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«Ds Vreneli ab em Guggisbärg»<br />

Ueli Gutknecht-Mäder<br />

Mehr als 40 Jahre arbeitete Lydia Bucher in der Gemeindekanzlei von Guggisberg,<br />

unter anderem als Zivilstandsbeamtin. Und ebenso lange ging sie in ihrer Freizeit<br />

der faszinierenden, auch bei uns im Seeland weitherum bekannten Geschichte von<br />

Vreneli und ihrem Hans-Joggeli nach und schöpft heute wie niemand sonst aus dem<br />

Vollen, wenn es um «Ds Vreneli ab em Guggisbärg» geht. Lydia Bucher verdanken<br />

wir sämtliche Angaben und Unterlagen zum vorliegenden Bericht.<br />

Das Lied hat Guggisberg berühmt gemacht, die Guggisberger sind stolz darauf und<br />

«Vreneli» ist in der Gemeinde allgegenwärtig. Im «Sternen» gibt es eine «Vreneli»und<br />

eine «Hans-Joggeli»-Stube. Vreneli ist im Wappen der Gemeinde ebenso wie<br />

auf einer Souvenir-Tasse und auf dem Konzertplakat der Kirchgemeinde anzutreffen.<br />

Tea-Room und Altersheim sind nach ihm benannt. Und vor der Kirche steht<br />

es als Brunnenfigur, die 1973 als Schenkung von Berta Giger-Hostettler vom Bildhauer<br />

