26.01.2013 Aufrufe

Ein strategisch wichtiges Feld - Demenz Support Stuttgart

Ein strategisch wichtiges Feld - Demenz Support Stuttgart

Ein strategisch wichtiges Feld - Demenz Support Stuttgart

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Von <strong>strategisch</strong><br />

bedeutsamen<br />

Interesse: <strong>Ein</strong><br />

stärkeres Engagement<br />

von<br />

Pflegediensten<br />

auf dem Gebiet<br />

zusätzlicher<br />

Betreuungsleistungen.<br />

Foto: Susanne<br />

El-Nawab<br />

Angebotserweiterung<br />

Warum Pflegedienste gezielt niedrigschwellige Betreuung anbieten sollten<br />

<strong>Ein</strong> <strong>strategisch</strong> <strong>wichtiges</strong> <strong>Feld</strong><br />

Personen mit erheblichem Betreuungsbedarf haben Anspruch auf zusätzliche Leistungen nach<br />

SGB XI, die ambulante Pflegedienste erbringen können. Hieraus ergeben sich Chancen, die die<br />

Dienste bislang wenig nutzen. Vieles spricht dafür, dass sich dies ändern sollte – zum Beispiel die<br />

mit der Pflegereform beabsichtigte deutlich bessere finanzielle Ausgestaltung des Anspruchs<br />

auf zusätzliche Betreuungsleistungen.<br />

Von Peter Wißmann und Peter Sauer<br />

Die Novellierung des Pflegeversicherungsgesetzes<br />

steht auf der Agenda der deutschen Sozial- und<br />

Gesundheitspolitik: Seit Anfang September 2007<br />

liegt ein Entwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium<br />

für das „Pflege-Weiterentwicklungsgesetz“<br />

(PfWG) vor. <strong>Ein</strong>e der dort vorgesehenen Verbesserungen<br />

betrifft die Leistungen für Pflegebedürftige mit erheblichem<br />

Betreuungsaufwand. Diese sollen erhöht<br />

und ausgebaut werden.<br />

Bereits seit 2002 sind solche Leistungen im Gesetz<br />

vorgesehen. Um den Betreuungs- und Beaufsichtigungsbedarf<br />

vieler Pflegebedürftiger zu berücksichtigen,<br />

reagierte der Gesetzgeber seinerzeit mit dem Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz.<br />

Ziel der dort formulier-<br />

ten und als §§ 45 a-c in das SGB XI integrierten neuen<br />

Leistungen war es, pflegenden Angehörigen zusätzliche<br />

Möglichkeiten der Entlastung und Pflegebedürftigen<br />

zusätzliche aktivierende und qualitätsgesicherte<br />

Betreuungsangebote verfügbar zu machen.<br />

Diese Leistungen können von <strong>Ein</strong>richtungen der<br />

Tages-, der Nacht- und der Kurzzeitpflege, von zugelassenen<br />

Pflegediensten und von nach Landesrecht<br />

anzuerkennenden niedrigschwelligen Betreuungsangeboten<br />

erbracht werden. Mittlerweile existieren in allen<br />

Bundesländern zahlreiche anerkannte niedrigschwellige<br />

Betreuungsangebote. Vereine, Initiativen und vereinzelt<br />

auch freiberuflich tätige Therapeuten bieten<br />

Betreuungsgruppen für Menschen mit <strong>Demenz</strong> an,<br />

kommen in die Wohnungen, um Pflegebedürftige<br />

stundenweise zu betreuen und Angehörige zu entlasten<br />

oder organisieren Tages- und Urlaubsfahrten für<br />

Pflegende und betreute Familienangehörige (siehe hierzu:<br />

Sauer/Wißmann 2007). Diese Leistungen werden<br />

von freiwillig tätigen Helfer/-innen unter Anleitung<br />

von Fachkräften erbracht. Bei den anerkannten niedrigschwelligen<br />

Angeboten wie etwa Betreuungsgruppen<br />

hat es seit 2002 eine zum Teil rasante Aufwärtsentwicklung<br />

gegeben (vgl. hierzu: Hipp 2007, S. 154).<br />

Doch wie steht es um die ambulanten Pflegedienste,<br />

die ja ausdrücklich im Gesetz als Leistungsanbieter<br />

vorgesehen sind? Zwei sich auf den ersten Blick widersprechende<br />

Aussagen fallen ins Auge. Zum einen werden<br />

die Pflegedienste, beispielsweise in Berlin (Sauer/Wißmann<br />

2006, S. 45) als die größten Leistungserbringer<br />

benannt. Andererseits wird aber festgestellt,<br />

dass niedrigschwellige Betreuungsangebote allgemein<br />

noch keinen <strong>Ein</strong>gang in selbstverständliche Versorgungsangebote,<br />

