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Bayreuth wird bayerisch

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ei den Begriffen. Der Begriff „Rechtsextremismus“<br />

hat sich zwar in jüngerer Zeit eingebürgert,<br />

2 <strong>wird</strong> aber auch mit<br />

unterschiedlichen Begründungen zurückgewiesen,<br />

vor allem weil er durch die Definitionsmacht<br />

und Praxis des Verfassungsschutzes<br />

zu einseitig geprägt sei oder das<br />

Problem unzulässig verharmlose, indem nur<br />

der „rechte Rand“ in den Blick genommen<br />

werde. Ähnlich geht es dem Begriff „Rechtsradikalismus“,<br />

der diese Funktion bis Anfang<br />

der 1970er Jahre hatte. Zusätze wie „neu“,<br />

„neo“ oder „modern“ sollen auf Formveränderungen<br />

im Erscheinungsbild des Rechtsextremismus<br />

aufmerksam machen, die selbst<br />

wieder kritisch inspiziert werden. 3<br />

Ohne auf einzelne Kontroversen und Forschungsfragen<br />

einzugehen, sollen nachfolgend<br />

einige der prominenten Konzepte des<br />

Feldes in ihren jeweiligen Zugängen und<br />

Leistungen für die praktische Auseinandersetzung<br />

charakterisiert werden.<br />

Dabei <strong>wird</strong> deutlich, dass dieser Pluralismus<br />

durchaus produktiv sein kann, wenn er dazu<br />

genutzt <strong>wird</strong>, den für die jeweiligen lokalen<br />

und regionalen Verhältnisse angemessenen<br />

Deutungsrahmen zu wählen. Zudem legen<br />

die unterschiedlichen Konzeptionen jeweils<br />

besondere Veränderungsschritte und Interventionsformen<br />

nahe. Auch diese Konkurrenz<br />

wirkt produktiv, wenn sie zur wechselseitigen<br />

Korrektur und zu einer nüchternen Bilanz<br />

der Ergebnisse eingesetzt <strong>wird</strong>.<br />

Rechtsextremismus<br />

Einer der einschlägigen Definitionsversuche<br />

macht deutlich, dass Rechtsextremismus ein<br />

kompliziertes Phänomen darstellt:<br />

„Unter ‚Rechtsextremismus‘ verstehen wir<br />

die Gesamtheit von Einstellungen, Verhaltensweisen<br />

und Aktionen, organisiert oder<br />

nicht, die von der rassisch oder ethnisch bedingten<br />

sozialen Ungleichheit der Menschen<br />

ausgehen, nach ethnischer Homogenität von<br />

Völkern verlangen und das Gleichheits-gebot<br />

der Menschenrechts-Deklarationen ablehnen,<br />

die den Vorrang der Gemeinschaft vor<br />

dem Individuum betonen, von der Unterordnung<br />

des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen<br />

und die den Wertepluralismus einer<br />

liberalen Demokratie ablehnen und Demokratisierung<br />

rückgängig machen wollen.<br />

Unter ‚Rechtsextremismus‘ verstehen wir insbesondere<br />

Zielsetzungen, die den Individualismus<br />

aufheben wollen zugunsten einer<br />

völkischen, kollektivistischen, ethnisch homogenen<br />

Gemeinschaft in einem starken Nationalstaat<br />

und in Verbindung damit den<br />

Multikulturalismus ablehnen und entschieden<br />

bekämpfen“ (Jaschke 1994: 31).<br />

Für die politische Auseinandersetzung sind<br />

vor allem zwei Merkmale des Rechtsextremis-muskonzeptes<br />

wichtig: erstens die Unterscheidung<br />

zwischen Einstellungen und<br />

Verhalten und zweitens eine differenzierte<br />

Sicht auf beide Bereiche.<br />

Rechtsextreme Einstellungen<br />

Rechtsextremismus beschreibt einerseits ein<br />

vielschichtiges Einstellungsmuster: „Der<br />

Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster,<br />

dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen<br />

darstellen.<br />

Diese äußern sich im politischen Bereich in<br />

der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen,<br />

chauvinistischen Einstellungen und<br />

einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des<br />

Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind<br />

sie gekennzeichnet durch antisemitische,<br />

fremdenfeindliche und sozialdarwinistische<br />

Einstellungen.“ 4 Diese können etwa aus<br />

Angst vor Sanktionen bzw. wegen sozialer<br />

Unerwünschtheit latent bleiben oder sich in<br />

einer breiten Palette von Verhaltensweisen<br />

ausdrücken, die von Gewalt und Terror, einer<br />

Protest- und Provokationspraxis von Bewegungen<br />

über jugendlich geprägte Szenen<br />

und Erlebniswelten, diskriminierende Alltagspraxis<br />

bis zur Mitgliedschaft in rechtsextremen<br />

