Wertorientierte Unternehmensführung
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<strong>Wertorientierte</strong> <strong>Unternehmensführung</strong><br />
Prof. Stefan Hilbert<br />
1. Motivation wertorientierter <strong>Unternehmensführung</strong><br />
2. Paradigmenwechsel – Determinanten wertorientierter <strong>Unternehmensführung</strong><br />
3. Shareholder Value (SHV) und Economic Value Added (EVA)<br />
3.1 Shareholder Value Ansatz<br />
3.1.1 Ermittlung der Kapitalkosten<br />
3.1.2 Steuerung des Shareholder-Values<br />
3.2 Economic-Value-Added (EVA)<br />
4. Sind wertorientiert geführte Unternehmen erfolgreicher?<br />
5. Fazit<br />
1. Motivation wertorientierter <strong>Unternehmensführung</strong><br />
<strong>Wertorientierte</strong> <strong>Unternehmensführung</strong> stellt keine Modeerscheinung 1 dar sondern ist<br />
ein nachhaltig zu implementierender Prozess im Unternehmen, der die Zielebene<br />
ebenso determiniert als auch die einzelnen Steuerungsinstrumente. In der Konsequenz<br />
geht die Wertorientierung über die ursprünglich mit diesen Steuerungsinstrumenten<br />
verbundenen Shareholder-Value-Ansätzen hinaus, da die Steigerung des<br />
Unternehmenswertes auch den übrigen Interessengruppen des Unternehmens (Stakeholder)<br />
zugute kommt bzw. kommen kann.<br />
1 Eine kurze Darstellung gängiger Führungskonzepte findet sich etwa bei Rahn, Horst-Joachim:<br />
<strong>Unternehmensführung</strong>, 6. Auflage, Kiel-Verlag, Ludwigshafen 2005<br />
1
Abbildung 1: Shareholder und Stakeholder<br />
Die Gründe für die Implementierung wertorientierter Steuerungsinstrumente sind<br />
vielfältig und lassen sich auf folgende wesentliche Motive zurückführen:<br />
Weltweit ist ein Wettbewerb um die knappe Ressource Kapital festzustellen. Der Abbau<br />
von Handelshemmnissen und politischen Grenzen führt auch zu einem vermehrten<br />
Austausch des abstrakten Kapitals, wobei reale als auch potenzielle Eigentümer<br />
und Investoren eine nachhaltig erzielbare und risikoadäquate Rendite fordern.<br />
Branchen- bzw. länderspezifische Gegebenheiten fließen in die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit<br />
ebenso ein wie individuelle Risikoneigungen und Präferenzen. Eigentümer<br />
und Investoren sehen sich dabei einem weiteren Problem gegenüber, welches<br />
neben der monetären auch die interpersonelle Ebene betrifft. Aufgrund der Übertragung<br />
der Entscheidungs- und Verfügungskompetenz über die Ressource Kapital in<br />
seiner abstrakten als auch konkreten Form auf das Management, kann wegen des<br />
immanent vorhandenen Vorliegens asymmetrischer Informationen ein Principal-<br />
Agent-Problem entstehen. Auch für diese Problemlage könnte die Implementierung<br />
wertorientierter Steuerungsinstrumente ein möglicher Lösungsansatz sein. 2<br />
Eigentümern, Investoren und dem Kapitalmarkt sowie seinen Teilnehmern stellt sich<br />
ein weiteres Problem. Denn die eigentliche Investitionsentscheidung für oder gegen<br />
ein Investment in ein Unternehmen betrifft auch ganz konkret die Frage, welcher<br />
Wert – im Sinne des Eigenkapitals – erworben wird. Wertschaffung bedeutet auch,<br />
2 Das Principal-Agent-Problem betrifft dabei neben der Informations- insbesondere die<br />
Überwachungsebene. Für den Eigentümer des Unternehmens (Principal) besteht das Problem i.w.<br />
darin, sein Management (Agent) zu kontrollieren und über Anreizsysteme zu steuern. Eine<br />
einführende Darstellung der Agency-Theorie findet sich etwa bei Bea, Franz Xaver; Friedl, Birgit;<br />
Schweitzer, Marcell: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1: Grundfragen, Lucius & Lucius,<br />
Stuttgart 2004, S. 142f.<br />
2
dass das Eigenkapital des Unternehmens ansteigt. An diesem Punkt wird einmal<br />
mehr die internationale Dimension des Themas deutlich. Denn aufgrund der vielfälti-<br />
gen Bewertungswahlrechte, die das deutsche Handelsrecht bei der Bilanzierung er-<br />
möglicht, erscheint das offen ausgewiesene Eigenkapital der Bilanzen kein geeigne-<br />
ter Maßstab für die Beurteilung der Unternehmenswertentwicklung zu sein. Die Ver-<br />
bindung zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsvorschriften stellt dabei<br />
eine konsequente Integration interner und externer Steuerungsinstrumente dar. 3<br />
Die Schaffung eines hohen bzw. steigenden Unternehmenswertes resultiert aber<br />
nicht nur aus den Anforderungen der Eigentümer sondern vermag dem Unternehmen<br />
als Ganzes hilfreich erscheinen. Adäquate Unternehmenswerte stellen einen Schutz<br />
vor Übernahmen dar. Gerade deutschen Unternehmen, die im internationalen Vergleich<br />
als unterbewertet gelten, ist eine Wertorientierung anzuraten. Darüber hinaus<br />
wird im Falle von Übernahmen eine wertorientierte Bewertung der Unternehmen vorgenommen.<br />
