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Tilman Rhode-Jüchtern

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Lernenden, Schüler wie Lehramtsstudenten gleichermaßen, werden froh sein, dass sie endlich<br />

„etwas Richtiges“ zu tun bekommen, sie sollen mit dem Kompass das Untersuchungsgebiet<br />

kartieren („Geländeaufnahme“ haben sie an anderer Stelle schon gelernt). Aber: Am Abend<br />

werden bei sechs Arbeitsgruppen sechs grundverschiedene Faustskizzen auf den Tisch<br />

kommen.<br />

Was ist passiert, warum sind die Skizzen nicht alle mehr oder weniger gleich, so wie es bei<br />

der Kartierungsübung im heimischen Park eindrucksvoll geklappt hat? Die Unterschiede<br />

liegen weniger in der groben Messtechnik als vielmehr in dem unterschiedlichen Zuschnitt<br />

des kartierten Untersuchungsgebietes. Die einen kartieren wirklich nur den Zeltplatz als den<br />

Kern der Raumnutzung durch Rucksacktouristen, hier wird geschlafen, gegessen und<br />

gesungen. Andere denken auch an die Abwässer, die direkt in einen kleinen Bach (El Cedro)<br />

geleitet werden und auch optisch direkt zu verfolgen sind, vielleicht denken sie auch an den<br />

Bach als Zufluss für den Bedarf am Zeltplatz. Wieder andere denken daran, dass ein Zeltplatz<br />

auch ein ästhetisches und akustisches Problem sein kann und kartieren das Tal im Hinblick<br />

auf Blick- und Geräuschverschattung. Wieder andere denken an die Verkehrsanbindung des<br />

Zeltplatzes, die bei einer erweiterten Nutzung sicherlich verbessert werden müsste, z.B. durch<br />

einen Linienbus oder wenigstens eine grundlegende Überarbeitung der Wanderwege. Mit<br />

anderen Worten: In den zugrundegelegten Annahmen über die Folgen einer<br />

Zeltplatzerweiterung entsteht eine jeweils andere Region. Die Studierenden erkennen dies erst<br />

im Nachhinein und diskutieren dann aus der konkreten Erfahrung heraus über das Problem<br />

der Regionalisierung. Sie merken bei der Gelegenheit, dass der Kompass und die<br />

Geländeaufnahme nur ein Instrument der Beobachtung und keineswegs ein Selbstzweck sind.<br />

Dies nennen wir verständnisintensives Lernen (Peter Fauser). Hätte der Lehrende dies alles<br />

vorher abgeklärt, wäre diese Erfahrung nicht entstanden, sie wäre als unproblematisch<br />

übersehen worden.<br />

Innovative Fachentwicklung. So ganz viel Neues kann der Geographielehrer von der<br />

Fachwissenschaft nicht erwarten; diese ist inzwischen viel zu speziell geworden und an<br />

Lehrerausbildung nicht originär interessiert. Ausnahmen mögen zuweilen eine Broschüre zum<br />

Klimawandel sein (wie sie zum Geographentag 2007 in Bayreuth von den Physischen<br />

Geographen der Humboldt-Universität Berlin verteilt worden ist 7 ) oder einzelne Beiträge in<br />

fachdidaktischen Zeitschriften, sofern sie auf erklärungsstarke Hintergrundkonzepte<br />

verwiesen, wie z.B. das Syndromkonzept 8 . Die Fachwissenschaft selbst befindet sich wieder<br />

und noch immer in einer Debatte über eine „Dritte Säule“ zur Verbindung natur- und<br />

sozialwissenschaftlicher Kompetenz in der Geographie 9<br />

7<br />

Endlicher, Wilfried/ Gerstengarbe, Friedrich-Wilhelm (Hrsg.)2007): Der Klimawandel – Einblicke, Rückblicke<br />

und Ausblicke. Potsdam ( http://edoc.hu-berlin.de/miscellanies/klimawandel/)<br />

8<br />

Das Syndromkonzept ist ursprünglich vom Wissenschaftlichen Beirat für Globale Umweltveränderungen<br />

(WBGU) erdacht und seit 1994 in die Diskussion gebracht worden; danach ist es jahrelang im Rahmen des<br />

Bund-Länder-Programms „21 – Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ (Gerhard de Haan u.a.) für die<br />

Schule erprobt worden. Erst viel später ist es explizit in der Geographiedidaktik gelandet, vgl. Schindler,<br />

Joachim (2005): Syndromansatz. Ein praktisches Instrument für die Geographiedidaktik. Münster (Reihe Praxis<br />

Neue Kulturgeographie, LIT-Verlag) Auch hier hat es lange gedauert nach der ersten Vorstellung des Konzepts<br />

1994 in der Öffentlichkeit: Im selbsternannten Standardwerk „Geographie unterrichten lernen“ von Haubrich<br />

u.a. war hiervon im Jahre 2006 noch nichts zu lesen. Das neue Werk „Welt im Wandel“ widmet dem Konzept<br />

2007 dann einige Seiten, allerdings wiederum mit Verweis auf alte Literatur um 1996. Das nennen wir einen<br />

typischen time lag und gehen von einer Größenordnung von +/- 10 Jahren aus.<br />

9<br />

vgl. die Tagungen über integrative Projekte in der Geographie, sie sich u.a. mit dem Namen von Peter<br />

Weichhart (Wien) verbinden (www.univie.ac.at/peter.weichhart/TGPhHum/TgPHHOme.html), z.B. „Auf der<br />

Scuhe nach der „dritten Säule“. Gibt es Wege von der Rhetorik zur Pragmatik“ (verfügbar im Internet s.o.),<br />

DFG-Rundgespräch „Methodische und konzeptionelle Problmee der Gesellschaft-Umwelt-Forschung“<br />

17./18.2.2006 im IfK Leipzig, zuletzt „Umwelt als System – System als Umwelt? 15./16.6.2007 Bonn. Parallel<br />

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