1 0 0 J a h r e 1900 – 2000 - Kirchenchor Sta. Maria Ebikon
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Visionen eines Kirchenmusikers<br />
26 Chor Santa <strong>Maria</strong><br />
Als hauptverantwortlichem Kirchenmusiker<br />
stellen sich mir heute in einer<br />
Pfarrei ganz andere Aufgaben als<br />
während der Zeiten des Studiums.<br />
Damals lernte man eine Vielfalt an<br />
klassisch-kirchenmusikalischer Vokal-<br />
und Orgelliteratur kennen und auch,<br />
wie und wo man diese Kompositionen<br />
gefälligst einzusetzen hätte…<br />
Nach mehr oder weniger Absprachen<br />
mit Pfarrer, Organistin und <strong>Kirchenchor</strong><br />
wurde kunstvolle Gottesdienstmusik<br />
geschmiedet, die die Gewölbe unserer<br />
prächtigen Luzerner Kirchen mit Wohlklang<br />
füllten, oft aber nur da und dort<br />
ein Christenherz wirklich zu erwärmen<br />
vermochten! Wieso kamen die<br />
Rezepte unserer Ausbildungsstätten<br />
nicht einfach bei allen an? Ich merkte<br />
schnell, dass ich mich als Kirchenmusiker<br />
von heute nicht mehr auf Erlerntes<br />
von gestern verlassen durfte, vor allem<br />
auf Musikstile und das Berufsbild des<br />
Kirchenmusikers... Wie stehts mit der<br />
Zukunft?<br />
Wenn sich der Kirchenmusiker heute<br />
nicht schleunigst mit Rock-, Jazz-, Pop-,<br />
House-Musik oder gar New Age<br />
beschäftigt, wird er die junge Generation<br />
schon morgen musikalisch nicht<br />
mehr ansprechen können. Wenn er<br />
heute nicht kritisch die Vorlieben,<br />
Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten<br />
seiner Zielgruppen sucht, so<br />
wird er morgen bald nur noch Musiker<br />
im stillen Kämmerlein sein. Wenn er<br />
jetzt nicht sofort sämtliche Register<br />
seiner inneren Fähigkeiten wie Menschenkenntnis<br />
und -verständnis, Einfühlungsvermögen,<br />
soziale Kompetenz,<br />
innerliches Zurücktreten etc.<br />
zu ziehen versteht, wird ihn morgen<br />
keiner mehr richtig ernst nehmen. Und<br />
ist er in Sachen Top-Management,<br />
EDV-Kenntnissen, Mitarbeiterbetreuung<br />
und Konfliktbewältigung nicht schon<br />
längstens «up to date», so wird er den<br />
Millenniums-Wechsel bestimmt nicht<br />
überleben.<br />
«Nun denn», werden Sie sich fragen,<br />
«was hat das alles noch mit Musik<br />
oder gar Kirchenmusik zu tun?».<br />
«Das ist Kirchenmusik der Zukunft»,<br />
müsste ich Ihnen antworten. «Das ist<br />
sogar mehr als bloss Musik», müsste<br />
ich ergänzen. «Das wäre ein komplexes,<br />
harmonisches, vielfältiges und<br />
kreatives Zusammenspiel mit allen<br />
Beteiligten einer Gemeinde: von den<br />
Kindern über die Eltern, die Vokal- und<br />
Instrumentalgruppen, das Pfarreiteam,<br />
die Organistinnen und Laienmusiker<br />
bis hin zu den Ältesten der Gemeinde».<br />
Nun strömen sie vielleicht gar von<br />
auswärts zum «Sonntags-Treff», der<br />
alle Formen christlichen Zusammen-<br />
kommens beinhaltet, nicht nur Gottesdienst,<br />
Andacht, Bussfeier oder Konzert.<br />
Und dann würde Musik gemacht,<br />
gesungen, getanzt, gefeiert, immer so,<br />
dass sich ein Teil der Anwesenden stets<br />
direkt angesprochen und beheimatet<br />
fühlt. Und die andere Hälfte könnte<br />
plötzlich neue Lebens-, Ausdrucks-<br />
und Festbereiche kennenlernen, die<br />
für diesen Moment den Alltag zum<br />
Sonntag werden liessen.<br />
Würde Sie so was interessieren?<br />
«Übrigens, wenn dieses faszinierende<br />
Bild einer Zukunft der Kirchenmusik<br />
nicht wenigstens ein Quäntchen Wahrheitsgehalt<br />
hätte, so wäre ich schon<br />
lange kein Kirchenmusiker mehr»,<br />
möchte ich Ihnen unbedingt noch<br />
zurufen!<br />
Ich freue mich also, Ihnen künftig in<br />
Sachen Kirchenmusik immer wieder<br />
irgendwo begegnen zu dürfen, um<br />
Ihnen aus diesem unerschöpflichen<br />
«Pool» hie und da ein Stück Wegzehrung<br />
mitgeben zu können!<br />
Sigisbert Koller<br />
Kirchenmusiker in <strong>Ebikon</strong>