wie Pflegedienste sie vorhalten, gefunden<br />

haben (Schmidt/Wolff 2006, S. 8).<br />

Pflegedienste halten sich noch zurück<br />

Was als Widerspruch erscheint, wird bei näherem Hinschauen<br />

durchaus plausibel. In einer von der zuständigen<br />

Berliner Senatsverwaltung geförderten Studie zur<br />

Wirksamkeit des Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetzes<br />

(Sauer/Wißmann 2006) wurde nicht nur die bereits<br />

genannte Feststellung gemacht, dass die ambulanten<br />

Pflegedienste das Gros des Anbots (Zahl der erreichten<br />

Pflegebedürftigen mit erheblichem Betreuungsbedarf)<br />

18_ November 2007_Häusliche Pflege


niedrigschwelliger Betreuungsleistungen stellen. Es<br />

wurde auch festgestellt, dass der größte Teil der<br />

Pflegedienste insgesamt nur sehr wenige Pflegebedürftige<br />

in diesem Rahmen betreut. Bezogen auf einen Zeitraum<br />

von sechs Monaten waren dies bei 55,6 Prozent<br />

der Dienste gerade einmal zwischen einer und fünf<br />

und im Gesamtdurchschnitt 9,7 Personen. Zahlenmäßig<br />

scheint die Bedeutung dieser Leistungen also eher<br />

gering für die Pflegestationen zu sein.<br />

Bei den Dienstleistungen der ambulanten Pflegedienste<br />

muss es sich laut Gesetz um besondere Angebote<br />

der allgemeinen Anleitung und Betreuung handeln<br />

und nicht um Leistungen der Grundpflege und der<br />

hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 45 b SGB XI). Im<br />

Mittelpunkt der Leistungserbringung stehen dabei nach<br />

der Berliner Studie familien- und betreuungsentlastende<br />

Leistungen sowie Leistungen zur Erhaltung und zur<br />

Förderung der Mobilität und zur Tagesstrukturierung.<br />

Nur wenige <strong>Ein</strong>richtungen bieten künstlerische Angebote<br />

(z. B. Musik), Leistungen zur Befriedigung religiöser<br />

Bedürfnisse oder andere soziale Aktivitäten an.<br />

Zwar gibt es einzelne Pflegedienste, die offensiv mit<br />

den Möglichkeiten dieser zusätzlichen Leistungen umgehen<br />

und sie als Chance der Angebotsverbesserung<br />

nutzen. Insgesamt kann aber festgestellt werden, dass<br />

die Leistungsansprüche, die im SGB XI für den Personenkreis<br />

der Pflegebedürftigen mit erheblichem<br />

Betreuungsaufwand vorgesehen sind, von den meisten<br />

ambulanten Pflegediensten allenfalls dazu genutzt werden,<br />

partiell vorhandene Kapazitäten auszulasten,<br />

nicht aber dazu, Kapazitäten auszuweiten und das<br />

Angebotsspektrum inhaltlich zu erweitern.<br />

<strong>Ein</strong> Problem: Der organisatorische Aufwand<br />

Dass dies so ist, hat Gründe. Im Rahmen der Berliner<br />

Studie wurden die Pflegedienste auch nach den Hindernissen<br />

für ein intensiveres Engagement auf dem Gebiet<br />

niedrigschwelliger Betreuungsleistungen befragt.<br />

<strong>Ein</strong>e große Rolle spielt dabei der bisher recht geringe<br />

Betrag von 460 Euro pro Jahr, der Anspruchsberechtigten<br />

für die Nutzung zusätzlicher Betreuungsleistungen<br />

zur Verfügung steht. <strong>Ein</strong>e umfangreiche und<br />

kontinuierliche Inanspruchnahme von Leistungen ist<br />

damit kaum möglich. Für die Pflegedienste, die diese<br />

Leistungen überwiegend mit ihren bereits vorhandenen<br />

Mitarbeitern erbringen, wird daher eine Personalsteu-<br />

�<br />

Problem + Lösung<br />

Problem: <strong>Ein</strong>e an den „ganzheitlichen“ Bedürfnissen<br />

des Menschen ausgerichtete Pflege und Betreuung<br />

im häuslichen Umfeld ist allein durch die geltenden<br />

sozialrechtlichen Leistungen nicht möglich –<br />

hierunter leiden pflegebedürftige Personen, aber<br />

auch die professionell Pflegenden.<br />

Lösung: Niedrigschwellige Betreuungsangebote<br />

nach §§ 45 a-c SGB XI können dieses Manko mildern.<br />

Sie bieten Pflegediensten die Möglichkeit, ihr<br />

Leistungsangebot zu erweitern und so für aktuelle<br />

und potenzielle Kunden attraktiver zu werden.<br />

erung schwierig: „Wenn die Leistungen nicht regelmäßig<br />

