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Magazin #20 - Der Club zu Bremen

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Kultur<br />

Gerald Sammet rezensiert<br />

her kommenden, in vergleichbare Ambivalenzen verstrickten Mäzene<br />

und bildenden Künstler, Ludwig Roselius und Bernhard Hoetger,<br />

hätte dem abhelfen können.<br />

Benn ist einer vom Schlag des französischen Schriftstellers und<br />

Arztes Louis-Ferdinand Céline. Bereit, in jeden menschlichen Abgrund<br />

nicht nur <strong>zu</strong> schauen, sondern eigens hinunter<strong>zu</strong>steigen.<br />

Oelze, als scharfsinniger Schöngeist dafür <strong>zu</strong> kultiviert und daher<br />

<strong>zu</strong> schwach, blickt lieber nur über den Rand. <strong>Der</strong> Dichter lebt von<br />

der Verehrung, die ihm angetan wird, so sehr wie vom Hass.<br />

Benn muss auf dem Gebiet allerdings sehr viel weniger aushalten<br />

als Céline. Hin und wieder Signale aus Stockholm, der Nobelpreis<br />

für Literatur, wie ihm scheint, in greifbarer Nähe. Es wird dann<br />

doch nichts daraus.<br />

Dass Benn sich an Thomas Mann vergreift, verstört den, was literarische<br />

Qualität angeht, durchaus sicheren Oelze. Man opfert,<br />

so der Komment, nicht einer persönlichen Antipathie wegen das<br />

schriftstellerische Werk. Benn, mit einem ihm immer eigen bleibenden<br />

Furor, schert das nicht groß. Er sieht sich als Zertrümmerer<br />

von Konventionen, wissend, dass, bevor einer wie er auf den<br />

Plan tritt, schon das Leben und Sterben die meisten Konventionen<br />

zertrümmert. Sein Unglück ist, dass sich die Verlage, auf<br />

die es im Nachkriegsdeutschland ankommt, auch deswegen nicht<br />

für ihn interessieren. Oelze spinnt, um ihn auf dem Buchmarkt<br />

<strong>zu</strong> positionieren, aus dem Hintergrund ein paar Fäden. Ein Bre-<br />

mer Kaufmann und Rowohlt in Hamburg oder Suhrkamp in Frankfurt,<br />

da findet freilich nichts <strong>zu</strong>m Guten <strong>zu</strong>sammen.<br />

Marlis Thiel lotet diese Geschichte einer Brieffreundschaft, in<br />

der es immer wieder auch <strong>zu</strong> von nichts als Widerspruch untermalten<br />

persönlichen Begegnungen kommt, aus bis <strong>zu</strong> der Tiefe,<br />

in der man glaubt, auf eine Liebesgeschichte <strong>zu</strong> stoßen. Einen<br />

Männerbund, wenigstens, ohne dass sich dabei Exzessivität einstellen<br />

wollte. Platonische Verhältnisse, für die dieser Ausdruck<br />

möglicherweise nicht einmal taugt. Das bleibt in der Schwebe.<br />

Man kriegt, auch davon handelt dieser Roman, den einen wie<br />

den anderen Protagonisten nicht wirklich <strong>zu</strong> fassen. Beide sind<br />

sie gewiefte Rollenspieler, ihrer Sache meistens sehr sicher,<br />

wenn auch jeder für sich allein. <strong>Der</strong> Kaufmann und der Dichter<br />

schauen auf einen wie das Doppelbild, das wir dem schwedischen<br />

Nobelpreisträger Tomas Tranströmer verdanken: „Doch wir sehen<br />

diese Ereignisse von der falschen Seite: einen Steinhaufen statt<br />

des Gesichts der Sphinx.“ Das Konvolut der von Oelze an Benn<br />

und von Benn an Oelze gerichteten Briefe, diesen Trümmerberg<br />

eines schillernden Vertrauens im Widerspruch <strong>zu</strong> sich selbst, hat<br />

Marlis Thiel auf diese Weise ergründet. Die Doppelbödigkeit<br />

bleibt.<br />

Marlis Thiel, <strong>Der</strong> Kaufmann und der Dichter. Roman.<br />

Donat Verlag: <strong>Bremen</strong> 2011. € 18,80

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