Letztendlich vermag die Wertorientierung eine Option zur Schaffung und Stärkung<br />
der strategischen Wettbewerbsfähigkeit zu sein. Strategische Allianzen für Gesamtunternehmen<br />
oder strategische Geschäftsfelder etwa können auf eine objektive Basis<br />
gestellt werden. Ferner stellt die Wertschaffung bei Ratings von Unternehmen<br />
eine wesentliche Komponente dar und kann somit positiv auf den Absatzmarkt als<br />
auch Beschaffungsmarkt einwirken. Bei Kaufentscheidungen orientieren sich<br />
Verbraucher gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen verstärkt<br />
an Ratings (Absatzmarkt). Andererseits erleichtert ein positives Rating die Beschaffung<br />
von Kapital, da nicht nur die EK-Geber sondern auch die FK-Geber (z.B.<br />
Banken 4 ) ihre Entscheidungen an objektiven Kriterien ausrichten.<br />
3 Auf eine ausführliche Darstellung der Besonderheiten nationaler als auch internationaler<br />
Rechnungslegungsvorschriften wird an dieser Stelle verzichtet. Da zumindest auf der Konzernebene<br />
die externe Rechnungslegung seit dem 1.1.2005 nach internationalen Standards aufzustellen ist<br />
(IFRS als Anschluss für die ursprünglichen IAS; US-GAAP für einen Übergangszeitraum bis 2007 von<br />
Unternehmen, die nach diesem Standard bilanzieren), ist die Integration nicht nur geboten sondern<br />
zwingend erforderlich.<br />
4 Gerade die Regelungen von Basel II machen deutlich, dass Rating und Wertorientierung nicht nur für<br />
börsennotierte Unternehmen relevant sind. Insofern besitzt dieser Ansatz nicht nur für Unternehmen<br />
Gültigkeit, die den Kapitalmarkt direkt in Anspruch nehmen, sondern kann auch auf Unternehmen<br />
unterschiedlichster Rechtsformen ausgeweitet werden.<br />
3
Stellt sich nun aber die Frage, inwieweit ein Instrumentarium zur Messung und Steu-<br />
erung des Unternehmenswertes besteht und ob Unternehmen, die diese Art der<br />
Steuerung betreiben erfolgreicher sind als die anderen Unternehmen. Die in den<br />
weiteren Ausführungen dargestellten Konzepte basieren einerseits auf dem Ansatz<br />
von Rappaport (Cash-Flow-Orientierung) und andererseits auf dem Ansatz von Stern<br />
/ Steward (Economic-Value-Added, Jahresabschlussorientierung). Die Auswahl dieser<br />
beiden Konzepte wurde vorgenommen, um einerseits die Bestimmungsgrößen<br />
des Shareholder-Values darzustellen und andererseits mit dem EVA-Konzept die<br />
praktische Umsetzung im Unternehmen aufzuzeigen.<br />
2. Paradigmenwechsel – Determinanten wertorientierter <strong>Unternehmensführung</strong><br />
Die Implementierung wertorientierter Führung stellt einen tiefen Eingriff in die bestehenden<br />
Strukturen und Steuerungskonzepte des Unternehmens dar. In diesem Zusammenhang<br />
ist bisweilen die Rede vom ‚Paradigmenwechsel’, den die Führung zu<br />
vollziehen habe. 5 Was bedeutet aber dieser Paradigmenwechsel?<br />
Unternehmen haben sich zu lösen von der Ausrichtung des Zielsystems an klassischen<br />
Gewinngrößen, die sich an den Jahresabschlüssen orientierten. Die Betrachtung<br />
dieser Gewinngrößen (z.B. Jahresüberschuss im handelsrechtlichen Sinne)<br />
zeigt deutlich ihre Schwächen als Zielgröße für die Wertschaffung auf.<br />
Betriebsergebnis (Saldo betrieblicher Aufwendungen und Erträge)<br />
+ Finanzergebnis<br />
= Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit<br />
+ / - außerordentliches Ergebnis<br />
- Steuern<br />
= Jahresüberschuss / Jahresfehlbetrag<br />
Abbildung 2: Zustandekommen des handelsrechtlichen Ergebnisses<br />
Wesentliche Aufwands- und Ertragskomponenten des Jahresüberschusses werden<br />
durch Bewertungswahlrechte determiniert. So haben z.B. die Bildung und Auflösung<br />
5<br />
Vgl. Biel, Alfred et al: <strong>Wertorientierte</strong> <strong>Unternehmensführung</strong>, Controller-Verein (Hrsg.), München<br />
2001<br />
4
stiller Reserven wesentlichen Einfluss auf das Zustandekommen des handelsrechtli-<br />
chen Gewinns, bilden somit nicht zwingend die echte Ertragslage des Unternehmens<br />
ab und stellen damit auch keine adäquate und objektive Erfolgsgröße dar. Dieser<br />
Manipulierbarkeit versucht die wertorientierte Steuerung entgegenzuwirken, indem<br />
als Erfolgsbasis die Zahlungsstromorientierung erfolgt. Der entscheidungstheoreti-<br />
sche Hintergrund ist hierbei offensichtlich: EK-Geber und Investoren betrachten ein<br />
Unternehmen als Investment. Für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit ist dann der<br />
mögliche Rückfluss an Liquidität (Cash-Flow) bedeutend. Da die Cash-Flow-Be-<br />
trachtung die Wirkung kalkulatorischer Komponenten ausschließt, scheint nun ein<br />
objektiver Bewertungsrahmen gefunden.<br />
An dieser Stelle soll auf die der Wertorientierung zugrunde liegenden Cash-Flow-<br />