abgerufen werden, gibt es mit der Organisation der<br />

Dienstpläne usw. Schwierigkeiten.“ (Sauer/Wißmann,<br />

2006, S. 22)<br />

Auch die Abrechnungsmodalitäten werden als ein<br />

Problem gesehen. Der Anspruchsberechtigte, der niedrigschwellige<br />

Betreuungsleistungen nutzt, muss erst<br />

einmal in finanzielle Vorleistung treten und kann sich<br />

die aufgewendeten Kosten anschließend von seiner<br />

Pflegekasse erstatten lassen. Der organisatorische Aufwand,<br />

der den Pflegediensten für die Rechnungsstellung<br />

an ihre Kunden und das gesamte Inkassowesen<br />

entsteht, steht nach Meinung vieler in keinem Verhältnis<br />

zu dem insgesamt doch recht geringen Gesamtumfang<br />

der Leistungen. Auch dort, wo ehrenamtliche<br />

Mitarbeiter eingesetzt werden, wird ein erheblicher<br />

Organisationsaufwand beklagt.<br />

Für einige der genannten Probleme gibt es durchaus<br />

auch heute schon Lösungsansätze oder doch zumindest<br />

Möglichkeiten der Problemminimierung. So ist<br />

beispielsweise mit zahlreichen Pflegekassen eine<br />

direkte Abrechnung über Abtretungserklärungen der<br />

Versicherten möglich. Immer noch wenig bekannt –<br />

nicht nur den Anspruchsberechtigten, sondern auch<br />

vielen Pflegediensten – ist die Möglichkeit einer „intelligenten“<br />

Leistungsnutzung. Durch die Kombination<br />

der Leistungen nach § 45 SGB XI mit denen der Verhinderungspflege<br />

(§ 39 SGB XI) kann das individuell<br />

für niedrigschwellige Leistungen zur Verfügung stehende<br />

Budget des Pflegebedürftigen auf fast 1 900 Euro<br />

erhöht werden. Mit dieser Summe können von ihm<br />

Betreuungsleistungen durchaus in einem dichteren und<br />

kontinuierlicheren Rahmen genutzt werden und ambulante<br />

Pflegedienste können solche Leistungen ,verlässlicher‘<br />

organisatorisch einplanen.<br />

Prüfen, ob Kunden Ansprüche haben<br />

Die Gründe, die zahlreiche Pflegedienste bisher von einem<br />

(stärkeren) Engagement auf dem Gebiet niedrigschwelliger<br />

Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI<br />

abhalten, sind nicht gering zu schätzen. <strong>Ein</strong> Grund, der<br />

bisher noch nicht genannt wurde, liegt sicherlich auch<br />

in der Klientel der Pflegeeinrichtungen begründet.<br />

Nach der Berliner Studie (a. a. O. S. 19) machte der<br />

Anteil der Pflegebedürftigen mit erhöhtem Betreuungsbedarf<br />

bei 58 Prozent der Pflegedienste gerade einmal<br />

fünf Prozent aus. Diese Zahl relativiert sich jedoch,<br />

wenn man den Umstand berücksichtigt, dass schätzungsweise<br />

63 bis 77 Prozent der potenziell Anspruchsberechtigten<br />

bisher keine Leistungen nach<br />

§ 45 b SGB XI in Anspruch nehmen (Sauer/Wißmann<br />

2006, S. 45f) und nur wenige Pflegedienste mögliche<br />

Anspruchsvoraussetzungen ihrer Kunden kontinuierlich<br />

und systematisch überprüfen. Insgesamt 22 Prozent<br />

der Pflegedienste gaben zudem den Anteil der<br />

Personen mit erhöhtem Betreuungsbedarf mit über<br />

zehn bis über 25 Prozent an. Bei Pflegediensten mit<br />

entsprechendem fachlichem Schwerpunkt (Gerontopsychiatrie,<br />

Psychiatrie, geistig Behinderte) wurden<br />

sogar Anteile von bis zu 95 Prozent genannt.<br />

Aber auch für die Pflegedienste ohne eine solche<br />

Schwerpunktausrichtung kann die Aussage getroffen<br />

Häusliche Pflege_November 2007 _19


�<br />

„Das Engagement<br />

lohnt sich<br />

für den Pflegedienst.“<br />

Praxis-Interview<br />

Angebotserweiterung<br />

„Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt“<br />

Die auf gerontopsychiatrische Häusliche Pflege spezialisierte Pflegestation Meyer & Kratzsch in<br />

Berlin setzt bewusst auch auf niedrigschwellige Betreuungsangebote. Warum sich dieses<br />

Engagement heute schon lohnt und warum die Reform der Pflegeversicherung einen deutlichen<br />

Nachfrageschub auslösen könnte, schildert Markus Rohner, Sozialarbeiter der Pflegestation<br />