Max Fueter geschaffen wurde. In<br />

der Kirche zieren das legendäre Paar und<br />

das gebrochene Mühlenrad ein in Blautönen<br />

gehaltenes Kirchenfenster. Und<br />

gleich in der Nähe sind Vreneli und<br />

Simes Hans-Joggeli als Malerei an<br />

einem «Spycher» aus dem Jahre 1812 zu<br />

entdecken.<br />

Gab es das Vreneli und den<br />

Hans-Joggeli wirklich?<br />

Bevor Lydia Bucher seinerzeit die<br />

Geschichte des Guggisberger Paares zu<br />

Papier brachte, war diese an frühen und<br />

langen Herbst- und Winterabenden in<br />

den abgelegenen Höfen der weitläufigen<br />

und hügeligen Gemeinde von Generation<br />

zu Generation mündlich überliefert<br />

worden. «Mein Vater konnte gut zuhören»,<br />

berichtet sie, «er wusste mit der<br />

Zeit, wo die ursprüngliche Geschichte<br />

erzählt wurde und was die Leute hinzudichteten.»<br />

Lydia Bucher schrieb die<br />

Geschichte so auf, wie sie ihr in Guggisberg<br />

aufgewachsener Vater erzählte:<br />

6 Seebutz 2002<br />

«Ds Vreneli ab em Guggisbärg» und «Ds Simes<br />

Hans-Joggeli änet em Bärg»: Malerei am Speicher<br />

aus dem Jahre 1812. Foto: Ueli Gutknecht<br />

81


Die «Vreneli»-Forscherin Lydia Bucher aus<br />

Guggisberg beim «Vreneli»-Brunnen.<br />

Foto: Ueli Gutknecht<br />

82<br />

«Im Dorfe Guggisberg, am Fuss des<br />

Guggershorns, steht der stattliche Bauernhof<br />

‹Linde›, wo das Vreneli wohnte.<br />

Am 1. Dezember 1886 brannte das Haus<br />

ab und wurde in ähnlichem Stil wieder<br />

aufgebaut. Wie in alter Zeit steht auch<br />

heute eine Linde beim Haus. Vreneli<br />

verlor früh ihren Vater, und der Ammann<br />

auf der Zelg stand der Witwe und ihrer<br />

minderjährigen Tochter mit Rat und Tat<br />

bei. Er hätte gerne durch die Heirat<br />

seines Sohnes mit der ‹Linden›-Tochter<br />

die beiden ‹habligen› Höfe vereint. Aber<br />

zu spät: Vreneli hatte schon früh eine<br />

andere Wahl getroffen. Es liebte den<br />

‹Simes Hans-Joggeli›, Sohn des Simon,<br />

der ‹änet dem Bärg›, das heisst, hinter<br />

dem Guggershorn zu Waldhaus, auf<br />

der Schattenseite wohnte. Dem wohlhabenden<br />

Amme-Sohn auf der Sonnenseite<br />

des Guggershorns war der Kleinbauernsohn<br />

ein Dorn im Auge. Er wollte<br />

seine Ansprüche auf die junge und<br />

hübsche ‹Linden›-Tochter dem Nebenbuhler<br />

handgreiflich kund tun und<br />

lauerte ihm eines Abends auf. Doch der<br />

Schattenseitenbauer war stärker und der<br />

Amme-Sohn blieb nach einem unglücklichen<br />

Sturz bewusstlos liegen. Hans-<br />

Joggeli glaubte, der wäre tot, floh in<br />

seiner Verzweiflung und liess sich in<br />

fremdem Kriegsdienst anwerben. Das war die einzige Lösung, um einer Verurteilung<br />

zu entgehen. Zurück blieb Vreneli mit seiner Liebe, seiner Sehnsucht, seiner<br />

Treue – und uns blieb das zu Herzen gehende Lied.»<br />

Was Recherchen ergeben haben<br />

Die Geschichte von Vreneli und Hans-Joggeli mag sich laut Lydia Bucher zwischen<br />

1660 und 1670 zugetragen haben. Mit «Simelibärg» sei wohl das Guggershorn<br />

gemeint. Dass es tatsächlich einen «Simes Hans-Joggeli» gegeben hat, und die<br />

Geschichte also wahr sein könnte, beweist ein Eintrag in der Einwohnerzählung<br />

Guggisbergs von 1715: «Sekelm. Binggeli, Sim. Hans Jaggi», damals offenbar<br />

Wittwer mit zwei verheirateten Söhnen. Da sein Vater ebenso wie sein Grossvater<br />

Simon hiess, nannte man ihn «Simes Hans-Jaggi». Nach dem Totenrodel von 1736 ist


am 18. Dezember ein «Hans Jacob Binggeli, zu Kaltenbrünnen» verstorben. Ein<br />

Totenvermerk von Vreneli fehlt, denn die Totenregister wurden erst ab 1731 geführt.<br />

«Als der Hans-Joggeli aus dem Kriegsdienst heimkehrte, war das Vreneli bereits<br />

gestorben, es muss noch sehr jung gewesen sein», ist Lydia Bucher überzeugt. Die<br />

Suche nach einem, Vrenelis Existenz bezeugenden, Eintrag in der Einwohnerzählung<br />

hat sie noch nicht abgeschlossen. Ihr während 41 Jahren als Zivilstandsbeamter<br />

und Gemeindeschreiber (und Ehrenbürger von Guggisberg) amtierender<br />

Lehrmeister Ernst Wilhelm Stalder vertraute ihr kurz vor seinem Tode an, dass er<br />

einen Vermerk gefunden habe, der auf Vreneli passe. Allerdings ist die vife Guggisbergerin<br />

diesem Hinweis noch nicht auf die Spur gekommen.<br />

Weiter berichtet Lydia Bucher, dass Johann Rudolf Wyss in seiner 1826 erschienen<br />

Volksliedersammlung davon berichtet, dass ein längst verstorbener Pfarrer von<br />

Guggisberg den Simes Hans-Joggeli an seinem Sterbebett besucht haben soll.<br />

Und Rudolf Äbischer aus Laden erwähnt, in seiner anhand der Guggisberger<br />

Kirchenrödel erstellten Zusammenstellung, einen «Binggeli Hs Jacob», am<br />

2.10.1642 geboren. Er sei 92-jährig, also 1736, gestorben und zweimal verheiratet<br />

gewesen.<br />

15000 Guggisberger in der weiten Welt<br />

Lydia Bucher kam 1933 in Guggisberg zur Welt und besuchte dort die Schulen.<br />

Eigentlich wollte sie Bäuerin werden. Doch Gemeindeschreiber Stalder ermunterte<br />

die lebhafte und intelligente Schülerin mit Nachdruck zu einer Verwaltungslehre, die<br />

von 1950 bis 1953 dauerte. Oft musste ihr Chef Auskunft über Guggisberg und besonders<br />

das berühmte «Vreneli» erteilen. «Damals hat es mich gepackt», gesteht Lydia<br />