Größe eingegangen werden. Wesentlich ist nämlich der freie Cash-Flow, d.h. dieje-<br />
nige Größe, welche für eine Ausschüttung zur Verfügung steht. 6 Die folgende<br />
Darstellung vermittelt einen Überblick über die Entstehung des freien Cash-Flows.<br />
Abbildung 3: Ableitung des freien Cash-Flows 7<br />
Wesentlich bei der wertorientierten Führung ist ferner, dass eine Darstellung des<br />
echten Eigenkapitals angestrebt wird. Erreicht wird dies, da die Vermögensgegens-<br />
6 Die Ausschüttung stellt dabei nur eine Verwendungsmöglichkeit des freien Cash-Flows dar. Darüber<br />
hinaus könnte mit dieser geschaffenen freien Liquidität auch eine Rückführung (Tilgung) von<br />
Fremdkapital einhergehen.<br />
7 Vereinfachte Darstellung<br />
5
tände und Schulden mit ihren echten Werten (Marktwerten) zum Ansatz kommen. 8<br />
Im Sinne eines Asset-Liability-Managements ist die strikte Marktorientierung auch<br />
hier Ausdruck der Philosophie des Ansatzes. Die eher defensive Bewertung des<br />
Vermögens wird abgelöst von einer sehr offensiv ausgerichteten kapitalmarktorientierten<br />
Bewertung.<br />
Steuerungsansätze im klassischen Sinne waren und sind geprägt von einer starken<br />
Kostenorientierung, d.h. das Controlling ist in wesentlichen Bereichen daran ausgerichtet,<br />
eine Steuerung der Kosten im Unternehmen zu ermöglichen. Somit rückt das<br />
Kostenmanagement auch ins Zentrum der <strong>Unternehmensführung</strong>. 9 Wenngleich auch<br />
bei der Wertorientierung die Relevanz der Kosten nicht negiert wird, zumal die (zahlungswirksamen)<br />
Kostenkomponenten wesentliche Determinanten des Cash-Flows<br />
sind, erfährt das Kostenmanagement eine Weiterentwicklung hin zum profitablen<br />
Wachstum. Kosten sind dann nicht mehr per se eigenständige Zielgrößen sondern im<br />
Zusammenhang mit dem damit einhergehenden Wachstum in qualitativer als auch<br />
quantitativer Hinsicht zu bewerten. 10 Profitables Wachstum rückt an die Stelle der<br />
reinen Kostenorientierung. Zudem wird eine Vernetzung der Kosten-, Leistungs-, Ergebnis-<br />
und Werttreiber angestrebt.<br />
Die Implementierung der wertorientierten Steuerung bietet unter Effizienzgesichtspunkten<br />
noch einen weiteren Vorteil. Durch die strikte Marktorientierung in Bewertungsfragen<br />
vermag es die <strong>Unternehmensführung</strong>, mit Integration der internationalen<br />
Rechnungslegungsstandards, die Rechnungslegung auf eine einheitliche Basis zu<br />
stellen. Eine Trennung in interne und externe Rechnungslegung erscheint dann nicht<br />
mehr erforderlich, zumal die externe Rechnungslegung als zentrales Steuerungsinstrument<br />
verwendet werden kann. 11<br />
8 Somit erfolgt die Darstellung der echten Vermögenslage eines Unternehmens, die zwar auch nach<br />
deutschem Handelsrecht gefordert wird aber aufgrund der verschiedenen Wahlrechte und<br />
Bewertungsspielräume im eigentlichen Sinne nicht erreicht werden kann.<br />
9 Der Betriebsabrechnungsbogen stellte dabei das zentrale Controllinginstrument dar, die<br />
Kostensteuerung erfolgte über die Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.<br />
10 In manchen Branchen wird deutlich, dass eine alleinige Orientierung an den Kosten insbesondere<br />
unter Berücksichtigung temporaler Aspekte zu einer Fehlsteuerung führen kann. So belasten etwa die<br />
Abschlusskosten eines Lebensversicherers das Ergebnis in der kurzen Frist durchaus erheblich; unter<br />
Berücksichtigung der Langfristigkeit des Versicherungsgeschäftes und der über die komplette<br />
Vertragslaufzeit erzielbaren Renditen ist eine reine Kostenorientierung sowohl inhaltlich als auch<br />
zeitlich kritisch anzusehen.<br />
11 Wenngleich die Pflicht zur Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (IFRS) für<br />
kapitalmarktorientierte Konzerne besteht, erfolgt die externe Rechnungslegung für Einzelunternehmen<br />
6
3. Shareholder Value (SHV) und Economic Value Added (EVA)<br />
3.1 Shareholder Value Ansatz<br />
Der Shareholder-Value-Ansatz stellt eine Fokussierung des Stakeholder-Ansatzes<br />
dar und zielt darauf ab, den auf den einzelnen Eigentümer entfallenden Anteil am<br />
Wert des Unternehmens zu ermitteln. 12 Hierzu ist es erforderlich, den<br />
Unternehmenswert als Ganzes zu bestimmen, wobei die bereits dargestellte<br />
Zahlungsstromorientierung als Bezugsrahmen für den verwendeten Gewinn<br />
herangezogen wird; die zentrale Rolle des Cash-Flows kommt dabei zum<br />
Ausdruck. 13<br />
Letztendlich handelt es sich bei diesem Ansatz um ein Verfahren der dynamischen<br />
Investitionsrechnung. Das Unternehmen wird verstanden als Investment, welches<br />
Rückflüsse (Cash-Flows) generiert. Entscheidend für die Bestimmung des Unternehmenswertes<br />
sind somit folgende Komponenten:<br />
