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das vollständige Urteil - Freiflieger-Magazin

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[Bereitgestellt: 10.03.2011 01:20]<br />

REPUBLIK ÖSTERREICH<br />

Bezirksgericht Bad Ischl 2 U 55/09p-65<br />

IM NAMEN DER REPUBLIK<br />

Das Bezirksgericht Bad Ischl hat durch die Richterin Mag. Ruth<br />

Stüger über die von der Staatsanwaltschaft Wels<br />

gegen: 1.) Walter S C H R E M P F , geboren am 27.7.1957 in<br />

Bruck an der Mur, Österreicher, Unternehmer,<br />

2.) Boris K A S T N E R , geboren am 27.7.1986 in Bad<br />

Ischl, Österreicher, Angestellter,<br />

wegen: des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 8o<br />

StGB<br />

erhobenen Strafanträge vom 28.4.2oo9 (ON 19)und 13.1.2o1o<br />

nach der am 19.8.2oo9 (ON 32), 18.11.2oo9 (ON 38) und 19.5.2o1o<br />

(ON 48), 15.7.2o1o (ON 49) und 2o.12.2o1o in Anwesenheit des<br />

öffentlichen Anklägers BA Richard Ransmayr, des Erst- und Zweitan-<br />

geklagten, des Verteidigers des Erstangeklagten Mag. Christof Brun-<br />

ner, Rechtsanwalt in Salzburg, des Verteidigers des Zweitangeklagten<br />

Mag. Bernhard Stimitzer ,Rechtsanwalt, 4822 Bad Goisern, sowie des<br />

Vertreters der Privatbeteiligten (Hannelore Lottner, Katharina Lottner-<br />

Stummer, Anna Lottner und Dr. Sophie Ennen) Dr.Hansjörg Reiner ,<br />

Rechtsanwalt, 5o2o Salzburg, durchgeführten Hauptverhandlung zu<br />

Recht erkannt:<br />

1.) Walter S C H R E M P F ist s c h u l d i g ,


- 2 -<br />

er hat am 28.9.2oo8 gegen 12 Uhr in Obertraun als Leiter eines<br />

Sicherheitstrainings für Paragleiter es unterlassen, die Rettungsweste<br />

des Paragleitpiloten Michael Wolfgang Lottner ordnungsgemäß zu über-<br />

prüfen, wodurch es geschehen konnte, <strong>das</strong>s bei der Notlandung des<br />

Michael Wolfgang Lottner im Hallstättersee infolge der zu locker ein-<br />

geschraubt gewesenen CO2-Patrone der Selbstauslösemechanismus<br />

der Rettungsweste nicht funktionierte, wodurch Michael Wolfgang Lott-<br />

ner im See ertrank und dadurch fahrlässig den Tod des Genannten her-<br />

beigeführt.<br />

Walter Schrempf hat hiedurch <strong>das</strong> Vergehen der fahrlässigen<br />

Tötung nach § 8o StGB begangen und wird hiefür nach dieser Geset-<br />

zesstelle zu einer<br />

Geldstrafe von 18o (einhundertachtzig) Tagessätzen<br />

zu je Euro 21,-- (einundzwanzig),<br />

im Uneinbringlichkeitsfall 90 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, sowie<br />

gem. § 389 Abs. 1 StPO zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.<br />

Gemäß § 366 Abs. 2 in Verbindung mit § 369 Abs. 1 StPO ist der<br />

Erstangeklagte schuldig an die Privatbeteiligten einen Teilbetrag von<br />

1o.ooo,-- Euro zu leisten<br />

2.) Hingegen wird Boris K A S T N E R von dem wider ihn erho-<br />

benen Strafantrag,<br />

er habe am 28.9.2oo8 gegen 12 Uhr in Obertraun als Bootsfüh-<br />

rer der Wasserrettung bei einem Paragleitersicherheitstraining dadurch,<br />

<strong>das</strong>s er seine Sicherungsposition auf dem Hallstättersee verließ, ohne<br />

sich beim Leiter des Sicherheitstrainings Walter Schrempf abzumelden,<br />

wodurch es geschehen konnte, <strong>das</strong>s bei der Notlandung des Michael


- 3 -<br />

Wolfgang Lottner im Hallstättersee dieser wegen verspäteter Wasser-<br />

bergung ertrank, fahrlässig den Tod des Genannten (mit) herbeigeführt,<br />

und hiedurch <strong>das</strong> Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 8o<br />

StGB begangen,<br />

gemäß § 259 Z.3 StPO f r e i g e s p r o c h e n .<br />

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :<br />

Aufgrund der Ergebnisse des abgeführten Beweisverfahrens<br />

samt der in Augenschein genommenen DVD-Aufzeichnung vom Sicher-<br />

heitstraining vom 28.9.2oo8 steht der auch aus obigem Spruch ersicht-<br />

liche Sachverhalt fest.<br />

Demnach nahm Michael Wolfgang Lottner im September 2oo8<br />

an einem mehrtägigen, vom Sky-Club Austria organisierten und gegen<br />

Entgelt veranstalteten Sicherheitstraining im sogenannten Sicherheits-<br />

trainingscenter des Sky-Club Austria am Krippenstein/Hallstättersee teil.<br />

Dieses dient einem Paragleiterpiloten insbesonders zum Kennenlernen<br />

von und Erlernen des richtigen Flugverhaltens in Extremflugzuständen<br />

und besteht sowohl aus einer theroretischen Ausbildung als auch aus<br />

flugpraktischen Schulungen. Mit seiner Unterschrift vom 26.9.2oo8<br />

unterwarf sich Michael Wolfgang Lottner den allgemeinen Kursbedin-<br />

gungen des Sky-Club Austria und schloss mit diesem eine Ausbildungs-<br />

vereinbarung. Diese lautete (auszugsweise):<br />

„1. Am Sicherheitstrainiung können nur Personen ohne körperli-<br />

che Mängel oder Krankheit teilnehmen, die nicht unter Einfluß von Alko-<br />

hol, Medikamenten oder anderen berauschenden Mitteln stehen. (…..)<br />

Fliegerärztliches Attest bei Personen ab 5o Jahren wird empfohlen.<br />

(…..)<br />

3. Das Training kritischer Flugzustände mit dem Paragleiter kann<br />

sehr gefährlich sein. Der Kursteilnehmer erklärt hiermit ausdrücklich,


- 4 -<br />

alle Übungen nur nach Funkanweisung des Fluglehrers durchzuführen<br />

und bei fehlendem Funkkontakt die Übungen sofort zu beenden. Fehl-<br />

verhalten oder Geräteversagen im Sicherheitstraining kann zum Absturz<br />

führen. Bei unkontrolliertem Flugzustand und fehlenden Funkkontakt<br />

ist sofort <strong>das</strong> Rettungsgerät auszulösen. Für die Kontrolle der sicheren<br />