Organisationen und Parteien sowie<br />

deren Wahl reicht (vgl. Stöss 2007: 27).<br />

In der Rechtsextremismusforschung herrscht<br />

Konsens darüber, dass entsprechende Einstellungen<br />

wesentlich verbreiteter sind als<br />

rechtsextremes Verhalten – und bestimmte<br />

Verhaltensweisen, wie z.B. die Mitgliedschaft<br />

in einer rechtsextremen Partei, wesentlich<br />

seltener sind als andere niedrigschwellige<br />

Formen, wie etwa die Beteiligung an einschlägigen<br />

Demonstrationen oder das Tragen<br />

von Szene-Symbolen. Immerhin stellen Einstellungen<br />

ein vergleichsweise dauerhaftes<br />

Potenzial von Rechtsextremismus dar, das<br />

unter günstigen Bedingungen für entsprechende<br />

Aktionen mobilisiert werden kann. 5<br />

Da Einstellungen ein mehr oder weniger verfügbares<br />

und ausgeprägtes kognitives Element<br />

enthalten, richtet sich ein Großteil der<br />

pädagogischen Anstrengungen zu Recht darauf,<br />

Einstellungsänderungen durch Argumente<br />

und Wissen zu erzielen. Gleichzeitig<br />

sind Einstellungen aber eng mit Selbstkonzepten<br />

und Emotionen (Bindungen, Sympathien/Antipathien,<br />

Wut etc.) verbunden, die<br />

rein kognitive Angebote gewöhnlich nicht erreichen.<br />

Rechtsextreme Deutungen betonen<br />

in der Regel starke Gefühle (Wut, Aggressionen,<br />

Gemeinschaft etc.) und verbinden diese<br />

mit diversen Aufwertungsangeboten („na-<br />

türliche“ Überlegenheit der eigenen Nation,<br />

übersteigerte Männlichkeit, polare Geschlechterrollen<br />

etc.).<br />

Die Anforderungen an pädagogische Formate<br />

werden umso größer, je festgefügter<br />

die Einstellungen sind und je mehr kognitiv<br />

nicht erreichbare Anteile sie enthalten. Hier<br />

liegen die besonderen Herausforderungen<br />

für die sozialpädagogische Arbeit mit rechtsextrem<br />

orientierten Jugendlichen. Es braucht<br />

Angebote, die das Lebensgefühl der Jugendlichen<br />

erreichen, ihre Deutungen aufgreifen,<br />

alternative Sichtweisen und Erlebniswelten<br />

eröffnen und trotzdem Anerkennung vermitteln<br />

(vgl. Jäger 2003).<br />

Der „Kampf um die Köpfe“ ist zwar notwendig,<br />

aber er sollte mit bescheidenen Erwartungen<br />

verbunden werden, weil er mit früh<br />

erworbenen Einstellungsmustern rechnen<br />

muss, die nur schwer verändert werden können.<br />

Häufig sind Veränderungen nur – wie<br />

z.B. die Forschung zu Aussteigern zeigt (vgl.<br />

Rommelspacher 2006) – auf dem Weg über<br />

einschneidende lebensweltliche Verunsicherungen,<br />

Gegenerfahrungen, persönliche Krisen<br />

und lebbare Alternativen möglich.<br />

Zudem gehen Aufklärungsangebote meistens<br />

gerade an jenen bildungsfernen und sozial<br />

schlechter gestellten Gruppen vorbei, die<br />

am stärksten auf rechtsextreme Parolen reagieren.<br />

Jede der Einstellungsdimensionen des<br />

Rechtsextremismus existiert auch unabhängig<br />

von den anderen und verdient besondere<br />

Aufmerksamkeit. Die erheblichen Unterschiede<br />

in der Befürwortung einzelner Einstellungsdimensionen<br />

erinnern nicht nur<br />

daran, dass z.B. die breit vorhandene Fremdenfeindlichkeit<br />

nicht mit rechtsextremer<br />

Einstellung gleichzusetzen ist, sondern verdeutlichen<br />

auch, wie sinnvoll es ist – gleichsam<br />

präventiv – solche Einstellungsmuster<br />

aufzugreifen, bevor sie sich zu einem rechtsextremen<br />

Weltbild verdichten. In der deutschen<br />

und mehr noch in der internationalen<br />

Debatte finden sich Stimmen, die mit guten<br />

Argumenten vorschlagen, den Terminus<br />

„Fremdenfeindlichkeit“ differenzierter zu benutzen<br />

und davon „Partikularismus“ im<br />

Sinne der Bevorzugung der eigenen Gruppe 6<br />

und Vorbehalte gegen mehr Zuwanderung<br />

(immigration scepticism) auf der einen Seite<br />

und Rassismus auf der anderen zu unterscheiden.<br />

7<br />

Mit den Einstellungsdaten werden auch Bevölkerungsgruppen<br />

sichtbar, die etwa bei<br />

rechtsextremen Gewalttaten kaum vertreten<br />

sind. Junge Frauen und die ältere Generation<br />

insgesamt neigen sehr viel stärker zu rechtsextremen<br />

Einstellungen, 8 als ihre geringe<br />

Präsenz in den Zielgruppen von Programmen<br />

DAS BEHÖRDENMAGAZIN Februar/2012 7

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