1. Der Zeitraum (Planungszeitraum), für den der Wert des Unternehmens ermittelt<br />
werden soll, muss festgelegt werden. I.d.R. geht man dabei von Zeiträumen<br />
von mindestens 10 Jahren aus, um einen kompletten Markt- oder Produktzyklus<br />
abzubilden. Zu bestimmen sind dabei sowohl die Struktur (EK oder<br />
FK) als auch die Kosten des Kapitals.<br />
2. Für den Planungszeitraum sind ferner die jeweiligen freien Cash-Flows (FCF)<br />
zu ermitteln. 14 Der Cash-Flow ist die zentrale Komponente, welche den Unternehmenswert<br />
bestimmt.<br />
noch immer nach nationalem Recht. Für Einzelunternehmen zeigt sich hier die Vorteilhaftigkeit der<br />
Anwendung der IFRS.<br />
12 Grundsätzlich ergeben sich für den Eigentümer zwei Wege am Erfolg des Unternehmens zu<br />
partizipieren: Dividendenzahlung und Kurssteigerung. Wesentlich bedeutender als die<br />
Dividendenrendite ist die Kurssteigerung (Aktienkurssteigerung). Da der Aktienkurs als Ausdruck des<br />
Marktwertes des Unternehmens verstanden wird, zeigt sich die Relevanz wertorientierter Steuerung.<br />
13 Vgl. Pepels, W.: Grundlagen der <strong>Unternehmensführung</strong>, Oldenbourg Verlag, München 2005, S.<br />
300; Es handelt sich somit bei der Unternehmenswertermittlung um ein Discounted-Cash-Flow-<br />
Verfahren (DCF-Verfahren)<br />
14 Alternativ wird von Praktikern bisweilen auch die Größe EBITDA (Earnings before Interests, Taxes,<br />
Depreciation and Amortization) verwendet, die eine Näherungsformel für den Cash-Flow darstellt.<br />
Somit ist es auch und gerade für unternehmensexterne Betrachter möglich, aus der veröffentlichten<br />
Gewinngröße EBITDA eine näherungsweise Wertermittlung vorzunehmen. Zur Ermittlung und<br />
Interpretation des EBITDA vgl. z.B. Coenenberg, Adolf G.: Jahresabschluss und<br />
Jahresabschlussanalyse, 19. Auflage, Schäffer-Poeschel-Verlag, Stuttgart 2003<br />
7
3. Es ist davon auszugehen, dass das Unternehmen auch am Ende des Betrach-<br />
tungszeitraums einen Wert besitzt. Insofern ist zum heutigen Zeitpunkt der<br />
Restwert des Unternehmens zum Planungsende (Residualwert) zu schät-<br />
zen. 15<br />
4. Letztendlich wird ein Diskontfaktor benötigt, um die Abzinsung sämtlicher Zahlungsströme<br />
auf den heutigen Betrachtungszeitpunkt zu ermöglichen. Als Diskontfaktor<br />
dient der durchschnittliche, gewichtete Kapitalkostensatz (i). 16<br />
Die Bestimmungsgleichung für den Unternehmenswert stellt sich dann wie folgt dar:<br />
Problematisch erweist sich, dass die Schätzkomponenten mit Unsicherheiten verbunden<br />
sind und erheblichen Einfluss auf den Unternehmenswert besitzen. Dabei<br />
können sich nicht nur die Schwankungen an sich als problematisch erweisen, vielmehr<br />
beeinflusst u.a. die Zielkapitalstruktur, welche der Planungsperiode zugrunde<br />
liegt, die Kapitalkosten und auch den Diskontfaktor (vgl. Abbildung 4).<br />
Wesentlich für die <strong>Unternehmensführung</strong> sind somit die Kapitalkosten, die als Zielgröße<br />
eine Art Benchmark darstellen. Der Erfolg der <strong>Unternehmensführung</strong> ist in Abhängigkeit<br />
der freien Cash-Flows und den Kapitalkosten zu bewerten. 17<br />
15 Um dem Problem der Schätzung des Residualwertes zu entgehen wird bisweilen davon<br />
ausgegangen, dass das Unternehmen unendlich fortgeführt wird (Going-Concern-Prinzip) und die<br />
freien Cash-Flows konstant und nachhaltig erzielbar sind. Mit dieser Vereinfachung ist es möglich,<br />
unter Anwendung der Formel für eine ewige Rente den Unternehmenswert vereinfacht zu ermitteln.<br />
16 Weighted Average Cost of Capital (WACC); vgl. Gliederungspunkt 3.1.1<br />
17 Erfolgreich ist eine <strong>Unternehmensführung</strong> dann, wenn der Wert der diskontierten freien Cash-Flows<br />
größer ist als die zugrunde liegenden Kapitalkosten. Wenn die diskontierten Cash Flows kleiner sind<br />
als die Kapitalkosten, liegt Wertvernichtung vor.<br />
8
Abbildung 4: Unternehmenswertermittlung<br />
3.1.1 Ermittlung der Kapitalkosten<br />
Die Kapitalkosten des Unternehmens bestehen aus den Kosten für das Eigenkapital<br />
und den Kosten für das Fremdkapital, gewichtet mit der Kapitalstruktur. Beide Kom-<br />
ponenten berücksichtigen die Risikoposition des Unternehmens: EK-Geber erwarten<br />
eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals, welche sich neben objektiven Kriterien<br />
(z.B. Branchenrendite, Marktzinsniveau) auch an der subjektiven Risikoneigung ori-<br />
entiert. Die FK-Zinsen beinhalten neben dem Marktzinsniveau auch die Risikoposi-<br />
tion des Unternehmens.<br />
EK-Kosten<br />
Die Eigenkapitalkosten (k EK) werden bestimmt von den Faktoren<br />
• Zinssatz einer sicheren Kapitalanlage (z sicher)<br />
• Marktrisikoprämie (MRP)<br />
• Betafaktor (ß)<br />
9
Für die sichere Kapitalanlage wird als Referenzzins i.d.R. eine 10-jährige Staatsan-<br />