Auslösbarkeit des Rettungsgeräts ist der Kursteilnehmer selbst verant-<br />

wortlich.<br />

(….)<br />

7. Der Kursteilnehmer verpflichtet sich, seine Flugausrüstung ,<br />

sowie Funkgerät und Schwimmweste vor jedem Start selbst auf ord-<br />

nungsgemäßen Zustand zu kontrollieren und einen Startcheck zu<br />

machen (….)“.<br />

Um die Sicherheit der Kursteilnehmer zu gewährleisten, wurden<br />

auch bei diesem Sicherheitstraining die Flugmanöver samt allfälliger<br />

Extremflugzustände einerseits nur über Funkanweisung des Flugleh-<br />

rers und andererseits über Wasser, dem Hallstättersee, durchgeführt.<br />

Letzteres im Hinblick darauf, <strong>das</strong>s im Fall einer dem Paragleiterpiloten<br />

nicht mehr gegebenen und auch nicht mehr rechtzeitig wiedererlangba-<br />

ren Kontrolle über seinen Paragleiter dieser <strong>das</strong> von ihm mitgeführte<br />

Rettungsgerät, einen Rundkappenfallschirm werfen und mit diesem<br />

sodann vergleichsweise sanft und sicher im Wasser landen könne. Um<br />

die Sicherheit der Kursteilnehmer auch im Fall einer derartigen Wasser-<br />

landung zu gewährleisten, stellte der Sky-Club Austria einerseits jedem<br />

Kursteilnehmer eine Rettungs(schwimm)weste der Marke und Type<br />

Grabner 15o mit einem Auftrieb von 16o N (16 Liter) zur Verfügung<br />

und stellte andererseits durch eine entgeltliche Vereinbarung mit der<br />

Wasserrettung Hallstatt sicher, <strong>das</strong>s diese während der über dem Hall-<br />

stättersee ausgeführten Flugmanöver mit einem Boot samt Besatzung<br />

im Bereich unterhalb der in der Luft von den Kursteilnehmern ausge-<br />

führten Flugmanöver (im Bereich des Auslaufs des Sarsteins auf der


- 5 -<br />

Ostuferseite) zugegen sind, die Paragleitpiloten beobachten und gege-<br />

benenfalls wasserrettend eingreifen. Der Kontakt zwischen den kurs-<br />

teilnehmenden Paragleiterpiloten, der am Boot der Wasserrettung<br />

befindlichen Besatzung, dem an Land in Obertraun <strong>das</strong> Sicherheitstrai-<br />

ning leitenden und die Flugmanöver koordinierenden Fluglehrer, sowie<br />

dem am Startplatz am Krippenstein anwesenden, insbesondere die<br />

Starts der Paragleiterpiloten koordinierenden Startleiter war durch sei-<br />

tens des Sky-Club Austria zur Verfügung gestellte, leistungsstarke<br />

Funkgeräte sichergestellt. Darüberhinaus war zwischen dem Erstan-<br />

geklagten und der Besatzung des Rettungsboots, aber auch dem Zwei-<br />

tangeklagten als Bootsführer eine Verbindung mit Hilfe der mitgeführ-<br />

ten Handys herstellbar.<br />

Die Zusammenarbeit mit der Wasserrettung Hallstatt besteht<br />

schon seit Jahren. Einmal im Jahr, meist im Herbst, findet eine Bespre-<br />

chung mit sämtlichen Mitgliedern der Wasserrettung statt. Dabei wer-<br />

den die Abläufe des Trainings durchbesprochen und informiert der<br />

Erstangeklagte über neue Gurt bzw. Schließ - und Karabinersysteme.<br />

Der Ablauf sieht vor, <strong>das</strong>s mit dem Training erst begonnen wird, wenn<br />

sich <strong>das</strong> Rettungsboot in der vereinbarten Position befindet. Dies wird<br />

über Funk mit der Mitteilung „Boot in Position“ mitgeteilt. Die Mitteilung<br />

wird vom Erstangeklagten und dann auch vom Startleiter bestätigt, was<br />

zugleich einen Test für <strong>das</strong> Funktionieren der Funkverbindung darstellt.<br />

Nach den vorgesehenen Abläufen ist eine Situation, <strong>das</strong>s sich zwei<br />

Piloten im Wasser befinden nicht möglich, da <strong>das</strong> Training sofort abge-<br />

brochen wird, wenn sich <strong>das</strong> Rettungsboot nicht in Position befindet.<br />

Der Angeklagte übergab Michael Wolfgang Lottner beim gemein-<br />

samen Treffen aller Kursteilnehmer am Landeplatz in Obertraun am


- 6 -<br />

Morgen des 27.9.2oo8 eine dieser Rettungswesten (jene mit der Seri-<br />

en-Nr. 1454). Diese war bzw. ist so konzipiert, daß sie fest mit dem Kör-<br />

per verbunden , auch dann Mund und Nase der die Rettungsweste tra-<br />

genden Person über Wasser hält , wenn diese erschöpft oder bewusst-<br />

los ist ; sie ist also ohnmachtssicher. Die Rettungsweste verfügte über<br />

3 Auslösemechanismen: 1.) vollautomatisch bei Wasserberührung<br />

durch Auflösung einer Salztablette, wodurch es einem Schlagbolzen<br />

ermöglicht wird, den Boden einer eingeschraubten CO2-Patrone zu<br />

durchschlagen , wobei <strong>das</strong> sodann ausströmende CO2 die Kammern<br />

der Rettungsweste aufbläst; 2.) halbautomatisch durch Handauslösung<br />

mit einem Kordelzug, wobei sodann die CO2-Patrone <strong>das</strong> Aufblasen der<br />

Kammern übernimmt und 3. ) manuell durch Aufblasen der Kammern<br />

mit dem Mund über den Ventilschlauch; der automatische Auslöseme-<br />

chanismus befand sich im Inneren der Rettungsweste; zu dessen<br />

augenscheinlicher Überprüfung mußte jedenfalls ein Druckknopf geöff-<br />

net werden. Zwecks Vermeidung einer unbeabsichtigten Auslösung<br />

während eines Flugmanövers (durch Hängenbleiben am sich in Bewe-<br />

gung befindlichen Gurtzeug des Paragleiterpiloten) hatte der Erstange-<br />

klagte bei allen Rettungswesen den Kordelendknopf am Kordelzug<br />

abmontiert. Alle Kursteilnehmer waren vom Erstangeklagten in die<br />

Funktionsweise der Rettungswesten (samt dem automatischen Auslö-<br />

semechanismus im Inneren ) eingewiesen worden; insbesondere dahin,<br />

was zu tun sei, wenn sich die Rettungsweste während des Flugs unbe-<br />

absichtigt auslöse.<br />

Der Erstangeklagte hatte alle seitens des Sky-Club Austria verwende-<br />

ten Rettungswesten vor Beginn der Paragleitersaison per 19.4.2oo8 hinsicht-<br />