Bucher, die der Gemeindeverwaltung Guggisberg bis zu ihrer Pensionierung die<br />

Treue hielt. Ab 1974 arbeitete sie zudem noch zu 56% als Zivilstandsbeamtin, gab<br />

270 Ehepaaren ihre besten Wünsche mit auf den Lebensweg und füllte 6260 Protokollseiten<br />

in 14 Bänden. Seit 50 Jahren singt sie im Kirchenchor. Die kürzlich erschienene<br />

und in der Gemeindeverwaltung erhältliche CD des Chors enthält unter anderem<br />

«S’isch äbe e Mönsch uf Ärde» und geht auf ihre Initiative zurück. Mit dieser CD<br />

erfüllt der Chor einen von Guggisberg-Besuchern oft geäusserten Wunsch. 16 Jahre<br />

amtetete Lydia Bucher ferner im Kirchgemeinderat, elf Jahre in der Bezirkssynode<br />

(zehn davon als Präsidentin), leitete die «Junge Kirche» und war 17 Jahre lang Sonntagsschullehrerin.<br />

«Begryffet der jetz, dass i ke Zyt ha gha zum Hürate?», fragt sie<br />

und lacht.<br />

Zurück zu den Wurzeln<br />

Rund 15000 Guggisberger Bürger leben als Folge von Auswanderungswellen<br />

aus dem kargen Voralpengebiet über die ganze Erde verteilt. Jährlich besuchen rund<br />

70–80, auf der Suche nach ihren Wurzeln, ihre berühmte Heimatgemeinde. Anlaufstelle<br />

war und ist jeweils die Gemeindeverwaltung. Lydia Bucher riet und half nach<br />

Kräften und opferte dafür grosse Teile ihrer Freizeit. Das führte zu jahrzehntelangen<br />

treuen Freundschaften, Besuchen und Gegenbesuchen. «Mobilisierung und<br />

83


Globalisierung hin oder her: jeder Mensch muss wissen, wo seine Wurzeln sind.<br />

Das ist ein fast zentraler Punkt in jedem Menschenleben», ist Lydia Bucher überzeugt.<br />

84<br />

S’isch äben e Mönsch uf Ärde, dass i möchti bi-n-ihm si<br />

Doch wie lautet es eigentlich, dieses alte Guggisberger Lied? Hier der Text des<br />

legendären Volksliedes:<br />

S’isch äben e Mönsch uf Ärde – Simelibärg!<br />

Und ds Vreneli ab em Guggisbärg<br />

und ds Simes Hans-Joggeli änet dem Bärg<br />

s’isch äben e Mönsch uf Ärde,<br />

dass i möchti bi-n-ihm si.<br />

Und mah-n-er mir nit wärde,<br />

vor Chummer stirben-i.<br />

U stirben-i vor Chummer,<br />

so leit me mi i ds Grab.<br />

I mines Büelis Garte<br />

da stah zweu Bäumeli.<br />

Das eini treit Muschgate,<br />

das andri Nägeli.<br />

Muschgate, die si süessi<br />

und d’Nägeli si räss.<br />

I gab’s mim Lieb z’versueche,<br />

dass ’s miner nit vergäss.<br />

Ha di no nie vergässe,<br />

ha immer a di dänkt.<br />

Es si numeh zweu Jahre,<br />

dass mi han a di ghänkt.<br />

Dört unden i der Tiefi,<br />

da steit es Mülirad.<br />

Das mahlet nüt as Liebi,<br />

die Nacht und auch den Tag.<br />

Das Mülirad isch broche,<br />

mys Lyd(e), das het en Änd.


Beim König von Neapel verboten<br />

Kaum ein Lied ist so tief in der schweizerischen Volksseele verwurzelt und mit der<br />

Region so innig verbunden wie die alte Weise von der unerfüllten Liebe zweier<br />

junger Menschen aus dem Guggisbergerland. Sie ist zum Symbol für Liebe, Treue,<br />

Sehnsucht und Heimweh geworden. Die Guggisberger sind stolz auf dieses Klagelied<br />

in Moll, das offenbar in späterer Zeit mit einem Dur-Jodelmelodie-Refrain<br />

ergänzt worden ist. Für den «Röseligarte»-Herausgeber, Otto von Greyerz, lag die<br />