leihe verwendet. Im Sinne einer risikoadäquaten Verzinsung ist dies die Mindestver-<br />
zinsung, welche Eigenkapitalgeber für ihr Investment einfordern.<br />
Die beiden folgenden Komponenten spiegeln die Risiko-Renditeeinschätzung des<br />
Investments wider. In der Marktrisikoprämie kommt das branchenspezifische Rendi-<br />
teniveau zum Ausdruck, wohingegen der Betafaktor als Korrelationsmaß die Abhän-<br />
gigkeit vom Gesamtmarkt abbildet. 18<br />
k EK = z sicher + MRP x ß<br />
Die Kosten des Fremdkapitals (k FK) werden ausschließlich bestimmt vom Zinsauf-<br />
wand des verzinslichen Fremdkapitals. In die Kostenüberlegung ist aber zusätzlich<br />
ein Steuereffekt einzubeziehen. Denn Fremdkapitalzinsen stellen im Gegensatz zu<br />
den Eigenkapitalkosten Betriebsaufwand dar, welcher bei der Ermittlung des zu versteuernden<br />
Gewinns des Unternehmens zu berücksichtigen ist. Insofern beträgt die<br />
Kostenwirksamkeit der Fremdkapitalzinsen<br />
(1 - t) X k FK ,<br />
da die Aufwandskomponente Fremdkapitalzins den Gewinn als Bemessungsgrundlage<br />
der Besteuerung verringert und somit nicht in vollem Umfang zum Tragen<br />
kommt. 19<br />
Unter Berücksichtigung der Anteile von EK und FK können die durchschnittlichen<br />
gewichteten Kapitalkosten (WACC) dann dargestellt werden als:<br />
18 Die Marktrisikoprämie bildet die branchenspezifische Differenz zwischen Aktienmarkt-Rendite und<br />
sicherer Kapitalanlage ab. Der ß-Faktor ist ein Maß dafür, wie sich der Kurs des betrachteten<br />
Unternehmens ändert, wenn ein Referenzindex (z.B. der DAX) eine 1%-tige Änderung (plus oder<br />
minus) erfährt.<br />
19 Eigenkapitalkosten stellen im Sinne der Kostenrechnung kalkulatorische Kosten dar, d.h. sie sind<br />
lediglich bei der Preisermittlung für die Erlöse relevant. Im Verständnis der Rechnungslegung geht von<br />
den EK-Kosten kein Steuereffekt aus, da diese Komponente keinen Betriebsaufwand darstellt.<br />
10
Wie bereits erwähnt, bilden diese WACC den Diskontierungsfaktor für die den Unternehmenswert<br />
bestimmenden Komponenten freier Cash-Flow und Residualwert.<br />
Da der Shareholder-Value den Wert des Eigenkapitals darstellt, ist der Unternehmenswert,<br />
welcher den Wert des gesamten Unternehmens beinhaltet, um den<br />
Marktwert des Fremdkapitals zu bereinigen.<br />
Beispiel für die Ermittlung des Shareholder-Values:<br />
Kapitalstruktur: 50,0 % EK und 50,0 % FK (EK = Euro 15,0 Mio.)<br />
Zinssatz für sichere Kapitalanlage: 4,4 %<br />
Aktienmarktrendite: 8,4 %<br />
Betafaktor: 1,5<br />
� erwartete EK-Verzinsung: 10,4 %<br />
FK-Zinsen 5,0 %<br />
./. kalkulatorische Steuerquote 50,0 %<br />
� FK-Kosten: 2,5 %<br />
EK-Kosten: 0,5 * 10,4 % = 5,2 %<br />
FK-Kosten: 0,5 * 2,5 % = 1,25 %<br />
= Kapitalkosten gesamt: = 6,45 %<br />
Free Cash Flows = Annahme: durchschnittlich Euro 1,7 Mio p.a.<br />
Unternehmenswert = ewige Rente = Euro 1,7 Mio. / 6,45 % = Euro 26.356.589,15<br />
= Barwert aller zukünftigen Free Cash Flows<br />
Shareholder Value = Euro 26,4 Mio. ./. Euro 15,0 Mio. = Euro 11,4 Mio.<br />
11
3.1.2 Steuerung des Shareholder-Values<br />
Entscheidend für den Erfolg wertorientierter Steuerungskonzepte ist die Möglichkeit<br />
der Beeinflussung der Zielgröße. Somit ist zu bestimmen, welche Komponenten den<br />
Shareholder-Value beeinflussen, um darauf aufbauend mit der Steuerung anzuset-<br />
zen, d.h. neben der Erfolgsmessung steht insbesondere die Wertentstehung bzw.<br />
Wertschaffung im Mittelpunkt 20 . Wertsteigerung erfolgt dabei durch zielführende<br />
strategische Entscheidungen der <strong>Unternehmensführung</strong> und der Implementierung<br />
auf der operativen Ebene. Inhaltlich setzt hier das Value-Based-Mangement an, wel-<br />
ches die Beeinflussung der Werttreiber 21 zum Ziel hat. Es müssen folglich diejenigen<br />
Faktoren identifiziert werden, die auf den Shareholder-Value einwirken, um im<br />
nächsten Schritt ihre Steuerbarkeit zu ermöglichen.<br />
Die Steuerung des Shareholder-Values erfordert somit einen integrierten Steue-<br />
rungsansatz, der insbesondere eine Verbindung zwischen strategischer und operati-<br />
ver Ebene bedingt. Letztendlich setzt die wertorientierte Steuerung an den Werttrei-<br />
bern an und vermag den Unternehmenswert auf folgende Art und Weise zu erhö-<br />
hen 22 :<br />
• Erhöhung der Leistungsrentabilität: Kostensenkung, Preiserhöhung,<br />
Umsatzsteigerungen<br />
• Optimierung der Kapitalproduktivität: Verringerung der Kapitalbindung, d.h.<br />
Verkauf nicht-betriebsnotwendiger Vermögensteile<br />
• Verringerung der Kapitalkosten: Steuerung der Finanzierungsstruktur im<br />
Unternehmen<br />
20 Rappaport bezieht sich hierbei insbesondere auf die operativen Werttreiber, um dem Management<br />