lich Hülle und Druckknöpfe, Auslöseschnur = Kordelzug, Kammern, CO2<br />

Patrone und Salztablett selbst auf deren ordnungsgemäße Funktionalität hin<br />

überprüft und dies in seiner „ Qualitätsmanagement-Verfahrensanweisung,<br />

Anlage 11“ dokumentiert. Diese Überprüfung erforderte auch ein Zerlegen


- 7 -<br />

des automatischen Auslösemechanismus, da sowohl die CO2-Patronen als<br />

auch die Salztabletten erneuert wurden, sowie 3 stichprobeartige Salztablet-<br />

tentests. Damit entsprach er auch der vom Hersteller der Rettungswesten im<br />

Fall einer kommerziellen Verwendung vorgeschriebenenen Wartung und<br />

Überprüfung. Eine zusätzliche Dokumentation dieser vom Angeklagten jähr-<br />

lich durchgeführten Prüfungen auf der dafür vorgesehenen Innenseite der<br />

Rettungswesten erfolgte nicht ; gleichfalls keine Wartung der Rettungswesten<br />

beim Hersteller selbst. Durch die Verwendung der Westen werden die CO2-<br />

Patronen auch immer wieder ausgelöst und die Westen dann neu bestückt<br />

und dies wird jeweils in einem Protokoll durch den Erstangeklagten doku-<br />

mentiert. Bei Übergabe der Rettungsweste an Michael Wolfgang Lottner<br />

überprüfte der Angeklagte diese – wie auch bei jedem anderen Kursteilneh-<br />

mer – mittels einer „eingespielten Handbewegung „. Dabei faßte er mit einer<br />

Hand am unteren Teil, mit der anderen Hand am oberen Teil der sich in der<br />

Schutzhülle befindlichen CO2-Patrone und machte eine Gegendrehbewegung<br />

um damit den festen Sitz der CO2-Patrone zu spüren. Dem Erstangeklagten<br />

fiel dabei an der Michael Wolfgang Lottner übergebenen Rettungsweste<br />

nichts auf. Darüberhinaus wies er alle Kursteilnehmer darauf hin, mit der Ret-<br />

tungsweste sorgsam umzugehen, sie nicht zu knicken, nicht in einen Ruck-<br />

sack zu stopfen und vor Feuchtigkeit zu schützen. Des weiteren, <strong>das</strong>s sie<br />

die Rettungsweste im Fall eines Fehlstarts am Krippenstein bzw. bei einem<br />

(vermeintlich) festgestellten Problem am Startplatz nochmals vom Startleiter<br />

kontrollieren lassen sollten. Das eigenmächtige Hantieren an der Rettungs-<br />

weste war den Kursteilnehmern untersagt. Eine über diese „ eingespielte<br />

Handbewegung hinaus erfolgende Überprüfung des Sitzes der CO2-Patrone<br />

der Schwimmwesten durch den Erstangeklagten war nicht vorgesehen und<br />

erfolgte auch bei Michael Wolfgang Lottner nicht. Dem Startleiter am Krip-<br />

penstein oblag hinsichtlich der Schwimmwesten nur mehr darauf zu achten,<br />

<strong>das</strong>s diese von den Kursteilnehmern ordnungsgemäß angelegt worden waren<br />

(z.B. kein offener Druckknopf, kein Verhängen des Kordelzugs). Darüberhin-<br />

aus oblag dem Startleiter die Koordination der Starts der Paragleiterpiloten<br />

(z.B. ausreichender Abstand zueinander), eine allfällige Hilfeleistung , sowie<br />

die Kontrolle, <strong>das</strong>s die mitgeführten Funkgeräte auch eingeschaltet waren.<br />

Hr.Lottner verwendet am ersten Trainingstag, dem 27.9.2oo8


- 8 -<br />

bereits die Weste und absolvierte auch zwei Trainingsflüge. Eine Kon-<br />

trolle der Funktionstüchtigkeit der Weste erfolgte danach nicht mehr.<br />

Am 28.9.2oo8 nach dem gemeinsamen Treffen am Landeplatz<br />

fuhren die Kursteilnehmer mit Ing. Stefan Morocutti, dem Startleiter an<br />

diesem Tag, mit der Seilbahn zum Startplatz am Krippenstein hinauf.<br />

Für die Kursteilnehmer handelte es sich um den bereits 2. Tag der flug-<br />

praktischen Schulung. Der Erstangeklagte als Leiter dieses Sicherheits-<br />

trainings verblieb in Obertraun in der Nähe des Landeplatzes. Von der<br />

von ihm gewählten Position aus hatte er zwar keinen Blick auf den Lan-<br />

deplatz bzw. auf <strong>das</strong> dortige Ufer des Hallstättersees, hingegen sehr<br />

wohl auf jenen Bereich in der Luft, in welchem die Kursteilnehmer ihre<br />

Flugmanöver absolvieren sollten. Neben ihm filmte sein Sohn Clemens<br />

Schrempf die in der Luft befindlichen Kursteilnehmer bei deren Flugma-<br />

növer. Der Erstangeklagte konnte dies sowohl selbst (hilfsweise auch<br />

mittels eines Fernglases ) als auch via einem Bildschirm, über welchen<br />

der Filmmitschnitt direkt zu sehen war, verfolgen. Das Sicherheitstrai-<br />

ning begann erst, als der Erstangeklagte von der Besatzung des Ret-<br />

tungsbootes, <strong>das</strong> vom Zweitangeklagten als Bootsführer gesteuert<br />

wurde, die vereinbarte Meldung via Funk „Boot in Position“, erhalten<br />

hatte, womit bestätigt wurde, <strong>das</strong>s es sich im vereinbarten Bereich am<br />

Hallstättersee aufhielt. Sobald die Kursteilnehmer nach deren selbstän-<br />

digen Start in seinen Sichtbereich gelangten, sprach er sie via Funk an,<br />

führte sie zu dem Bereich, in welchem die Flugmanöver absolviert wer-<br />

den sollten, leitete sie zu diesen an, gab via Funk Steueranweisungen<br />

und wies sie danach an, zum Landeplatz zu fliegen. Erst danach, als<br />

also ein Kursteilnehmer seine flugpraktische Schulung (für diesen Flug)<br />

beendet hatte, wurde diese mit dem nächsten Paragleiterpiloten begon-<br />

nen. Von den weiteren Kursteilnehmern starteten Klaus Peter Wallner<br />

unmittelbar vor und Patrick Zabl unmittelbar nach Michael Wolfgang<br />

Lottner .