Meyer & Kratzsch, im Gespräch mit HÄUSLICHE PFLEGE.<br />

HHPP: Herr Rohner, niedrigschwellige Betreuungsleistungen<br />

für Personen mit erheblichem Betreuungsaufwand<br />

werden bislang von Pflegediensten eher sporadisch<br />

angeboten – wo liegen die Hemmschwellen?<br />

Rohner: Zum einen ist das Wissen in den Pflegediensten<br />

über diese Angebote zu gering. Es ist nicht<br />

ausreichend bekannt, welche Möglichkeiten der Förderung<br />

und Leistungserbringung es gibt. Das zweite<br />

Hemmnis ist die komplizierte Abrechnung der Leistungen.<br />

Unkosten für Leistungen müssen den einzelnen<br />

Teilnehmern in Rechnung gestellt werden, denn<br />

den Kostenersatz der Kasse erhält der Betroffene.<br />

Allein diese Form der Abrechnung verkompliziert den<br />

Aufbau der Angebote unnötig.<br />

Hinzu kommt, dass Versicherte oft noch weniger Bescheid<br />

wissen als die Pflegedienste. Das gilt vor allem<br />

für den größeren Teil der anspruchsberechtigten Menschen,<br />

der gar nicht von einem Pflegedienst betreut<br />

wird. Bei diesen Menschen ist der Kenntnisstand über<br />

diese Angebote noch sehr schlecht.<br />

Weitere Hemmnisse?<br />

Die Summe von 460 Euro ist einfach zu niedrig. Damit<br />

können Sie kein nachhaltiges Angebot schaffen –<br />

zu schnell ist der Betrag aufgebraucht. Für Leistungen,<br />

werden, dass ein stärkeres Engagement auf dem Gebiet<br />

der das Kernangebot flankierenden zusätzlichen niedrigschwelligen<br />

Betreuungsleistungen durchaus von<br />

<strong>strategisch</strong>em Interesse sein müsste. Diese Aussage gilt<br />

erst Recht mit Blick auf die geplante Novellierung des<br />

Pflegeversicherungsgesetzes. Hier ist eine Erhöhung<br />

der Leistungen nach § 45 b SGB XI auf bis zu 2 400 Euro<br />

pro Jahr, also eine Verfünffachung des bisherigen<br />

Betrages, vorgesehen.<br />

Nicht allein Pflegebedürftige, sondern auch die Pflegedienste<br />

und dort beschäftigte Pflegekräfte leiden<br />

unter dem Umstand, dass die geltenden sozialrechtlichen<br />

Leistungen eine an den ‚ganzheitlichen’ Bedürfnissen<br />

des Menschen ausgerichtete Pflege und<br />

Betreuung im häuslichen Umfeld nicht ermöglichen.<br />

Bedürfnisse nach Kommunikation, sozialem Kontakt<br />

und damit im Zusammenhang stehenden Aktivitäten<br />

sind im Leistungskatalog von Pflege- und Krankenkassen<br />

nicht vorgesehen. Niedrigschwellige Betreuungsangebote<br />

nach §§ 45 a-c SGB XI können dieses<br />

Manko nicht beheben, jedoch abmildern. Für ambu-<br />

die nicht auf Dauer angelegt sind, ist es schwierig,<br />

Ressourcen zu investieren.<br />

Trotz aller Hemmnisse: Sie arbeiten für einen Pflegedienst,<br />

der zusätzliche Betreuungsleistungen anbietet.<br />

Welche Erfahrungen macht der Dienst damit, an wen<br />

richten sich welche konkreten Angebote?<br />

Der Pflegedienst Meyer & Kratzsch hat drei verschiedene<br />

Angebote für Menschen, die Anspruch auf Leistungen<br />

nach dem Pflegeleistungsergänzungsgesetz<br />

(§ 45 a-c SGB XI) haben. Das ist zum einen das Angebot<br />

„Beschäftigung mit Musik“. Es handelt sich hier<br />

nicht um Musiktherapie, weil Therapie nach § 45<br />

SGB XI nicht verordnet werden kann. Das Angebot<br />

wird in Wohngemeinschaften erbracht, einmal wöchentlich<br />

für sieben oder acht WG-Bewohner für eine<br />

Stunde von einer externen Fachkraft, die in die Wohngemeinschaft<br />

kommt. Dieses Angebot ist recht leicht<br />

zu installieren. Denn jeder Bewohner beteiligt sich mit<br />

acht Euro pro Stunde und so kann man so ein Angebot<br />

das ganze Jahr über anbieten.<br />

<strong>Ein</strong> weiteres Angebot sind <strong>Ein</strong>zelbetreuungen. Wir<br />

