Sprachblockaden: Hintergründe und ... - Sodalitas
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Ao. Univ. Prof. Dr. Georg Gombos<br />
Bildungshaus <strong>Sodalitas</strong>, Tainach/Tinje, 17.1.2006<br />
Ich möchte Slowenisch auf meiner Seite<br />
haben. Ich möchte mich auf die Sprache<br />
einlassen können, auch wenn ich Fehler<br />
mache. Mein Mann ist Kärntner Slowene <strong>und</strong><br />
mir ist es ein Anliegen, seine Sprache auch<br />
ein stückweit zu lernen <strong>und</strong> zu reden, etwas<br />
von dieser Lebenswelt kennen zu lernen. Ich<br />
bekomme ähnliche Widerstände, wie in der<br />
Schulzeit. Ich sage in den Kursen<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich nichts, weil in meinem Kopf<br />
muss der Satz grammatikalisch perfekt sein.<br />
Ich weiß, dass man sich auf eine Sprache<br />
einlassen muss, aber ich schaffe es einfach<br />
nicht. Ich würde Sätze einfach sagen, egal ob<br />
die Fälle passen, etc. Es wäre kein so ein<br />
Stress, es perfekt können zu müssen. Ich<br />
hätte ein angenehmeres Gefühl, wenn ich<br />
Leuten etwas auf Slowenisch sage. Ich würde<br />
die Sache normaler angehen. Jeder Mensch<br />
kann Fehler machen. Ich habe das Gefühl<br />
„besser nicht reden, weil dann eckt man an“.<br />
Ich würde einfach das, was mir auf<br />
Slowenisch einfällt, zu meinem Mann sagen.<br />
Was mir einfällt, das würde ich so sagen.<br />
Verw<strong>und</strong>erung am nächsten Montag: der<br />
Bibliothekar hat mich dieses Mal auf<br />
Slowenisch begrüßt <strong>und</strong> ich habe wie aus der<br />
Pistole geschossen auf Slowenisch gefragt,<br />
ob er den Film da hat, den ich gebraucht habe<br />
– ich war verw<strong>und</strong>ert. Er hat mir auf<br />
Slowenisch erklärt, was mit dem Film ist. Ich<br />
war selber ein bisschen perplex, dass die<br />
Kommunikation plötzlich auf Slowenisch<br />
war.<br />
Das Slowenisch-Lehrbuch hat wieder einen<br />
positiven Reiz.<br />
Ich glaube mein Mann merkt es. Dass ich<br />
ungezwungener drauflos rede im Alltag - <strong>und</strong><br />
auch in seiner Familie – ich habe das Gefühl,<br />
ich bin selbstbewusster. Ich entscheide jetzt<br />
darüber, wann Slowenisch geredet wird. Es<br />
ist stressfreier geworden.<br />
2.5 Fallbeispiel 5: Nora – mit der „windischen“ Seite in mir versöhnen<br />
Zu Nora muss ich eine kleine Vorbemerkung machen: ich hatte meine Studentinnen <strong>und</strong><br />
Studenten an der Universität eingeladen, auch am Seminar teilzunehmen. Sie kam als einzige<br />
<strong>und</strong> machte zwei Erfahrungen, die sie schließlich veranlassten, ihr Anliegen in einer<br />
Beratungssituation zu klären: die eine Erfahrung war, dass jemand, der in einer Übung<br />
namens „Tango lingue“ für sie Slowenisch repräsentierte sie fre<strong>und</strong>lich anblickte <strong>und</strong> die<br />
andere Erfahrung machte sie als sie in einer Aufstellung für jemand anderen Repräsentantin<br />
sein durfte. Inzwischen schreibt sie ihre Diplomarbeit zu diesem Thema.<br />
Für uns hier ist Noras Fall deswegen besonders interessant, weil sie<br />
• eine von sehr vielen ist, die slowenischsprachige Vorfahren hat,<br />
• selbst die Sprache nur wenig in der Schule gelernt hat <strong>und</strong> sie heute nicht mehr spricht<br />
• sich nicht zur slowenischen Minderheit zugehörig fühlt<br />
• den Ausdruck „Windisch“ eher gebraucht, als Slowenisch <strong>und</strong><br />
• schließlich starke Emotionen mit der Sprache bzw. mit SprecherInnen verbindet bzw.<br />
– wie wir jetzt sehen werden – verband.<br />
Anliegen (Vorinterview) Veränderungen (Nachinterview)<br />
Ich möchte mich mit der windischen Seite in<br />
mir versöhnen; dem Slowenischen wieder<br />
„Versöhnung“ mit dem Großvater.<br />
nähern; inneren Frieden <strong>und</strong> Zufriedenheit Kann mich alleine auf öffentlichen Plätzen<br />
finden; mich „r<strong>und</strong>er fühlen“<br />
aufhalten, ohne mich dabei unwohl oder<br />
Ein W<strong>und</strong>er wäre:<br />
Mich nicht mehr ständig rechtfertigen zu<br />
beobachtet zu fühlen.<br />
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