- 9 -<br />

Als Klaus Peter Wallner <strong>das</strong> Flugmanöver „Twist“ (ein Eindrehen<br />

der Leinen des Paragleiters, was dessen kontrolliertes Steuern stark<br />

beeinträchtigt bzw. verhindert ) ausführte, wurde er vom Angeklagten<br />

via Funk zuerst angewiesen, zu versuchen, sich wieder auszudrehen.<br />

Da ihm dies nicht alsbald gelang, erhielt er die Anweisung, sein Ret-<br />

tungsgerät zu werfen. Klaus Peter Wallner gelang es jedoch noch, sich<br />

auszutwisten. Zufolge nunmehr bereits mangelnder Höhe wurde er vom<br />

Angeklagten angewiesen, nicht am Landeplatz, sondern auf einem<br />

gegenüber befindlichen, kleinen Freizeitgelände am Ufer des Hallstät-<br />

tersees zu landen. Klaus Peter Wallner gelang dies auch, was für den<br />

Erstangeklagten von seiner Position aus zwar nicht ersichtlich war, er<br />

ging aber jedenfalls davon aus. Ebensowenig konnten der Zweitange-<br />

klagte und die weitere Besatzung des Rettungsbootes Nicole Höll und<br />

Phila-Moanna Lanner von ihrer Position aus erkennen, ob der Pilot<br />

Wallner sicher an Land gelandet war. Über Funk kam es im Zuge des<br />

Landemanövers des Piloten Wallner zu einer Äußerung des Erstange-<br />

klagten darüber, ob sich eine sichere Landung am Ufer ausgehen<br />

würde und, <strong>das</strong>s ihn <strong>das</strong> Boot abholen würde. Nicht festgestellt werden<br />

kann, ob der Erstangeklagte den Zweitangeklagten und Bootsführer des<br />

Bootes der Wasserrettung konkret anwies, Klaus Peter Wallner abzu-<br />

holen und zum Landeplatz zurückzubringen oder ob der Zweitange-<br />

klagte dies aus Eigenem tat. Exakt dies führten jedoch der Zweitange-<br />

klagte als Bootsführer, Phila-Moanna Lanner und Nicole Höll – die<br />

Besatzung des Rettungsbootes an diesem Tag - aus , und zwar, ohne<br />

über Funk bekanntzugeben, <strong>das</strong>s sie die vereinbarte Beobachtungs-<br />

position verlassen, in der Meinung, ohnedies vom Erstangeklagten<br />

beauftragt worden zu sein.<br />

Sobald sich <strong>das</strong> Rettungsboot nicht mehr „in Positon befand,<br />

sah die „Qualitätsmanagement-Verfahrensanweisung“ des Sky-Club


- 10 -<br />

Austria einen ( vorübergehenden) Abbruch des Sicherheitstrainings vor.<br />

Der Zweitangeklagte fuhr also zur „Kesslwiese“ und erst als <strong>das</strong> Boot in<br />

unmittelbarer Nähe war, konnten der Zweitangeklagte , Höll und Lanner<br />

erkennen, <strong>das</strong>s Wallner tatsächlich am Ufer an Land war. Dennoch nah-<br />

men sie den Piloten auf und brachten ihn zum Landeplatz nach Ober-<br />

traun, was an reiner Fahrzeit etwa 1 Min. 47 Sek. beanspruchte. Wäh-<br />

rend der Fahrt zum Piloten Wallner befand sich Michael Wolfgang Lott-<br />

ner bereits schwebend über dem Hallstättersee, flog aber keine Manö-<br />

ver. Dies nahmen auch der Zweitangeklagte und die beiden Besat-<br />

zungsmitglieder wahr. Auch noch kurz vor dem Wegfahren von der Kes-<br />

selwiese in Richtung Landeplatz Obertraun schauten der Zweitange-<br />

klagte ebenso wie Höll und Lanner noch einmal zu dem in der Luft<br />

schwebenden Piloten Lottner, wobei ihnen keine Besonderheiten auffie-<br />

len. Während der Fahrt zum Landungssteg achteten der Zweitange-<br />

klagte, Höll und Lanner aber auch der Pilot Wallner nicht mehr auf den<br />

in der Luft schwebenden Paragleiter.<br />

Währenddessen absolvierte Michael Lottner durch den Erstange-<br />

klagten via Funkanweisung angeleitet die einzelnen Flugmanöver des<br />

Sicherheitstrainings. Ihm gelang es jedoch nicht mehr, sich vom erfolg-<br />

reich eingeleiteten „Twist“ wieder auszudrehen. Es warf sein Rettungs-<br />

gerät, der Rundkappenfallschirm öffnete sich und Michael Lottner glitt<br />

bzw. fiel insbesondere mittels diesem (im Gurtzeug, woran wiederum<br />

<strong>das</strong> Rettungsgerät befestigt war) nach unten. Nicht festgestellt werden<br />

kann, ob Michael Lottner dabei noch bei Bewusstsein war. Schließlich<br />

landete er sowohl mit dem Paragleiter, als auch dem Rettungsgerät im<br />

Hallstättersee.<br />

Weder die Bootsbesatzung noch der ebenfalls im Boot sitzende<br />

Pilot Wallner bemerkten auf der Fahrt zum Landungssteg am See den<br />

Paragleiter. Während der Zweitangeklagte , Lanner und Höll dem Pilo-


- 11 -<br />

ten Wallner beim Ausladen am Landungssteg in Obertraun halfen,<br />

erhielt der Zweitangeklagte auf seinem Handy den Anruf, <strong>das</strong>s ein Pilot<br />

im See gelandet sei. Wie lang Hr. Lottner zu diesem Zeitpunkt schon<br />

im See lag, kann nicht festgestellt werden. Der Zweitangeklagte fuhr<br />

mit dem Rettungsboot nach dem Anruf sofort los und direkt zum am<br />

See gelandeten Piloten Lottner , was an Fahrzeit ca. 1 Min. 3o Sek.<br />

in Anspruch nimmt. Der Zweitangeklagte driftete mit dem Boot zum Ver-<br />

unglückten, entkleidete sich und sprang unverzüglich mit einer Ret-<br />

tungsboje ins Wasser. Der Verunglückte lag unter den Schirmen mit<br />

dem Gesicht nach unten und bewegte sich nicht . Der Zweitangeklagte<br />

schwamm zum Verunglückten. Er mußte zuerst die Leinen und den<br />

Schirm weggeben, versuchte dann ihn auf den Rücken umzudrehen,<br />

was ihm aber nicht gelang, weil die Ausrüstung, insbesondere der Air-<br />

bag , der sich am Rücken befand, Hr.Lottner nach vorne drückte. Der<br />

Zweitangeklagte schob dem Verunglückten die Rettungsboje unter den<br />

Brustkorb, so<strong>das</strong>s dadurch der Kopf aus dem Wasser kam. Zu diesem<br />