konkrete Handlungsmöglichkeiten in der täglichen Arbeit aufzuzeigen; vgl. Rappaport, Alfred:<br />
Shareholder Value, 2. Auflage, Schäffer-Poeschel-Verlag, Stuttgart 1999, S. 199ff.<br />
21 Werttreiber: Faktoren, die den Unternehmenswert steigern. Kann auch als Erfolgsfaktoren oder<br />
Wertgeneratoren bezeichnet werden. Der Begriff geht auf Rappaport zurück. Die Auswahl muss<br />
folgendes beachten:<br />
1. Der Einfluss der Werttreiber auf die Zielgröße (wirtschaftlicher Erfolg oder Unternehmenswert)<br />
muss eindeutig und bedeutend sein<br />
2. Die Operationalisierung der Werttreiber muss gelingen, d.h. Werttreiber müssen messbar sein<br />
und auf einer konsistenten Datenbasis aufsetzen, zudem muss der Erfassungsaufwand in<br />
sinnvoller Nutzen-/Kostenrelation stehen<br />
3. Werttreiber müssen im operativen Geschäft beeinflussbar sein, nur so gelingt die Verbindung<br />
zwischen Strategie und operativer Ebene<br />
22 Vgl. Biel, Alfred et al: <strong>Wertorientierte</strong> <strong>Unternehmensführung</strong>, Controller-Verein (Hrsg.), München<br />
2001, S. 19 modifiziert<br />
12
• Portfoliooptimierung: Lenken der Investitionen in diejenigen<br />
Unternehmensbereiche (Geschäftsfelder), die eine Renditeerzielung oberhalb<br />
der Kapitalkosten ermöglichen<br />
Abbildung 5: Werttreiber des Shareholder-Value<br />
3.2 Economic Value Added (EVA)<br />
Der Shareholder-Value-Ansatz als Fokussierung des Stakeholder-Ansatzes kann<br />
grundsätzlich sowohl für die Gesamtunternehmensebene als auch für einzelne Geschäftsfelder<br />
herangezogen werden. Als zentrales Steuerungsinstrument im Rahmen<br />
eines <strong>Unternehmensführung</strong>skonzeptes weist dieser Ansatz allerdings Schwächen<br />
auf, da dieser auch mathematisch geprägte Ansatz schwer kommunizierbar ist.<br />
Aus diesem Grunde hat sich in der betrieblichen Praxis in der Vergangenheit der<br />
EVA-Ansatz von Stern / Steward durchgesetzt, da er einfacher darzustellen und insbesondere<br />
in bestehende Steuerungsinstrumente integriert werden kann. 23<br />
23 Eine sehr praxisorientierte Darstellung des Ansatzes findet sich etwa bei: Stern, Joel M. et al:<br />
<strong>Wertorientierte</strong> <strong>Unternehmensführung</strong> mit EVA, Econ-Verlag, München 2002<br />
13
Der EVA wird gebildet als Produkt aus dem eingesetzten Kapital (K) und der Diffe-<br />
renz aus den Rückflüssen des eingesetzten Kapitals (ROCE 24 ) sowie den<br />
Kapitalkosten (WACC).<br />
EVA = (ROCE – WACC) x K<br />
Die Differenz aus ROCE und WACC bilden den so genannten Spread, welcher als<br />
Performancemaß über den Erfolg im Sinne der Wertsteigerung entscheidet. Ist der<br />
Spread positiv, wurde Wert geschaffen, da dann die Rendite des eingesetzten Kapi-<br />
tals größer ist als die für die Finanzierung des Kapitals erforderlichen Kosten.<br />
Zu vernachlässigen ist aber auch bei diesem Instrument der Ermittlungsaufwand<br />
nicht, da Anpassungen besonders bei der zugrunde liegenden Kapitalbasis erforderlich<br />
sind. Denn eine Verwendung des bilanziellen Kapitals würde zu falschen Ergebnissen<br />
führen, da auch hier die Problematik der nicht marktgerechten Ermittlung der<br />
Werte zur Manipulierbarkeit des Ergebnisses führen würde. Folglich ist die Kapitalbasis<br />
um bilanzielle Effekte zu bereinigen.<br />
Es wird deutlich, dass der EVA nicht nur in temporaler Hinsicht als Wertsteigerungsmaß<br />
verwendet werden kann sondern auch die Möglichkeit bietet, einzelne Geschäftseinheiten<br />
oder Unternehmen direkt miteinander zu vergleichen. Ferner ist erkennbar,<br />
dass bei der Ermittlung des EVA auf Steuerungsgrößen zurückgegriffen<br />
wird, die auch im Rahmen der externen Rechnungslegung Verwendung finden (z.B.<br />
EBIT). Stellt sich nun die Frage nach der Identifizierung der Steuerungsgrößen, um<br />
das Controllinginstrumentarium daran auszurichten.<br />
Steuerung des EVA<br />
Führungsinstrumente gewinnen im Unternehmen dann an Bedeutung und Akzeptanz,<br />
wenn sie intuitiv erlernbar und im Zusammenhang bestehender Kennzahlensysteme<br />
integrierbar sind. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des EVA-Konzeptes, der<br />
zudem zu seiner Verbreitung geführt hat. Der EVA kann als Spitzengröße eines<br />
24 ROCE: Return on Capital Employed<br />
14
Kennzahlensystems dargestellt werden und ermöglicht somit die direkte Beeinflus-<br />
sung auf unterschiedlichen Ebenen.<br />
Dies macht den besonderen Charme dieses wertorientierten Steuerungssystems<br />
aus: Dem Management bietet sich damit ein im Du Pont’schen Sinne 25 objektives<br />
Instrument für die Steuerung und Kontrolle des Unternehmens insgesamt oder ein-<br />
zelner Bereiche. Bei der Betrachtung von Abbildung 6 wird zudem deutlich, dass der<br />
EVA aus der Deckungsbeitragsrechnung abgeleitet werden kann. Da die Deckungsbeitragsrechnung<br />