suchen Klienten auf, die wir ohnehin schon im Rahmen<br />

der Pflegeversicherung versorgen und bieten<br />

diesen psychosoziale Betreuung an: Gespräche, Spa-<br />

lante Pflegedienste besteht hier die Möglichkeit, ihr<br />

Leistungsangebot zu erweitern und für ihre aktuellen<br />

und potenziellen Kunden attraktiver zu werden. Der<br />

Pflegedienst bietet dem Pflegebedürftigen nicht ‚nur’<br />

große oder kleine Körperpflege, sondern auch stundenweise<br />

Entlastungsbetreuung für den Angehörigen,<br />

eine Betreuungsgruppe, Gottesdienstbesuche oder die<br />

Teilnahme an einem Tanzcafé an. Für den Nutzer<br />

stellen diese Angebote einen Gewinn an Lebensqualität<br />

dar, der – zumindest bis zu einem bestimmten,<br />

bei intelligenter Leistungskombination und zukünftig<br />

erhöhtem Betrag, nicht unbeträchtlichem Umfang –<br />

nicht aus der eigenen Tasche gezahlt werden muss.<br />

Das erweiterte Leistungsspektrum des Pflegedienstes<br />

kann für diesen in Kombination mit einer offensiven<br />

Außendarstellung und Beratung von Anspruchsberechtigten<br />

ein <strong>wichtiges</strong> Qualitätsmerkmal auf dem<br />

Markt ambulanter Dienstleistungen darstellen, mit dem<br />

sowohl die Kundenakquise als auch die Kundenbindung<br />

verstärkt werden.<br />

Ebenso muss es im Interesse des Pflegeanbieters<br />

20_ November 2007_Häusliche Pflege


ziergänge – das kann alles Mögliche sein, meistens in<br />

einem individuell ausgehandelten Zeitrahmen, in sporadisch<br />

über das Jahr verteilten <strong>Ein</strong>sätzen. Pro Stunde<br />

Betreuung berechnen wir 23 Euro. Die Leistung wird<br />

von der Bezugspflegekraft des jeweiligen Klienten<br />

erbracht. Alle Mitarbeiter haben einen gerontopsychiatrischen<br />

Ausbildungshintergrund, werden regelmäßig<br />

geschult.<br />

Das dritte Angebot ist das Tanzcafé. Das Tanzcafé<br />

stellt der Pflegedienst zusammen mit der Alzheimer<br />

Gesellschaft Berlin e. V. und dem Geistlichen Zentrum<br />

für Menschen mit <strong>Demenz</strong> und deren Angehörigen auf<br />

die Beine. Das Tanzcafé findet jeden ersten Mittwoch<br />

im Monat statt. Im Gemeindesaal bieten zwei Musiker<br />

zeitgenössische Musik aus den 20er und 30er Jahren<br />

dar, es gibt Kaffee und Kuchen, alles für einen Unkostenbeitrag<br />

von durchschnittlich 15 Euro – abhängig<br />

von anfallenden Anfahrtskosten –, den die Menschen<br />

bei der Pflegekasse einreichen können. Auf Wunsch<br />

übernehmen wir die Abrechnung, wenn das <strong>Ein</strong>reichen<br />

des Unkostenbelegs ein Hindernis für Betroffenen wäre<br />

teilzunehmen.<br />

Den Koordinationsaufwand für das Tanzcafe lassen<br />

wir uns vom Land Berlin fördern, diese Möglichkeit<br />

sieht das Gesetz vor. Aufgabe des Pflegedienstes beim<br />

Angebot Tanzcafé ist es, dafür zu sorgen, dass genügend<br />

Besucher teilnehmen; und durchschnittlich nehmen<br />

auch 20 bis 30 Personen teil. Das Tanzcafé ist<br />

eine sichere Bank als niedrigschwelliges Angebot, weil<br />

es das Bedürfnis nach Kontakt befriedigt.<br />

Merkt der Pflegedienst, dass dieses Engagement nicht<br />

umsonst ist?<br />

Auf jeden Fall! Der Kreativität sind keine Grenzen<br />

gesetzt, man kann ganz viel machen! Und den Effekt<br />

des Engagements können wir an vielen positiven Rück-<br />

liegen, die Möglichkeiten des § 45 b SGB XI zu nutzen,<br />

um durch zusätzliche Entlastungsmöglichkeiten für<br />

Angehörige häusliche Pflegearrangements zu stützen<br />

und vor Dekompensation zu bewahren. Davon profitieren<br />

alle am ambulanten Pflegemix Beteiligten: die<br />

Pflegebedürftigen, die pflegenden Angehörigen und der<br />

Pflegedienst. Und auch Pflegekräfte können zumindest<br />

partiell entlastet werden, wenn Bedürfnisse von Pflegebedürftigen<br />

nach mehr Zeit und mehr Zuwendung<br />

durch zusätzliche Kräfte abgedeckt werden.<br />

Leistungen intelligent kombinieren<br />

<strong>Ein</strong>e Modellrechnung kann verdeutlichen, warum es<br />

sich aus Sicht eines Pflegedienstes lohnen könnte, eigene<br />

niedrigschwellige Betreuungsleistungen in das<br />

Dienstleistungsangebot aufzunehmen.<br />

Legt man den zurzeit noch zutreffenden Betrag von<br />

460 Euro pro Jahr, der einem Anspruchsberechtigten<br />

für diese Leistungen zur Verfügung steht, zugrunde,<br />

