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DER GLASENWEIHER - Jean-Paul-Verein Bayreuth

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16 Der Glasenweiher KURIER URIER � Ausgabe Winter 2009 / 2010<br />

Dies & Das / Die Kurzgeschichte<br />

� Bello: eine Wunschgeschichte<br />

Als Frau Schmitz, die das Schicksal aus<br />

einer Großstadt im Westen des Landes<br />

in die kleine Stadt B. versetzt hatte, gefragt<br />

wurde, was sie sich zu Weihnachten<br />

wünsche, erwiderte sie entschieden: „Einen<br />

Hund!“<br />

„Einen Hund? Was für einen denn?“, fragte<br />

abermals ihr Enkel aus der Großstadt im<br />

Westen, der sie zweimal im Jahr in ihrer<br />

Altersresidenz besuchen kam.<br />

„Einen großen, starken. Kein Spielzeug für<br />

alte Damen. Schwarz, zottiges Fell. Lieb<br />

muss er sein!“<br />

„Aha, ich verstehe.“, murmelte der Enkel<br />

nachdenklich. „Du suchst einen Gefährten,<br />

einen Begleiter, der Dich spazieren führt,<br />

der auf Dich aufpasst, der Dich beschützt.<br />

Das ist gut.“<br />

„Du hast mich verstanden, lieber Joachim.<br />

Du bist ein guter Junge. Ich bin ja so allein.“,<br />

seufzte die 90-Jährige.„Mal sehen,<br />

was sich machen lässt. Ich werde im Tierheim<br />

nachfragen. Die haben so alte, von ihren<br />

Vorbesitzern hinterlassene Hunde, die<br />

da ihr Gnadenbrot zu fressen kriegen. Sind<br />

froh, wenn sie die Viecher loskriegen. Kostet<br />

nichts.“<br />

„In welchem Tierheim wirst Du meinen<br />

Hund besorgen?“ wollt die alte Dame wissen.<br />

„Zuhause natürlich. Das Tierasyl hier<br />

in B. kenne ich nicht. Wer weiß, wo das ist.<br />

Bis bald, Omi!“, verabschiedete sich Joachim,<br />

wohl wissend, dass er vor Weihnachten<br />

nicht mehr zu Besuch kommen werde.<br />

„Gute Fahrt, Junge. Pass auf Dich auf!“ –<br />

Marianne lehnte sich in ihrem Rollstuhl zurück.<br />

Mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln<br />

in den Mundwinkeln schlief sie ein.<br />

Schwester Olga schob sie aus dem Besucherraum<br />

in ihr Zimmer zurück.<br />

Was für ein prächtiger Kerl, dieser Bello!<br />

Er hatte es sich auf dem Bettvorleger vor<br />

Mariannes stufenlos verstellbarem Krankenbett<br />

bequem gemacht. Ihr rechter Arm,<br />

den sie über die Bettkante hängen ließ,<br />

reichte aus, um den Kopf des Hundes mit<br />

der Hand zu kraulen.<br />

„Wollen wir Gassi gehen?“ fragte sie vorsichtig,<br />

beinahe zärtlich. – Er sprang<br />

schwanzwedelnd auf, bellte dreimal laut<br />

(mehr war ihm verboten), allen Heimbewohnern<br />

verkündend: „Hier bin ich, Euer<br />

Bello“.<br />

Schwester Olga hatte verstanden. Sie kam,<br />

half der halbseitig Gelähmten aus dem Bett<br />

und in den Rollstuhl. Dann legte sie dem<br />

Hund, der auch ihr Liebling war, das Zuggeschirr<br />

um und spannte ihn vor das Gefährt.<br />

Aus dem ebenerdig gelegenen Zimmer,<br />

durch die weit geöffnete Terrassentüre<br />

ging die Fahrt hinaus, hinweg über den gepflegten<br />

Rasen des Heimes, hinaus in das<br />

Wegegewirr des benachbarten Parks.<br />

Am Hainweiher, der von vielerlei Geflügel<br />

besiedelt war, hielt Bello an. Er wusste,<br />

dass Marianne die Enten und das Schwanenpaar<br />

füttern wollte. Die stets in der Nähe<br />

des von den Heimbewohnern bevorzugten<br />

Futterplatzes sich aufhaltenden Stockenten<br />

waren als erste zur Stelle. Sie waren<br />

weit in der Überzahl und erreichten, dass<br />

die viel kleineren Tauchenten respektvoll<br />

Abstand wahrten. Besonders rücksichtslos<br />

verhielten sich einige ältere Erpel, die<br />

selbst ihren Damen das Futter nicht gönnen<br />

wollten. Dreien oder vieren der zur Seite<br />

Gedrängten gelang es, das Ufer zu erklimmen<br />

und sich dem Rollstuhl zu nähern. Mit<br />

der Rechten suchte Marianne nach dem

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