als etabliertes Steuerungsinstrument in vielen Unternehmen bereits<br />
installiert ist, wird die praktische Relevanz dieses Ansatzes einmal mehr deutlich.<br />
Abbildung 6: EVA-Treiberbaum 26<br />
Die Gefahr bei der EVA-Bertrachtung besteht aber darin, dass kurzfristige Investitionsprojekte<br />
bevorzugt werden und die Mittel- bis Langfristbetrachtung vernachlässigt<br />
wird.<br />
25 Das Kennzahlensystem, welches von Du Pont entwickelt wurde, zielte auf den Return on<br />
Investment (ROI) als zentrale Steuerungsgröße ab. Wertsteigerungskonzepte existieren auch für<br />
diese Steuerungsgröße und kombinieren die Cash-Flow-Betrachtung. Auf diese CFROI-Ansätze, etwa<br />
von Copeland, wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen.<br />
26 NOPAT: Net Operating Profit After Taxes<br />
15
4. Sind wertorientiert geführte Unternehmen erfolgreicher?<br />
<strong>Wertorientierte</strong> Führungsinstrumente haben sich in der Unternehmenslandschaft in<br />
nahezu allen Branchen etabliert. Denn Wertschaffung stellt für sich gesehen ein ob-<br />
jektives Ziel dar, welches über die Gewinnerzielung hinaus als Maßstab für den wert-<br />
haltigen Erfolg herangezogen werden kann.<br />
Die objektive Messgröße Wertschaffung (im Sinne eines Shareholder-Values oder in<br />
Form des EVA) vermittelt ferner den Eindruck, als würde sich dadurch auch das<br />
Principal-Agent-Problem lösen lassen. Von Kapitalgebern werden Ressourcen be-<br />
reitgestellt, die im Unternehmen gebunden werden und dem Management sowie den<br />
Mitarbeitern zur produktiven Nutzung überlassen werden. Der Eigentümer (Principal)<br />
möchte grundlegende, strategische Entscheidungen treffen und muss die Konkretisierung<br />
und Durchführung dem Management (Agents) überlassen. Da zwischen dem<br />
Principal und dem Agent die Informationen nicht gleichmäßig verteilt sind, kommt es<br />
zur Informationsasymmetrie zwischen beiden Interessengruppen. Erschwerend<br />
kommt hinzu, dass die Ziele von Principal und Agent nicht deckungsgleich sein müs-<br />
sen. 27<br />
Aus der Sicht der Eigentümer gilt es folglich zu klären:<br />
- Wie schafft es der Eigentümer, sein Management dazu<br />
zu bewegen, in seinem Sinne zu handeln?<br />
- Welche Incentives sind erforderlich bzw. zielführend?<br />
- Welche Mechanismen ermöglichen eine effiziente Kontrolle?<br />
- Wie können die Koordinationskosten gering gehalten<br />
werden?<br />
Auch hier vermag die wertorientierte Führung einen Beitrag zur Lösung des Principal-<br />
Agent-Problems zu leisten, wenn eine Integration der Zielvariable Wertschaffung in<br />
27 Eine Darstellung des Principal-Agent-Problems mit Bezug auf kapitalmarktorientierte Unternehmen<br />
findet sich etwa bei Gräfer, Horst; Beike, Rolf; Scheld, Guido A.: Finanzierung, Erich Schmidt Verlag,<br />
Berlin 2001<br />
16
das Zielsystem beider Interessengruppen gelingt. Erfolgsabhängige Vergütungskom-<br />
ponenten sind die Folge dieser Überlegungen. 28<br />
Welche Ergebnisse sind aber in der Empirie festzustellen? 29<br />
Das EVA-Konzept hat sich als Instrument der wertorientierten Steuerung / Führung<br />
etabliert; so wenden ca. 1/3 der im DAX notierten Unternehmen EVA an. Das Kon-<br />
zept ist einerseits Verlockung aber andererseits auch eine Bedrohung für die Unter-<br />
nehmen. Die Verlockung erscheint offensichtlich: Wertschaffung, insbesondere unter<br />
Berücksichtigung der ‚richtigen’ Gewinngröße nutzt den Kapitalgebern ebenso wie<br />
dem Management, dessen Vergütung hiervon abhängt. Das Principal-Agent-Problem<br />
scheint überwindbar. EVA birgt aber auch Bedrohungspotenziale, da das scheinbar<br />
richtige und objektive Performancemaß EVA zur Wertvernichtung verleitet. Ein Wi-<br />
derspruch?<br />
In einer von A. T. Kearney durchgeführte Studie zeigte sich, dass die Aktienkurse der<br />
Unternehmen, die die wertorientierte Führung (EVA) anwendeten im Betrachtungs-<br />
zeitraum etwa 10 Prozent niedriger waren als die der Vergleichsgruppe. Insgesamt<br />
hatte sich die Position der mit EVA geführten Unternehmen verschlechtert, was sich<br />
an den Größen Unternehmenswert und Umsatzwachstum zeigte. Abbildung 7 stellt<br />
die Ergebnisse graphisch dar. Das grundlegende Problem ist dabei systemimmanent<br />
und macht deutlich, dass die temporale Komponente stärker berücksichtigt werden<br />
muss.<br />
Wie bereits ausgeführt ergibt sich der EVA als Produkt aus Kapitaleinsatz und Renditespread.<br />
EVA =<br />
Gewinn nach Steuern<br />
investiertes Kapital<br />
- Kapitalkosten x investiertes Kapital<br />
28 Unter dem Themenkomplex ‚Entlohnung im Wandel’ findet sich etwa eine Darstellung bei<br />
Steinmann, Horst; Schreyögg, Georg: Management, 6. Auflage, Gabler-Verlag, Wiesbaden 2005, S.<br />
852<br />