könnten davon knapp 30 Stunden Entlastungsbetreuung<br />

finanziert und zur Verfügung gestellt werden (bei<br />

meldungen von Betroffenen und Angehörigen ablesen.<br />

Wir kriegen die Bestätigung, dass es immer Sinn<br />

macht, den Menschen zusätzlich zum Alltag etwas anzubieten.<br />

Das Engagement in diesen Leistungen lohnt<br />

sich für den Pflegedienst, weil man Kunden gegenüber<br />

kommunizieren kann, dass man über die Grundpflege<br />

hinaus ergänzend Angebote macht und so die Sicherung<br />

der Pflege im ambulanten Kontext ermöglicht.<br />

Man signalisiert potenziellen Kunden: Wir schauen auf<br />

mehr, als nur darauf, dass der Mensch gut ernährt und<br />

die Wohnung sauber ist. Dieses Engagement ist also<br />

auch ein Werbeträger für den Pflegedienst.<br />

Zugleich dienen diese Angebote der Mitarbeiterbindung<br />

und der Berufszufriedenheit. Die Mitarbeiter<br />

sehen, dass sie mehr machen können als nur Satt-und-<br />

Sauber-Pflege. Und betriebswirtschaftlich betrachtet ist<br />

einem angenommenen Satz von 15 Euro pro Stunde).<br />

Das Argument, dass dies allenfalls ein Tropfen auf dem<br />

heißen Stein wäre, ist nicht von der Hand zu weisen.<br />

Ganz anders sieht die Angelegenheit aber aus, wenn<br />

man eine bereits beschriebene „intelligente“ Leistungskombination<br />

vornehmen würde. Dann stünden<br />

plötzlich rund 126 Betreuungsstunden im Jahr zur Verfügung,<br />

was auf eine wöchentliche Betreuung von<br />

ca. zwei Stunden hinausliefe. Bezieht man sich nun im<br />

Weiteren auf die angekündigte Erhöhung der Geldleistungen<br />

nach § 45 b SGB XI, sehen die Ergebnisse noch<br />

günstiger aus: Bei einer jährlichen Geldleistung von<br />

2 400 Euro könnten rund 160 Stunden Betreuung realisiert<br />

werden. Für den Leistungsnutzer würde nun<br />

eine tatsächlich spürbare Entlastung und qualitative<br />

Verbesserung möglich werden. Für ambulante Pflegedienste<br />

eröffnen sich dabei gute Chancen, unter ihrem<br />

Dach solche Angebote zu platzieren. Das nunmehr zur<br />

Verfügung stehende zusätzliche Budget würde im<br />

Gegensatz zur aktuellen Situation eine verlässliche Personalsteuerung,<br />

Kapazitäts- und Angebotserweiterung<br />

Altenpfleger<br />

und Dipl. Sozialarbeiter<br />

Markus<br />

Rohner lebt in<br />

Berlin und ist<br />

bei der Pflegestation<br />

Meyer &<br />

Kratzsch<br />

beschäftigt.<br />

E-Mail: info@<br />

meyer-undkratzsch.de<br />

Foto: Darren<br />

Klingbeil<br />

Häusliche Pflege_November 2007 _21<br />


�<br />

„Man kann<br />

gar nicht<br />

Nein sagen<br />

zu diesen<br />

Leistungen“<br />

Prof. Dr. Peter<br />

Sauer,<br />

Lerhrstuhl für<br />

Sozialpolitik,<br />

Dipl.-Volkswirt,<br />

Leiter des Instituts<br />

für Innovation<br />

und Beratung<br />

an der<br />

Ev. Fachhochschule<br />

Berlin<br />

Praxis-Interview<br />

Angebotserweiterung<br />

es momentan so, dass der Pflegedienst zwar sicherlich<br />

keine Unsummen mit den Angeboten verdient, aber er<br />

legt auch nicht drauf. Es lohnt sich also in jeder Hinsicht<br />

für das Unternehmen.<br />

Es ist Pflegediensten also auf jeden Fall zu empfehlen,<br />

zusätzliche Betreuungsleistungen zu realisieren?<br />

Nach meinem Verständnis kann man gar nicht Nein<br />

sagen zu diesen Leistungen! Es gibt keine Gründe, ergänzende<br />

Betreuungsleistungen nicht anzubieten, trotz<br />

der Hemmnisse, die wir angesprochen haben. Das ist<br />

eine geschäftspolitische Entscheidung. Wenn man sagt,<br />

man will seinen Kunden möglichst das bieten, was sie<br />

brauchen, dann gehören diese Leistungen in irgendeiner<br />

Form dazu.<br />

Und welche konkreten Leistungen könnten Pflegedienste<br />

unproblematisch und schnell aufbauen?<br />

Sehr schnell könnte man zum Beispiel <strong>Ein</strong>zelbetreuungen,<br />

wie wir sie auch machen, anbieten. Diese zusätzliche<br />

Leistung „Psychosoziale Betreuung nach dem<br />

Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz“ kann der Dienst sofort<br />

in sein Portfolio aufnehmen und kommunizieren.<br />

Er hat auf jeden Fall sofort eine neue Leistung im Angebot,<br />

ohne dass er sich festlegen und kommunizieren<br />

muss, in welchem Umfang er diese anbietet.<br />

Grundsätzlich ist der Rahmen, den das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetztes<br />