Zeitpunkt nahm der Zweitangeklagte bei Hr. Lottner keine Lebenszei-<br />

chen mehr wahr. Letztendlich gelang es dem Zweitangeklagten den<br />

Verunglückten zum Boot zu bringen. Die Kolleginnen Höll und Lanner,<br />

sowie Alois Riegler, der zwischenzeitig mit seinem Boot zur Unfallstelle<br />

gekommen war,halfen ihn an Bord zu bringen. Als Hr. Lottner dann an<br />

Bord war, schnitt der Zweitangeklagte zuerst die Leinen ab, weil die<br />

Ausrüstung , d. h., der Schirm mit den Leinen noch im Wasser lag und<br />

ein Wegfahren so nicht möglich war. Der Zweitangeklagte fuhr dann mit<br />

voller Geschwindigkeit Richtung Landungssteg in Obertraun, was etwa<br />

1 Min. 28 Sek. beansprucht. Zugleich wurde die Rettung angerufen. Der<br />

Weg von der vereinbarten Position des Bootes am See bis zum Lande-<br />

platz des Verunglückten Lottner beansprucht bei voller Fahrt 1 Minute 2<br />

Sekunden (Lokalaugenschein S. 4 in ON 49).<br />

An Bord wurden von den Besatzungsmitgliedern Lanner und Höll


- 12 -<br />

während der Fahrt zum Ufer keine Reanimierungsmaßnahmen getätigt,<br />

da die beiden ausschließlich damit beschäftigt waren, die Ausrüstung<br />

zu beseitigen. Lanner versuchte einen Puls zu erfühlen, konnte aber<br />

keinen mehr wahrnehmen. (S. 12 in ON 48).<br />

Etwa als <strong>das</strong> Boot beim Landungssteg in Obertraun anlegte,<br />

gelang es auch Lanner und Höll den Verunglückten gänzlich von seiner<br />

Ausrüstung zu befreien. Er befand sich dann in stabiler Seitenlage . Als<br />

die Beiden mit Reanimierungsmaßnahmen beginnen wollten, kamen<br />

Georg Baumgartner und ein weiterer Pilot an Bord und übernahmen die<br />

Reanimation. Auch Wiederbelebungsmaßnahmen der Notärztin und des<br />

dazukommenden Dr. Mair blieben erfolglos – der Verunglückte verstarb<br />

durch Ertrinken, was einen <strong>vollständige</strong>n Sauerstoffmangel über 3 -5<br />

Minuten voraussetzt (Med. Gutachten ON 55).<br />

Durch die Wasserlandung hat sich die Rettungsschwimmweste<br />

nicht selbständig aufgeblasen. Es hat sich zwar die Salztablette aufge-<br />

löst und auch der Bolzen angeschlagen, allerdings wurde, da die<br />

CO2-Patrone zu locker eingeschraubt war, infolge der zu großen<br />

Distanz der Patronenboden durch den Schlagbolzen nicht durchschla-<br />

gen. Bei einem Funktionieren des Mechanismus hätte sich die Weste<br />

in 1- 2 Sekunden nach Eintritt in <strong>das</strong> Wasser vollautomatisch aufge-<br />

blasen und dann jedenfalls dazu geführt, den Verunglückten in eine<br />

ohnmachtssichere Lage zu bringen. Die Rettungsweste war zwar voll<br />

funktionstüchtig und in gutem Zustand. Durch die zu locker sitzende<br />

CO2-Patrone hätte der Mechanismus aber auch durch ein Ziehen an<br />

dem Kordelzug nicht ausgelöst werden können. Eine Lockerung der<br />

Patrone bei niedrigen Temperaturen erfolgt nicht; <strong>das</strong>s sich eine Locke-<br />

rung durch Eindrehen beim Paragleiten und durch Reibung des Gurt-<br />

zeugs an der Weste ergibt, ist unwahrscheinlich, da sich die Patrone<br />

verschlossen in der Weste befindet. Das heißt, der Mechanismus ist<br />

eingerollt in eine gelbe Luftblase, darüber ist noch einmal eine Schutz-


- 13 -<br />

hülle, auf der sich auch die Druckknöpfe befinden. Die Weste wird<br />

unter anderem von Polizeieinsatzkräften am Polizeiboot - auch bei<br />

Unwettereinsatz, Bergungen und bei Sturm - sowie beim Segeln , aber<br />

auch in allen Verkehrsflugzeugen verwendet und ist für einen robusten<br />

mechanischen Einsatz, also wenn Kräfte auf die Weste wirken, wie Rei-<br />

bung, Anstoßen etc. geeignet.<br />

Dass man durch einen Griff außen auf die Weste mit einer<br />

Gegendrehbewegung feststellt, <strong>das</strong>s die Patrone fest sitzt ist denkbar<br />

und technisch möglich, da man die Patrone durchspürt. (vgl. Gutachten<br />

ON 8, SV Pacher, S 9 ff in ON 38, Zeuge Grabner S 15 in ON 38).<br />

Der Erstangeklagte überprüfte am 3o.9.2oo8 bei allen Rettungs-<br />

westen den festen Sitz bzw. die Verschraubung der CO2-Patronen und<br />

sicherte diese zusätzlich mittels eines Loctite-Schraubenklebers. Dies<br />

vermerkte er auch in seiner „Qualitätsmanagement-Verfahrensanwei-<br />

sung Anlage 11“ mittels „ges.“ „gesichert bei jeder einzelnen Rettungs-<br />

weste . Die Rettungswesten sind nach wie vor in Gebrauch.<br />

Ein sorgsamer Mensch in der Situation des Erstangeklagten<br />

hätte vor Übergabe der Schwimmweste eine genaue Kontrolle durch-<br />

geführt und Maßnahmen ergriffen, <strong>das</strong>s die Funktionstüchtigkeit der<br />

Westen gewährleistet ist. Wesentlich ist dabei die feste Verschraubung<br />

und der feste Sitz der CO2-Patrone. Dies war dem Erstangeklagten<br />

bewußt und auch zumutbar zu kontrollieren. Mittlerweile hat er die oben<br />

angeführten Maßnahmen zusätzlich gesetzt. Der Unfall hätte eben<br />

dadurch verhindert werden können, <strong>das</strong>s die CO2-Patrone fest einge-<br />

schraubt gewesen wäre und durch <strong>das</strong> selbständige Aufblasen der<br />

Weste bei Wasserberührung der Kopf des Verunglückten Hr. Lottner<br />

auch im Fall einer Ohnmacht über Wasser gehalten worden wäre,<br />

so<strong>das</strong>s der Ertrinkungstod nicht eintreten hätte können und zwar unab-<br />

hängig von einer allenfalls verzögerten Bergung durch die Wasserret-


tung.<br />

- 14 -<br />

Der Erstangeklagte ist bislang unbescholten, er ist als Flugschul-<br />

leiter, sowie als gerichtlich beeideter Sachverständiger im Fachgebiet<br />

des Flugsports selbständig tätig, für 2 Kinder sorgepflichtig und erzielt<br />

ein durchschnittliches monatliches Einkommen von ca. 2.ooo,-- Euro<br />

netto. Der Zweitangeklagte ist ebenfalls unbescholten, hat keine Sorge-<br />

pflichten und verdient als Angestellter ca. 1.4oo,-- Euro netto monatlich.<br />

Töchter.<br />

der<br />

Der Verunglückte hinterläßt eine Gattin, sowie 3 erwachsene<br />

Zu diesen Feststellungen gelangte <strong>das</strong> Gericht aufgrund folgen-<br />

