wollen Gutes tun, Hoffnung geben und Freude.<br />
Aus anderem Antrieb?<br />
Eigentlich auch nicht. Es ist da etwas in uns, was uns antreibt und Kraft gibt.<br />
Nennen <strong>wir</strong> es nun den heiligen Geist oder einfach Ich.<br />
Ich glaube an Menschen. Daran, dass <strong>wir</strong> einzigartig <strong>sind</strong>, etwas Besonderes, kraftvoll und<br />
wunderschön. Dass <strong>wir</strong> alles bewegen können, wenn <strong>wir</strong> es wollen. Dass <strong>wir</strong> hier <strong>sind</strong>, etwas<br />
zu tun.<br />
Tragen <strong>wir</strong> Liebe und Hoffnung in die Welt- als Kinder, als Erwachsene, als Menschen-<br />
Eure Laura
Kontakt:<br />
Laura Antosch<br />
c/o Frikkie Adams<br />
P.O. Box 1107<br />
Hillcrest 3650<br />
South Africa<br />
Laura.Antosch@googlemail.com<br />
Spendenkonto:<br />
Kontoinhaber: Weltweite Initiative e.V.<br />
Konto: 861 1300<br />
BLZ: 550 20 500 (Bank für Sozial<strong>wir</strong>tschaft)<br />
Betreff: „Spende wise e.V. 80059“<br />
(bitte sonst nichts in den Betreff schreiben)