setzt, sehr sehr weit gefasst.<br />

Man hat also viel Spielraum, etwas auf die Beine<br />

ermöglichen. Es lohnt sich also, ernsthaft darüber<br />

nachzudenken, eigene Angebote aufzubauen. Doch<br />

sind auch andere Wege möglich. Gerade bei den<br />

Pflegediensten, bei denen der Anteil an Personen mit<br />

erhöhtem Betreuungsbedarf aktuell noch gering ist,<br />

empfiehlt sich die Kooperation mit Anbietern niedrigschwelliger<br />

Betreuungsdienste. Die einfache Weiterleitung<br />

von Kundenwünschen an solche Anbieter oder<br />

deren sporadische und mehr oder weniger zufällige<br />

<strong>Ein</strong>schaltung dürfte dabei jedoch nicht ausreichen. Sollen<br />

die entlastenden und betreuenden Leistungen tatsächlich<br />

zu einer qualitativen und für die potenziellen<br />

Kunden erkennbaren Erweiterung des Dienstleistungsprofils<br />

führen, müssen sie verlässlich zur Verfügung<br />

stehen und integriert werden. Notwendig sind daher<br />

verbindliche Kooperationsvereinbarungen und -strukturen<br />

mit ausgewählten Anbietern niedrigschwelliger<br />

Betreuungsleistungen.<br />

Stefan Jauernig und Christina Wißmann (2007, S. 81)<br />

weisen darauf hin, dass eine solche qualitativ ausgerichtete<br />

Zusammenarbeit zwischen Pflegedienst und<br />

anderen Projekten eine zielgerichtete Verknüpfungs-,<br />

Koordinations- und Monitoringaufgabe bedeutet, die<br />

Zeit benötigt. Am Beispiel eines Pflegedienstes machen<br />

sie aber auch deutlich, um welche attraktiven Betreuungsleistungen<br />

dessen Profil erweitert werden konnte:<br />

Das reicht von Betreuungsgruppen und Besuchsdiensten<br />

über eine musikalische Betreuung in der Häuslich-<br />

zu stellen, eine Idee zu verwirklichen. Es gibt zig Möglichkeiten!<br />

Der Kreativität der Pflegedienste sind hier<br />

wirklich keine Grenzen gesetzt.<br />

Welche Effekte erwarten Sie von der Pflegereform für<br />

den Bereich niedrigschwelliger Angebote? Wird es einen<br />

deutlichen Schub geben, wenn die Leistungssätze, wie<br />

vorgesehen, von 460 Euro auf 2400 Euro jährlich angehoben<br />

werden?<br />

Ja, es wird einen deutlichen Schub geben. Die meisten<br />

Pflegedienste sind ja kaufmännisch geführt und<br />

werden erkennen, dass sich die Angebote dann auch<br />

betriebswirtschaftlich rechnen werden; dieser Anreiz<br />

wird also zu den bereits genannten hinzukommen.<br />

Kommt der maximale Satz von 2 400 Euro, dann wird<br />

sich viel bewegen in diesem Segment, dann geht es erst<br />

richtig los. Dann werden sich die Betroffenen umschauen,<br />

wo sie welche Angebote abrufen können,<br />

und die Pflegedienste, die bereits über entsprechende<br />

Erfahrungen und Kooperationen verfügen, werden profitieren.<br />

❚<br />

Interview: Darren Klingbeil<br />

� Info und Kontakt<br />

Pflegestation Meyer & Kratzsch, Kurfürstenstraße<br />

131, 10785 Berlin, Tel.: (0 30) 23 51 16-0<br />

Markus Rohner, exam. Altenpfleger, Dipl. Sozialarbeiter/Sozialpädagoge,<br />

E-Mail: markusrohner@gmx.de<br />

keit bis hin zur Teilnahme an Aktivitäten wie Tanzcafés<br />

und Gottesdiensten für Menschen mit <strong>Demenz</strong>.<br />

In der Kooperation mit anderen, beispielsweise auch<br />

freiberuflichen Anbietern, die als niedrigschwellige Anbieter<br />

zugelassen sind, liegt für die ambulante Pflege<br />

eine weitere große Chance: die der Implementierung<br />

neuer, bisher eher ungewohnter und innovativer<br />

Betreuungsangebote. So gibt es beispielsweise interessante<br />

Konzepte und Erfahrungen zur musikalischen<br />

Betreuung von Menschen mit <strong>Demenz</strong> oder zur<br />

Wiederbelebung zusammengebrochener Kommunikationsstrukturen<br />

zwischen pflegenden Angehörigen und<br />

Pflegebedürftigen durch künstlerisches Arbeiten in der<br />

eigenen Häuslichkeit (Muthesius 2007 und Ganß 2007).<br />

Synergieeffekte in Wohngemeinschaften<br />

In den vergangenen Jahren hat sich für ambulante Pflegestationen<br />

ein neues interessantes Betätigungsfeld ergeben:<br />

die Pflege von demenziell veränderten Menschen,<br />

die in Wohngemeinschaften leben. In Berlin<br />

existieren mittlerweile 150-180 solcher Wohngruppen,<br />

in anderen Bundesländern ist man von solchen Zahlen<br />

noch weit entfernt, doch überall entstehen WGs. Für<br />

die Menschen, die in einer solchen Wohnform leben,<br />

bieten die im § 45 b SGB XI enthaltenen Leistungsansprüche<br />

in besondener Weise die Chance einer Verbesserung<br />

der Betreuungsqualität. Ambulant betreute<br />

Wohngemeinschaften machen sich von Prinzip aus die<br />

22_ November 2007_Häusliche Pflege


aus dem Zusammenleben mehrerer Menschen mit<br />

Leistungsansprüchen nach dem Pflegeversicherungsgesetz<br />

resultierenden Synergieeffekte zunutze. Indem<br />

diese Leistungsansprüche zusammengeworfen werden,<br />

kann eine 24-stündige Betreuung, wie sie im <strong>Ein</strong>zelhaushalt<br />