Schönheit des Liedes vor allem in seiner Seele, in der Melodie. Sicher werde sich<br />

niemand der stillen Gewalt dieser Weise ganz entziehen können, war von Greyerz<br />

überzeugt. Da muss einiges dran sein, denn der König von Neapel soll einstmals<br />

den Schweizer Söldnern das Singen dieser Weise bei Todesstrafen verboten haben,<br />

weil sie so stark wirkte.<br />

Nach volkskundlichen Forschungen<br />

und gemäss «Der Kleine<br />

Bund» (1925), ist «Vreneli» sogar<br />

in den baltischen Staaten Litauen<br />

und Lettland bekannt. Man nimmt<br />

an, dass Auswanderer aus dem<br />

Schwarzenburgerland die Melodie<br />

in ihrer neuen Heimat in Lettland<br />

und Litauen, aber auch in<br />

Polen und Ostpreussen bekannnt<br />

gemacht haben. Bei uns singt man<br />

das Lied im Chor und in trauter<br />

Runde zu Stadt und Land, so zum<br />

Beispiel laut Überlieferung an<br />

einem Eidgenössischen Sängerfest<br />

in Bern, wo es von einigen<br />

Tausend Sängern in einer Gesamtaufführung<br />

gesungen wurde und<br />

dafür frenetischen Beifall erntete.<br />

In jüngster Zeit haben sich auch<br />

Einzelsänger wie Peter Treichler,<br />

Stephan Eicher mit einer Pop-<br />

Version im Album «My Place»,<br />

der Liedermacher Tinu Heiniger<br />

im Duett mit Büne Huber von<br />

«Patent Ochsner» in «Morgeliecht»<br />

und Christine Lauterburg,<br />

die Techno-Jodlerin auf der CD<br />

«Vreneli» in Osteuropa<br />

«Ds Vreneli am em Guggisbärg» auf einer Ansichtskarte<br />

aus Guggisberg im Jahre 1924.<br />

Foto: Ueli Gutknecht<br />

85


«Paradiesvogel» des Liedes angenommen, wie Lydia Bucher in der Festschrift<br />

«850 Jahre Guggisberg» festhält.<br />

86<br />

«Aber, aber, Herr Kauer, …»<br />

Zudem ist ein von Hans Rudolf Balmer verfasstes Volksliederspiel in drei Akten<br />

zum alten Guggisberger Lied bekannt (Musik von Ernst Ruprecht). Das beliebte<br />

Volksliederspiel wurde im Laufe der Jahre von verschiedenen Gesangsvereinen<br />

aufgeführt. Es endet damit, dass ein «Roter Schweizer» (Söldner) nach Guggisberg<br />

kommt und dem Vreneli bestätigen kann, dass ein «Hans-Joggeli vo änet em<br />

Bärg» das Lied im Schweizer Regiment immer gesungen habe und noch am Leben<br />

sei.<br />

Im Juli 1989 drehte das Schweizer Fernsehen in der Reihe «Land und Leute»<br />

einen Film über «Ds Vreneli ab em Guggisbärg». Darin wurde das Guggisberger<br />

Lied in der Moll-Melodie vom Kirchenchor Guggisberg gesungen, in der Dur-<br />

Melodie hingegen von dreissig «Vrenelis» aus der Gemeinde Guggisberg sowie<br />

vom Bänkelsänger Hans Peter Treichler. 1986 entlehnte der Schriftsteller Walter<br />

Kauer den Namen «Ds Vreneli ab em Guggisbärg» für sein Werk «Gastlosen»,<br />

welches verfilmt wurde. Zudem entstand noch ein Hörspiel. All dies stiess bei den<br />

Guggisbergern meist auf Ablehnung, denn es hatte mit «ihrem» Vreneli nichts zu<br />

tun.<br />

Im August 1989 wurde Kauers «Ds Vreneli ab em Guggisberg» in Schwarzenburg<br />

aufgeführt. Lydia Bucher schrieb dazu im Programmheft «…aber, aber,<br />

Herr Kauer, einfach so dürfen Sie unser ‹Vreneli› nicht als Vorspann benützen, um<br />