29 Die folgenden Sachverhalte spiegeln die Ergebnisse einer Studie von A.T. Kearney wider; Dabei<br />
wurden die Aktienkurse von 68 weltweit agierenden Unternehmen untersucht. Bei diesen<br />
Unternehmen war festzustellen, dass sie bereits seit ca. 10 Jahren EVA als Steuerungsinstrument der<br />
<strong>Unternehmensführung</strong> anwenden. Der Untersuchungszeitraum reichte von Januar 1998 bis Mai 2005.<br />
17
Eine Steigerung des EVA ist somit grundsätzlich auf drei Arten möglich:<br />
1. Eine Steigerung der Gewinne führt zu einem Anstieg des Renditespread (bei<br />
gleich bleibenden oder im Vergleich zum Gewinn unterdurchschnittlich stei-<br />
genden Kapitalkosten): Wert wird geschaffen<br />
2. Eine Absenkung der Kapitalkosten führt bei gleich bleibender Gewinnsituation<br />
ebenso zu einem Anstieg des Renditespread: Wert wird geschaffen<br />
3. Anhand der Formel ist aber auch ersichtlich, dass bei konstanten Kapitalkos-<br />
ten eine Wertsteigerung möglich ist, wenn das investierte Kapital gesenkt wird.<br />
Das Absenken des investierten Kapitals wiederum führt zu zwei Effekten. Einerseits<br />
wird in der kurzen Frist Wert geschaffen. Eigenkapitalgeber und Management sehen<br />
ihre Ziele erreicht. Andererseits führt weniger investiertes Kapital langfristig dazu,<br />
dass die Umsatzerzielung beeinträchtigt wird. Umsatzschwäche ist dann ein wesentlicher<br />
Grund für eine langfristige Wertvernichtung.<br />
Abbildung 7: Umsatz und Unternehmenswert der Untersuchungsgruppe<br />
18
Aus diesem Untersuchungsergebnis ist sicherlich nicht zu schlussfolgern, dass Manager<br />
grundsätzlich kurzfristig orientiert sind und die persönliche Einkommenserzielung<br />
ihr alleiniges Ziel ist. Auf die systemimmanente Gefahr dieser Steuerungsansätze<br />
soll aber hingewiesen werden, zumal altruistisches Handeln des Managements<br />
keine conditio sine qua non ist.<br />
5. Fazit<br />
<strong>Wertorientierte</strong> <strong>Unternehmensführung</strong> bildet einen modernen Ansatz zur Unternehmenssteuerung,<br />
der insbesondere auf einer objektiven Zielgröße ansetzt. Es handelt<br />
sich dabei nicht um eine Modeerscheinung oder ein weiteres Instrument des Managements<br />
sondern ist im Sinne einer Philosophie zu verstehen.<br />
Dies bedingt, dass eine Anpassung der Führungs- und Controlling-Instrumente unerlässlich<br />
ist, wobei etablierte Steuerungsinstrumente zu integrieren sind (z.B. Deckungsbeitragsrechnung).<br />
<strong>Wertorientierte</strong> <strong>Unternehmensführung</strong> bringt Chancen mit sich. Chancen, die besonders<br />
darin bestehen, dass ein Erfolgsmaß geschaffen wird, das weniger manipulierbar<br />
ist und auch im internationalen Kontext als Vergleichsmaß herangezogen werden<br />
kann. Ferner eröffnet sich die Möglichkeit, internes und externes Rechnungswesen<br />
zu synchronisieren und somit eine einheitliche und konsistente Datenbasis und<br />
Steuerungsgrundlage zu schaffen. Da zudem über die Ausrichtung der Konzernrechnungslegung<br />
an internationalen Standards der Druck von außen auf die Unternehmen<br />
zunimmt, ist die Integration unumgänglich. Gerade die Anwendung der IAS /<br />
IFRS führt dazu, dass der echte Wert des Eigenkapitals dargestellt wird und dem<br />
Shareholder-Value entsprochen wird.<br />
Die konsequente Ausrichtung der Führung an den Werttreibern im Unternehmen<br />
zeigt ferner, dass eine Verknüpfung der strategischen mit der operativen Ebene erfolgt.<br />
Die Balanced-Scorecard kann somit weiter mit Leben gefüllt werden.<br />
19
Aus der Sicht aller Stakeholder ist die Zielsetzung der nachhaltigen Wertsteigerung<br />
essenziell. Kurzfristige Erfolgsorientierung führt langfristig zu Misserfolgen und kann<br />
den Fortbestand des Unternehmens gefährden.<br />
<strong>Wertorientierte</strong> <strong>Unternehmensführung</strong><br />
Unternehmenswerte<br />
gegenwärtig zukünftig<br />
Wertsteigernde Strategien für<br />
alle Unternehmensebenen entwickeln<br />
ZIELE (Beispiele)<br />
Für EK-Geber: Shareholder Value steigern<br />
Für FK-Geber: Zinsen, Tilgung<br />
Für Kunden: innovative Produkte, attraktiver Service<br />
Für Mitarbeiter: sichere Arbeitsplätze, gutes<br />
Betriebsklima, Qualifizierungsmaßnahmen<br />
Abbildung 8: Nutzen der Wertorientierung für die Stakeholder<br />
Wesentlich für den Erfolg wertorientierter Führung sind letztendlich insbesondere<br />
folgende Faktoren:<br />
Es muss gelingen, das Zielsystem im Unternehmen kommunizierbar zu machen,<br />
Transparenz erhöht die Akzeptanz. Die alleinige Fokussierung auf den Shareholder-<br />
Value vermag hierbei Vorbehalte bei anderen Interessengruppen aufkommen lassen.<br />
Die Integration der unterschiedlichsten Anspruchsgruppen scheint ein wesentlicher<br />
Erfolgsfaktor wertorientierter Führung zu sein.<br />
20