Beweiswürdigung :<br />

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen stützen<br />

sich auf die eigenen Angaben der Angeklagten. Die bisherige Unbe-<br />

scholtenheit ist durch die eingeholten Strafregistereinkünfte belegt.<br />

Was den Ablauf des Sicherheitstrainings betrifft, so konnte der<br />

ausführlichen Darstellung des Erstangeklagten gefolgt werden, die auch<br />

durch die Aussagen der vernommenen Zeugen, insbesondere des<br />

Startleiters Stefan Murocutti (S. 21 ff in ON 38) , aber auch den vernom-<br />

menen Teilnehmern am Sicherheitstraining bestätigt wurde. Dauer und<br />

Art der Zusammenarbeit zwischen dem Erstangeklagten und der Was-<br />

serrettung Hallstatt, deren Mitglied der Zweitangeklagte ist, ergaben<br />

sich aus den im wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Ange-<br />

klagten, sowie insbesondere des Zeugen Gamsjäger(vgl. S. 21 in ON<br />

32), als Leiter der Wasserrettung, aber auch der Zeugen Höll und Lan-<br />

ner. Insbesondere stellten die angeführten Zeugen und die beiden


- 15 -<br />

Angeklagten die Art und Weise der Kommunikation während des<br />

Sicherheitstrainings, nämlich über Funk und die jeweiligen Aufgaben,<br />

besonders der Besatzung des Wasserrettungsbootes während des Trai-<br />

nings widerspruchsfrei dar. Was die Frage betrifft, ob der Erstange-<br />

klagte der Bootsbesatzung respektive dem Zweitangeklagten über Funk<br />

die Anweisung gab, die vereinbarte Beobachungsposition am See zu<br />

verlassen, um den Piloten Wallner abzuholen, oder der Zweitangeklagte<br />

dies aus eigenem, ohne dies dem Erstangeklagten zu melden, tat, hat<br />

<strong>das</strong> Beweisverfahren nicht mit der ausreichenden Sicherheit ergeben,<br />

so<strong>das</strong>s eine entsprechende Feststellung nicht getroffen werden konnte.<br />

Der Erstangeklagte hat sich von vornherein dahingehend verantwortet,<br />

<strong>das</strong>s der von ihm erstellte Ablauf des Sicherheitstrainings insbesondere<br />

auch darauf basiert, <strong>das</strong>s er Trainingsanweisungen für Flugmanöver an<br />

Piloten nur dann gibt, wenn sich <strong>das</strong> Wasserrettungsboot in der verein-<br />

barten Position am See befindet, ansonsten <strong>das</strong> Training abgebrochen<br />

wird und er nie eine Anweisung an <strong>das</strong> Rettungsboot per Funk gege-<br />

ben habe den Piloten Wallner abzuholen und zugleich den Verunglück-<br />

ten Hr. Lottner zu Flugmanöver anleitete.<br />

Der Zweitangeklagte gab hingegen bei seiner Zeugeneinver-<br />

nahme vor der Polizei am 29.9.2oo8, also am Tag nach dem Vorfall (S.<br />

27 ff in ON 11) an, er habe vom Erstangeklagten eine entsprechende<br />

Anweisung bekommen und sei deshalb losgefahren. Bei seiner Einver-<br />

nahme als Zeuge in der Hauptverhandlung am 19.8.2oo9 (ON 32) schil-<br />

derte er wiederum aus eigenen Entschluß zum Landeplatz des Piloten<br />

Wallner gefahren zu sein, da es für ihn so ausgesehen hätte, als würde<br />

dieser im Wasser landen und deshalb eine Abholung notwendig sein.<br />

Als Angeklagter einvernommen blieb er wiederum dabei, vom Erstan-<br />

geklagten angewiesen worden zu sein. Dies wurde in ähnlicher Weise<br />

auch vom Zeugen Wallner geschildert, der angab, <strong>das</strong>s ihn der Erstan-<br />

geklagte während seines Fluges, als klar war, <strong>das</strong>s er den vorgesehe-


- 16 -<br />

nen Landeplatz in Obertraun nicht erreichen würde, informiert hat, er<br />

könne gegenüber diesem Landeplatz auf einem kleinen Freizeitgelände<br />

landen. Als er etwa 5o m über dem Boden war, habe ihm der Erstange-<br />

klagte mitgeteilt, er würde vom Boot abgeholt und er habe auch<br />

zugleich dem Boot eine entsprechende Anweisung gegeben (vgl. Zeuge<br />

Wallner S. 28 in ON 32). Die Zeugin Lanner wiederum gab bei ihrer<br />

Einvernahme vor der Polizei am 29.9.2oo8 (S. 1O in ON 48) an, sie<br />

(wie auch der Zweitangeklagte und Höll) hätten den gesamten Funk-<br />

verkehr des Erstangeklagten mit denPiloten mitgehört und sie seien<br />

aufgrundeiner Äußerung des Erstangeklagten gegenüber dem Piloten<br />

Wallner, <strong>das</strong> Boot würde ihn holen, losgefahren. Die Zeugin Höll wie-<br />

derum hörte selbst zwar keinen Funkspruch, gab aber in Übereinstim-<br />

mung mit dem Zweitangeklagten und der Zeugin Lanner an, <strong>das</strong>s wäh-<br />

rend der Fahrt zum Piloten Wallner und auch noch beim Wegfahren von<br />

dessen Landeplatz in Richtung Obertraun, bei dem in der Luft befindli-<br />

chen Paragleiter keine Besonderheiten, insbesondere auch kein<br />

Anhaltspunkt dafür vorhanden gewesen sei, <strong>das</strong>s sie Manöver fliegen<br />

würden, <strong>das</strong> Training also unterbrochen sei.<br />

Auch aus der vorgelegten DVD konnte letztendlich nicht die not-<br />

wendige Klarheit für eine Feststellung, ob nun eine Anweisung bei<br />

Abholung des Piloten Wallner gegeben wurde oder nicht, gewonnen<br />

werden. Eine konkrete diesbezügliche Äußerung des Erstangeklagten<br />

findet sich auf der DVD jedenfalls nicht. Auch der Startleiter Hr. Moro-<br />

cutti, der ebenfalls den gesamten Funkverkehr mithörte, konnte sich an<br />

einen Funkverkehr zwischen Erstangeklagten und Boot nicht erinnern.<br />

Insgesamt liegen jedenfalls völlig widersprüchliche Angaben vor.<br />

Lebensnah erscheint jedenfalls , <strong>das</strong>s während des Fluges des Piloten<br />

Wallner der Erstangeklagte per Funk mit diesem über die Landung<br />

sprach und auch über ein Abholen durch <strong>das</strong> Boot , da zu diesem Zeit-


- 17 -<br />

punkt ja noch unklar war, ob Wallner wirklich sicher landen würde.<br />

Während der Erstangeklagte davon ausging, <strong>das</strong>s Wallner nun sicher<br />

an Land sei und keine weiteren Maßnahmen dadurch nötig, verstand<br />

der Zweitangeklagte diese Äußerung gegenüber Wallner als Aufforde-<br />

rung den Piloten Wallner abzuholen. Dafür spricht auch, <strong>das</strong>s der<br />

