Magazin #20 - Der Club zu Bremen
Magazin #20 - Der Club zu Bremen
Magazin #20 - Der Club zu Bremen
- TAGS
- magazin
- club
- bremen
- www.dczb.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
80<br />
Kultur<br />
Gerald Sammet rezensiert<br />
her kommenden, in vergleichbare Ambivalenzen verstrickten Mäzene<br />
und bildenden Künstler, Ludwig Roselius und Bernhard Hoetger,<br />
hätte dem abhelfen können.<br />
Benn ist einer vom Schlag des französischen Schriftstellers und<br />
Arztes Louis-Ferdinand Céline. Bereit, in jeden menschlichen Abgrund<br />
nicht nur <strong>zu</strong> schauen, sondern eigens hinunter<strong>zu</strong>steigen.<br />
Oelze, als scharfsinniger Schöngeist dafür <strong>zu</strong> kultiviert und daher<br />
<strong>zu</strong> schwach, blickt lieber nur über den Rand. <strong>Der</strong> Dichter lebt von<br />
der Verehrung, die ihm angetan wird, so sehr wie vom Hass.<br />
Benn muss auf dem Gebiet allerdings sehr viel weniger aushalten<br />
als Céline. Hin und wieder Signale aus Stockholm, der Nobelpreis<br />
für Literatur, wie ihm scheint, in greifbarer Nähe. Es wird dann<br />
doch nichts daraus.<br />
Dass Benn sich an Thomas Mann vergreift, verstört den, was literarische<br />
Qualität angeht, durchaus sicheren Oelze. Man opfert,<br />
so der Komment, nicht einer persönlichen Antipathie wegen das<br />
schriftstellerische Werk. Benn, mit einem ihm immer eigen bleibenden<br />
Furor, schert das nicht groß. Er sieht sich als Zertrümmerer<br />
von Konventionen, wissend, dass, bevor einer wie er auf den<br />
Plan tritt, schon das Leben und Sterben die meisten Konventionen<br />
zertrümmert. Sein Unglück ist, dass sich die Verlage, auf<br />
die es im Nachkriegsdeutschland ankommt, auch deswegen nicht<br />
für ihn interessieren. Oelze spinnt, um ihn auf dem Buchmarkt<br />
<strong>zu</strong> positionieren, aus dem Hintergrund ein paar Fäden. Ein Bre-<br />
mer Kaufmann und Rowohlt in Hamburg oder Suhrkamp in Frankfurt,<br />
da findet freilich nichts <strong>zu</strong>m Guten <strong>zu</strong>sammen.<br />
Marlis Thiel lotet diese Geschichte einer Brieffreundschaft, in<br />
der es immer wieder auch <strong>zu</strong> von nichts als Widerspruch untermalten<br />
persönlichen Begegnungen kommt, aus bis <strong>zu</strong> der Tiefe,<br />
in der man glaubt, auf eine Liebesgeschichte <strong>zu</strong> stoßen. Einen<br />
Männerbund, wenigstens, ohne dass sich dabei Exzessivität einstellen<br />
wollte. Platonische Verhältnisse, für die dieser Ausdruck<br />
möglicherweise nicht einmal taugt. Das bleibt in der Schwebe.<br />
Man kriegt, auch davon handelt dieser Roman, den einen wie<br />
den anderen Protagonisten nicht wirklich <strong>zu</strong> fassen. Beide sind<br />
sie gewiefte Rollenspieler, ihrer Sache meistens sehr sicher,<br />
wenn auch jeder für sich allein. <strong>Der</strong> Kaufmann und der Dichter<br />
schauen auf einen wie das Doppelbild, das wir dem schwedischen<br />
Nobelpreisträger Tomas Tranströmer verdanken: „Doch wir sehen<br />
diese Ereignisse von der falschen Seite: einen Steinhaufen statt<br />
des Gesichts der Sphinx.“ Das Konvolut der von Oelze an Benn<br />
und von Benn an Oelze gerichteten Briefe, diesen Trümmerberg<br />
eines schillernden Vertrauens im Widerspruch <strong>zu</strong> sich selbst, hat<br />
Marlis Thiel auf diese Weise ergründet. Die Doppelbödigkeit<br />
bleibt.<br />
Marlis Thiel, <strong>Der</strong> Kaufmann und der Dichter. Roman.<br />
Donat Verlag: <strong>Bremen</strong> 2011. € 18,80