Ihren Roman ‹Gastlosen› und das Theaterstück ‹Ds Vreneli ab em Guggisbärg›<br />

besser vermarkten zu können. Fast scheint mir dies ein Missbrauch… Dem Inhalt<br />

entsprechend, hätte ich Ihrem Stück den Titel ‹Ds Vreneli vo der Ruchmühli›<br />

gegeben. Aber dieser Titel hätte wohl kaum zur gewünschten Publizität verholfen…».<br />

Wie alt ist das Guggisberger Lied?<br />

Die Anfänge des Liedes liegen im Dunklen. Die Liederforscher sind aber überzeugt,<br />

dass zumindest der Text der drei ersten Strophen in Guggisberg selbst<br />

entstanden sein muss, die Melodie dagegen einem alten Kirchenlied entnommen<br />

sein dürfte. Der älteste schriftliche Hinweis auf das Lied geht auf den 25. Juli 1764<br />

zurück. Damals schrieb der österreichische Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf<br />

(26.5.1700–9.5.1760) auf seiner Schweizer Reise in Chur in sein erst nach<br />

1936 veröffentlichtes Tagebuch, dass er einem ganz eigenartigen Lied begegnet<br />

sei:<br />

Ist es ein mensch auf Erden<br />

um den ich möchte seyn,<br />

Simeliberg,


unds Frenal auf dem Kukusberg;<br />

und Sine hans Jokel enner dem Berg<br />

Und wird mir der nicht werden<br />

so sterben wir vor Kummer<br />

und stürben wir vor Kummer,<br />

so legt man mich ins Grab.<br />

Da droben a(uf) d(em) B(erge)<br />

da geht ein Mühli Rad<br />

Das Mühlirad ist broche<br />

unds Liedli hat ein End.<br />

Lydia Bucher schreibt in der bereits erwähnten Festschrift: «Zinzendorf erwähnt<br />

allerdings bereits fünf Strophen, also auch die beiden letzten, die wie eine Antwort<br />

auf die ersten drei anmuten. Dies ist die älteste bekannte und datierte Fassung des<br />

‹Vreneli›-Liedes.» Später kamen noch weitere, so genannte Wanderstrophen dazu,<br />

die ein allgemein verständliches dichterisches Bild enthalten und deshalb gerne in<br />

die Volkslieder übernommen wurden, so dass das Lied heute zwölf Strophen aufweist.<br />

Zinzendorf fügte in seinem Tagebuch in französischer Sprache hinzu:<br />

«...cette chanson, dis je qu’on chante beaucoup dans les pais de Berne, est defendue<br />

aux regimens Suisses en france, parce que c’est une de celles, qui rapellent le plus<br />

leur patrie aux Suisses, leur fait venir la Nostalgie appelé Heimweh...»<br />

Im «Hochwächter» vom November 1949 vermerkte der Volkskundler Christian<br />

Rubi nach der Guggisberger 800-Jahr-Feier: «Eine Reimerei des Kastlans (Landvogt)<br />

Steiger in Wimmis aus dem Jahre 1741 beweist uns, dass das ‹Vreneli›-Lied<br />

damals schon im Niedersimmental bekannt war. Der hohe Herr lud mit einem<br />

humorvollen Gedicht seine Kollegen auf dem Schloss Thun zum so genannten Käsmahl<br />

ein. Dass das Programm nicht nur Gaumenfreuden vorsah, sagt die dreizehnte<br />

Strophe, in welcher erzählt wird, dass der Schulmeister von Wimmis das Guggisberger<br />

Lied zum besten geben werde:<br />

‹Nun hört, jetzt geht die Music an.<br />

Der Dorfmagister lobesan<br />

will selbsten eins vorsingen.<br />

Das Vreneli ab em Guggisberg<br />

und Simes Hans Joggel änet dem Berg;<br />

vortrefflich tun erklingen.›»<br />

Erst durch die, von Otto von Greyerz 1907 verfasste traditionelle Liedgutsammlung<br />

«Röseligarte», gelangte das Lied in aller Leute Munde. Vor allem durch das Singen<br />

in den Schulen fand es seine starke Verbreitung. Vielleicht hat sich dank Otto von<br />

Greyerz eines der ältesten und bekanntesten Schweizer Volkslieder erhalten und<br />

auch an der Schwelle zum Jahr 2000 nichts von seiner Beliebtheit verloren.<br />

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