1 0 0 J a h r e 1900 – 2000 - Kirchenchor Sta. Maria Ebikon
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<strong>Kirchenchor</strong>gesang ist nicht nur Zuckerguss<br />
Ich bin mit <strong>Kirchenchor</strong>gesang aufgewachsen.<br />
Meine Eltern sangen beide<br />
begeistert im Sopran und Tenor, übten<br />
auch gelegentlich daheim. Abwechselnd<br />
nahmen sie eines der Kinder im<br />
Vorschulalter auf die Kirchenempore<br />
mit, um den Babysitter zu entlasten.<br />
Später sang ich selber in Studenten-<br />
und Kammerchören mit. Schliesslich<br />
durfte ich über Jahre den Chorgesang<br />
von Gymnasiasten leiten. Als Mitsänger<br />
ebenso wie als Chorleiter erfuhr<br />
ich buchstäblich hautnah, wie Gesang<br />
den ganzen Menschen ergreift: wie<br />
es einem mitunter kalt den Rücken<br />
«hinunterlaufen» oder den Atem<br />
vor Rührung hochgehen lässt. Wie<br />
kann Gesang das, und was sucht<br />
der Gesang im Gottesdienst? Zum<br />
Jubiläum also auch Gedanken zum<br />
<strong>Kirchenchor</strong> aus der Sicht des Liturgen,<br />
vom Altar aus.<br />
«Zur Verschönerung des Gottesdienstes<br />
hat auch der <strong>Kirchenchor</strong> beigetragen»<br />
<strong>–</strong> ein Satz, wie er gelegentlich<br />
im Pressebericht über einen Festgot-<br />
tesdienst zu finden ist. Das Wort «Verschönerung»<br />
sticht mich ebenso wie<br />
der Hinweis im gleichen Bericht, dass<br />
der <strong>Kirchenchor</strong> die Messe von W.A.<br />
Mozart «aufgeführt» hat.<br />
Was soll da weh tun? Dass mit<br />
«Verschönerung» der Chorgesang<br />
im Gottesdienst nur als Zuckerguss<br />
betrachtet, mit Aufführung hingegen<br />
fälschlich zum angeblichen Zentrum<br />
gemacht wird. Tatsächlich hat jedoch<br />
der Chorgesang seine bestimmte<br />
eigenständige Teilaufgabe: er steht im<br />
Dienst der Verkündigung, genauso wie<br />
das gesprochene Wort, wie Ritus und<br />
Geste. Gemäss Liturgiekonstitution<br />
des Zweiten Vatikanischen Konzils<br />
ist «der mit dem Wort verbundene<br />
gottesdienstliche Gesang ein notwendiger<br />
und integrierender Bestandteil<br />
der feierlichen Liturgie», also Wesensbestandteil<br />
des Gottesdienstes. Die<br />
Sängerinnen und Sänger stehen dabei<br />
auf gleicher Stufe mit anderen Diensten:<br />
«Auch die Ministranten, Lektoren<br />
und Mitglieder der Kirchenchöre<br />
vollziehen einen wahrhaft liturgischen<br />
Dienst.»<br />
Christen müssen singen!<br />
Weil Singen eine hervorragende Ausdrucksform<br />
für religiöses Suchen und<br />
Erleben ist, bleibt der Gottesdienst<br />
ohne Gesang eine verkümmerte Gottesdienstform.<br />
Musik, die in jeder<br />
Form die Tiefenschichten des Menschen<br />
erreicht, ist im Gottesdienst ein<br />
Mittel zur Glaubensvertiefung. Singen<br />
im Gottesdienst ist geistgewirkt, ist<br />
österliche Freude über die Erlösung<br />
durch Jesus Christus. Christen müssen<br />
singen, um ihr Gottvertrauen kundzutun.<br />
Der <strong>Kirchenchor</strong> nun übernimmt den<br />
Dienst, im gemeinsamen, eingeübten<br />
und mehrstimmigen, also anders<br />
qualifizierten Gesang, diese Botschaft<br />
den Zuhörenden in die Herzen zu tragen,<br />
indem auch das Gemüthafte im<br />
Menschen angerührt wird. So kann<br />
Chorgesang mehr als das gespro-<br />
chene Wort zu tiefer Gottergriffenheit<br />
führen.<br />
Räumliche Verhältnisse zwingen den<br />
<strong>Kirchenchor</strong> da und dort auf Distanz<br />
zum Geschehen im Altarraum. So<br />
könnte er leicht als «Hintergrundmusik»<br />
empfunden werden, wie sie in<br />
Einkaufszentren und Restaurants auf<br />
uns rieselt. Sein eigenständiger und<br />
wertvoller Beitrag zum Gottesdienst<br />
jedoch lässt Nähe und Gemeinschaft<br />
mit Sängerinnen und Sängern erfahren<br />
und verbindet alle Feiernden zur<br />
Gemeinde vor Gott und mit Gott.<br />
Für diesen Dienst sage ich dem <strong>Kirchenchor</strong><br />
von Herzen Dank. Ich gratuliere<br />
zum hundertjährigen Bestehen<br />
und freue mich, wenn der Chor Santa<br />
<strong>Maria</strong> auch künftig mit der reichen<br />
Gesangsvielfalt aus der Vergangenheit<br />
wie aus der Gegenwart unseren<br />
Glauben fördert und unsere Herzen<br />
erfreut.<br />
Peter Müller-Herger, Pfarreileiter<br />
Chor Santa <strong>Maria</strong> 5