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E&W Mai 2006 - GEW

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FAMILIENPOLITIK<br />

18<br />

E&W 5/<strong>2006</strong><br />

werbsarbeitsgesellschaft, gleichermaßen<br />

für Männer und Frauen, das weit mehr<br />

als „Arbeit für alle“ meint. Das Konzept<br />

ist eng verknüpft mit zivilgesellschaftlichen<br />

Auffassungen von Staatsbürgerschaft,<br />

die sowohl dem Einzelnen als<br />

auch dem Staat eine aktive Rolle zuschreibt:<br />

Männer und Frauen sind verpflichtet,<br />

für ihre Existenz über Erwerbsarbeit<br />

selbst zu sorgen. Schweden<br />

weist in der EU nicht nur die höchsten<br />

Erwerbsquoten, sondern auch den geringsten<br />

gender-gap (Geschlechtsunterschied,<br />

d. Red.) in der Arbeitsmarktbeteiligung<br />

auf. Der Staat kümmert sich im<br />

Gegenzug um die Betreuung der Kinder,<br />

indem er für ihre Erziehung Ressourcen,<br />

Strukturen und pädagogische<br />

Konzepte bereitstellt.<br />

Gemeinsame Balance<br />

Weil das Leitbild einer Geschlechterdemokratie<br />

konsensfähig ist, akzeptiert<br />

die schwedische Gesellschaft ungleiche<br />

Ressourcenverteilung, sofern sie diesem<br />

Ziel dient.*<br />

Ein Beispiel hierfür ist das Konzept des<br />

Elterngeldes. Bereits im Jahr 1974 hat<br />

die Regierung alle Familienleistungen,<br />

die sich ausschließlich an Frauen wenden<br />

– Mutterschaftsurlaub – zu Gunsten<br />

geschlechtsneutraler Leistungen aufgegeben<br />

und durch Elterngeld und Elternurlaub<br />

ersetzt. Beide Elternteile werden<br />

dafür verantwortlich gemacht, Kindererziehung<br />

und beruflichen Einsatz<br />

gemeinsam auszubalancieren. Der Staat<br />

„hilft“ lediglich ein wenig pädagogisch<br />

nach, indem er Eltern vorschreibt, wer<br />

für welche Zeit welchen Part in der Kindererziehung<br />

zu übernehmen habe.<br />

Nach dem Motto „choose it or lose it“<br />

sind von den 18 Monaten Elternurlaub<br />

zwei Monate ausschließlich den Vätern<br />

reserviert. Gleichzeitig definiert der<br />

Staat Kindererziehungszeiten als ein soziales<br />

Risiko, das zu Berufsunterbrechungen<br />

und zu Lohneinbußen führt.<br />

Aufgabe der Familienpolitik sei es deshalb,<br />

erziehungsbedingt ausgefallenen<br />

Lohn durch ein Elterngeld in Form einer<br />

Lohnersatzleistung zu erstatten.<br />

Das zu enge Zeitbudget erwerbstätiger<br />

Eltern geht der Staat ebenfalls an, indem<br />

Eltern das Recht erhalten, ihre täglichen<br />

Arbeitszeiten um maximal zwei Stunden<br />

(ohne Lohnausgleich) bis zum<br />

achten Lebensjahr des Kindes zu reduzieren.<br />

Die hohen Geburtenraten in<br />

Schweden zeigen, dass diese Praxis erfolgreich<br />

ist.<br />

Mechthild Veil<br />

* Anm. d. Red.: Siehe auch Mechthild Veil: Aufholbewegung<br />

in der Familienpolitik? Modelle Schweden und Frankreich<br />

und die deutschen Defizite. In: Kommune, Heft2/<strong>2006</strong>.<br />

Es tut sich was –<br />

doch zu langsam<br />

Familiengerechte Hochschule: Beispiel Uni Hohenheim<br />

Familiengerechte Bildungseinrichtungen<br />

sind Mangelware. Auch in Baden-Württemberg.<br />

Schulen, die sich<br />

mit Programmen zur Vereinbarung<br />

von Familie und Beruf hervortun,<br />

muss man wie die Stecknadel im Heuhaufen<br />

suchen. Selbst im PISA-Musterländle.<br />

Aufgefallen sind bisher nur<br />

Hochschulen, die zwar noch einen<br />

weiten Weg zu familien- und frauenfreundlichen<br />

Institutionen vor sich haben,<br />

doch immerhin sind hier erste<br />

Schritte eingeleitet. Ein Beispiel ist die<br />

Universität Hohenheim.<br />

Regina Cugat Schoch braucht<br />

zu Fuß nur eine Viertelstunde,<br />

bis sie mit ihrer Tochter<br />

Alice in der Kindertagesstätte<br />

auf dem Campus der Universität<br />

Hohenheim angekommen<br />

ist. Heute will die Kommunikationswissenschaftlerin<br />

möglichst früh<br />

im Büro sein, denn in der Pressestelle<br />

wartet ein wichtiges Projekt auf sie. Zur<br />

Öffnungszeit um acht Uhr sind die beiden<br />

da. Alice bleibt gerne in der Kindergruppe.<br />

Sie ist als Dreijährige das älteste<br />

von zehn Kindern. Auf dem kurzen<br />

Fußweg zum Arbeitsplatz atmet Cugat<br />

Schoch erst einmal kräftig durch. „Ich<br />

bin eine Aufräumerin und mache morgens<br />

im Büro schnell sauber und koche<br />

mir einen Kaffee“, sagt sie. Dabei wird<br />

sie das Gefühl nicht los, dass ihr Chef<br />

denkt: „Wann fängt sie endlich an?“<br />

„Ich glaube, dass bei Teilzeitkräften genau<br />

geguckt wird, ob sie ihre Zeit produktiv<br />

nutzen.“<br />

Die Uni Hohenheim ist die erste badenwürttembergische<br />

Universität, die im<br />

Dezember 2004 mit dem Zertifikat „Familiengerechte<br />

Hochschule“ ausgezeichnet<br />

wurde. „Mit der Teilnahme am<br />

Audit wollen wir uns auch an die Spitze<br />

einer Bewegung zur Lösung höchst aktueller<br />

gesellschaftspolitischer Probleme<br />

stellen“, begründete der Rektor der Universität,<br />

Prof. Hans-Peter Liebig, das Engagement<br />

seiner Universität. Familienfeindliche<br />

Strukturen böten die Wahl,<br />

auf die wertvolle Ressource Eltern zu<br />

verzichten oder eines der gravierendsten<br />

gesellschaftlichen Probleme voranzutreiben,<br />

nämlich, dass Frauen auf Kinder<br />

verzichten.<br />

„Kinderfeuerwehr“<br />

Zwölf Zielvereinbarungen muss die<br />

Hochschule bis zur Rezertifizierung Ende<br />

2007 umsetzen. Die Verstetigung der<br />

so genannten „Kinderfeuerwehr“ ist eine<br />

der bekanntesten davon. Von der<br />

Fotos: Horst Rudel

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