E&W Mai 2006 - GEW
E&W Mai 2006 - GEW
E&W Mai 2006 - GEW
- TAGS
- www.gew.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Putzfrau bis zur Professorin können<br />
alle die Notfallbetreuung vier<br />
Stunden am Tag in Anspruch nehmen.<br />
Innerhalb von wenigen Minuten<br />
springt eine Betreuerin ein<br />
und kommt notfalls zu einem<br />
kranken Kind nach Hause. Auch<br />
Cugat Schoch hat der Dienst<br />
schon aus der Klemme geholfen:<br />
Als sie vor einem Jahr kurz vor ihrem<br />
Diplom stand, wurde Alice<br />
prompt zur mündlichen Politikprüfung<br />
krank.<br />
Die Campusferien zwei Wochen<br />
im Sommer und eine Woche in<br />
den Pfingstferien helfen Eltern<br />
mit schulpflichtigen Kindern bis<br />
elf Jahren, die 14 Wochen Schulferien<br />
aufzufangen. „Ältere Kinder<br />
finden die Campusferien uncool“,<br />
bedauert Rotraud Konca,<br />
Gleichstellungsreferentin der Uni<br />
Hohenheim. Ihr neunjähriger<br />
Sohn freut sich auf diese Ferieneinrichtung,<br />
in der zwanzig Kinder<br />
von Angestellten der Hochschule<br />
und zehn Kinder von Mitarbeitern<br />
der Stadt Stuttgart einen<br />
Platz finden.<br />
Die Gleichstellungsreferentin<br />
weiß aus eigener Erfahrung, wie<br />
schwer es ist, Schulkinder ganztägig<br />
unterzubringen. Noch ist ihr<br />
Sohn in einem Hort an der<br />
Grundschule versorgt. Wenn er ab<br />
September aber auf ein Gymnasium<br />
geht, ist seine Betreuung<br />
nicht gesichert. Es gibt ein Mittagessen<br />
und Hausaufgabenbetreuung<br />
bis 15 Uhr, sofern genügend<br />
Elternanträge zusammenkommen.<br />
Die restliche Zeit versucht<br />
Konca mit Arbeitsgemeinschaften<br />
abzudecken und meint: „Ideal<br />
wären ordentliche, flächendeckende<br />
Ganztagsschulen. Damit<br />
wäre eine gute und planbare Betreuung<br />
der Kinder gewährleistet.<br />
Sie würde manches Sonderpro-<br />
Regina Cugat Schoch mit Tochter<br />
Alice<br />
gramm zur besseren Vereinbarkeit<br />
von Familie und Beruf überflüssig<br />
machen.“<br />
Das neue Kinderbetreuungsprogramm<br />
der Landesregierung Baden-Württemberg<br />
zählt dazu. Zur<br />
Landtagswahl Mitte März hat die<br />
regierende CDU einen Topf mit<br />
1,5 Millionen Euro jährlich zur<br />
Verfügung gestellt, damit wissenschaftliches<br />
Personal an Hochschulen<br />
Familie und Beruf besser<br />
vereinbaren kann. Bis Dezember<br />
<strong>2006</strong> können alle Hochschulen an<br />
der Ausschreibung teilnehmen.<br />
„Wir werden auf alle Fälle mitmachen“,<br />
betont Konca. Ziel der Uni<br />
ist: mehr Betreuungsplätze für<br />
Kinder unter drei Jahren zu schaffen<br />
und die Betreuungszeiten der<br />
Kitas abends zu verlängern.<br />
Längere Öffnungszeiten wären für<br />
Cugat Schoch eine Entlastung. Sie<br />
arbeitet mit schwankender Stundenzahl<br />
bis zu 30 Stunden pro Woche.<br />
Oft rast sie kurz vor Schluss<br />
um 17 Uhr als letzte in die Kita.<br />
Dabei plagt die Wissenschaftlerin<br />
das schlechte Gewissen:„Wenn Alice<br />
den ganzen Tag in der Kita ist,<br />
hole ich ein knatschiges Kind ab,<br />
das bis zu einer Stunde braucht, bis<br />
es sich wieder fängt.“ Sie fühlt sich<br />
zerrissen zwischen Kind und Arbeit.<br />
Erschwerend kommt hinzu,<br />
dass die 38-Jährige einen Halbjahresvertrag<br />
hat und Bewerbungen<br />
schreiben muss. Bis ihr Kind in die<br />
Schule kommt, will sie im Ausland<br />
arbeiten – zumindest aber nicht in<br />
Bayern oder Baden-Württemberg.<br />
„Ich bekomme Panik, wenn ich<br />
nur daran denke, wie ich hier die<br />
Schulzeit von Alice bewältigen<br />
soll.“<br />
Jetzt Chefsache<br />
„Alles Bisherige ist ein Tropfen<br />
auf den heißen Stein, solange sich<br />
FAMILIENPOLITIK<br />
die Struktur nicht ändert“, kritisiert<br />
Dr. Dagmar Höppel, Leiterin<br />
der Geschäftsstelle der Landeskonferenz<br />
der Gleichstellungsbeauftragten<br />
an den wissenschaftlichen<br />
Hochschulen Baden-Württembergs.<br />
Sie beklagt die befristeten<br />
Verträge ohne Planungshorizont.<br />
„Familienfreundlichkeit muss ein<br />
zentrales Anliegen jeder Einrichtung<br />
sein und soll nicht an die<br />
Gleichstellungsbeauftragte abgedrückt<br />
werden. Alle Akteure müssen<br />
an einen Tisch.“<br />
Die Zertifizierung hat in Hohenheim<br />
den Blick darauf gelenkt. Familienvereinbarkeit<br />
ist dort jetzt<br />
Chefsache. Konca bestätigt, dass<br />
sich das Bewusstsein für Familien<br />
und deren Belange langsam, aber<br />
stetig wandelt. „Wir merken das,<br />
weil weniger Hilferufe von Studentinnen<br />
bei Prüfungen, Klausuren<br />
oder Praktika bei uns eingehen.<br />
Sobald Kinder im Spiel sind,<br />
sind die meisten Hochschullehrer<br />
offen.“<br />
Ob die Zielvereinbarungen zur<br />
familienfreundlichen Hochschule<br />
auch die Einstellungspraktiken<br />
verändert haben, bleibt fraglich.<br />
Es gibt aber positive Beispiele:<br />
Professorin Ruth Stock-Homburg<br />
hat Ende letzten Jahres den Lehrstuhl<br />
für Unternehmensführung,<br />
Organisation und Personalwesen<br />
bekommen, obwohl sie mit dem<br />
zweiten Kind schwanger war. Die<br />
33-jährige Wissenschaftlerin hatte<br />
im Ranking des Handelsblatts<br />
um den besten BWL-Professor<br />
den vierten Platz erreicht. Dass<br />
Stock-Homburg eine Überfliegerin<br />
ist, lässt Cugat Schoch als<br />
Gegenargument nicht gelten: Bei<br />
manchem Hartschädel hätte auch<br />
das früher nichts genutzt.“<br />
Maria Jeggle<br />
Kita auf dem Campus der Uni Hohenheim: Entlastung für Studierende<br />
und Beschäftigte<br />
E&W 5/<strong>2006</strong> 19