nicht möglich wäre, realisiert werden.<br />

Der Status der in einer WG lebenden Personen als<br />

Mieter (statt Bewohner wie im Heim) und die Organisationsform<br />

der Pflege als ambulante Pflege nach den<br />

einschlägigen sozialrechtlichen Bestimmungen ermöglichen<br />

eine Nutzung der zur Stärkung häuslicher<br />

Betreuungssettings konzipierten niedrigschwelligen<br />

Betreuungsleistungen. Im Normalfall erfüllt jeder WG-<br />

Bewohner von vornherein die Voraussetzungen für<br />

eine Inanspruchnahme von Leistungen nach § 45 b<br />

SGB XI. Für jeden Mieter ist es daher möglich, zusätzlich<br />

zu der regulären Betreuung weitere Betreuungsleistungen<br />

heranzuziehen. Dies können individuelle<br />

Leistungen wie beispielsweise die regelmäßige Begleitung<br />

bei Spaziergängen und Ausflügen sein. Die in<br />

Wohngruppensettings ohnehin recht hohe Betreuungsqualität<br />

kann dadurch noch einmal deutlich verbessert<br />

werden. Dies betrifft nicht allein die individuelle<br />

Betreuungsqualität für einzelne Mieter, sondern insbesondere<br />

auch die der Gesamtgruppe. Innovative, die<br />

sinnlichen Ausdrucksmöglichkeiten der Menschen mit<br />

<strong>Demenz</strong> erweiternden Angebote wie Betreuung mit<br />

Musik oder künstlerisch orientiertes Arbeiten können<br />

in das Leben der WG integriert werden. Sinnliches<br />

Erleben und Interagieren mit der Umwelt kann über<br />

Märchenerzähler, Tierbesuchsdienste, Tanz- und Bewegungsorientierte<br />

Angebote im Alltag der Wohngruppe<br />

gestärkt werden.<br />

Auch hier soll eine Modellrechung die Dimension<br />

verdeutlichen, um die es dabei geht. Bei einem individuellen<br />

Leistungsanspruch von 460 Euro im Jahr stünden<br />

bei acht Mietern pro Jahr immerhin rund 3 700 Euro<br />

für solche Leistungen zur Verfügung. Nimmt man<br />

an, dass diese Personen zukünftig den angekündigten<br />

Höchstbetrag von 2 400 Euro pro Person und Jahr abrufen<br />

können, würde es sich um eine Summe von insgesamt<br />

19 200 Euro handeln. Damit können in der Tat<br />

sowohl attraktive individuelle als auch gruppenbezogene<br />

Betreuungsangebote realisiert werden (Wissmann<br />

2007). Für ambulante Pflegedienste, die in Wohngruppen<br />

die Pflege und Betreuung der dort lebenden Mieter<br />

organisieren, macht es daher Sinn, in Kooperation<br />

mit den Angehörigen und gesetzlichen Betreuern der<br />

Menschen mit <strong>Demenz</strong>, zusätzliche Leistungen gezielt<br />

in das Konzept und in den Alltag der WG zu integrieren.<br />

Auch hier empfiehlt sich der Aufbau verbindlicher<br />

Kooperationsvereinbarungen mit den Anbietern niedrigschwelliger<br />

Betreuungsleistungen.<br />

Kreative Weiterentwicklungen sind möglich<br />

Aber es ist noch mehr möglich. Es existiert bewusst<br />

kein inhaltlich abgeschlossener Kanon von Leistungen,<br />

die von den zuständigen Landesbehörden als<br />

abrechenbare niedrigschwellige Betreuungsangebote<br />

anerkannt werden können. Dies eröffnet Raum für kreative<br />

Überlegungen und Entwicklungen. Die Verantwortlichen<br />

in den Pflegediensten erfahren recht genau,<br />

�<br />

Literatur zum Beitrag<br />

• Michael Ganß, Wieder ins Gespräch kommen –<br />

Aufsuchende künstlerische Arbeit in Familien mit<br />

<strong>Demenz</strong>, In: Sauer/Wißmann: Niedrigschwellige<br />

Hilfen für Familien mit <strong>Demenz</strong>: Erfahrungen,<br />

Beispiele, Perspektiven. Frankfurt am Main 2007,<br />

S. 111-118<br />

• Sabine Hipp, Koordinationsstelle niedrigschwellige<br />

Betreuungsangebote in Baden-Württemberg<br />

In: Sauer/Wißmann 2007, a. a. O.<br />

• Stefan Jauernig/Christina Wißmann, Das Betreuungsangebot<br />

erweitern – Ambulante Pflege und niedrigschwellige<br />

Angebote, In: Sauer/Wißmann 2007,<br />

a. a. O.<br />

• Dorothea Muthesius, Betreuung mit Musik – Freiberufler<br />

als Anbieter niedrigschwelliger Leistungen<br />

In: Sauer/Wißmann 2007, a. a. O., S. 95-109<br />

• Peter Sauer/Peter Wißmann, Evaluation der Leistungen<br />

zum Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz.<br />

Abschlussbericht, Berlin 2006<br />

• Peter Sauer/Peter Wißmann (Hrsg.), Niedrigschwellige<br />

Hilfen für Familien mit <strong>Demenz</strong>:<br />

Erfahrungen, Beispiele, Perspektiven<br />

Frankfurt am Main 2007<br />

• Tanja-Aletta Schmidt/Birgit Wolff, Handbuch<br />

Niedrigschwellige Betreuungsangebote<br />

E-Book, Hannover 2006<br />

• Peter Wißmann, Chancen nutzen – Ambulante<br />

Wohngeemeinschaften und niedrigschwellige<br />

Angebote, In: Sauer/Wißmann 2007, a. a. O., S. 87-94<br />

welchen Unterstützungs- und Entlastungsbedarf pflegende<br />

Angehörige in der häuslichen Situation benötigen.<br />

Und sie wissen auch gut, welche aktivierenden,<br />

sozial stimulierenden und die Kommunikation und den<br />

Austausch mit der Umwelt fördernden Betreuungsangebote<br />

für demenziell veränderte oder andere Menschen<br />

mit speziellem Betreuungsbedarf hilfreich sein<br />

könnten. Dieses Wissen sollte genutzt werden, um im<br />

Dialog mit Angehörigen, mit anderen Dienstleistungsanbietern<br />

und mit bürgerschaftlich engagierten Menschen<br />

nicht nur bereits existierende niedrigschwellige<br />

Angebote besser zu nutzen, sondern auch bisher fehlende<br />

neue Angebote anzudenken und zu initiieren.<br />

Mit den Leistungen der §§ 45 a-c SGB XI existiert dazu<br />

ein Rahmen, der genutzt werden kann. ❚<br />

Mehr zum Thema<br />

�<br />

Buchtipp: Niedrigschwellige Hilfen für Familien mit<br />

<strong>Demenz</strong>, von Peter Sauer u. Peter Wißmann (Hrsg.),<br />

Frankfurt a. M. 2007, ISBN 978-3-938304-92-1,<br />

224 Seiten, 23,90 Euro<br />

Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes zeigen<br />

Beispiele und Perspektiven auf, wie Familien mit<br />

<strong>Demenz</strong> durch niedrigschwellige Angebote entlastet<br />

und unterstützt werden können. Sie untersuchen u. a.<br />

neue Handlungsfelder für ambulante Pflegedienste,<br />

ambulant betreute Wohngruppen, freiberufliche<br />

Anbieter und bürgerschaftlich Engagierte.<br />

Peter<br />

Wißmann,<br />

Geschäftsführer<br />

der <strong>Demenz</strong><br />

<strong>Support</strong> Stutgart<br />

gGmbH,<br />

stellv. Vorsitzender<br />

der<br />

Aktion <strong>Demenz</strong><br />

e. V.<br />

Buch zum<br />

Thema<br />

„Niedrigschwellige<br />

Hilfen für<br />

Familien mit<br />

<strong>Demenz</strong>“<br />

Häusliche Pflege_November 2007 _23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!