Erstangeklagte den vorgesehenen Ablauf entsprechend den nachfol-<br />

genden Piloten Anweisungen für Flugmanöver gab, der Zweitange-<br />

klagte umgekehrt keine Notwendigkeit sah, über ein Verlassen seiner<br />

Position zu berichten. Letztendlich sind die Beweisergebnisse nicht<br />

geeignet im Zweifel die jeweilige Verantwortung der Beschuldigten zu<br />

widerlegen, sodaß hier keine entsprechenden Feststellungen getroffen<br />

werden konnten.<br />

Die Feststellungen zu den örtlichen Verhältnissen, sowie zu den<br />

Fahrzeiten ergaben sich aus den Ergebnissen des Lokalaugenscheins<br />

am See, bei dem die jeweiligen Wegstrecken zurückgelegt und die<br />

beanspruchte Zeit gemessen wurde (vgl. ON 49).<br />

Die Todesursache und auch die Irrelevanz der Asthmaerkrankung<br />

des Verunglückten ergibt sich aus dem medizinischen Gutachten des<br />

Sachverständigen Dr. Haberl ON 55.<br />

Zum Vorwurf, die Rettungsweste nicht ordnungsgemäß überprüft<br />

zu haben, bekannte sich der Erstangeklagte bis zuletzt nicht schuldig,<br />

wobei er überzeugt war, sich wie ein sorgfältiger und besonnener Maß-<br />

stabmensch in seiner Lage verhalten zu haben. So schilderte der<br />

Erstangeklagte ausführlich, in welcher Weise und zu welcher Zeit er<br />

die Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der Schwimmwesten vornahm<br />

und dies auch in seiner eigenserstellten Qualitätsmanagement-Verfah-<br />

rensanweisung dokumentierte. Insbesondere betonte er, <strong>das</strong>s sich aus-<br />

schließlich er für die Schwimmwesten verantwortlich fühlte und auch


- 18 -<br />

den Teilnehmern ausdrücklich untersagte, selbständig an den überge-<br />

benen Schwimmwesten zu hantieren, sie sorgfältig zu behandeln, ins-<br />

besondere nicht zu knicken und in den Schnee zu legen und im Fall von<br />

Bedenken wegen der Funktionstüchtigkeit jedenfalls den Startleiter zu<br />

kontaktieren, so<strong>das</strong>s dieser eine Überprüfung vornehmen könne.<br />

Der Erstangeklagte konnte sich die Lockerung der CO2-Patrone<br />

in der Schwimmweste nur dadurch erklären, <strong>das</strong>s sich entweder durch<br />

Kälteeinwirkung am Berg eine gewisse Lockerung ergeben hat und es<br />

leichter möglich war, <strong>das</strong>s durch eine äußere Einwirkung durch Bewe-<br />

gung, insbesondere durch <strong>das</strong> Eintwisten, wobei es zu mehreren<br />

Umdrehungen kommt, sich die Patrone dann gelockert hat. Davon,<br />

<strong>das</strong>s der Verunglückte an dem Mechanismus herumhantiert hat, ging<br />

selbst der Erstangeklagte nicht aus und es haben sich dafür auch kei-<br />

nerlei Anhaltspunkte im Beweisverfahren ergeben. Die vom Erstange-<br />

klagten zur Sprache gebrachten Ursachen konnten aber letztendlich<br />

durch <strong>das</strong> ausführliche und nachvollziehbare und in der Hauptverhand-<br />

lung ergänzte Gutachten des Sachverständigen Andreas Pacher, sowie<br />

die Aussagen des Zeugen Grabner ausgeschlossen werden. So hat der<br />

Sachverständige schon in seinem schriftlichen Gutachten (ON 8) nach-<br />

vollziehbar und schlüssig dargelegt, <strong>das</strong>s eine Lockerung der CO2-Pa-<br />

trone durch Kälteeinwirkung und Reibung von Weste od. Gurtzeug tech-<br />

nisch unwahrscheinlich ist. Der Sachverständige hat einen entspre-<br />

chenden Test durchgeführt und die Rettungsweste auch einer Tempera-<br />

tur von -15 Grad ausgesetzt und in diesem kalten Zustand Bewe-<br />

gungsübungen wie Gehen, Laufen und Oberkörperbewegungen ausge-<br />

führt, dabei hat sich die zuvor ordnungsgemäß montierte CO2-Patrone<br />

nicht im geringsten gelockert (vgl. Gutachten ON 8, Sachverständiger<br />

S 9 in ON 38). Eine andere Ursache für die Lockerung, als die vom<br />

Angeklagten selbst aufgezeigten und vom Sachverständigen ausführ-<br />

lich und nachvollziehbar widerlegten, hat <strong>das</strong> Beweisverfahren nicht


- 19 -<br />

ergeben. Dass die Schwimmweste grundsätzlich voll funktionstüchtig<br />

war, ergibt sich ebenfalls aus dem Gutachten des Sachverständigen.<br />

Dass sich der Erstangeklagte über die Bedeutung des festen Sit-<br />

zes dieser Patrone bewusst war, ergibt sich aus seinen eigenen Anga-<br />

ben, da er ja, wie schon ausgeführt, besonderen Wert darauf legte,<br />

<strong>das</strong>s niemand anderer an der Schwimmweste hantierte, um eben<br />

gerade die Funktionstüchtigkeit sicherzustellen und sich auch aus-<br />

schließlich für den festen Sitz der Patrone und die Funktionstüchtigkeit<br />

der Weste insgesamt verantwortlich fühlte. Die Feststellungen zum Ver-<br />

halten eines mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen beson-<br />

nen und einsichtigen Menschen stützen sich letztlich auf die Ausführun-<br />

gen des Sachverständigen, sowie die allgemeine Lebenserfahrung. Es<br />

ist davon auszugehen, <strong>das</strong>s ein mit den rechtlichen Werten verbun-<br />

dener besonnener und vorsichtiger Mensch in der Situation des Ange-<br />

klagten noch zusätzliche Maßnahmen als die vom Erstangeklagten<br />

angewendete eingespielte Handbewegung zur Überprüfung des festen<br />

Sitzes der CO2-Patrone gemacht hätte. Dies auch im Hinblick darauf,<br />

<strong>das</strong>s er den Kursteilnehmern gegenüber ausdrücklich darauf hinwies,<br />

<strong>das</strong>s er allein für die Funktionstüchtigkeit der Schwimmweste verant-<br />

wortlich sei, ihnen auch ein eigenmächtiges Hantieren untersagte und<br />

damit auch eine besondere Vertrauensposition gegenüber den Piloten<br />

einnahm. Dem Erstangeklagten war bewusst, <strong>das</strong>s sich aufgrund seiner<br />

eigenen Angaben und Anweisungen die Piloten und so auch der Ver-<br />

unglückte Hr. Lottner vollständig darauf verlassen mussten, <strong>das</strong>s er die<br />

Funktionstüchtigkeit der Schwimmweste ausreichend kontrolliert und<br />

abgesichert hat.<br />

Dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens<br />

aus dem Fachgebiet desParagleiterflugsports zur Beurteilung von Orga-<br />

nisation, Ablauf und Durchführung des Trainings war nicht zu entspre-


- 20 -<br />

chen, da sich dadurch keine entscheidungswesentlichen Erkenntnisse<br />

mehr gewinnen lassen.<br />

teilung:<br />

Der festgestellte Sachverhalt führt zu folgender rechtlicher Beur-<br />

Dem Erstangeklagten wurde von der Staatsanwaltschaft Wels<br />

<strong>das</strong> Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 8o StGB zur Last gelegt.<br />

Gem. § 6 Abs. 1StGB handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht<br />

läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geisti-<br />

gen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten<br />

ist und er deshalb nicht erkennt, <strong>das</strong>s er einen Sachverhalt verwirkli-<br />

chen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig han-<br />

delt auch, wer es für möglich hält, <strong>das</strong>s er einen solchen Sachverhalt<br />

verwirklicht, ihn aber nicht herbeiführen will (§ 6 Abs. 2 StGB ). Fahrläs-<br />

sigkeit setzt sohin ein objektiv- und subjektivsorgfaltswidriges Verhalten,<br />

die Zumutbarkeit der Sorgfaltsübung, sowie die objektive und subjektive<br />

Voraussehbarkeit des Erfolgseintritts voraus. Nach dem festgestellten<br />

Sachverhalt ist dem Erstangeklagten insofern ein objektiv sorgfaltswid-<br />

riges Verhalten anzulasten, <strong>das</strong>s er die feste Verschraubung der CO2-<br />

Patrone in der Schwimmweste, die dann die Schwimmweste selbstän-<br />

dig im Fall der Auslösung des Mechanismus aufbläst, nicht ausrei-<br />

chend überprüfte. Hätte er die CO2-Patrone ausreichend fest hinein-<br />

geschraubt und den festen Sitz der Patrone entsprechend überprüft, so<br />

hätte sich die Schwimmweste bei Wasserberührung aufgeblasen und<br />

dafür gesorgt, <strong>das</strong>s der Kopf des Verunfallten über Wasser bleibt und<br />

ein Ertrinken nicht geschehen kann.<br />

Anhaltspunkte dafür, <strong>das</strong>s der Erstangeklagte nach seinen inte-<br />

lektuellen und körperlichen Fähigkeiten den objektiven Sorgfaltsanfor-


- 21 -<br />

derungen nicht nachkommen hätte können, bzw. ihm die Einhaltung<br />

der objektiv gebotenen Sorgfalt unzumutbar gewesen wäre, liegen nicht<br />

vor. Der Erstangeklagte hat besonders mit dem Einsatz einer ohn-<br />

machtssicheren Weste für sein Paragleitersicherheitstraining geworben,<br />

auch im Verfahren immer wieder betont, <strong>das</strong>s ausschließlich er sich für<br />

die Funktionstüchtigkeit der Weste verantwortlich sah. Nach den Fest-<br />

stellungen konnte eine Lockerung der Patrone, insbesondere durch<br />

Kälteeinwirkung aber auch durch Reibung von außen nicht gesche-<br />

hen. Es war daher ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, <strong>das</strong>s<br />

die Patrone fest eingeschraubt ist. Dies ist dann durch ein Öffnen der<br />

Schutzhüllen und Freiliegen der CO2-Patrone zur Überprüfung des fes-<br />

ten Sitzes zu gewährleisten.<br />

Der Ertrinkungstod des Verunglückten Hr. Lottner ist dadurch<br />

verursacht, <strong>das</strong>s sich die Schwimmweste nicht aufblies und er mit<br />

dem Kopf nicht aus dem Wasser gehoben wurde. Dass bei Nichtfunk-<br />

tionieren des Mechanismus bei einem ohnmächtigen Piloten bei der<br />

Wasserlandung es zu einem Ertrinken kommen kann, war jedenfalls<br />

auch für den Angeklagten vorhersehbar.<br />

zuwerfen.<br />

Ein weiteres strafrechtlich relevantes Verhalten ist ihm nicht vor-<br />

Dem Erstangeklagten ist somit <strong>das</strong> Vergehen der fahrlässigen<br />

Tötung nach § 8o StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht zur Last<br />

zu legen, welches mit einer Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr bedroht ist.<br />

Bei der Strafzumessung waren<br />

mildernd: der bisher ordentliche Lebenswandel des Ange-<br />

klagten


erschwerend: kein Umstand<br />

- 22 -<br />

Die Strafe war nach § 8o StGB auszumessen , wobei <strong>das</strong> Gericht<br />

allerdings im Sinne des § 37 Abs. 1 StGB der Ansicht ist, <strong>das</strong>s es nicht<br />

einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf, um den Täter von wei-<br />

teren strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer<br />

Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Im Hinblick auf die ange-<br />

führten Strafzumessungsgründe und die konkreten Tatumstände<br />

erscheint die verhängte Strafe von<br />

18o Tagessätzen<br />

schuldangemessen und entspricht die Höhe des Tagessatzes den Ein-<br />

kommens- und Vermögensverhältnissen des Erstangeklagten.<br />

Für eine bedingte Strafnachsicht fand sich kein Raum, insbeson-<br />

dere auch im Hinblick darauf, <strong>das</strong>s sich der Angeklagte bis zuletzt kei-<br />

nes auch noch so geringen Sorgfaltsverstoßes im Sinn einer Fahrläs-<br />

sigkeit bewusst sein wollte.<br />

Nach § 369 StPO war ein Teilbetrag zuzuerkennen, da jedenfalls<br />

zivilrechtlich ersatzfähige Forderungen der Privatbeteiligten bestehen.<br />

Die Verpflichtung zum Ersatz der Verfahrenskosten ist eine Folge<br />

des Schuldspruchs und stützt sich auf die bezogenen Gesetzesstelle.<br />

Dem Zweitangeklagten kann hingegen kein Vorwurf eines straf-<br />

rechtlich relevanten Fehlverhaltens gemacht werden. Nach den Fest-<br />

stellungen mußte die Frage offen bleiben, ob der Zweitangeklagte von<br />

sich aus die Sicherungsposition am Hallstättersee verließ, ohne sich<br />

abzumelden oder ob er von einer Anweisung ausging, sodaß gemäß §


- 23 -<br />

259 Z. 3 StPO mit einem Freispruch vorzugehen war.<br />

Bezirksgericht Bad Ischl<br />

Abt. 1, am 21.2.2o11<br />

Mag. Ruth Stüger<br />

Richterin<br />

Elektronische Ausfertigung<br />

gemäß § 79 GOG

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